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Sichsische «olkszeit»». Nr. 261, Seil« L Nachrichten aus Sachsen Ein bedrohtes Nnturdcukmal Mit freudiger Genugtuung werden es alle Natur- und Heimatfreunde zur Kenntnis nehmen, daß die auf Erhal tung der ursprünglichen Schönheit des Gottleubatales zwi schen Langenhennersdorf und Zwiesel gerichteten Bestre bungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz den ge wünschten Erfolg gehabt haben. Dank dem verständnis vollen Eingehen des Ministeriums des Innern und des Straßen- und Wasserbauamtcs Pirna auf die von der Gruppe Naturschutz im Laudesverein Sächsischer Heimat schutz geäußerten Wünsche wird eine neue Planung des in Aussicht genommenen Straßenbaues bearbeitet, deren Linienführung weiter vom Talrande weg vorgesehen ist. Hierdurch wird die unmittelbare Gefährdung des ursprüng lichen Charakters dieses Gebirgstales beseitigt und unserer Heimat ein unersetzliches Landschaftsbild auch für fernere Zeiten erhalten. Am 30. Oktober 1010 wurde auf Ein- ladung und unter Führung des Geheimen Negierungsrates Dr. Grahl vom Ministerium des Innern und im Beisein eines Vertreters der Amtshauptmannsct-aft Pirna die Neu baustrecke besichtigt und die vom Herrn Bau rat Künzel vom Straßen- und Wasserbauamt Pirna vorgetragenen techni schen Erläuterungen des künftigen Straßenzuges fanden volle Zustimmung l>ei den mit ihrem Vorsitzenden Professor Dr. Paul Schumann anwesenden Vertretern der Gruppe Naturschutz des Landesvcreins Sächsischer .Heimatschutz. Möge wachsamer Fürsorge für die immer mehr schwinden den ursprünglichen Landschaftsbilder auf der einen und verständnisvoller Würdigung gemeinnütziger Bestrebungen auf der anderen Seite immer ein solcher Erfolg beschie- üen sein. ^rkjsArKksMrbüljj der LsrldivirWast von .g. Schlips .<7 13.35. 597 Seit. m. 850 Abbild. Die Naturwiffen- wissenschaft d. Landwirts (Schcllenberger) 13.50. Der Landwirtschasts- lehrling 9.10. Landwirtschastl. Sünden 9.10. Landwirtschaft!. Na » f. Frauen 4.50. Landwirtschastl. Buchiührung 5. Die Selbstversorgung d. Landsrau 2.65. Landwirtschastl. Obst- und (Scmüseverwertung 4.50. Landkvchbuch 5.55. Kartosselküche 2.20. Magermilchkäserei 2.25. Die Hausschlachtung 3. Der Haustierarzt 4.40. Landwirtschaft!. Tierheil kunde 24.20. Der Veterinärgehilfe 4. Ticrzuchtlehre 7. Rindviehzucht 30.25. Fütterungslehre 4 50. Futterrationcn 3. Ernährung d. Rindes 2. Pferdezucht 29. Behandlung deS Pferdes 4.25. Pserdesütterung 1.65. Pferdekolik 4. Schweinezucht 4.85. Schweinefütterung 2.65. Schaf zucht 3. Hundebuch 4. Der Biehstall 4.85. Dreschmaschinen 15.60. Motorpflüge 9.90. Unkrautbekämpfung 2.65. Düngerlehre 4.75. Um wälzung von Fruchtfolgen 13.20. Einträgl. Feldgemüsebau 4.65. Tabak- bau und Tabakkunde 21.80. Kaninchenzucht 3.60. Ziegenzucht 3.60. Geflügelzucht 5. Hühnerzucht 2.20. Entenzucht 2.20. Gänsezucht 2 20. Taubenzucht 2.20. Geflügelställe 4.85. Bienenzucht 5. Bienenhonig und Ersatzmittel 3.30. Die Müllerei 9.60. Die Kartoffel- u. Getreide- brennerei 10.25. Kraltfuttermittel 11.25. Milch» u. Pkolkereiprodukte 5.60. Milchuntersuchungen 7.95. Rübenbrennerei 5.30. Rübenzucker- fabrtkation 7.95. Sssigsabrikation 9.60. Mostrichsabrtkation 5.30. Stärke fabrikation 5.30. Stärkezuckersabrikation 9.60. Malzfabrikation 7 95. Brotbereitung 9.60. Gemüsekonservenfabrikation 5.30. Fleisch-, Schinkcn- u. Wurstkonservenfabrikation 4. Obstweinbereitung u. Obst- u. Beeren branntweinbrennerei 7.30. Konservierungsmittel 4.65. Torfverwertung u. Torfdestillation 9.60. Ungeziefervcrtilgung 7.90. Löttner» 6»tte»- bucft «ür AnlSnger 11. Gr. Gärtnerbuch 30. Prakt. Gartenbuch 7.50. Gartenkunst 8.50. Gartenentwürfe 4.95. Gartenkulturen, die Geld «in bringen 11. Der Hausgarten 3. Der Zimmergärtner 2.20. Obstbau 13.75. Das Buschobst 3.80. Prakt. Erdbeerkultur 3.85. Das Obst- u. Gemüsegut 3.85. Einträgl. Gemüsebau 9.70. Gemüsesamenbau 8.25. Prakt. Gemüsegärtnerei 8.80. 6000 Rezepte zu Handelsartikeln 16. Richtig Deutsch 6.60. Mir oder Mich? 2. Rechtschreibung Duden 7.15. BüchmannS Geflügelte Worte 8.80. Taschenbuch des allgem. Wissens 4.40. Gedichtsammlung 5. Anekdotenbuch 3. Aulsatzschulc 6.60. Fremd wörterbuch 6.60. Rechtsformularbuch 6.60. Englisch 6.60. Französisch 6.60. Spanisch 6.60. Polnisch 6.60. Buchführung 6.60. Bankwesen 6.60. Geschäfts, u. Privatbriefsteller 6.60. Schönschreibschule 4.40. Bürg. Gesetzbuch 6.60. Guter Ton und seine Sitte 6.35. Mod. Tanz lehrbuch 4.50. Die Gabe der gewandten Unterhaltung 3.20. Klavier album moderner Tänze 12.10. Nur gegen Nscdnadme L. Zedivarr » e». Serll» 68 ,«g, rinnenstr. 24. Aus Dresden —* Kartoffelversorgung. Das städtische Lehensmittel amt veröffentlicht in dieser Nummer unserer Zeitung eine Bekanntmachung über den Verkehr mit Kartoffeln aus der Ernte 1919. Hiernach wird auf Grund der bereits ver öffentlichten Verordnung des Wirtschaftsministeriums be stimmt, daß die auf Landes-Kartoffel-Karte bezogenen Kar- toffeln vom 23. November 1919 ab nur in Höhe von 7 Pfund (statt bisher zeitweise 9 Pfund), von Kindern im 1. bis 4. Lebensjahre nur in Höhe von 6 Pfund (statt bisher zeit weise 7 Pfund) je Kopf und Woche verbraucht werden dür- fen. Dementsprechend erfahren die Laufzeiten der ein- zelnen Abschnitte der Landes-Kartoffel-Karte eine ent- sprechende Verlängerung. Da für die Stadt Dresden über dies in Abweichung von der Verordnung des WirtschaftS-- ministeriums, um der Dresdner Bevölkevuug die Beschif- fung der Winterkartoffeln zu erleichtern, bestimmt worden ist, daß die auf Landes-Kartoffel-Karte bezogenen Kar toffeln erst für die Zeit ab 23. November 1919 (statt 2. No vember 1919) bestimmt sind, ergibt sich gegenüber den vom Ministerium bekanntgcgebenen Laufzeiten der einzelnen Abschnitte der Landes-Kartoffel-Karte für Dresden je ein um 3 Wochen weiter hinausgeschobener Endtermin. Die hier nach in Dresden geltenden Endtermine sind aus der Be kanntmachung zu entnehmen, daß beim Bezug von Karton sein auf Landes-Kartoffel-Karte neben dem. gesetzlichen Höchst preis von 7,70 M. für den Zentner und der bereits festge setzten Schnelligkeitsprämie von 70 Pf. und der Anfuhr- Prämie von 6 Pf. für jeden angefangenen Kilometer bis zum Höchstbetrag von 27 Pf. in der Zeit vom 3. November bis 17. Dezember 1919 eine besondere Schnelligkeits-Prämie von 2 M. gezahlt werden darf. Die neuen Wockxm-Kar toffel-Karten werden in Verbindung mit der nächsten .Hanptausgabe der Lebensmittelkarten ans die Zeit vom 23. November 1919 bis 21. Februar 1920 — 13 Wochen ausgegeben. Ein Anrecht ans diese Wochen-Kartoffel-Kar- ten haben nur diejenigen Personen, die auf den Per- sorgungszeitraum des Abschnittes der Landes-Karwsse!- Karte mit Kartoffeln nicht eingedcckt sind. Ge«ei»-v- mr- Bsreimkirachrlchte« 8 Zschachwitz. Da» Kath»l. Kasino für Zschachwitz und Um«e bring hat seine dritte Mitgliederversammlung hinter sich. Jede der Tagungen «ar ein Erfolg des religiösen Gemeinsinus. jede Zusammenkunft verstärkte nnsece Reihen, so daß sich unsere Mitgücderu z«hl von 8S auf 60 erhöht hat. Darüber und über alle» das. was die rührige Leitung tut, herrscht Freude «nd Begeisterung. Üeiner fehlt, der einmnl den Weg zu uns gefunden, ein Umstand, der die kaum gelöste, schwierige Lokalfrage wieder aufzurollen droht; denn schon muß daran gedacht werde», die für den 28. Dezember geplante Weihnachtsfeier, die in schlichter, schöner Weise begangen wer den soll, in einen größeren Rau« zu verlege», als er uns im Vcr- einslokale „Restaurant zur K-»igSallec* zur Verfügung steht. Die Sabcntafcl wird, wenn auch in bescheidener Weise, alle Kinder der Mitglieder bedenke». Die dafür eröffnete WeihnachtSspcnden Samm !»ng hat »nS i« ersten Anlauf bereits 178 Mk 70 Vf. in den Lchoh geschüttet. Festgeligt ist nun, daß wir regelmäßig jeden 2. Sonntag im Monate zusammenkowmen; danebe» soll möglichst »ft der Freitag vor de« 4. S„ntage deS MvnatS als Vortragsabend gelten. Die Reihe der Sorträge eröffnete bei »n» a« letzten Sonntage Herr Ober lehrer KlLß, der über das UebergangSschulgesetz und seine Veden tung für die Konfessionsschule »nd über Slternrtte sprach. Für semr Anregungen sei th« auch hier herzlich gedankt. — Herr Kaplan Erdtel Überbrichte zur allgemeine» Fre»de »nser« junge» Verein die Srüße »nd Wünsche de» hochwstea. Oberhirte», er warb für die »Sächsische Lolk»,eitung", den Benno - Salender und den Pr-sic- L rein. Das Kathol. Kasino beabsichtigt, korporative» Mitglied deS Preffe-Bcrein» z» werden. — I» die reichhaltige Tagesordnung brachten musikalisch, U»rträge willkommene Ab»echs,l»ng- Kunst, Wissenschaft und Vorträge tz Dre»dew. I« Rahme« der 24 volkstümlichen Sonn- «bendvorträge i« HauSfranenbnndsaale sprach Dr. «ed. von Kü,eichen-Blaiewttz üder »Gesundheit und Sittltchkeii'. Da die unversöhnlich rachgierigen Fei»de ur.S fast alles genommni, tlieb, als Rationalreichtum «ur nach der Bode» »nd die Bolts- gesundheit. Die Bolk»»es»ndhcit setze sich aber an» der Gesundhell dir einzelne« lvalkggenosse» z»samm„. Dies« z» erhalt»», sei »chr als je früher sittlich« Pflicht Besonder» erärtert« R«d«er dir Ver werflichkeit der ne» degi«»e»de» Prvpaganda für die verschiede»?» StrnngSgewerd«. E» läg« hier a»,enschcinlich «i« Uersuch de« Alko holkapital» vor, da» in Amerika verlorene Terrain in Dcntschland g» kompensiere». Jeder aufrichtige Patriot hätte di» Pflicht, gerade jetzt ei» gute» Beispiel zu sein. Einen zweite» kleine» Bartrag im- provisirte Dr. »en Sügelgc» a»f mehrfachen Wu»sch a»S der Zu hörerschaft über die Grundbegriffe »er Bodenrefor». Mittwoch Len 12. November 1919 »olitftchen Lage außerhalb des Parlaments Loch nicht so ge würdigt werden, als es nötig tväre. Man muß selbst Zeuge dieser umfassenden Betätigung des Parlaments in allen seinen Sparten gewesen sein, um das große Maß von Arbeitslast beurteilen zu können, das Tag für Tag in schier ununterbrochener Folge, vom frühen Morgen bis >n ocn späten Abend hinein bewältigt werden mußte. Wem. diele Würdimmg der Dinge beim Streit der Meinungen im Lande — ob mit mehr oder minderem Recht, sei in di?'em Augenblick o ihingestellt — nicht immer Platz zrestt, w liegt das znw Wesentlichen auch daran, daß man sich viel- fach immer noch nicht genügend Rechenschaft darüber gibt, wie wir eigemllch stehen. Die Nationalversammlung, im großen und ganze? genonrmen, hat sicherlich das Bestreben gezeigt, oie unge- neuerlichste Umwälzung, die unser Land jemals betroffen hat, wieder einem ruhigen und geordneten Zustande zurück- znfiihren. Man wird auch nicht abstreiten könysn. daß diew ichwere Arbeit ton einem guten Erfolge begleitet war, trotzdem eine wahnwitzige Auspeitschung Ws Masten äußerst links die 'ogcnannte revolutionäre Fortentwicklung nach russischen! Muster betrieb. Das war. durchaus nicht leicht, denn die Kräfte, die äußerst links stehen, sind nickst zu unter- 'chätzen. DaS Schicksal des Parlaments uW damit auch des ganzen deutschen Volkes stand mehr wie einmal auf des Messers Schneide. Auch noch in den letzten Wochen, ja selbst Tagen! Und niemand kann heute schon sagen, was wir alles noch auf uns nehmen müssen, bis wir die nächste Maiensonne begrüßen. Die revolutionäre Gärung der Geister ist noch lange nickst beschwichtigt. Und trotz allem Häßlichem, was die lebten Sitznngstage der Nationalver sammlung auch noch brachten, es war doch ein versöhnender Ansklang, als der deutschnationale Abgeordnete Mumm auf das gemeinsame Ziel hinwies, das uns trotz aller Meinungsverschiedenheiten vorfinden muß: Rettnngdes Vaterlandes! Darauf kommt es in der Tat an! Wir haben jetzt wieder einen einigermaßen geordneten Haushalt, der frei lich in seinen Milliardenziffern alles hinter sich läßt, was wir jemals aus uns nehmen mußten. Wenn die Nationalver sammlung nun nach knapp vierzehntätiger Atempause wie der zusammentritt. wird sie sich mit den Finanzfragen be schäftigen müssen. Hier bleibt eine Arbeit zu tun übrig, die von geradezu ungeheuerlicher Größe ist. Die Not unseres Landes ist groß! Sie zu mildern und ihren schweren Wir kungen nach innen und außen zu entgehen, werden wir nur dann imstande sein, wenn tatsächlich die Parole: Ret tung des Vaterlandes! Gemeingut der Nation wird, und wenn sich demgemäß auch alle, die sich nicht wie die Unab hängigen von selbst von der Gemeinschaft der Deutschen »usschließen, in nationaler Opferwilligkeit zusammenstehen. Ler Zentralverband deutscher Kriegs beschädigter «nd Kriegshinterbliebener, Reichsgeschäftsstelle Berlin 6, Luisenstraße 31 7, ent faltet eine rege sozialpolitische Tätigkeit. Er nimmt im Reichsaussch-uß und in dessen Unterausschüssen an der Vor bereitung aller wichtigeren gesetzgeberischen Maßnahmen hervorragenden Anteil. Den Zentralbehörden dient er in zahlreichen Fällen mit wertvollen Anregungen. Erst kürz lich hat der Zentralverband beim Reick>Lpostministerium er- wirkt, daß künftig allen Kriegsbeschädigten und .(Kriegs hinterbliebenen die Rente auf Antrag allmonatlich ins Haus gebracht wird. Ferner hat vor einigen Tagen das preußische Landwirtschaftsministerium angeordnct, daß auf Anregung des Zentralverbandcs bedürftigen Kriegsbeschä digten und Kriegshinterbliebenen Brennholz aus fiskalischen Forsten zu zwei Dritteln des für Minderbemittelte festge setzten Taxpreisen überlasten weiden soll nsw. Der Zen tralverband ist parteipolitisch neutral. Ihm gehören An- lstinger aller Rickstungen an. Bolschewistische und sparta- kistische Ideen und eine Verhetzung der Kriegsbeschädigten «nd -Hinterbliebenen in diesem Sinne lehnt der Zentral- verband im wohlerwogenen Interesse seiner Mitglieder ab. ghnze Mensch wird geschmeidig. Bei jähen Wendungen kann einem freilich anfangs beinahe übel werden. Aber Anlage, Selbstvertrauen, Zeit und Gewöhnung tun viel. Im Parlament wie aus dem Apparat. Schließlich sieht das politiscl-e Spiel für den Beschauer gefährlicher ans, als es ist. Mancher sitzt bald fest und lange im Sattel. Er suhlt sich wohl in dem Betriebe. Ihm wird gar nicht übel bei all den Dingen, die den Neuling entsetzen. Er lächelt darüber. Manch anderer freilich, der von Hause aus nicht io derb organisiert ist, lernt es nie. Er sucht nach dem geistigen .Halt, er glaubt, daß vor allem Grundsätze in der Poli tik vonnöten seien. Er wird das Gefühl des Schwindels nicht so bald los. Wen aber die ersten Verinche schrecken, wer den Willen zum Ziel durch die Vorstellung von Schwie rigkeiten besiegen läßt, der wird sein Lebtag kein gewiegter Politiker und nicht in allen Sätteln gerechr. Der Sattel kreiste langsamer und stand. Der Kollege kletterte herab und trat zu uns. „Sehr nett," sagte er. „.Hat man es erst erfaßt und sich daran gewöhnt, möchte man es nicht mehr lassen." „Das Parlament?" fragte ich. noch ganz in Gedanken. „Nein," sagte er erstaunt. ..das Kamelreiten. Uebrigens — vielleicht baben Sie recht. Wer dort erst inal Blut geleckt hat . . Sprachs und ging nach oben. Mein Bekannter sah ihm nach: Ein 'ehr lässi ger Parlamentarier. Er wird es noch sehr weit bringen." Neben dem Sattel stand ein Balken, der in Schlüter- höhe zwei bewegliche Arme trug. Mein Führer trat näher, lehnte fick) an ihn und faßte sie mit ausgestreckten Händen. Er sah aus, wie ein Weißer am Marterpfahl der Indianer. Nun bewegte er die beiden Arme nach vorn, bis die beiden Leisten zusammenftießen, ließ sie wieder rnrückichnellen und wiÄerholte Las unzählige Male. Seine Brust hob und senkte sich stürmisch, die Rippen knackten ihm, er atmet« schwer. Endlich schien er müde zu sein und ließ den Appa rat loS. Der „Lu n g e n st ä r k e r ", meinte er, als er wieder sprechen konnte. „Eine ausgezeichnete Hebung, um sich als Danerrednxr ansznbilden. Der Apparat würbe schon im Reichstage viel benutzt. In der Nationawermmmlnng er freut er sich einer noch steigenden Beliebtheit. Er stärkt auch denen die Stimme, die nicht reden wollen nnd»slch auf Zwischenrufe beschränken." O Demosthenes, Cicero, Mirabeau, O'Connel, wie schwer hattet ihr es doch, große Redner zu werden, im Ver gleiche mit den Neichsboten von heute. Der G ' 'ch,' nabin Kieselsteine in den Mund und ging an den Strand des Meeres, um das Brausen der Brandung zu übertönen unv seine Stimme starr zu machen. Der Abg-orbnele nützt die Triumphe moderiw Technik. Er übt im hohen Hause am Lnngenstärker. Ob es einen Apparat auch für dre i n - hältliche Vervollkommnung der Rede gäbe, frage ich meinen Freund. Bisher nicht, sagt disker. Es wäre auch nicht erforderlich, denn es sei ja freie Bahn für den Tüchti gen. Das Unglück ist bloß, daß sich jeder (ür den Tüchti gen hält. Ein großer Redner ist noch lange nicht ein aro- ßer Staatsmann. Er unterlief leicht der Gefahr, seine schpnc Reden für Taten zu halten und sich deshrlb mit ihnen zu begnügen anstatt zu handeln So plaudern wir, als der Bademeister und Hüter der Turnlwlle zu uns tritt. Ein alte- Mann nnl hängendem weißen Schnurrbart und ansiter csipreußächer Mundart. Er hat gerade in einer Zelle das Bad für einen Kollegen gerichtet, den man nun vergnügt in der Marmorwann«, plätschern hört. „Das Unjlück ist mit die Seefe," sagt der Alte. Er meint, daß im Neichsiag gute Seife heut- kn<-pp und teuer ist. Gerade so wie guter Rat in unserer schtveren Zeit. Es werden uns noch ein paar sinnreiche Apparate gezeigt. Ter zum Rudern für die Arme, der zum Rad fahren für die Beine. Auf letzterem kann man stunden- lang strampeln, ohne einen Schritt vorwärts zu kommen. Man müht sich, bleibt aber auf derselben Stelle. „Wie w mancher im parlamentarischen Leben," meint >,;e>.n Be gleiter. Unser Rundgang ist beendet. N i. noch eia Instru ment fesselt meine Aufmerks insteir. LS ist ein Apparat zum Emporziehen von Gewichten, die ans die vorhandene Kraft auf Leitschienen eingesteckt werden könn'n. Wenn es nicht möglich ist, sie so zu meistern, wie sie sich ,»nächst darbieten, schraubt man sie zurück. „Hier haben Sie ein tiefes Symbol, junger Freund, "sagt mein Fühier. „Man reguliert sich nach den jeweiligen Stärken«hältnissen. Tas ist das Wesen des Kompromisses. Er ist der eine Grundpfeiler des parlamentarischen L'bcns. Der andere ist das MehrheitSbi Iden. Merken Sie sich das für Ihre weitere Laufbahn." „Und die Logik und die Grund, sätze?" werfe ich ein. Er lächelt melancholisch. „Mein Gott, die Logik. Politik ist eine Kunst, nicht eine Wissenschaft. Die Kunst des Möglichen. Die Logik lebt in Len Tatsachen, nickst in unseren Gedanken. Tie ersten sind meist stärker. Und die Grundsätze . . ." Ein elektrisches Glockenzeichen schrillt zweimrl du'ch das hohe Haus, „Abstimmung," sagt mein Freund. „Wir müssen sofort nach oben." Mit jugendlicher Leichtigkeit springt er die breiten Treppen zum Sitzungssaal hinauf. Ich folge ihm langfamer und nachdenklich.