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Beilage zu Nr. 203 der „Sächsischen Volkszeituug" v«rn 6. September 1005. 1. Stiftungsfest des kath. Arbeiterverein- in Chemnitz. Zum ersten Male lud der katholische Arbeiterverein seine Mitglieder, Freunde und Gönner ein, um gemeinschaft lich das erste Stiftungsfest als grohes Familienfest öffent lich zu begehen. Es hatten sich in der Tat mehr denn 600 Personen im Saale des Thaliahauses eingefunden. Schon um 6 Uhr war der Saal mit Gästen besetzt und bei Beginn des Festes um ^8 Uhr lveit überfüllt zur größten Freude der Mitglieder. Das Programm war ein sehr reichhaltiges. Eingeleitet wurde der Festaktus durch einen für das Fest eigens verfaß ten Prolog, der von Herrn Simons vorgetragen wurde. Sodann begrüßte der Vizepräses Herr Leber die Festteil- nehiner, wünschte ihnen recht fröhliche genußreiche Stuudeu und brachte auf die höchsten Autoritäten der Kirche, des Reiches und unseres engeren Vaterlandes ein Hoch aus, in das die Festversammlung freudigst einstimmte. Der Ver- cinspräses Herr Pfarrer Pani Katzschmann verlas zwei Telegramme, das eine von Herrn Kaplan Scheuring aus Meißen, dos andere vom Verbandsverein Hohndorf und er griff zugleich das Wort zu einein dreiviertelstündigem Refe rate — der Wert der christlichen Arbeit, ihre Würde und Bedeutung und welche Pflichten haben die katholischen Ar- beiter ihr gegenüber. Redner streifte hierbei, daß diejenigen nicht im Geiste Jesu Christi handeln, die klein auf die Arbeit und den Arbeitsniann herabblickcn. Er beschrieb sodann die hohe Würde der christlichen Arbeit, daß der Arbeiter nur dann von einem anderen Geiste, als den der Kirche, beherrscht würde, sobald es ihm an fortgesetzter Fürsorge fehle. Die Pflichten des katholischen Arbeiters seien nicht damit erfüllt, daß er sie gezwungen erfülle, wie es die moderne Welt er heischt, sondern daß er dieselben gewissenhaft und ans Liebe zn Gott erfülle. Pflichten hat der katholische Arbeiter seiner Arbeit, seiner Familie und seinem Glauben gegenüber. Seiner Familie gegenüber möchte sich der katholische Arbei ter folgende vier Wahlsprüche merken: Gehe so wenig wie möglich ins Wirtshaus und nicht zu lange. Bringe stets ein freundliches Gesicht nach Hause und laß den Aerger, den du in der Arbeit gehabt hast, nicht an deiner Familie aus. Habe Geduld mit den Fehlern und Schwächen deiner Frau. Laß dir nicht wegen Kleinigkeiten den Familienfrieden rau ben. Tie Religion soll der Arbeiter liebeil, denn wer seine Religion liebt, ist auch glücklich und zufrieden. Nie soll der Arbeiter sich den heiligen Glauben raubeil lassen und stets der Worte eingedenk sein: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, er lebt fort in seiner heiligeil Kirche. Dieses Kleinod soll der Arbeiter stets Hochhalten und Nähren. Nie lind nimmer soll der katholische Arbeiter von feilen sich betören lassen, die der Kirche Tod und Untergang geschworen haben; bäten soll er sich vor der Volksbeglücker Wahn und nichtig Strebeil. Ein starker Arm muß geschaffen werden, der die christliche Weltanschauung aufrecht erhalten soll. Die Ar beiter sollen und müssen sich sammeln in den — katholischen Arbeitervereinen. Der moderne katholische Arbeiter muß uämlich gefestigt und ein offener Vertreter für seine katho lische Sache sein, besonders der gewerkschaftliclxm Frage müsse der katholische Arbeiter näher treten und sich auf dem Boden der katholischen Kirche organisieren in den beruf lichen (leider angefeindeten) Fachabteilungen des Verbandes zum Heile und zur Gesundung des Arbeiterstandes und sei nes eigeilen Heiles. Einer für alle, alle für einen, das ist das Losungswort der katholischen organisierten Arbeiter, die auf dem Boden der Enzyklika reruin uovaruiu stehen. Auch der Frauen gedachte der Referent und bat sie, alle Vorurteile gegen den Arbeiterverein fallen zu lassen und ihre Männer fleißig in die Versammlungen zu schicken, da mit sie sich dort organisieren und an den Wohlfahrtseinrich- tnngen für iliedrige Beiträge teilnehmen, die der Verband katholischer Arbeitervereine (Sitz Berlin) für seine Mit glieder geschaffen habe. Auch die Presse beleuchtete Redner, Nlarnte eindringlich vor den farblosen und schlechten Preß- erzeugnissen. Verbannt alle diese aus den Familien und schafft euch eine gutgeschriebene Zeitung — die Sächsische Volkszeitung — an! Zum Schlüsse gab Redner noch die Parole aus, die einst der schwer darniederliegende römische Kaiser Septimins Severus seinem wachehabenden Tribun mit gebrochener Stimme gab: Imdorouiim — Laßt uns ar beiten. Laßt uns arbeiten, laßt uns Pflichtgetrene, ka tholische Arbeiter sein, echt katholisch, echt schwarz bleiben! Eine heitere Soloszene brachte hierauf eine kleine Ab wechselung ins Programm. Von 12 Mitgliedern und drei Damen) Frau Heeg, Fräulein Henr. Lümmel und Fräulein Abclt) gelangte das fünfaktige Drama: Der Soizaldemokrat zur Aufführung, ein streng soziales Stück, das für den Abend wie geschaffen war und den Vortrag des Herrn Prä ses in hohem Grade ergänzte. Dadurch wurde bewiesen, wie nichtig und verderblich die heutigen Streikphrasen sind, wohin sie führeil und wie ans der andereil Seite wahre Ein tracht, Liebe und Friedfertigkeit zwischen Arbeiter und Ar beitgeber die soziale Frage zu lösen im stände sind und wie auch die Frauenwelt unermeßlich viel dazu beitragen kann, nm die Arbeiterfrage friedlich zu löseil. Ju einem Tänzchen faild das Stiftungsfest seinen Abschluß. Dank sei allen denen, die zur Verschönerung desselben beigetragen, Tank all den Freunden und Gönnern, die uns mit ihrem Besuch beehrt haben. Willkommen heißen wir die 14 neuen Mitglieder, die sich an diesem Abend dem Verein anschlossen, so daß er heute eine Mitgliederzahl von 160 ausweist. Lange, lauge wird das Fest in uns »nach erhalten, was wir gehört, gesehen und gelernt habeil. Möge es allen zu Nutz und Frommen gereichen, vor allem der katholischen Arbeitersache Sachsens und der unseres Verbandes DI,. U. Nns Stadt nnd Land *Auf dei, Linien der sächsischeil Staatseisenbahnen wird unter den üblicheil Bedingungen die frachtfreie Rückbeförderung der ausgestellten Tiere und son stige» Gegenstände von folgenden Ausstellungen gewährt: 1. Hundeausstellungen in Noseliheim am 3. September, in Gera am 3. und 4. September, 2. Kaninchenausstellungeil in Bant bei Wilhelmshaven vom 17. bis 19. September, in Aunaberg und Zwönitz am 29. lind 30. Oktober, 3. HI. Ver- bandsansstellung des Verbands „Vogtländischer Kaninchen züchter" iil Netzschkau vom 29. bis 31. Oktober, 4. Geflügel- ausstellnugen in Neichenbrand bei Siegmar von, 2b. bis 27. November, in Cossebaude vom 1. bis 3. Dezember, b. Junggeslügelausstellungen in Hannover von, 14. bis 16. Oktober, in Würzbnrg vom 21. bis 23. Oktober, 6. Jung- geflügelsckxlu in Bremen vom 23. bis 25. September, 7. Fachausstellung des Vereins der Bierhändler von Dres den und Umgegend in Dresden vom 17. bis 19. September, 8. Ansstellung chirurgischer Instrumente und Apparate in Brüssel von, 17. bis 24. September. —* Im Vinnen-Personenverkehre der sächsische!, S t a a t s b a h n e n wurden mit 1. September zahlreiche neue Fahrpreise eingeführt. Unter anderem traten in Kraft: Von Tresden-Wettinerstraße nach Rochlitz über Meißen—- Waldheini Hartha (Stadt), von Potschappel nach Auer bach i. V., Eolditz, Cossen, Eoßinannsdorf, Friedersdorf bei Frauenstein, Gößnitz, Großschönau, Großvoigtsberg, Jo hanngeorgenstadt, Grünthal, Neuhausen i. S., Neusalza- Spremberg, Oberoderwitz, Oppach, Neickx'iiberg, Rochlitz. Rodewisch, Schneeberg-Nenstädtel, Seishennersdorf, Soh- land, Stollberg, Obertärsdorf, Waldkirchen, Wermsdorf, Weinböhla, Wilkau, Wilthen, Zeih, Zeulenroda, Zwönitz und von Nadebeul nach Großhartmannsdorf. —* Wegen ungünstiger Witterung mußte die Lnft- ballonfahrt im Zoologischen Garten am Sonntag, den 3. d. M., unterbleiben . * Ter gestrige Stnr in hat den Obstpächtern großen Sckxiden gebracht, er hat Birnen und Aepfel in Massen her untcrgerissen und viele Aeste geknickt. Bühlau. Das Ministerium des Innern bat genehmigt, daß die Kurtare nicht mehr nach der Aufenthaltszeit von weniger und mehr als 14 Tagen und der Personenzahl, son dern nach dem monatlichen Mietpreise berechnet wird. Die Gebühr beträgt für die Dauer bis zu 3 Monaten 1,50 Mk. bei einem Mietpreis von 20 Mark, bei höherer Miete ent sprechend mehr. Rndcbcul. Ans Anlaß des Versandes der lOOOOOsten Bahnkiste gab die Firma Bergmann u. Co., Parfümerie- und Toiletteseifensabrik. ihrem Personal ein Fabriksest mit Vogelschießen, Tafel und Ball. Döbeln. Das 22. Mitteldeutsche Bundesschießen hat nicht, »nie erwartet worden war, mit einem Fehlbetrag, son- der» mit einem Uebcrschuß von ungesähr 2000 Mark ab geschlossen. ! Leipzig. Die Fleischnotfrage fängt nachgerade an, auch in Leipzig die Gemüter zu erregen, zumal die Fleischer mit den Preisen abermals in die Höhe gegangen sind. Zu den öffentlichen Versammlungen, die in der vorvergangeueu Woche hier abgehalten wurden, um Stellung in Sachen der Fleischteuernng zu nehmen, wird sich am Dienstag eine neue öffentliche Versammlung gesellen, in der Herr Rechtsanwalt Dr. Zöpsel-Leipzig über „Das Verhalten unserer Negierung bei der jetzigen Fleischnot" sprechen wird. — Der am 1. Sep tember auf einer Automobilfahrt zwischen Mosel und Nie- — 84 — schreiend und lärmend an ihre Verwandtschaft erinnerte und, schnell sich auf richtend, Martha in ihre Arme Pressen wollte. In diesem Augenblicke erfaßte ein starker Mann das Weib, und es hinwegschleudernd, reichte er Martha den Arni nnd sagte mit höchster Achtung: „Erlauben Sie, Herzogin, daß ich Sie zn Ihrem Wagen führe." Martha legte fast bewußtlos ihre Hand in den Arm Ezedys, der sie schnell ans dem Tale führte. Graf Markus und Banody folgten, nachdem der letztere mit fragendem Blick den Herzog betrachtet hatte, welcher immer noch unbewegt stand und mit gezwungenem Lächeln, um zn zeigen, daß die Sache ihn nicht interessiere, sich mit Klemenze weiter unter hielt. Der Tanz hatte aufgehört; die beschimpfte und von ihrem Gatten ver ratene bleiche Frau, welcher in ihrer Verlassenheit Fremde geholfen hatten, war in aller Gedanken. Man entfernte sich schweigend, und cs dauerte nicht lange, so war, außer der Familie Nonavary, niemand mehr gegenwärtig. Klemenze strahlte vor Triumph; der Herzog hingegen war bleich und seine Lippen zitterten vor Aufregung. Er führte seine Begleiterin zu ihrer Mutter, nahm schnell Abschied und ritt fort. Uuverweilt schlug er deu Rückweg nach Balkanfalva ein. Der Wein war gänzlich aus seinem Kopfe verflogen, aber Kleinenzens Worte, als er unwillkürlich seiner Frau zu Hilfe eilen gewollt, klangen ihm noch in den Ohren, und sein Gesicht erglühte in Schamröte. „Warum wollen Sie sich in diesen Schmutz mischen?" hatte sie ihn ge fragt. „Sie geht ja die Zigeunerverwandtschaft nichts an, Martha wird sck>on selbst fertig werden, sie kann die Sprache ihrer Verwandten sprechen, sie ist ja ans ihnen geboren." Diese Worte hatte ihn znrückgescheucht. Zähneknirschend spornte er sein Pferd, da sah er die Gestalten dreier Reiter auf sich zukommeu; es waren Markus, Ezedy und Banody, die seine Frau begleitet hatten. Er ergriff den Hut, aber diese wendeten den Kopf ab. Es begann ihn zu schwindeln. Das war absichtliche Beleidigung. Wem galt dies, seiner Frau, der mit Zigeunern verwandten Martha, oder ihm, dem Herzog Odille, selbst? Wütend kam er im Schloßhofe an. Er wollte mit Martha sprechen. Die Herzogin hatte sich niedergelegt und ließ Seine Gnaden bitten, sie nicht zu stören. Er fühlte sich wie ins Gesicht geschlagen, ging in sein Zimmer und setzte sich an den Schreibtisch, wo er drei Briefe, an Markus, Saudor und Banody schrieb, worin er alle drei um Erklärung der Beleidigung ersuchte. Die ganze Nacht ging er in seinem Zimmer auf und ab und erst gegen Morgen sank er, von Müdigkeit überwältigt, auf seinem Armstuhl in fieber hafte Träume. Die ersten Sonnenstrahlen weckten ihn und beschienen tvarm sein bleiches, eingefallenes Antlitz. Sofort schickte er die Briefe ab und gab Auftrag, Antwort darauf zu bringen, dann begab er sich in die Gemächer seiner Gemahlin. Im Erker, wo sic gewöhnlich frühstückten, fand er nur ein Gedeck, und der Kammerdiener be richtete, daß die Herzogin sich kränklich fühle und in ihren Zimmern bereits ge- frühstückt habe. Er schickte das Frühstück zurück lind ließ die Herzogin fragen, ob sie ihn empfange. Der Diener kan, mit der Botschaft zurück, daß die Her- zogin sogleich in den großen Saal konrmen werde. — 81 — reizte sie derselbe und Banodys Gewalttätigkeit, wie sie es nannte, versetzte sie in den heftigen Zorn. Andererseits füllte die Zurückhaltung Odillcs seit Mar thas Rückkehr ihr Herz mit äußerster Verzweiflung »nd Wut. Meisterin der Selbstbeherrschung, verstand sie jedoch, ihre Absichten -,n verbergen. So beruhigten sich nach und nach die Gemüter wieder, besonders als mit einem Zwiegespräch mit Banody Klemenze am nächsten Tage die Trauung hestellte nnd ihn zugleich zu einer Herbstnnterhaltnng einlnd, welche ihre Mutter vor ihrer Hochzeit dem Brautpaar zu Ehren geben wollte. Zu dieser Festlichkeit war die ganze Gegend geladen. Der Bräutigam verließ be ruhigt auf einige Tage Ronavar, und an demselben Tage erhielt Odille von Klcinenze einen Brief, in welchem sie nni seinen Besuch bat, weil sie einige Worte mit ihm zu sprechen hatte. Ter Herzog iixir kein großer Freund der Offenheit und fühlte sich, nach dem er den Brief gelesen, sehr betroffen. Aber zu festgesetzter Zeit erschien er. Klemenze empfing ihn ziivorkoinniend und reichte ihm freundlich die Hand. „Ich freue mich sehr, Sie nach einer so langen Zeit wiederzusehen," sagte sie höflich, aber bedeutungsvoll. „Die vielen Gäste und die Jagden nahmen meine Zeit so in Anspruch," sagte Odille unsicher, „daß es mir unmöglich war, einen Besuch zu machen; ich hoffe, daß Sie mir nicht zürnen." „Nicht im geringsten. Indessen habe ich eine Bitte, eigentlich meine Mutter und die ganze Familie. Sic verzeihen, wenn ich sic so vorbringe wie eine Verwandte, offen, ohne allen Rückhalt." Hugo fühlte sich immer unbeliaglicher, aber höflich verneigte er sich und verbarg seine Unruhe unter einem Lächeln. „Ehe ich heirate." sagte sie, aufmerksam den Herzog betrachtend, dess'n einförmiges, gezwungens Lächeln sic ärgerte, „beabsichtigt meine Mutter eine große Herbstnnterhaltung zu veranstalten, und da die ganze Umgegend ge- lciden ist und ohne Zweifel erscheinen wird, wäre cs der Welt gegenüber äußerst unangenehm, wenn ihr ausbliebet. Darum versprechen Sie mir, daß Sie zu der besagten Gelegenheit mit Martha erscheinen werden." Ein Stein fiel Hugo vom Herzen, als er diese Bitte hörte. Er hatte Schlimmeres gefürchtet, aber da er Marthas Abneigung gegen ihre Ver wandten kannte, zögerte er. Mit brennend rotem Gesicht erwartete Klemenze Hugos Antlvort. „Ich komme," sagte Hugo und dankte für die Einladung, „aber für Martha kann ich nicht einstehen." „Eben dies aber will ich," sagte sie mit erzwungener Ruhe, „das war der Grund, weslialb ich mit Ihnen sprechen wollte." „Verständigen Sie Martha," fügte sic entschieden hinzu, „daß sie der Ehre unserer Familie und dem Namen Ronavar schuldig ist, zu erscheinen." - „Klemenze!" „Ich bedauere, daß ich Ihnen das sagen muß. Männer, welche eine DkeSalliance schließen, ziehen sich entweder mit ihrer Frau von der Welt zu- rück, oder zwingen sie, den Namen mit Achtung zn tragen, welchen sie durch die Heirat erhalten haben. Martha spielt die Rolle der Herzogin Odille vor „Mariba. 2t