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Beilage zu Nr. 6V der „Sächsischen BolkSzeitung" vom >3. März 1007 Pater Wasmann 8. über das Entwickelanstsprobleu,. 3. Bortrag, gehalten am bonntog den 17. Februar m der Philharmenie (Berlin). Die Anwendung der Deszendenztheorie auf den Menschen. Der heutige dritte Vortrag wird sich speziell bescksiifti- gen mit der Anwendung der Deszendenztheorie auf den Menschen. Vorher wollen wir einen kurzen Rückblick werfen auf die zwei vorhergegangenen Vorträge. Der erste befaßte sich mit der Entwickelungslehre als naturwissenschaftliche Hypothese nnd Theorie und suchte an einer Reihe bon Lichtbildern die Anpassungserscheinungcn »»sw. zu erläutern. Zugleich wurde dort gezeigt, daß die Entwickelungslehre als naturwifsenschatflickse Hypothese uw. Theorie mit der christlick>en Weltansclxrnnng nicht im Wider spruch steht. Der zweite Vortrag befaßte sich erstens mit dem Ver gleich zwischen der monistischen und der theistischen Welt- auffassnng und mit der Entwickelnngslehre andererseits. Dort wurde erst betont, daß die Entwickelnngslehre als solche, als naturwissensck-astliche Hypothese und Theorie, mit der Weltaufsassung an und für sich gar nichts zu scl>affen habe, von ihr unabhängig sei. Tann wurden die Postulate der beiden verschiedenen Weltanffassnngen einander ent gegengestellt und kritisiert. Zweitens suchte ich in jenem Vorträge die Begriffe „Darwinismus" nnd „Entwickelnngs- lehre" zu klären, indem ich zeigte, daß der Darwinismus nur eine besondere Form der letzteren nnd daß man nicht Darwinismus und Entwickelungslehre miteinander ver- wechseln darf. Nun komme ich endlich an die, wie ich glaube, heikelste and schwierigste Frage, gewissermaßen an den Stein des Anstoßes der ganzen Entwickelnngslehre, nämlich an die Frage: Darf man sie auch aus den Menschen anwenden und inwieweit? Ich bemerke vorher ausdrücklich: es handelt sich ! nicht ctnxl um die Anwendung der Darwinistischen Entwicke- ! lungstheorie ans den Menschen. Dagegen babe ich mich im s letzten Vortrage sck>on ablehnend ausgesprochen. Wenn wir s die Entwickelnngstheoric ans den Menschen anwenden, dann ; können wir sa auch die Grundsätze der christlichen Philoso- § phie, der christlichen Weltansck>aunng zu gründe legen. Aber i auch dann stehen wir wiederum vor der Frage: ja, können ! wir auf grnnd der christlichen Weltaufsassung, in welcher der Begriff der Schöpfung mit dem Begriff der Entwickelung verbunden ist, wo der Schöpfer eine entwickelungssähige Welt schuf, können wir mit einer Entwickelnngslehre, die auf christlicher Basis beruht, auch die tierische Abstammung des Menschen vereinigen oder nicht? Die Frage ist sehr schwierig und ztvar hauptsächlich deshalb, weil sie keine ein fache, sondern eine mannigfaltig gemischte Frage ist. Ta kommt neben den natürlicli-en Wissenschaften auch die Theo logie und sagt: wir haben vor allem ein Recht, zu entschei den, in welcher Weise der Mensch entstanden ist. Innerl-alb der natürlichen Wissenschaften wiederum sind es neben den Naturwissenschaften die Geisteswissensckxchten, die Psycholo gie, welche vor allein beanspruchen, über den Ursprung des Menschen auch mitzusprechen. Kurzum: es ist keine rein zoologisch Frage, die wir am heutigen Abend zu behandeln haben. Wir müssen uns deshalb bestreben, möglichst all seitig allen verschiedenen Gesichtspunkten gerecht zu Norden und dieselben nicht untereinander zu vermengen. Man hör: nicht selten sprechen von der sogenannten zoologischen Evi- denz der tierischen Abslammnng des Menschen. Wenn es richtig nxire, daß die tierisch Abstammung des Menschen zoologisch evident ist, dann müßte 1) die Zoologie jene Wissensclxift sein, welch an erster Stelle oder ansschließlicb über die Frage nach der Herkunft des Menschen zu urteilen hat, 2) müßte auch die Zoologie bereits evidente Beuxstse für die tierische Abstamnng des Menschen erbracht baben und zwar nicht nur allgemeine Möglichkeiten, sondern ganz bestimmte Beweise, worüber die Forscher selbst unter sich einig wären. Wir haben nun zu prüfen, inwieweit dies der Fall oder nicht der Fall ist. 1) .Hat die Zoologie.allein über den Ursprung des Menschen zu urteilen, ist sie hier allein kompetent? Nein, das ist sie nicht. Sie wäre es wohl, wenn der Mensch nichts lrviter wäre als ein bloßes Tier. Tann könnte man wohl sagen: woher soll der Mensch kommen, wenn nicht von einem tertiären Säugetier? Er isl doch nicht vom Himmel ge fallen! Aber tatsächlich liegt die Sache doch anders. Wer einen wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier an nimmt, wer die geistige Seele des Menschen als die Haupt' fache betrachtet, für den ist auch bei der Frage nach der Her kunft nnd dem Ursprung des Menschen die Hauptfrage: wo her kommt der höhere Teil des Menschen, nicht: woher kommt sein niederer Teil. Daher glaube ich mit Recht sagen zu können: Die erste Rolle unter den natürlichen Wissen schaften in der Beantwortung der Frage nach der Herkunft des Menschen hat die Psychologie nnd nicht die Zoologie. Nun lehrt »ns aber die Psychologie, — ich spreche speziell von der Psychologie der christlichen Philosophie — daß die Seele des Menschen nicht nur wesentlich verschieden ist von der Tierseele, sondern auch ein einfaches geistiges Wesen. Ein einfaches geistiges Wesen kann aber seiner Natur nach nicht ans etwas anderem sich entwickeln: es kann nur durch Schöpfung entstehen. Also die Seele des Menschen kann nicht durch Entwickelung entstanden sein. Was folgt daraus für die Entwickelung des ganzen Menschen? Daß auch der ganze Mensch als solcher nach dieser Auf fassung nicht auf rein natürlichem Entwickelnngswege ans einer tierischen Form hervorgegangen sein kann. Es bleibt nur die Nebenfrage übrig: ist der Mensch seiner leiblichen Seite nach mit dem Tierreiche stammverwandt? Bevor ich naturwissenschaftlich diese Frage näher be leuchte, möchte ich doch wenigstens mit einigen Worten ans die theologische Seite des Problems zu sprechen kommen. Ihnen allen ist ja bekannt, daß die mosaische und die christ liche Religion ans grnnd des biblischen Schöpfiingsberichtes annehmen, Gott labe den Menschen ans ganz besondere Weise erickassen. Nun ist znxrr einerseits wobl wahr, daß man in den Worten des biblischen Schöpsnngsberichtes, »nie ich das im ersten Vortrage hervorgehoben habe, keine natnr- wissensciastlich-iuoderne Erklärung suchen soll. Die Aus- drncksweise braucht keineswegs der modernen Wissenschst zu entsprc'ckan. Es ist die Ausdrucks-Weise, wie sie der Auf fassnng der damaligen Zeit entsprach Andererseits jedoch müssen wir vom theologischen Standpunkte daran fest halten, daß wir so lange den nacichllegenden Sinn der Worte im biblischen Schöpfnngsberichte beiznbehalten haben, bis eiir anderer Sinn durch die Wissensclast nnS ansgenötigt oder wenigslens sein- nabe gelegt wird. Wie steht eö nun mit den Worten des biblischen Schöpfnngsberichtes über die Er- sclxissnng des Menschen? Dort heißt es, Gott bade de» Leib des Menschen ans Erde gebildet und dann die Scale ins Angesicht ilnn eingehancht. Es ist klar, daß das „Ein- banchen" der Seele nur ein bildlicher Ausdruck ist für die Erschaisnng der Seele des Menschen. Wie stobt cs aber mit der Bildung des menschlichen Leibes- ans Erde? Da isl vor allem zu konstatieren, daß die größte Mehrzahl der Theolo gen heute noch der Ansicht ist, unter dem Worte „Erde" sei organische Materie zu verstellen, ans- der Gott den Leib des ersten Men'chen hervorgebrachl habe. An und für sich wäre auch die Möglichkeit gegeben, daß Gott sich einer schon orga nisierten Materie, eines bereits vorhandenen Lebenx'sens bedient babe, das; durch die Entwickelung von vielleicht Millionen von Jahren durch eine Reihe von Formen hin durch allmählich bis zu jenem Stadium fortgeschritten >mr. ans welchem an Stelle der früheren Tierseele die geistige Menschenseele treten konnte. Was da in theologischer Hin- sicht annehmbar ist oder nicht, darüber labe ich nicht zu ent scheiden: das isl Sache der höchsten kirchlichen Autorität, und diese bat darüber kein dennilives Urteil gefällt, nnd des wegen fälle ich auch keins. Drrsden, Ul. März. D i e h n n d e r l j ä h r i g e I n b e Ifei e r d e r D r e i s; i g s ch en Si n g a t ade ln i e erreichte heute mittag mit einem feierlichen Festaktus im Konzcrtsaale des städtischen Ausstellungs-Palastes ihren Höhevnnkt. Der stimmungsvolle Raum, der mit der Büste Anton Treißigs geschmückt war, nahm eine andächtige und festlich gestimmte Menge aus, während der Fnbelverein aus dem Pooinm Platz genommen hatte. In der Feslversamm- Inng bemerkte man Se. Erzellenz den Herrn Staatsministw Dr. Grasen von Hohenthal und Bergen, die Herreit Mi nisterialdirektor (heb. Rat Tr. Roscher, Oberbürgermeister (Nh. Finanzrat Beutler, Hoskapellmeister Hagen, sowie zahlreiche Vertretungen der hervorragendsten musikalischen Köriv» schäften Dresdens. Tie Feier wurde mit dem Vor trag einer Kantate für Soli nnd Ehor von Tb. Weinlig, ge dichtet von Gottfried Körner, eingeleitet, die der Verein unter der Leitung des Herrn Kavell Meisters Enrt Hösel tonschön nnd stilrein zu Gehör brachte. Das Prächtige Solo- guartett hatten Frau Hedwig Ritter, Frl. Martha Ehrlich, sowie die Herren >ionzertsänger Hölfert und Viktor Porth übernommen. In seiner Begrüßungsansprache gab der Vorsitzende der Singakademie, Herr .Kommerzienrat Köllen- busch, seiner Freude über den heutigen Tag Ausdruck, der lange mir Sehnsucht erteiltet und sogar aiiaezwenelt wor- 120 — „Lebt Wohl!" sprach Walter bewegt, „vielleicht kommen bald ruhigere Zeiten, wo ich ohne Sorge die Mauern Eurer Stadt betreten darf." „Unser Haus wird es stets als eine Ehre ansehen, Euch unter seinem Dache beherbergen zu dürfen. Der Vater wünscht Euch Glück zur Fahrt und läßt bitten, ihn zu entschuldigen, weil er nicht kommt, um sich von Euch zu verabschieden. Aber manchmal spürt er ein Zwicken und Reißen im Fuß, daß er nicht stehen und nicht geh»» kann. Und just heute nacht ist es wieder über ihn gekommen. Lebt wolL, edler Herr, der Himmel nehme Erich in seinen Schutz!" — Hastig ging es in den Hof, Ww die gesattelten Pferde standen, die die Ritter bestiegen und durch die Gassen nach dem nächsten Tore jagten. Dalja nnd ihr Bruder schlugen einen anderen Weg ein. Kaum waren sie verschwun den, so stürmte der Büttelmeister mit seinen Schergen daher nnd umstellte das Haus. Kätchen schickte die alte Magd zur Tür, llwlche langsam ans das laute Klopsen öffnete nnd den Vüttelmeister in das Sckstafgemach ihres Herrn führte. Mit dielen Bücklingen trat er ein nnd bat tausendmal um Entschul digung, das; er den Herrn stören müsse, aber der Bürgermeister habe strengen Befehl gegeben. Nach langem Hin- nnd Herreden, bei dem sich zeigte, daß der Bürgermeister dem Kaufmann nicht hold sei nnd mit Freuden die Gelegen- Hit ergriffen habe, ihm einen Schlag zu versetzen, zog der Büttel wieder ab, um den verschwundenen Ritter zu suchen. Er fand aber den Platz leer, seine Schergen waren verschwunden. Der Spielmann, der die frischen Hnfspnren entdeckt hatte, uxrr mit den Schergen diesen gefolgt und sie sahen nun die Reiter nach wenigen Minuten vor sich. Am Tore gab es einen Aufenthalt für die beiden Reiter: der Tor- tvärter mußte erst ans seinem Stübchn gerufen werden nnd beeilte sich nicht besonders. Als endlich die schveren Torflügel in ihren Angeln kreischten, langten auch die Häscher an nnd riesen dem TorMächter zu, die Tore zu schließen und die beiden anznhalten. Allein der Ritter von Horn riß rasch den einen Torflügel vollends ans nnd sprengte hinaus, Walter ihm nach. Nun gab es lautes Geschrei nnd Flüche ans seiten der Häscher, die im Grunde genominen froh waren, daß sie nicht .Hand an die Ritter legen durften, Uxrs wolst mancher mit etlichen blutigen Schrammen hätte bezahlen müssen. So gaben sie wenigstens ihre Entrüstung durch lautes Geschrei kund. Uii- glücklichrweise kam nun auch Dalja mit ihrem Bruder an das Tor und ver- suchte durchzukommeu-, allein den Häschern fiel ihre seltsame Hast auf und als sie auf ihre Fragen nach ihrem Namen hrtnäckig sck»viegeii, erregte das auss neue ihren Verdacht. Sie ivurdcn von rauhen Fäusten gepackt nnd gestoßen; an den schaxrchen Burschen glaubten die Stadtkuechte ihr Mütchen kühlen zu können. Aber sie täuschten sich in ihnen. Wie ein paar zischnde Schlangen wanden und drehten sie sich, bis es ihnen gelang, das Messer ans dem Gürtel zu ziehen und sich nun gegen die rohen Gesellen zu verteidigen. In dnn wilden Ringen fiel der Hut von DalfaS Kopf und ihr langes Haar, das unter demselben verborgen gewesen war, flutete in langen Flechten über die Schultern. „Ein Weib!" rief der Spielmann. „Hollah, ihr Mittel, daS ist etwas ganz Verdächtiges." — 117 — Ter Strnmpswirker ging Arm in Arm mit dem Leineweber nnd dem Schneider durch die Gasse und das lustige Kleeblatt taumelte hier und da etnns unsanft an eine Hansecle oder über einen Straßenstein, der ans dem Pflaster anSgerissen war. Das bcvinträchtigte aber ihre gute Laune nicht; wolilbehlten erreichten sie ihre Wohnnngon und schliefen in ihrer Kammer im weichen Federbett den Seblas des Gerechten. Tie Frau des Schneiders, die bei dem Gepolter erNacbt war, schickte sich an, eine regelrechte Gardinenpredicst über das arme Haupt ihres Ehewirtes ergehen zu lassen; als sie aber sah, wie derselbe samt Kleidern nnd Schuhen sich ans die Wolldecke lsinter dem Ofen, wo sonst die Katze ihr Plätzchen batte, ansstreckte, in der Meinung, er befind? sich in seiner Bettstatt, da blieb ihr vor Verwunderung das Wort in der Kehl? stecken. Sie riß die kleinen Angen sperrangelweit ans, zog die geblümte Nacht haube in die Stirn berein und schlug die Hände vor Verwunderung zusam men: nach kurzer Zeit schnarchte sie mit ibrem Ehwirt um die Wette. Sb aber am anderen Morgen das Schneiderlein die Predigt in verschärftem Maße erballen bat, Miß ich nicbt, lieber Leser. Böse Zungen behaupten frei lich, der Meister Fleck sei schreiend durch das .Hans gerannt nnd die ehrsame Meisterin mit dem Ellenmaße dicht binter ihm her; ob sie ibm das Maß zu einem neuen Wams genommen, oder ob sie ihm das alte ans dem Leibe ans- geklopst batte, vermag ich nicht zu sagen. AIS die trübe Oeltampe im „Blauen Hecht" erlosch»» tvar, streckte sich der Spielmann ans der breite» Ofenbank, ans die etlich Decken gebreitet Uxiren, nnd ließ die Ereignisse des heutige» Tages nochmals an seinem Geiste vor- liberziehen. Er tonnte mit dem Erfolge seiner Nachforschungen zufrieden sein: Walter von Stansseneck saß arglos in der Falle und tam so leicht nicht ans derselbe» heraus. Daß seine Anwesimheit in Ulm dem Rate der Stadt noch vor dein Moraengranen bekannt würde, dafür wollte er sorgen. Nach Art der Leute, die viel allein reise», begann er hlblaut vor sich hinzu sprechen. „Ter Vogel sitzt gefangen — der Käfig zu — er kann nicht hinaus. Bevor der Torwärter den Riegel zniiickschiel't, bin ich beim Büttel meister und verrat ihm den fetten Braten. Diesmal ,-rebt's ihm sichr an .Hals und Kragen — die Ulmer lxiben eine» brennenden Haß ans den Oettin- ger und seine Gesippen. Wart, Bürsclxben — d» sollst im Turm brummen — während ich wieder nach dem Zollern »»andere, meinen Lohn in klingenden Goldgnlden zu empfangen — ein artig Sümmchen — Müde drehte er sich zur Seite nnd schlief ein. Kanin htte er seinen Monolog begonnen gehabt, als sich über ibm ein kleines Fenster, das in der Wand angebracht und mit einem schmutzige» Vor hang verhängt Mw. hlb öffnete nnd ein dunkler Kopf mit blitzenden Angen erschien nnd geslxmnt auf die hlblaut gesprochenen Worte des SpielmannS tauschte. Leise schloß sich das Fenster wieder, sobald die ruhigen Atcnizüm' de- Schläfers gehört wurden, und in den» dunklen Naiime herrschte tiefe Stille. ch ch ch In» .Hanse des reich» Hans Witü war Frühnsstehn zur stehenden (h- Ivohnhit geworden; noch che die alte ülxlhörige Magd ans ihrer Kammer langsam und bedächtig heransnxitschelte, »rar Kätchen wach und als erste im Hause auf den flinken Füßen. Wie ein lustiges Vögelein hüpfte sie in» Hanse so