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Nr. L7S — Lv. Jahrgang iichslschkMks ksrettag den 4. August IV1L «scheint «üblich nachm. mttkluSnahme der Sonn-und Festtage. «»»gäbe 4 mit .Die Zeit In Wort und Bild» viertelskhrltch 8,10 In Dresden durch Boten »,4« In ganz Deutschland ftei Hau» 8 88 in Oesterreich 4,48 N. vuSgab« » ohne Miiltriertc Beilage vierteljährlich 1,«v Fk. In Dresden durch Bote» 8,1V In ganz Deutschland srei Hau» 8 88 in Oesterreich 4.07 L. - Sinzel.Nr, 10 ^ Anabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Ngespaltene Petitzeile oder deren Raum mV 4L 4, Reklamen mit 80 Z die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt, ivuchdrnikerei, Redaktion und MefchäftSstelle, Dresden, PMuttzer Strafte 48. — Fernsprecher 1800 JiirRIiilgabr unverlangt. Schrtftstüifr feine iverbindltchket» Redaktion«, Sprechstunde: II bis 18 Uhr, Kriegshetzer hüben und drüben an der Arbeit. Dresden, den 3, Auzust ISll. Die Marokkoverhandlungen gehen langsamer von der Stelle, als man nach den bisherigen Erfahrungen annehmen mutzte; es zeigt sich mit jedem Tage deutlicher, datz Frank reich gar nicht mehr frei und vcrfiigungsfähig ist. Es hat seine Prokura au England abgetreten und mutz immer von London aus Zustimmung erhalten. Alle die bisherigen Schwierigkeiten sind im Londoner Kabinett entstanden. Die Verzögerung des Abschlusses machte manche Leute nervös und einige ziehen schon an dem Säbel; ein dritter Teil (bei den Franzosen) hoffte auf den Kaiser, der das Werk seiner Diplomaten zerschlage und Frankreich alles gebe. Die französischen Blätter, welche diese Version auf den Markt ihrer politischen Abnehmer warfen, haben offen bar gar keine Vorstellung von der sorgfältigen und gewissen haften Arbeit, mit der Kaiser Wilhelm alle wichtigen Tat sachen unseres politischen Lebens auch auf seiner alljähr lichen „Erholungsreise" in die norwegischen Gewässer be gleitet. Er steht in fortgesetzter telegraphischer Verbindung mit Berlin, und Torpedoboote, die hin- und hergehen, be sorgen die Ueberbriugung des Aktenmaterials, das init den Resolutionen des Kaisers nach Berlin zurückgeht. Es ist also ganz ausgeschlossen, datz ihm irgend ein Stadium der laufenden Verhandlungen unbekannt geblieben ist. Der Vortrag des Reichskanzlers und des Staatssekretärs konnte daher nicht neue Informationen, sondern nur mündliche Er läuterungen zu bereits im wesentlichen Bekannten geben, während sie ihrerseits die mündliche Billigung ihrer poli tischen Haltung heimbringen konnten. Da, wie wir her vorhoben, eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen ist, spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, datz der Schwer punkt der Swinemünder Verhandlungen der Frage galt, was geschehen solle, falls die Verhandlungen mit Frank reich nicht zu einer Verständigung führen. Obwohl über diesen Eventualfall noch keinerlei Nachricht an die Oeffent- lichkeit kam, so sind doch schon alle Generäle an der Arbeit, um das Kriegsfetter zu schüren. Zu diesen rechnen wir den Abgeordneten General v. Liebert, der in der „Post" u, a. schreibt: „Sobald das deutsche Volk sich auf seinem Grund und Boden trotz aller gesteigerten Verfeinerung der Industrie, trotz oller Hebung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht mehr zu ernähren und innerhalb seines ktnncknrck »k Uko sich nicht normal zu entwickeln vermag, dann — geht es von selbst los, wie die Weltgeschichte zu allen Zeiten zu berichten weiß. Dann schützen keine Verträge und keine Schieds gerichte den schwächeren Teil vor dem Losbruch der Natur gewalten. Dann wehe den superklugen Nachbarn, die jetzt des Wahnes leben, datz sie, nicht gestützt auf eigene Kraft und Stärke, sondern auf Grund des Schutzes, den ihnen fremde Mächte gewähren, den gesunden Ausdehnungstrieb des deutschen Volkes in Fesseln schlagen können! Dann sucht die allzulange gehemmte überschüssige Kraft eines männerreichen Volkes nicht mehr überseeische Gebiete auf, sondern stürzt sich wie ein alles niederreitzender Gietzbach über die Nächstliegenden Gefilde." Noch weit schärfer geht der bekannte General Keim vor, der einfach schreibt: daß wir zu wenig Soldaten und zu wenig Schiffe hätten! „Trotzdem sollte doch England nicht vergessen, das; die Fortsetzung seiner bisherigen Poli tik Deutschland gegenüber ihm selbst eines Tages verhäng nisvoll werden könnte, wenn es uns zwänge, den Friedens- stempel zu schließen. Keine grotze Nation kann es auf die Dauer ertragen, in ihre Geschicke durch die Böswilligkeit Dritter störend eingegriffen zu sehen. Ferner mutz es ein- mal offen ausgesprochen werden, datz ein Volk, das opfer willigen Wagemutes entbehrt und, wenn nötig, vor dem Kriege zurückschreckt, dem Niedergänge verfallen ist." Von diesen beiden pensionierten Generälen ist man schließlich nichts anderes gewohnt. Aber außer dem kleinen Kreise der Alldeutschen spricht kein Mensch vom Kriege, als die S o z i a l d e m o k r a t i e ; sie veranstaltet sogar Protestversammlungen gegen einen Krieg, der nur in der überhitzten Phantasie der Genossen vorhanden ist. Das ganze Treiben der Sozialdemokratie ist dem Frieden am meisten gefährlich. Im Stuttgarter Halbmondsaal verfielen sie durch ihre uuzcitige Anfrage dem allgemeinen Gelächter; die großen Friedenscngel saßen mit roten Köpfen da, nachdem ihnen der Ministerpräsident einen kalten Wasserstrahl verabreicht hatte. In Berlin lassen sie einen französischen Sozialisten reden, der durch sein ganzes Auftreten — er reiste ja fluchtartig ab. nachdem er seine Hetzereien an die deutschen Genossen gebracht hatte — ge zeigt hat, datz es ihm nicht um den Frieden zu tun ist. Ein Teil der roten Presse bringt die unglaublichsten Phantasie- Meldungen; kurzum: man sieht aus allem, datz gerade die internationale Sozialdemokratie die größte Gefahr für den Weltfrieden darstellt, wenn sie auch noch so laute Kund gebungen für diesen veranstalten mag. Mutz nun angesichts solcher Lärmkundgebungen der radikalsten Oppositions partei nicht im Auslande der Eindruck geweckt werden, e s bedrohe Deutschland andere Nationen? Man sehe nur die Eilfertigkeit an, mit der englische De- peschenagenturen die Veranstaltungen der Sozialdemokratie im Auslande verbreiten; so soll das deutsche Volk als eine Herde von kriegerischen Barbaren angesehen werden und nur die braven Sozialdemokraten sollen als Friedenscngel erscheinen. Die Kundgebungen der Sozialdemokratie sind nur geeignet, den Hatz gegen Deutschland zu schüren. Man kann ja den Verdruß der Genossen ver stehen; denn der Sozialdemokratie mag es gar nicht in das Konzept passen, wenn jetzt unsere Auslandspolitik einen Erfolg ergibt, einen Erfolg auf friedlichem Wege, für den der „Vorwärts" den Namen „Erpressungspolitik" übrig hat. Die Wahrung deutscher Interessen ist ihm eine „Er pressung". Was will denn überhaupt die Sozialdemokratie auf diesem Gebiete? Daß die Algecirasakte unhaltbar ge worden ist, sieht jedes Kind ein, oder soll man etwa die steten Unruhen dort dulden? Soll Deutschland ruhig zu- sehen, wie das Land von Frankreich eingesteckt wird? Das scheint dem sozialdemokratischen Ideal zu entsprechen: wenigstens haben die deutsckien Sozialdemokraten nicht protestiert, als Frankreich seine Eroberungszügc nach Fes machte: wo erst Deutschland sich gegen eine ihm ungünstige Kräfteverschiebung wandte, da lärmten die Sozialdemo kraten um den nicht bedrohten Frieden und suchen so der deutschen Aktion zn schaden. Wenn man die Stellungnahme der Sozialdemokratie recht versteht, dann hätte sie gar nichts dagegen gehabt, wenn Frankreich sein nordafrika nisches Kolonialreich vollendet Hütte. Die ganze politische Rückständigkeit dieser Partei kommt hier zum Ausdruck. Die „Gefahr eines blutigen Völkerkrieges" ist das Gespenst, das die Sozialdemokratie erscheinen läßt, um eine gut be gonnene deutsche Aktion zu erschweren oder gar zu vereiteln. Die Sozialdemokratie wird so die getreueste Helferin des Auslandes, das nur Deutschland als den Friedensstörer ansieht. Was andere Nationen tun, findet überall Billigung. Nun steht die Situation aber nicht so, datz die Kriegs hetzer auf Erfolg rechnen können; der Wille zur Einigung ist noch vorhanden, nur England sucht ihn zu unterdrücken. Die Breslauer Universitätsfeier. Um 9 Uhr vormittags begannen die Festgottesdienstc. der evangelische in der Elisabethkirche, der katholische in der Matthiaskirche. Ten: ersteren wohnte der Kronprinz mit Gefolge hei. In der unmittelbar an der Universität ge legene» Matthiaskirche begann der katholische Fcstgottes- dienst mit der vom Dompropst Professor I>. König ge haltenen Festpredigt über das Wort: „Der Geist erfährt alles aus der Tiefe der Weisheit Gottes" aus dem zweiten Korintherbricfe, in der er die Bedeutung der Universität für die gesamte Wissenschaft und die Theologie darlegte. An die Predigt schloß sich das von dem Herrn Kardinal- Fürstbischof Kopp unter Assistenz von vier Domprälaten zelebrierte Hochamt. Nach Beendigung desselben begab sich der Kardinal mit dem Lehrkörper in feierlichem Zuge nach der Aula Leopoldina zum Festakt. Inzwischen hatten die im Studentenausschuß sitzenden .Korporationen um 9^ Uhr in feierlicl>er Auffahrt einen Kranz am Denkmal Friedrich Wilhelms III. niedergelegt. Dann folgte der Festakt in der Aula Leopol dina. Anwesend waren Prinz und Prinzessin Friedrich Wilhelm von Preußen, Fürst Hatzfeld. Herzog von Ratibor, Graf Zedlitz und Trützschler, sowie elf Herren, die ältesten Semester, die bereits das 60jährige Stiftungsfest mitge- macht hatten. Den ganzen Mittelraum nahmen die fremden Vertreter und Ehrengäste ein. Zu beiden Seiten der Nedncrempore hatten die Professoren und Dozenten Platz genommen: dahinter hatten Fahnendeputationen Auf stellung genommen. Den Hintergrund füllten Deputationen der Studentenschaft und Studentinnen. Punkt ll Uhr be trat der Kronprinz, gefolgt vom Erbprinzen von Meiningen, von: Rektor, den Dekanen, den: Gefolge, dem Kultus minister, dem Oberpräsidenten und dem Oberbürgermeister die Aula. Ter Kronprinz nahm in der Loge zur Rechten der Professoren und Dozenten Platz. Nach dem Vortrage einer Gabrielschen Sonate nahm der Rektor das Woist zur Begrüßung, »vorauf der .Kronprinz die kaiserliche K a b i n e t t s o r d e r verlas, nach welcher der Universität der Name „Schlesisckie Friedrich-Wilhelms-Universität" ver liehen worden ist. Die Kabincttsorder hat folgenden Wortlaut: „Der Universität zu Breslau entbiete Ich zu ihrer Jubelfeier Meinen Königlichen Gruß und Glückwunsch. Dr. Friedrich Wilhelm Helle, der Dichter von Zesus Messias. Zu seinem 19 jährigen Todestage om 4. August 1911. Von Margareta Helle.*) Will man ein Gemälde richtig beurteilen, so mutz man es aus einer gewissen Entfernung betrachten: ebenso geht es mit dem Menschen; erst wenn er uns entrückt ist, lernen wir ihn nach Gebühr würdigen. Auf Friedrich Wilhelm Helle, den verewigten Dichter des Jesus Messias, gestorben den 4. August 1901 zu München, passen diese Worte. Ich will in kurzen Zügen das Wirken und Leben des Dichters vorführcn, der in treuester Pflichterfüllung ein Menschenalter hindurch allen an ihn gestellten Anforde rungen gerecht zu werden suchte, — eines Dichters, der, vom inneren Genius unwiderstehlich getrieben, trotz aller Miß gunst der Verhältnisse unablässig dem höchsten Ideale ent gegenstrebte, der in der Wüste winkenden Palme, zu deren Füßen er . zwar glücklich angelangt, die ihm einige er frischende Kühlung gebracht, aber ihm die goldene Frucht auch nicht ain Lebensabend gewährte. Im Jahre 1896 erschien im Verlage von F. W. Cordier in Heiligenstadt das Epos ,. I e s u s M e s s i a s ", das am 9. Mai 1901 von der theologischen Fakultät in Würzburg durch einstimmigen Beschluß für das beste und verdienst vollste Werk der letzten Jahre auf den: Gebiete der religiösen Dichtkunst erkannt und mit dem Dichterpreise ausgezeichnet wurde. Schon diese Tatsache dürfte die Annahme recht fertigen, Laß cs sich um eine hervorragende dichterische *) Die Verfasserin ist de» MelstaSdIchter» Tochter; sie lebt in Dresden, mit schriftstellerischen Arbeiten ihr Brot verdienend. Di« Lerke können durch sie bezogen werden. Leistung handle. Helles Werk ist das umfangreichste Werk, das die christliche Dichtung besitzt. Freilich gehört Lust und Liebe dazu, sich durch die Breite und Länge der Schilde rungen hindurchzuarbeiten; wer aber diesen mühevollen Weg macht, wird wiederholt des Dichters Schärfe, zu charakterisieren, und das Talent, die schönen hoheitsvollen und plastisch abgerundeten Bilder der Evangelien in ein poetisches Gemälde zu fasst», bewundern müssen. Erinnert sich der Leser, der sich zum ersten Male dem Strande des Meeres näherte, jenes unbeschreiblichen Ge fühles, das ihn überkam, als das Rauschen des Ozeans an sein Ohr schlug? Wenn er so oben auf der Düne stand und das unabsehbare schäumende Wogenfeld vor sich nusgebreitet sah, da blieb er lauge sprachlos stehen vor Staunen und Entzücken; am liebsten wäre er in den Sand gekniet, um den Höchsten anzubeten, dessen Unendlichkeit sich in keinem andcren^Werke der Schöpfung so widerspiegclt wie in den Fluten des Ozeans. Aehnliches mutzte der Dichter empfinden, der an den größten erhabensten Stoff herantrat, den die Jahrtausende gezeitigt haben. Ueber vierzig Jahre der angestrengtesten Geistesarbeit und des in die Tiefen der Wissenschaft sich versenkenden Studiums bildet mau sich nicht in einer flüchtigen Stunde ein abschließendes Urteil. Es ist Helle gelungen, von der Unendlichkeit seines Stoffes einen Abglanz in seine Dichtung übergehen zu lassen: seine Verse rauschen in den nämlichen majestätischen Kadenzen wie die Wogen des Meeres. Je mehr man sich in dieselben vertieft, um so weiter dehnt sich die alles um- fassende Uncrmetzlichkeit aus, der Erde wird man mehr und mehr entrückt, man sieht nur noch den Himmel und die Un- endlichkcit der Wogen und auf diesen den vom Himmel hernicdergestiegenen, menschgewordenen Gottsohn wandeln. In treuer Lebensarbeit hat der Verfasser sich bemüht, den höchsten Gegenstand menschlichen Erkennens und Be- trachtens, die Geschichte der Erlösung dichterisch zu verherr lichen. Er zerlegt sein Werk in drei Teile: „Bethlehem und Nazareth", „Jordan und Kedron", „Golgatha und Oel berg". Ueberall die Erzählung der Evangelien und die Lehre der Kirche zugrunde legend, sichert er so seiner Dar stellung dieser Tatsachen und ihres Zusammenhanges die erhabene Wahrheit und die schlichte Großartigkeit, die keine menschliche Erfindung geben kann. Am 28. Oktober 1831 zu Böckenförde bei Lippstadt (Westfalen) geboren, verbrachte Friedrich W. Helle seine Jugend teils in dem benachbarten Rüthen, teils in Hallen berg im Sauerlande bei seinem geistlichen Onkel, Pfarrer Heinrich Lichc. Er selbst schreibt darüber: „Diese wechsclreichen, anmutigen Eindrücke und Erleb nisse jener Zeit sind meine reinsten und lieblichsten Erinne rungen geblieben. Echt christlicher Familiensinn, die Ein drücke aus dem gottesdienstlichen Leben, die wahrhaft idyllischen, freudenvollen Schuljahre trotz mannigfacher Familienlciden, die herrliche Natur, dies alles vereinte sich, um mir Herz und Geist zn erquicken. Ohne diese Kindheit und Jugend wäre ich wohl in den Stürmen des Lebens uutergegangen; sie aber sind des Studenten und des Mannes Stärke, des Ergrauten Trost und Frieden ge worden, weil sie ihm den Glauben bewahrten." Schon in seinem zehnten Lebensjahre war er für das Studium bestimmt. Da starb sein Onkel. Dieser Umstand und seine schwächliche Gesundheit hießen ihn die Studien unterbrechen. Er benutzte die Zeit, das Buchbinderhand' werk zu erlernen. Bald aber erwachte von neuem das Ver langen, sich dem Studium zu widmen, das er, nachdem er sein Gesellenstück gemacht, auf eigene Faust begann. Nach Absolvierung des Gymnasiums zu Brilon bezog er die Akademie zu Münster, später die Universitäten München und Wien. In der Kaiscrstadt an der Donau