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Zweite- Blatt Sächsische BolkSzeitimg vom 23. August 1810 Nr. 19t Gemeinde- und Vereinsnachrichlen. 'Leipzig. Am vergangenen Mittwoch führte Herr Direktor Dr. Grollmuß den neuernannten Herrn Superior und Pfarrer Jakob Stranz in die 1. kathol. Bürger- schule ein. Im geräumigen Schulsaale, der zugleich als Kapelle dient, hatten sich die oberen Schulklassen beider Schulen, der Bürgerschule und der höheren Bürgerschule, versammelt, und froher Gesang aus Kindermund begrüßte den geistlichen Vorsteher der Gemeinde. — Eine große Freude war es für jung und alt, für Lehrerkollegium und Kinderwelt, daß nach fast dretvierteljähriger Trennung der wieder genesene Direktor diese Einführung selbst vornehmen konnte. Der übliche Schulgottesdienst beschloß die herzliche Feier. Möge der liebe Gott all die Wünsche ersüllen. die au« Anlaß dieses TageS zum Himmel emporstiegen. Möge insbesondere ein guter Stern darüber walten, daß die guten aktiven Beziehungen zwischen Schule und Kirche, zwischen Lehrerschaft und Pfarrgeistlichkett ungeschwächt erhalten bleiben zum Segen für beide Teile. — Der Neu- bau der 4. katholischen Schule in L.-Gohlts ist nun soweit vorgeschritten, daß voraussichtlich Michaelis die Benutzung der Schule erfolgen kann. Man hat bet diesem Neubau dafür Rechnung getragen, daß er architektonisch in die mehr villenarttge Umgebung p-.ßt. Möchte der Tag nicht allzu fern erscheinen, wo der in Aussicht genommene benachbarte Platz mit einem würdigen geräumigen Gotteshause geschmückt werden kann zur wetteren Sammlung der neuen Gemeinde. ß Dresden. (Kath. Kasino.) Sonntag den 28. August Ausflug der Radfahrer nach Dippoldiswalde-Frauenstein. Abfahrt der ersten Gruppe mit Rad vormittags 11 Uhr vom Bergkeller, der zweiten Gruppe mittags 12 Uhr 30 Min. mit Bahn ab Hauptbahnhos bis Dippoldiswalde. 8 DreSdeu-Piescheu. Wie im Vorjahre, so auch wieder Heuer veranstaltet der kath. Arbeiterverein Pieschen am Sonntag den 28. August in der Waldvtlla Trachau sein diesjähriges Sommersest mit großem Konzert, Tom bola, Fackelzug usw., dessen Reinertrag erwerbsunfähigen Frauen und hilfsbedürftigen Mitgliedern gewidmet werden soll, wozu alle Brudervereine und Gäste herzlich eingeladen werden. Mit September beginnt wieder ein reges Vereins- leben in seinen VereinSabenden, welche mit höchst wissen- schastlichen und sozialpolitischen Vorträgen bedacht sind. 8 Lripzig-West. (Volksverein.) Freitag den26.August Vertrauensmänneiversammlung und Diskutterschule im Bamberger Hof, Merseburger Straße 8. Vortrag hat gütigst Herr Lehrer Bedrich übernommen. Gäste herzlich willkommen. Um zahlreiches Erscheinen bittet der Obmann. Kirche und Unterricht. Ir Rom. Dekret der S a k r a m e n t s k o n g r c - g a t i o n ü b e r das Alter der e r ste n heiligen Kommunion. Die letzte Nummer der .X<-tn .XixuKo lierio Kvrlitt enthält ein vom Heiligen Vater^approbiertes Dekret der Sakrameiitskongregation, das von der weitest- tragenden Bedeutung ist. Es bestimmt, daß die Kinder zur Osterkommunion verpflichtet sind, sobald sie das Alter der Vernunft erreicht haben. Dieses Alter, so heißt es, ist kein anderes für die heilige Kommunion als für die Beichte und fällt im allgemeinen mit dem 7. Lebensjahre zusammen. Die vollständige Kenntnis der Religion ist nicht nötig zu dieser Verpflichtung, die nicht allein die Kinder selbst an- geht, sondern auch die Erzieher: die Eltern, den Beichtvater, die Lehrer, den Pfarrer usw. Der Papst schreibt allen Bi schöfen vor, dieses Dekret zu verbreiten und alljährlich wäh rend der österlictjen Zeit in den Pfarrkirchen verlesen zu lassen. In einem geschichtlichen Rückblick wird der Nach weis geführt, daß die jetzt herrschende Sitte, die heilige Kommunion auf ein späteres Alter zu verlegen, mit der be' ständigen Lehre Noms in Widerspruch stehe und auf die Irr lehre der Jansenisteu zurückgehe, die die heilige Euclxiristic als eine Belohnung und nicht als ein Heilmittel der mensch lichen Schwachheit betrachteten. Zum Schlüsse betont das Dekret die große Nützlichkeit der täglichen Kommunion für die Kinder wie für die Erwachsenen. — Ter Heilige Vater hat cs nicht belassen bei der einschneidenden Entscheidung über die häufige heilige Kommunion, er will auch die Kinder möglichst früh und oft an dem himmlischen Manna teilnehmen lassen, um alles in Ehristo zu erneuern, um den Eifer der ersten Christen in der Kirche wieder an- zufachen. Spork. Dresden, 21. August. Tie heutigen Rennen auf Seidnitzer Flur waren vom herrlichsten Wetter be günstigt und infolgedessen auch sehr stark aus allen Kreisen besucht. Aus dem ersten Platze und auf den Tribünen hatte sich die beste Dresdner Gesellschaft ein Stelldichein gegeben: besonders die Offizierswelt war stark vertreten. Leider brachte das erste Nennen gleich einen Unfall, denn Nedleap. geritten von Nastenberger, brach beim Hürdensprung eine Fessel und mußte erschossen werden. Im übrigen verliefen die einzelnen Rennen ohne ernstlichen Unfall wie folgt: I. August-Verkaufs-Hürden-Rennen. 2500 Mk. Distanz 2600 Meter. 1. Herrn M. ZydowerS „Schlei' (Th. Bastian), 2 Gestüt Brandwerders .Wer weiß', 3. Herrn A. CastenS „Joseph II.'. Totalisator Sieg 24:10. Platz 13, 16, 15:10. II. Preis von Zschorna. 2800 Mk. Distanz 1200 Meter. 1. Mr. FairS .Boulanger' (Goff), 2. Herrn F. Schmidt-BcneckcS .Hille Bobbe', 3. Herrn I. Leutlers .Ria'. Totalisator Sieg 31:10. Platz 19. 18:10. III. Ehrenpreis-Hürden-Handicap. Ehrenpreis und 4000 Mk. Distanz 3000 Meter. 1. Herrn O ReiSIands .Heiotoho' (Calff), 2. Lln. Graf A. Hohenaus, 1. Kür.-Regt., .Argonaut', 3. Herrn E. S. Fürstenbergs .Nilbraut'. Totalisator Sieg 132:10. Platz 28, 34. 18:10. IV. Preis vom Lugturm. Ehrenpreis und 2500 M. Hcrrenreitcn. Distanz 3800 Meter. 1. Lln. O. v. ZobcltitzS, 2. Garde-Ul., .Diving-Bell' (Ltn. Graf Schmettow). 2. Lln. v. StammerS, 18. Husaren, .Gromann I.' (Besitzer), 3. Herren K. und A. Ugschneiders „Le Eonnctable II.' (Ltn. Stresemann). Toialisator Sieg 55:10. Platz 23, 38 :10. V. Preis von Königsbrück. Graditzer Gestüt. Preis 3000 Mk. Handicap. Dbtanz 24 0 Meter. 1. Herrn O. RciS- lands .Lockenkopf' (Schläfke), 2. Graf C. E. ReventlowS .Laps', 3. Herrn VogdtS „Monsalvat". Totalisator Sieg 19:10. Platz 14, 23:10. VI. ErinnerungS-Rennen. Ehrenpreis und 1000" Mk. Jagdrennen. Hcrrenreiten. Distanz 4500 Meter. 1. Herrn Dr. G. Pachalys „Turandot' (Ltn. Graf Bethusy Huc), 2. Ltn. Miezes, 21. Ulanen. .Bois de Senteur' (Besitzer), 3. Herrn H. LoeschS .Bolzen' (Ltn. A. Nette). Totalisator Sieg 14: ><. Platz 12, 17:10. — Nächster Renntag: Sonntag den 28. August nach mittags 2>/, Uhr. Vermischtes. V Die „UN politische" sozialdemokratische Jugend organisation. Die Sozialdemokraten behaupten stets, daß ihre Jugendorganisation „unpolitisch" sei. Am 4.. 5. und 6. September findet in Florenz ein Kongreß des Landesver bandes der italienischen sozialdemokratischen Jugendorga nisation statt. Wie der „Vorwärts" vom 3. August 1910 mitteilt, stehen auf der Tagesordnung dieses Kongresses u. a. folgende Beratungsgegenstände: Antimilitaristische Agitation, antiklerikale Agitation unter besonderer Berück sichtigung des christlichen Sozialismus und der Propaganda gegen die Kollegen, Sozialisten und Freimaurerorden, So zialismus und Regierungsform. Den alten Genossen bleibt nach all dem nichts zu tun übrig, da die „unpolitische" Jugendorganisation die verzwicktesten Probleme mit Leich tigkeit löst. v Seltsames Schicksal eines großen Loses. Das große Los der letzten Lotterie der Brüsseler Weltausstellung im Betrage von 200 000 Franken, das vor acht Tagen gezogen wurde, ist noch nicht reklamiert worden. Jetzt wird aus Lüttich gemeldet, daß die Ausgrabung einer Leiche eines am 1l. Juni bei einer Grubenkatastrophe ver unglückten Bergarbeiters von seinen Eltern beim Staats- anwalte beantragt wurde. Ter Vater des Verstorbenen behauptet nämlich, daß sein Sohn das fragliche Los in sei nem Sonntagsanzuge gehabt habe, in dem er beerdigt worden ist. Literatur. Der Laiidcsvercin Heimatschntz versendet soeben das l t. Heft seiner illustrierten Mitteilungen, das in einem ein leitenden Aufsätze von Dr. ing. F. Rauda Zittau, über „Kirchliche Denkmalspflege" insbesondere viele mißverstan dene Kirchenrestaurierungen in Wort und Bild schildert, da neben aber auch viele Beispiele von Restaurierungen gibt, die von dazu berufenen Künstlern unter voller Erhaltung des künstlerischen und stimmiingsvollen Gcsamteindruckes dnrchgeführt wurden. Eine weitere Abhandlung vom Re- giernngsbaumeister Greiner in Dresden behandelt den Wettbewerb zur Erlangung von Skizzen fiir den Neubau einer Turnhalle mit Feuerwehrdepot in Bnchholz. Es han delte sich hier zwar »in eine kleine, aber für das Stadtbild von Buchholz besonders wichtige Ausgabe, in deren Anerken nung die Stadtverwaltung einen öffentlichen Wettbewerb ausschrieb, dessen Ergebnis sehr wertvolle Projekte von namhaften sächsisclxm Künstlern brachte. Ein Artikel vom Baumeister E. Pönisch, Dresden, über den „Wettbewerb zur Erlangung von Verbesserungsvorschlägcn für die Planung eines Landgasthanses", veranstaltet vom Dresdner Bau- I - 44 - hier niemanden zum Walzen gab. Und ein Gelack-e und ein Getue, als hinge ihm der Himmel voller Geigen . . . Jetzt kommt er mir ganz anders vor." „Ach. Herbert ist ja die Langeweile in Person." sagte Gertrud gedehnt. „Er sitzt stundenlang bei Papa und um mich kümmert er sich gar nicht. Oder er ist von einer so forcierten Lustigkeit, daß einem himmelangst dabei wird. Ich verstehe das nicht. Und nett finde ich ihn schon lange nicht mehr. Was ei nur haben mag? Ob er Angst hat, ich könnte ihn heirate» wollen? Nein, liebe Suse, das rede ihm ans! Ich finde ja seine Person gagz reizen-, und sein Wesen sagt mir ebenfalls zu, aber ihn zum Manne nehmen? Nein, ich mag nicht, und wenn Mama auch noch so viel von dieser Sack;« spricht. Ich sage dir, ich bin schon gar nicht mehr gern mit Mama allein, weil sie gleich ihr Licblingsthema-: Herberts günstige Vermögenslage, anfs Tapet bringt. Wo zu dieser Reichtum? Ich mag ihn nicht. Ich bin reich genug." „Hm!" machte Suse bedächtig. „Tn Kindskopf weißt eben nicht, was zum Leben gehört. Siehst du, wenn Herbert dich nur ein bissel lieb haben wollte, du müßtest die glücklichste Frau unter der Sonne werden!" „Danke schön!" sagte Gertrud und knirtc übermütig. „Ich suche mir eben einen anderen aus. Und wenn auch du nur von Herbert reden kannst, so gehe ich schon wieder!" Damit warf sie der alten Dienerin lachend eine Kußhand zu und eilte fort. — Angela hatte nach wochenlang still und geduldig in den weißen Kissen gelegen. Langsam hoben sich ihre Kräfte. Wie oft waren ihre Augen vom Fußboden zur Decke und wieder zurück gewandert. Sic zählte das Muster der Tapete, die Fensterscheiben, die Orna mente des Teppichs, die Kacheln des Ofens. Sic schaute einer großen Spinne zu, die in einer Ecke des Gemaches behende ihre Fäden spannte und sie hütete sich, Frau Maling auf diesen stillen Gesellschafter aufmerksam zu machen. Zumeist aber blickten ihre Augen träumerisch in den Garten, über den die Schneedecke sich breitete, hinauf zu den kahlen Bäumen »nd dem Hellen Winterhimmel. Am liebsten aber weilten sie auf der hohen Tanne, die ernst und schweigend seitwärts vom Fenster stand, und die ein köstliches Gewand trug, auf das die Sonnenstrahlen blitzende Edelsteine streute». Schwacher Blumenduft durchzog den heimlichen Raum, im Ofen züngel ten die Flammen, Bücher konnte ein Griff der schwachen Hand erreichen. War es nicht ein Wohlgefühl, so zu liegen und zu träumen von großen, schönen Dingen, von Menschen, die noch Ideale in der Brust trugen, die an das Göttliche in der Welt glaubten, die es aufsuchten unter Schutt und Trümmern? .Ja, wenn das „Einst" nicht gewesen wäre!" seufzte Angela, die sich redlich bemühte, ihr Doktor Heßland gegebenes Versprechen zu erfüllen. Bisher abstoßend und teilnahmslos gegen ihre Umgebusiiqj', vergalt Angela jetzt alle Freundlichkeiten, die sie überreich erfuhr, mit einem Dan- keslächeln. Dieses Lächeln wurde ihr schwer. Man sah es. Aber sie hielt cs fest, und sie kämpfte gegen ihre Melancholie mit der starken Willenskraft, die Franz Fiebag schon längst in diesem zarten Körper vermutet hatte. — 4> — Getrud, die längst die ironischen Worte Brunos verschmerzt hatte, blickte zuweilen verstohlen nach den beiden hin. Sie beneidete Frau Fehringhaus und haßte sie beinahe. Obgleich, wie stets bei solchen Anlässen, auch heule viel bewundert, war Gertrud stiller als gewöhnlich. Ihre Antworten klangen zerstreut, ihre Kavaliere konnten sich nicht rühmen, sie dauernd z» fesseln. Sie fühlte sich zum ersten Male unbefriedigt von dem Treiben rings umher Sie war ver stimmt und mit sich selbst unzufrieden und wußte doch nicht warm». Immer n ieder suchte ihr Auge den Einen, dessen Beifall sie nicht errnngen, er ver langte mehr als äußere Schönheit. Reichtum und Glanz. Mehr selbst, als ein gutes Herz. Als sie endlich i» Begleitung ihrer Eltern das Fest verließ, gelang es ibr, noch einen Blick und eine Abschiedsverbcugnng von Bruno Trcucnfels zu erhaschen. Sie belohnte beides mit den bedentnnosvollen Worten: „Auf Wiederiehen!" Bruno Trcueufels aber gedachte seufzend der armen Kranken in seinem Hause, die jetzt der Genesung enlgegeuschlnnimerte. Würde auch Angela einst, strahlend in Jugendglück und Heiterkeit, das Parkett eines Ballsaales be- schreiten? Und dürfte er, er mit seiner Vergangenheit, sie einführen in diese Welt des Scheins? Der März brachte schon linde Tage. Gertrud fuhr mit ihrer Mutter täglich spazieren, »nd sie wußte cs gar geschickt so einznrichtcn, daß die Eguipage mit de» Damen öfters die Straß, passierte, an deren Ende die Trcnenfelssche Villa lag. Aber so angelegentlich sie auch die wenigen Passanten hier draußen musterte, so aufmerksam sie nach den Fenstern des kleinen grauen Hauses blickte: Bruno Trcueufels blieb ihr verborgen. Sic konnte ihn nirgends erspähen. Ach, der Frühling begann gar nicht lustig für das verwöhnte Kind des Reichtums! Herr Hellwig kränkelte, und die alte Suse hatte sich einen bösen Husten zngczogcn, als sie ihrem „Goldkinde" ein paar Gänge zu armen Leuten al> genommen. Nun saß Suse allein in ihrem Stübchen, ließ den Tonnenschein und die Frühlingsluft zu sich herein und bereitete sich allgemach zum Sterben. Sic war glücklich, wenn Gertruds freundliche Erscheinung wie ein Sonnen strahl in ihr Kämmerchen glitt. Es war ja — ihrer Meinung nach — gar nicht so lange her, daß sie das zierliche Mädchen als zartes Kind in dein Armen gewiegt und cs später mit bunten Märchenbildern in süße Träume gegaukelt hatte. Eben diese Märchen hotten Gertrud ein wenig phatastisch und launenhaft gemacht. War ja doch in SuseS Augen Gertrud selbst von leher ein feenhaftes Wesen, besser und schöner als andere Menschenkinder. O, wen» sie die hcrrlick-e, glanzvolle Hochzeit ihres Lieblings doch noch hätte erleben dürfen! Gertrud läcl-elte über diesen oft ausgesprochenen Wunsch der Alten. Wenn aber dann Vetter Herberts Name genannt wurde, zog sie die Stirne krauö. .Bitte, nichts von „ihm"!" wehrte sie ab. „Ich kann solche auSgeklllgcl- ten Heiraten in den Tod nicht leiden! Herbert ist mir ein lieber Gesellschafter. Als Mann wäre er m?r unausstehlich!" „Unter schwerer Anklage." 11