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80 gerichtliche Verurteilungen wegen Mißbrauchs der militärischen Dienstgewalt und Mißhandlungen van Soldaten bekannt. An Freiheitsstrafen wurden aus- gesprochen 27 Jahre, l Monat. 10 Tage, außerdem l l Degradationen. Von den Freiheitsstrafen treffen auf Preußen 23 Jahre, 1l Monate, 7 Tage Gefängnis, 10 Monate, 28 Tage Festungshaft, 0 Monate mittlerer Arrest, 20 Tage gelinder Arrest, 2 Monate, 3 Tage Stubenarrest. Die I l Degradationen wurden ebenfalls in Preußen verhängt. In Bayern wurden ansgesprochen 3 Monate Gefängnis. 42 Tage mittlerer Arrest, 3!» Tage gelinder Arrest, 38 Tage Stubenarrest; in Sachsen -1 Monate, 27 Tage Ge fängnis, 3 Monate. 8 Tage mittlerer Arrest, 10 Tage ge linder Arrest. Vom l. Januar bis jetzt sind 170 Verur teilungen wegen Soldatengnälereien bekannt geworden. An Strafen wurden dabei ausgesprochen .7«» Jahre, 0 Monate, 2!» Tage Freiheitsentzug. Die Bayrische Kammer ist am 20. September zu- sammengetreten. Finanzminister Riedel legte das neue Budget vor und führte aus: Das Jahr l!>00 schloß mit einem Aktivrest von 17 80171!» Mk.. das Jahr 1001 mit einem Passivresl von 1372 00!» Mk., letzteres insbesondere wegen des Mindererträgnisses für Eisenbahnen von 0 8010O0 Mk. und der Mehrausgabe für Pensionen von 2OOOOO0 Mk. Für die ganze Finanzperiode 1000/01 verbleibt somit ein Aktivrest von ll 178 710 Mk. Bezüg lich des Budgets schickt der Minister voraus, daß die an fänglichen Befürchtungen glücklicherweise übertrieben waren. Die Finanzlage sei zwar noch nicht ganz gesund, allein der Patient befindet sich bereits auf dem Wege der Besserung. Die Bilanzierung erfolgt ohne Erhöhung der direkten Stetlern, sofern der Landtag dem neue» Gesetzentwurf bezüg lich des Gebührenwesens und der Erbschaftssteuer zustimme. Man schreibt uns nns Berlin: Der Ansstand der Berliner O miiibnS-Angcftellten ist allem Anschein nach bereits als für diese verloren zu betrachten. DieOmnibns- gesellschaft will sich auf einen Schiedsspruch durch das EimgnngSamt, das die Angestellten angernfen hatten, nicht einlassen. Für die Ansständigen hat sie zum großen Teil schon Ersatz gesunden. Tie bürgerliche Presse steht zumeist auf Seilen der Gesellschaft und behauptet, die Angestellten hätten ihre Niederlage dem „Zentralverbande der Handels-, Transport- und VerkehrSarbeiler Deutschlands" zu ver danke». der sich in ihre Angelegenheit eingemischt habe, den aber die Gesellschaft selbstverständlich nicht als Ver tretnng ihrer Angestellten anerkennen wolle. TaS ist aber nichts als cine faule Ausrede. Tic Gesellschaft wollte überhaupt die Wünsche der Angestellten nicht erfüllen und benutzt die Eimnischimg des Zentralverbandes lediglich als Vorwand für die Ablehnung. Warum hat sich denn der Zentralverband eingemischt? Doch nur, weil die Gesell schaft den Angestellten nicht eutgegenkommen wollte. Diese haben eine tägliche Arbeitszeit von 10 bis 17 Stunden, deren Herabsetzung auf l2 Stunden sie wünschten, und ein Gehalt, das noch unter dem ortsüblichen Tagelohn bleibt und das sie um ei» Bescheidenes erhöht wünschten. WM'n das unbescheidene Forderungen? Und diese,Ft'>roerimgcn wurden abgelehnt. Plan redet jetzt J'.on 'den politischen J.eutraloe^-;^^' Warum hat man denn seine Eimnischimg nicht verhindert, indem man be scheidene Wünsche erfüllte? Wieder etwas für die Sozialdemokratie. Fähnrich Hüssener, der in frivolem Uebermnt ein Menschen leben vernichtet hat. erhält als Strafe 2 Jahre 7 Tage vergnügte Feslimg.-Hast. Vier Grenadiere des in Heidel berg gaenisonierenden Bataillons vom 2. Badischen Grenadierregiment halten während des Manövers in einer Nacht in Zivilkleidern mit Steinen nach zwei Unter offizieren geworfen und einem Sergeanten einen Knüppel nachgeworfen. Außerdem hatte ein Grenadier einen Unter Offizier mehrmals mit einem Stock geschlagen, letzterer erhielt dafür vom Kriegsgericht 10 Jahre Gefängnis und Ausstoßung ans dem Heere, zwei Grenadiere je 0 Jahre und einer 3 Jahre 0 Monate Gefängnis. Die Disziplin muß ja anfrechterhalten werden, und Ausschrei tungen. wie die Bestraften sie fick, haben zuschulden kommen lassen, müssen streng bestraft werden; aber vergleicht man diese Strafe mit der Strafe Hüsseners, so kommen einem sonderbare Gedanken über Gerechtigkeit. Oesterreich Ungarn. — Der Z a r traf am Mittwoch in Wien ein. Vom Westbahnhofe begab er sich direkt nach dein Schönbrunner Schlosse. Ans dem Wege dahin wurden zur Spalierbildnng 27 Bataillone, lo Eskadronen. 2 reitende und 12 fahrende Batterien verwendet. Der Kaiser, die Mitglieder der kaiserlichen Familie, die Minister und Hofwürdenträger waren am Bahnhöfe znm Empfang zugegen. Vier Tage wird der Zar auf österreichischem Grunde weilen. In seiner Begleitung ist Graf Lambsdorff. sein Minister des Aenßeren. Das zeigt an, das; des Zaren Bestich nicht bloßer Höftichkeilsat't. nicht bloße Freundschastsvisite ist, sondern das; ihm hoch Politische Bedeutung innewohnt. Worin diese Bedeutung besteht? Das ist keilt Rätsel mehr. Oesterreich »nd Rußland hatten im Jahre 1807 jenes Uebereinkonnnen zur Regelung der Balkanfrage geschlossen, das noch unverändert fortbesleht, und welches allein den Ausbruch eines bulgarisch - türtischen Krieges infolge der mazedonischen Unruhen und deren grausamer Bekämpfung durch die Türkei, bisher verhindert hat. Oesterreich und Rußland haben die übrigen Mächte vertrauensvoll die Mission anvertrant, Ordnung und Frieden am Balkan auf rechtznerhalten nnd zu dem Ende die Türkei zu den not wendigen, freilich noch immer nicht dnrchgeführten Refor men, zu verhalten. Oesterreich und Rußland aber haben sowohl Bulgarien als der Türkei bedeutet, daß sie im Falle des Krieges auf die Hilfe auch nicht einer europäischen Macht zn rechnen hätten, daß alle Mächte hinter Oesterreich nnd Rußland stehen. Und nun kommt der Zar selbst nach Wien, mn das Einvernehmen Oesterreichs nnd Rußlands vor aller Welt nett laut zn bekunden, mn es noch inniger zn gestalten nnd nm ein neues Aktion- Programm zur Lösung der Balkanfragcn zn beraten. ES ist kein Zweifel, daß hierüber vor allem die Verhandlungen im schlichten Jagdschlösse von Mürzsteg. wohin sich die beiden Kaiser begeben haben, gepflogen werden. — Im Herrenhaus wurde am 28. v. M. die unbe dingte Notwendigkeit der Erhaltung der Gemeinsamkeit und Einheitlichkeit des Heeres und der unverkürzten Aus übung der Hoheitsrechte der Krone bezüglich der Armee be tont. Man sprach der Regierung das vollste Vertrauen aus und trat für unbedingte Anfrechterhaltnng des Aus gleichs unter Voraussetzung der Anfrechterhaltnng der Hoheitsrechtc des Monarchen ein, weil in dem Augenblick, wo diese seitens Ungarns verletzt würden, die Gemeinsam keit mit Ungarn von selbst zerschnitten wäre. Fürst Schön- bnrg weist auf Grund des Textes des Ansgleichsgesetzes, sowie unter der Zitierung der Anssprüche DeakS und Andrassys die gesetzlich festgelegte Gemeinsamkeit nnd Ein heitlichkeit der Armee nach unb spricht seine Genngtnnng, sowie seinen lebhaften Dank für den Armeebefehl und die kaiserlichen Handschreiben ans. Das Haus nimmt sodann die Rekrntenvorlage an. Hierauf ergriff Ministerpräsident von Korber das Wort. Er verweist darauf, daß die Be schlüsse des Hauses gemäß seinen glanzvollen Traditionen stets nur der Erhaltung der Macht nnd des Ansehens der Monarchie, sowie der steten Entwicklung des StaatrlebenS gelten. Nichts vermöge die endliche Schlichtung der so tüele kostbare Kraft verzehrenden inneren Wirren mehr zn fördern, als wenn der Blick des Parlamentes unverwandt auf das Wohl des Reiches gerichtet bleibe. Der Friede beruhe ans der vollbereiten Wehrfähigkeit des Staates. Tie Monarchie dürfe an den Grundlagen der Armee nicht rütteln, wenn sie ihre bisherige Stellung unter den Mächten nicht beein trächtigen wolle. Die von allen Seiten betonte Notwendig keit der uneingeschränkten Ausübung der militärischen Hoheitsrechte seitens des obersten Kriegsherrn als Wächters der Trnppenorganisation des Heeres sei in: Interesse des gemeinsamen Heeres geboten. Darum sei jeder Erörterung über die Möglichkeit einer späteren Abweichung von den in: Armeebefehl vorgezeichneten Pinien die innere Berechtigung versagt. Die Regierung erblicke in dem Beschlüsse des Herrenhauses ein feierliches Bekenntnis der von den Vor fahren ererbten treuen Hingebung an die Monarchie. Der Ministerpräsident dankt schließlich für das ihm vom Hanse entgegengebrachte Vertrauen. Nach Erledigung von Peti tionen erklärt der Ministerpräsident den Reichsrat für ver tagt. Seine Wiedereinbernfung dürfte am 3. November erfolgen. — Im A b g e o r d n e t e n h a n s e schlug Kossnth vor, am Mittwoch die Erklärung des Ministerpräsidenten auf die Tagesordnung zu setzen. Dieser Antrag wurde gegen einen anderen der Regierung angenommen. Darauf gab Graf Khuen-Hedervary telegraphisch seine Demission nnd bat den König, ihn seines Amtes entheben zn wollen. Serbien. — Das Urteil im Nischer Prozeß wurde am 2!». September gefällt. Die H.mpllente Nowakowitsch und Lazarewitsch wurden zu 2 Jahren Gefängnis nnd Verlust der Eharge,. EWnlnant Drndarewitsch zn einem Jahre, die Obrri7r,ltnants LagnmerSki nnd Tropitsch zn 10 Monaten, die Leutnants Todorowitsch. Georgiewitsch und Antritsch zn 8 Monaten, Major Welischkowitsch und Hanptmann Lonokiewitsch zn einem Monat, die übrigen Angeklagten zn 1 Monaten Gefängnis verurteilt. Dieses Urteil wird den Beginn zn neuer Erregung der Offiziere bilden, welcher leicht eine blutige Erhebung der Truppen auf den Fuß Nachfolgen kann. So wird König Peter seinen Thron nicht stützen. Vor der Verurteilung verlangten die An geklagten, daß ihre Angelegenheit dem Offizierkorps zur Entscheidung vorgelegt werde. Sie hätten zugleich erklärt, für den Fall, daß die Mehrheit der Offiziere ihr Verhalten nicht billigen sollte, würden sie eine weitere, bedeutend strengere Strafe annehmen; sie wären jedoch überzeugt, daß drei Viertel des Offizierkorps ihre Haltung billigen würde. — Ter bisherige Gesandte in Konstantinopel, General Salon Grnitsch, ist von König Peter mit der Bildung des neuen Ministeriums betraut worden. Aus Stadt und Land. Dresden, den 30. September 1903. * Im Aufträge Sr. Majestät des Königs wohnte der Kgl. Oberzeremonienmeister Graf von Wallwitz, Exzellenz, nnd im Anstrage Ihrer Majestät der Königin-Witwe der Kgl. Kammerherr von Metzsch Neichenbach heute nachmittag l Uhr ans dem Trinitatisfricdhvfe der Beisetzung des in der Nacht vom 27. znm 20. September verstorbenen Kgl. Kammerherrn von Globig bei. * Se. Majestät der .König hat genehmigt, daß die nachgenanntcn Personen — sämtlich in Dresden — die ihnen von Sr. Majestät dem Kaiser verliehenen Auszeich nungen, nnd zwar der Oberbürgermeister Beutler den Roten Adlerorden 2. Klasse, der Stadtverordnetenvorsteher Rechtsanwalt I)r. Stöckel den Kronenorden 3. Klasse, der Stadtrat Banrat Adam, der Stadtbanrat Oberbanrat Klette, der Stadtrat 1)r. May nnd der Stadtrat Baurat Richter den Noten Aolerorden 4. .Klasse, der Ratssekretär Jährig, der WohlfahrtSpolizei-Jnspektor Lkreiser und der Stadtbe- zirksoberanfseher Geißler die Rote Adlermedaille, sowie der Stadtbezirksanfseher Schreiber nnd der Stadtbezirksanfseher Jhlefeld die .Kronenorden-Medaille, annehmen nnd tragen. * Ludwig Richter-Feier. (Nachtrag!. Nachdem die Zentenarfeier für Ludwig Richter mit den verschiedensten Ausstellungen seiner Kreidezeichnungen, Gravierungen nnd Bilder vor Wochen schon eröffnet war, fand Sonntag, den 27.September die Bekränznng seines Denkmals seitens derLosch- witzer Schuljugend, abends eine prächtige Höhenbelcnchtnng nnd Montags die Festfeier im Konzertsaal des „Weißen Adler" statt. Ueber letztere haben wir schon berichtet, tragen aber gerne noch etliche interessante Punkte nach. So wird über die lebenden Bilder berichtet: „Es darf wohl gesagt werden, daß die Bilder durch ihre gelungene, künstlerisch höchst be friedigende Ausführung alle Erwartungen Übertrossen haben. Zwar hätten wohl manche Freunde der Nichterschen Muse lieber ruhig stehende Bilder gesehen, statt der Bewegungen der beteiligten Personen, aber die lebensvolle Auffassung der Szenen ans dem Kinder- und Alltagsleben und deren frisch fröhliche Wiedergabe durch L. Richter forderten ein bewegtes Bild geradezu heraus. Dargestellt wurden: „Taufgang". „Die Schule ist aus", „Schöne Aussicht", „Heimkehr", „Mutter und Kind", „Ein Mönch". „Die Mutter im Kreise ihrer Kinder", „Gruselige Geschichten", „Zum Essen", „Bürgerstunde". „Wirken der Engel", „Be gegnung", „Schmückung der Tür". „Großvaters Geburts- tag". „Sonst und jetzt", „Der Brautzug". Zuletzt brachte man eine von Herrn Aug. Leonhardi gestellte Apotheose: „Ludwig Richter inmitten seiner Familie". Dem rührigen Veranstalter der Festfeier, Herrn Maler Hans Heyn, dem Komitee, den Königl. Hofopernmitgliedern, den aus führenden Damen und Herren darf das uneingeschränkteste Lob und der wärmste Dank für ihre große Mühewaltung ausgesprochen werden. Die Festfeicr soll Donnerstag und Freitag bei ermäßigten Preisen zum Besten der Loschwitzer Kinderheilstätte wiederholt werden." * Zur Landtagswahl. Herr Paul Schulze, der nationalliberale Kandidat des ersten Wahlkreises Dresden- Altstadt hat ein nettes Programm ausgearbeitet, das in dem Satze gipfelt: „Diese Ungerechtigkeiten müssen wieder beseitigt werden; es geht nicht, daß die einen zahlen, die anderen herrschen." Das klingt sehr volkstümlich und ver dient volle Anerkennung. Herr Schulze hält die Erfüllung seines Versprechens auch sehr leicht. In der Großstadt Dresden schimpft er über die einseitig-agrarische Landtags mehrheit der Konservativen. Er weiß doch sehr gut, daß diese der Landwirtschaft, Industrie und Handel die gleiche Berücksichtigung zn teil werden lassen. Weil sie aber mehr Landbezirke vertreten als Städtebezirke, so wird ihnen eine ungerechte Bevorzugung der Landwirtschaft in die Schuhe geschoben. Wenn man den Grundsatz der Liberalen ins Auge faßt, der lautet: „Freies Spiel der Kräfte", dann dürfte weder ein Handwerker, noch weit weniger ein Land wirt oder gar ein Arbeiter eine Stimme für Herrn Schlitze übrig haben. Es fällt uns gar nicht ein, für den konser vativen Kandidaten Herrn Hofrat I)r. Osterloh eintreten zn wollen. Nur die Praktiken »vollen »vir ein wenig niedriger hängeil. Was der Wahlaufruf über das Wahl gesetz schreibt, ist unklar und kann ebenso von der konser vativen Partei unterzeichnet werden. Schließlich wird ver- sprachen, die „Maßregelung von unten wie von oben" zu bekämpfen. Dunkel ist der Rede Sinn. Herr Schulze bekommt übrigens eine große Auszeichnung, iveil er „sich stets als entschiedener Feind aller ultramoiltanen Be strebungen" bekannt habe. In einen» Lande, in dem 7 Prozent Katholiken leben, ist eine solche Versicherung dringend nötig. Es ist diese Stellungnahme zur Toleranz umso wichtiger, als die gesamte sozialdemokratische Mehr heit in Sachsen von einem waschechten Liberalen doch m>r als die kleinere Gefahr angesehen werden muß, wenngleich sie bei der NeichstagSivahl 441 704 Stimmen auf ihre Kandidaten vereinigte, d. i. 78,0 Prozent der gesamten abgegebenen Stimmen. Die Wirksamkeit eines Kaplans mehr oder weniger bringt dagegen den ganzen nationalen Gedanken Sachsens in höchste Gefahr. Herr Schulze hat vom Falle des Pastor Reichel nichts gelernt, sonst müßte er nunmehr die Knltnrkampfpauke für Dresden als ein ver altetes Instrument in die Nnmpelkammer zn den übrigen abgelegten Hcrrschaftsklcidern des Liberalismus geworfen habe,». — Die glößte Beachtung findet der Aufruf ent- schi-chen durch die Namen von 300 Herren; ob sie alle gefragt wurden, wissen »vir nicht. Daß neben den Blüten der liberalen Intelligenz ein Briefträger dem Aus schuß einen sozialen Anstrich geben soll, sei nur nebenbei bemerkt. * Zu den Wahlen. Die Zivilbevölkerung der Land tagswahlkreise des Königreichs Sachseil beziffert sich nach den Angaben des „Statistischen Jahrbuches" auf 4 101 730 Personen. Hiervon entfielen 2 170 282 Personeil auf die 37 städtischen nnd 1 087 248 Personen auf die 47 länd lichen Wahlkreise. In» Durchschnitt kamen somit auf jeden städtischen Wahlkreis 78 800, auf jeden ländlichen 44 100 Einwohner. Der kleinste städtische Wahlkreis hat 20 707, der kleinste ländliche 26 428 Einwohner. * Auf der Niedersächsischen Nahrungsmittel- Ansstellnng zn Hildesheini wurde vorige Woche die hiesige Schokoladen- nnd Znckerwarenfabrik Gerling <L Rock stroh (Inh. Hermann Gerling und Robert Riedel) mit der goldenen Medaille und Ehrenpreis prämiiert. Ganz besonderes Aufsehen erregte das von dieser Firma in Marzipan modellierte berühmte Hildesheimer „Knochenhauer Amtshaus", sowie die naturgetreuen Nach ahmungen von Blumen, Gemüsen, Früchten, Geflügel und Fleisch in Marzipan. * Verfehlte Nörgelei. Der „Vogtl. Anz. und Tage blatt" Nr. 223 nnd das „Leipziger Tageblatt" Nr. 487 bringen folgende Liebeilswürdigkeit znm Abdruck: „Evangelische und katholische Karussels — das ist die neueste ultraniontane Erfindung. Erfinder ist der Kaplan Weiß in Hoch- heiin a. Pf. Als man am letzten Sonntag dort evangelische Kirch weih feierte und auch ein Karussell aufgeschlagcn wurde, verbot der Herr Kaplan im Religionsnnterricht und in der Kirche den katholischen Kindern aufs strengste den Bestich des bösen evangeli schen Karussells." Der ..Vogtl. Anz." bemerkt dazu nur: „Heilige Ein falt". Das „L. L." dagegen schreibt: „Was sagte doch der Kardinal Fischer zn Köln a. Nh. von dein, der die in Deutschland bestehende Kluft zwischen Evangelischen und Katholischen noch erweitert? Der Herr Kaplan war doch jedenfalls dort!" — Beide Blätter hätten sich ihre Rand bemerkungen sowohl, wie den Abdruck des Klatsches aus der Berliner „Tägl. Rundschau" sparen können. Heute sendet uns Herr Kaplan Weiß aus Hochheim folgende, auch an die letztgenannte Zeitung ergangene Berichtigung zu: 1. Es ist unwahr, das; ich den Kindern strengstens ver boten habe, das böse evangelische Karussell zu besuchen. 2. Es ist unwahr, das; in der Kirche ein strengstes Verbot an die Kinder ergangen ist. In der Kirche war überhaupt keine Rede davon. 8. ES ist unwahr, das; ich zwischen Protestanten und Katho liken eine Kluft bilde. Ich kann die ganze katholische Geineinde, alle katholischen Schulkinder und alle Protestanten, mit denen ich verkehre, zun» Beweise auffordern, das; ich nie ein verletzendes Wort in Religionssachen gegen Protestanten gesprochen habe. Wollte ich mit dem Platze messen, wie cs von andrer Seite ge schieht. dann würde jeden Tag die Kluft grötzer. Es widersteht mir, Einzelheiten zu veröffentlichen, weil ich in keiner Weise Friedens störer sein will. 4. Wahr ist, daß ick den Kindern nahe gelegt habe, aber nur in einer Klasse, sie mochten ihren Groschen sparen und den Jurplatz uild das Karussell nicht besuchen. Wir haben der Ver gnügen hier in der kleinen Stadt Hochheim dieses Jabr mehr als genug gehabt. Der protestantische Pfarrer hat mir selbst seinen