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Schon allein die Tatsache, daß die Neichsschnld von 551 Millionen im Jahre 1885 ans 2,9 Milliarden im Jahre 1902 gestiegen ist, wirft ein grelles Schlaglicht auf die wenig günstige Finanzlage des Reiches. Das; ein großer Staat Schulden macht, ist ja an sich nicht auffällig, solange dieser Schuldenvermehrnng die Vermehrung an Reichsbesitz gegenübersteht und solange die dauernden Ausgaben ans den laufenden Einnahmen gedeckt werden. Wenn aber zur Deckung der Ausgabenstände Hobe Anleihen ausgenommen werden müssen, wenn die Ausgaben last der Gegenwart auf zukünftige Geschlechter abgewälzt wird, dann stehen wir vor jenem Zustande, der den Privat mann nötigt, den Konkurs anzumelden. Im Reiche ist diese Konkursanmeldnng zwar nicht nötig, aber der Zustand dauernder Finanznot ist darum nicht minder bedenklich. Nachdem das Reich drei Milliarden Schulden besitzt, ohne entsprechende Gegenwerte anfweisen zu können, nachdem alljährlich zur Deckung der laufenden Ausgaben Schulden gemacht werden müssen, nachdem die Einzelstaaten erklärt haben, sie könnten die beständigen Rückgriffe ans ihre Kaffen nicht mehr aushalten, scheint allerdings der Zeitpunkt ge kommen zu sein, wo man an die Frage der NeichSfinanz- reform ernster herantretcn muß. Auf den neuen Reichsschatzsekretär, Freiherr,: v. Stengel, wird mm die Hoffnung gesetzt, daß er den verfahrenen Karren ans den: Sumpf ziehe, daß er das Gleichgewicht im Etat wiederherstelle, neue Einnahmequellen erschließe und der Finanzklemme ein Ende bereite. Als ob das so einfach wäre! Ein Zanbermittel, um mit einem Schlage die Finanznot zu beseitigen, gibt es nicht, Freiherr v. Stengel kann es ebensowenig bringen, wie es sein Vorgänger v. Thielmann gebracht hat: auch er kann nur eine all mähliche Sanirung der N e i ch s f i n a n z e n ins Auge fassen, und wenn ihm dieselbe gelingt, wird er sich den Dank der Mit- und Nachwelt erringen. Bei Erörterung der Finanzreform handelt es sich zu nächst mu die Frage, ob man bei den: bisherigen Finanz - shsten: bleiben oder das Finanzverhältnis des Reiches zu den Einzelstaaten auf andere Grundlagen stellen soll. Ein großer Teil der Neichseinnahmen wird bekanntlich durch die sogenannten Matriknlarbeiträge der Einzelstaaten auf gebracht. Dieselben waren aber nur als eine vorübergehende Einrichtung für die Zeit des Ueberganges gedacht und sollten bestehen bleiben, bis Ncichssteuern in ausreichenden: Maße eingeführt wären. Zu den Matrikularbeiträgeu wurden den: Reiche noch eigene Einnahmequellen zngewiesen durch die Ucbertragnng der Postverwaltnng ans daS Reich und durch die Einführung der Zölle und Verbranchsstenern zu Gunsten der Neichskasse. So entstand das doppelte Finanzsystem für das Reich. Znm Teil deckte das Reich seine immer höher anwachsenden Ausgaben ans eigenen Einnahmen, znm Teil blieb das Reich Kostgänger der Bundesstaaten durch das Shsten: der Matriknlarbeiträge. Ende der 70 er Jahre kan: ans Betreiben des Zentrums in: Reichstage die sogenannte Klausula Frankenstein zustande, wonach ans den Zöllen und Stenern nur 130 Millionen jährlich in die Reichskasse fließen und der überschießende Teil an die Bundesstaaten verteilt werden sollte. Dieses Shsten: hatte eine beständige Schwankung zur Folge. So betrug 1890 der Ueberschnß der lleberweisnngen über die Matriknlarbeiträge 06 Millionen, 1898 umgekehrt der Ueberschnß der Matriknlarbeiträge über die lleberweisnngen 34 Millionen. In den nächsten Jahren steht den Bundes staaten eine noch viel stärkere Inanspruchnahme bevor, während ihre eigenen Finanzen schlechter sind als je zuvor. Daß ein solcher Zustand ans die Dauer nicht fortbestehen kann, ohne die Finanzgebahrnng des Reiches und der Einzelstaaten der gefährlichsten Erschütterung anSznsetzcn, ist klar. Es fragt sich nur, was geschehen soll. An eine Verminderung der Ncichsansgaben ist nicht zu denken; dieselben werden im Gegenteil schon in allernächster Zeit noch weitere Erhöhung erfahren. Nur durch ausreichende Vermehrung der Reichseinnahinen kann also das Gleichgewicht in: Etat wiederhergestellt und eine Planmäßige Tilgung der Neichsschnld in die Wege geleitet werden. Das ungefähr notwendige jährliche Mehr erfordernis zur Beseitigung des Defizits in: Neichshans- halte wird auf 125 Millionen Mark berechnet. Diese 125 Millionen Mark müßten also durch neue Stenern aufgebracht werden. Aber was für Stenern? Nene Ver brauchssteuern, die ohne wirtschaftliche und soziale Gefahren eingeführt werden könnten, gibt es nicht, auch von Bier- und Tabaksteuer kam: keine Rede sein. Eine Wehrstener könnte höchstens zur Sanierung des Reichsinvalidenfonds und zur Schaffung der Mittel für ein Militärpensionsgesetz ins Auge gefaßt werden; für weiter hinaus würde ihr Ertrag nicht ansreichen. Blieben also mir die direkten Steuern. Von direkten Reichssteneru kämen eine Reichseinkommen-, Neichsvermögens- und Reichs- erbschaftsstener in Betracht. Nur der letzteren wäre unter gegenwärtigen Zeitninständcn die Möglichkeit der praktischen Durchführung gegeben. Ihr Ertrag, der ans 120 Millionen Mark berechnet ist, würde ansreichen, um die Finanzreforn: in den: oben angedenteten Sinne dnrchznführen und gleich zeitig die weitere Erhebung von Matriknlarbeiträge,: unnötig zu machen. Das alles wäre schön, wenn nicht gegen die Einführung direkter Ncichsstenern überhaupt prinzipielle Bedenken ernstester Art vorlägen, insofern sie nämlich eine Beeinträchtigung der Selbständigkeit der Bundesstaaten mit Notwendigkeit herbeisühren würden. Witt inan ans diesen: Grunde von der Einführung direkter Reichssteuern absehen, dann bleibt nur noch der eine Aus weg der weiteren erheblichen Erhöhung der Matriknlar beiträge. Die Bundesstaaten müßten dann, um diesen Anforderungen gewachsen zu sein, nach eigenen: Rezept direkte Stenern einfi'rhren, wozu sie ja gerade aus Grund der Leistung der Matriknlarbeiträge das Recht haben. Man mag ans diesen Andeutungen ersehen, mit welch ungeheueren Schwierigkeiten die Durchführung einer Finanz- reforn: in: Deutschen Reiche verknüpft ist und mit welcher Vorsicht inan an dieselbe herantreten muß. Politische Rundschau. Deutschland. — Der evangelische Bund, der gegenwärtig in Ulm zu seiner jährlichen Hauptschiinpfübnng versammelt ist, hat den Versuch gemacht, sich die Zustimmung des Kaisers zu seiner Hetzerei zu erschleichen. Er hat an ihn folgendes Hnldignngstelegramin gerichtet: „Euerer kaiserlichen und königlichen Majestät bringt die Generalversammlung des Evangelischen Bundes aus der weiland freien Reichsstadt Ulm ihre allernntcrtänigste Huldigung dar. Mit Euerer Majestät wissen wir uns eins in der Ueberzengnng. daß die Gefahren für den inneren Frieden und die Wohlfahrt unseres Volkes nur durch die Kräfte des Evangeliums be zwungen werden können, wie sie Luther durch seine Tat zu lebendiger Wirkung ,nieder aufgeweckt hat. Gott segne Eure Majestät mit Kraft ans der Höhe, allen verderblichen Mächte» zu begegnen und Reich und Volk wider seine Feinde siegreich zu schützen." — Wollte er ehrlich gestehen, daß er unter den „verderblichen Mächten" und den „Fein den" von „Reich und Volk", die „Gefahren für den inneren Frieden und die Wohlfahrt unseres Volkes" bringen, einzig und allein die Katholiken verstehe, so konnte er nmnöglich ein Tanktelegrannn von: Kaiser erwarten. Er bedient sich daher der „Zweideutigkeit des Ausdrucks" und der ..Mental reservation", die er an den Jesuiten mit so viel sittlichen: Pathos zu tadeln weiß und sucht den Schein zu er,necken, als denke er etwa an die Sozialdemokraten. Ein solches Manöver nach oben hin ist scharf zu verurteilen. Sb der Monarch die Finte nicht durchschallen wird? -- Ans der Mitgliederversammlung des Evange lischen Bundes in Ulm teilte der Schriftführer, Professor Witte mit, das; die Zahl der Mitglieder des Bundes in: letzten Jahre von l5«,ooo ans 170000 gestiegen sei. An Zuwachs bloß l l 000 Mitglieder, steht nicht im Verhältnis zu der großen Agitation und den: ohrenbetäubenden Lärm, den der Bund in diesem Jahre vollführt hat. Außerdem ist zu bedenken, daß z. B. in Sachsen durch einen Beschluß sämtliche evangelische Arbeitervereine mit tausenden von Mitgliedern in den Evangelischen Bund ausgenommen wurden. Der Volksverein sür das katholische Deutschland nahm in: selben Zeitraum um lOoooo Mitglieder zu. Von Ende Juni bis Ende September wurden nach einer Zusammenstellung des „Vorwärts" durch die Posse Blei iin Herzen. Erzählung von I. R. von der LanS. Aus dem Holländischen übersetzt von lt. van Heemstede. <11. Fürtsetz»»,;.» iNnchdruck verbol,'»., „Schenk ihn: ein neues Konpee zu seinen: Geburtstag, Mama. Wir tragen Alle gerne etwas dazu bei, nicht wahr, Henriette?" „Ja. das ist ein prächtiger Gedanke!" rief diese, fröhlich in die Hände klatschend. „Ich werde mich wohl hüten", wehrte die Mama ab, „da würde ich wieder allerlei Schönes zu hören bekommen über LnrnS, Verschwendung und der Himmel weiß was noch!" Der Doktor hatte von alledem nichts gehört; er saß noch still an seinen: Platz und starrte in Gedanken ans das weiße Tischtuch und die Neste des Frühstücks. Annette hatte ihn mit stiller Sorge beobachtet; jetzt stand sie leise ans, trat ans ihn zu und legte den Arm um seinen Hals, während sie ihn: mit ihren: lieben, klaren Stimmchen znflüsterte: „Papa, weißt Du wohl, daß der Wagen schon da ist?" „So? Ja, ja, das ist auch wahr und gut, das; Di: mich daran erinnerst, liebes Kind," antwortete er, wie ans einen: Traun: erwachend, „es ist schon lange über die gewöhnliche Zeit," fügte er mit einen: flüchtigen Blick ans die Uhr hinzu. „Mutter, Kinder, wir wollen danken!" Nach verrichteten: Gebot stand er rasch ans, froh, den: häuslichen Kreise entfliehen zu können, um in seiner täg lichen Berufsarbeit die Zerstreuung zu suchen, deren er augenblicklich so sehr bedurfte. „Willst Du eben mit mir kommen, Konrad?" winkte er seinen: Sohn, „ich habe Dir noch etwas zu sagen." In seinen: Studierzimmer Dies und Jenes noch zu sich steckend, legte er die Hand auf Konrads Schulter und sagte, während ec ihm fest in die Angen blickte, mit etwas unsicherer Stimme: „Deine Mutter hat schon recht. Konrad, ich hätte Dir in Gegenwart Deiner Schwester die Bemerkung über Deine Ausgaben nicht machen sollen, ich möchte Dir nur sagen, daß sie vollkommen begründet ist, wir reden später wohl noch einmal darüber. So wie Du jetzt lebst, so kann es nicht weiter fortgehen, das können wir nicht bestreiten!" „Aber Papa!" rief Konrad ganz erstaunt, und sein intelligentes Gesicht nahm einen so naiv arglosen Ausdruck an, daß der gestrengste Herr Vater dadurch entwaffnet worden wäre, „ich weiß nicht, was Du nullst! Ich gebe wahrhaftig nicht zu viel ans, ich lebe so bescheiden, wie man von einen: jungen Mann unseres Standes mir erwarten kann. Da solltest Du einmal die eigentlichen Löwen an der Universität sehen." „Mit Deinen Löwen habe ich nichts zu schassen," ver setzte der Doktor ungeduldig, „ich sage nur, daß Du viel zu viel ansgiebst, wenigstens dreimal so viel, als ich zu meiner Zeit ansgegeben habe." „Ja. bei Dir war das auch etwas ganz Anderes! Du hast mir ja oft genug erzählt, daß Deine Eltern sich ein schränken mußten, und das ist bei uns glücklicherweise nicht der Fall. Weshalb sollte ich denn krumm liegen und mich anslachen lassen, da nur ja doch reich sind!" „Reich! Wer sagt das?" „Nim, alle Welt sagt es!" „Das mag wohl sein! aber Niemand weiß es besser ! als ich. Die Welt urteilt nur nach den: Schein und trügt sich gar oft, Konrad. Du bist alt und verständig genug geworden, um ein ernstes Wort zu hören" — der Doktor sprach mit halber Stimme, als wenn es ihn: schwer würde, zu sagen, was er ans den: Herzen hatte — „und wenn ich Dir es nicht sagte. Du könntest Dir es ja doch wohl denken: der Aufwand, den Deine Mutter machen zu müssen glaubt, um — wie sie das nennt — etwas in der Welt vorznstellen, schafft mir schwere Sorgen. Ich hörte eben, wie Du sagtest, das; ich mit meiner großen Praris mich zu Tode quäle, aber wenn dieses der Fall ist, an wem liegt es? Der große Aufwand trägt die Schuld daran. Willst Du die Last noch schwerer machen oder willst Du sie mir erleichtern?" Konrad erschrak bei den: Anblick des ängstlichen, fast flehenden Ausdruckes in seines Vaters Angesicht. Bei all seinem Leichtsinn und dem von der Mutter ererbten Hang zur Verschwendung hatte er doch ein vor treffliches Herz; er achtete seinen Vater sehr hoch und hätte ihn: »in keinen Preis Sorge oder Verdruß bereiten mögen. Aber bei all den: Lnrns. der ihn in: Hanse umgab, konnte er nicht recht an die Worte seines Vaters glauben. Dieser war in anderen Verhältnissen groß geworden und hielt ^ alles für Lupus, was über das strikt Notwendige hinaus ging. Es kam ihm doch einigermaßen lächerlich vor. das; er sich nur deshalb einschränken sollte — der ernste Ton, den sein Vater anschlng, war nur daraus berechnet, ans ihn einen gewissen Eindruck zu machen. Er wußte nicht recht, was er antworten sollte. „Ich meine doch. Papa!" brachte er endlich verlegen hervor. „Ans das, was Du etwa meinst, Konrad, kommt es hier nicht weiter an. Ich habe Dir gesagt, wie die Dinge liegen, das muß Dir genügen. Du weißt, was Du jetzt zu tim hast: eistens Deine Ausgaben ans ein bescheidenes Maß zu reduzieren, und zweitens so steißig zu arbeiten, daß Tn möglichst bald fertig wirst. 'Verstanden? Und jetzt muß ich eilen! Gott befohlen, mein Junge, und gute Reise! Ich rechne bestimmt dacanf, daß Du Deinen: Vater keine» Verdruß machen wirst" . . . Der Doktor drückte seinem Sohne kräftig die Hand, aber schien seinen 'Blick zu meiden, als wenn er 'ürchtete, der junge Mann möchte ans seinen Angen mehr heraus- lesen, als er zu wissen brauchte. Mit nervöser Hast steckte er sei» Notizbuch zu sich, eilte im Fluge die Treppen hinunter und zur Tür hinaus, nm in den Wagen z» steigen, während der .Kutscher, der schon ein paarmal hinanfgeschant hatte, nm zu sehen, ob der sonst so pünktliche Doktor noch immer nicht käme, über sein langes Ausbleiben verwundert den Kops schüttelte. <Fortsetzung folgt.»