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— I!!0 — Am nächsten Morgen, es »var kanm ne»m Uhr, kam Waltenberg. „Der Alte drüben scheint ja ganz berpicht ans seinen Sohn zu sein, sagte er, mit deinem Bittet zusammen erhielt ich ein Schreiben von ihm, worin er mich anfforderte, ihm seinen Sohn heute noch znznsühren." Die Damen sagen noch beim frühstück. Ans Ilses Frage, ob er eine Tasse Kaffee wünsche, hatte er bejahend geantwortet. Lttilie sah übernachtet und abgespannt ans. Sie hatte soeben erst ihr Schlafzimmer verlassen, »nährend Ilse schon mehrere Stunden tätig war. Sie sah ihren Bcrlobten fest an. „Weshalb hast dn den jungen Mann bisher von einem Wiedersehen mit seinem Vater znrückgehalten?" Er sah über die Kaffeetasse hinweg, lauernd in ihr blütensrnches Gesicht. „Vielleicht, »veil ich seine Ungeduld steigern, das Verlangen nach diesem Wiedersehen erst geweckt zu sehen wünschte, vielleicht bewegten mich auch noch andere Gründe, deren Erörterung du mir wohl erlägt." Frau von Lnkado erhob sich, mir eine beängstigende Blässe verriet, das; in ihrem Innern Ungewöhnliches vorging. Am Lisch in ihrer gleichgültigen Haltung sich zu behaupten, war nn- möglich. Etwas UnstäteS lag in ihren Bewegnngen, als sie das Zimmer diirchmas;. Ilse fühlte sich durch Waltenbergs Entgegnung nicht gekränkt, dazu war er ihr zu gleichgültig. „Wann wirst du mit dem jungen Mann kommend" fragte sie. „Marwitz wünscht, das; ich bei dem Wiedersehen zu gegen bin." „Ich sähe es lieber, du bliebest fort." Ilse zuckte die Achsel. „Dn mußt dich schon darein finden, das; ich meinem väterlicher» Freunde den Gefallen tue. Ich habe keine Ursache, ihm die harmlose Bitte abznschlagen." „Harmlos gewis; nicht," versetzte Waltenberg bissig, „aber dn hast recht, ich nms; mich mit diesem romantischen Frenndschastsverhältnis schon absurden. Wir werden also Punkt zwölf Uhr im Schlosse sein." „Geh hinaus, Ilse, sagte Ottilie plötzlich, ich habe mit deinen» Ver lobten einiges zu besprechen." Ilse erhob sich bereitwillig, nichts war ihr willkommener, als die Ab kürzung dieses Beisammenseins. Sie ging in den Garten, wo der Wind mit welken Blättern spielte und ans dem Nasen hier und dort der Schnee von der Nacht liegen geblieben war. Sofort waren ihre Gedanken bei dem Fremden. Ob sie ihn heute Wiedersehen, wo er ihr begegnen würde, darum drehte sich ihr Interesse, an Waltenberg und den Blankenstein dachte sie nicht. Keine Ahnung sagte ihr, das; Heinz bereits weit, weit fort war. Im Gegenteil, sein schönes, ernstes Gesicht, die treuen, still »verbenden Angen schienen ihr so nahe zn sein. Waltenberg stand der Mutter seiner Braut zornig gegenüber. Hier lieb er die MaSke seiner Höflichkeit fallen. „Wagen Sie nicht, mir das noch einmal zn bieten, Madame," ries er. „Sie werden meine Braut nicht wieder hinansschicken, wenn ich mit ihr spreche." Die Dame hörte ihn kaum. „Heinz Marwitz ist hier," flüsterte sie, „er war gestern bei mir." „Ich weis; nicht, wovon Sie sprechen. „Heinz Marwitz befindet sich in meiner Wohnung, und ich hielt ihn gewissermaßen verborgen, um ihm die Manieren eines Bauern, die er an sich hat, wenigstens in etwas ab- zngewöhnen." „Um ihm eine Nolle einznstndieren!" rief Ottilie verächtlich. „Hüten Sie Ihre Zunge, Madame!" Ottilie sank ans den nächsten Platz, die Kraft schien sie zn verlassen. „Wie soll das alles enden? Sie glauben mir nicht, und doch stand er hier vor mir und zog mich zur Rechenschaft . . . Sie sind Ihr eigener Feind, »venu Sie trotz meiner Warnung den Betrug in Szene setzen. Weiter »rollte ich Ihnen nichts sagen." Georg Waltenberg schien doch nachdenklich zn werden. „Gut, es kan» jemand zn Ihnen, erschreckte Sie und sagte Ihnen böse Worte. Woher kan» er, was will er ohne Beweise anSrichten? Das; das Erbe Hochstapler an lockt, wnndert mich nicht weiter!" „Es war Heinz Marwitz!" beharrte Ottilie. Es war. als »volle er mit den» Fuße aufstampfen. „DaS ist uner träglich, nicht znm Anhören! Heinz Marwitz befindet sich in meinem Hanse, Sie sahen ihn neulich —" „Ein Betrug," mulinelte Ottilie außer sich, „ein Verbrechen, durch das Sie sich selbst zu gründe richten werden." Es schien, als »volle der Zorn ihn nbermannen. Mit hochgezogener Stirn und ansgestrecktem Zeigefinger stand er vor ihr. „Sie selbst werden bestätigen, daß mein Schützling der rechte Erbe ist!" Er stürmte hinaus, aber schon vor der Tür kühlte sein heißes Blut sich ab. Unschlüssig legte er die Hand ans die Türklinke, um dann aber kurz entschlossen »nieder zn öffnen, und gleich darauf die Wohnstube zu betreten. Ottilie saß noch in» Sessel, das Gesicht mit beiden Händen bedeckt. Wem» sie etwas fürchtete, so war es die Rückkehr ihres Gatten. Wie sollte sie ihm ins Auge sehen! Sie fühlte sich ihn» gegenüber so gedemütigt und befangen, so nnwürdig; ein ferneres Zusammenleben mit ihm mußte zur Onal werden. Da berührte eine Hand ihre Schulter. Verstört sah sie ans. Wieder jener Mensch, der das Verhängnis in ihr Hans trug. Waltenbergs Erregung schien verflogen. „Gnädige Frau," sagte er, einen Stuhl herbeiziehend, „»vir müssen uns doch verständigen. War es der junge Mensch drüben vom Blankenstein, der sich Ihnen als Erbe vorstellte?" „Sie meinen Herrn Trollohn? Nein, er war es nicht." „Sahen Sie ihn vorher überhaupt nicht?" „Nein. Aber er »var es, ich könnte es beschwören!" Jetzt ging Waltcnberg wirklich. Sein Gesicht trug einen harten, finsteren Ansdruck. Vielleicht konnte er im Hotel näheres erfahren. Die Auskunft, die er dort erhielt, lautete auch nicht befriedigend. Ein Ausländer hatte bis zum gestrigen Abend mit seinen» Diener eine größere Wohnung innegehabt. Ebenso unerwartet wie seine Ankunft erfolgte, hatte er auch die Abreise in Szene gesetzt. Die Leute konnten seine Güte und schlichte Liebenswürdigkeit nicht genug rühmen. Beim Abschiede hatte er jedem ein fürstliches Trinkgeld in die Hand gedrückt. Solche Freigebigkeit erobert sich die Herzen im Fluge, auch wenn sie nicht so unbedingter Menschen freundlichkeit entspringt, wie eS hier der Fall gewesen war.