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Sonntag, den 27. März 1004. 3. Jahrgang. Unabhängige; Lagedlatl kiir Aabrbeit. llecbt u.sreikei». Inserate werde» die tt gespaltene Peiilzcile oder deren Rnnm mit 1l» Pf- berechnet, bei Wiederholung bedeniender Rabatt. Puchdriilkerei, Redaktion nnd tSeschästSstrlleDresden. Pillnitier Strafte IN ,^er„ipreche> i Uni, l .>!r Einladung zu in Abonnement auf die „Sächsische (lolksreilung". Wieder geht ein Quartal zu Ende. Wir können diese Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergehen lassen, ahne unsere verehrten Postabonnenten gebeten zu haben, den Bezug unserer Zeitung baldigst zu ernenern, damit in der Zu stellung keine Verzögerung eintritt. Die „Sächsische Volkszeitnng", unabhängiges Tageblatt für Wahrheit. Freiheit und Recht, erfüllt ihre Aufgabe durch Vertretung der ideellen und materiellen Interessen des katholischen Volkes. Besonders tritt sie aber durch Mitarbeit für die Lösung der so brennenden sozialen Frage des deutschen Volkes ein. Die reichhaltige Beilage „Feierabend" bietet dem verehrten Leser Unterhaltung und Belehrung. Außerdem liegt unserer Zeitung ein spannender Roman in Buchform, zum Einbinden, bei. Inserate jeder Art MF haben durch die weite Verbreitung unserer Zeitung Erfolg. Zeilenpreis für die einspaltige Petitzeile 15 Pfennige. Wiederholungen hohen Rabatt. Katholiken, akomnert ans Eure Presse! Unsere verehrten Leser bitten wir im Interesse der guten Sache, für den weiteren Ausbau durch Werbung nener Abonnenten zu arbeiten W-d. u. Geschäftsstelle der „Sachs. Wolksztg." Die elementarsten Menschenrechte einzelner nnbestraster Staatsbürger. Die Bewegung der Geister über die Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes hat neben der kölnischen Seite auch eine sehr ernste. Jin Sinne des Evangelischen Bundes liegt der Ernst der Situation in den Worten ausgedrückt, welche die Resolution der Dresdner Protestversammlung dahin formuliert, daß die Regierungen, welche für die Aufhebungen stimmten, sich „vor demAuslande diskreditierten", daß der Beschluß „ein Schlag ins Gesicht der evangelischen Kirche, der Kirchenregierungen" sei, daß dadurch „die Wirren der Gegenwart nm die Momente schwerster Beunruhigung vermehrt" werden, daß endlich dadurch das „Deutsche Reich an die Todfeinde des Evangeliums ansgeliefert" werde. Das sind fürwahr Momente, welche, wenn sie wahr wären, den Negierungen das Zeugnis leichtsinnigster Handlungs- weise ausstellen müßten. Was ist denn geschehen, um die gegenwärtige Er schütterung der kulturkämpferischen Volksseele begründet erscheinen zu lassen? Sind Niederlassungen des Jesuiten ordens wieder zulässig oder ist die Ordenstätigkeit der einzelnen Jesuiten erlaubt worden? Keines von beiden! Es ist nichts weiter beschlossen worden, als daß Jesuiten, welche reichsdeutsche Staatsbürger sind, unbehelligt leben können, wo sie wollen, auch im Königreich Sachsen. Darum zittern und zagen die Herren des Evang. Bundes, darob klagen die angeblichen Vorkämpfer des Patriotismus, darum wenden selbst die Koryphäen der Wissenschaft all ihren Scharfsinn an, um durch Sophismen das Recht des Bundesrates biegen zu können. Und all diesen Stützen des Rechtsstaates ist der Schrecken in die Glieder gefahren bei dem Gedanken, daß ein Jesuit, ein wirklich lebendiger Jesuit, den verhängnisvollen Ge- danken haben könnte, im Königreich Sachsen Aufenthalt zu nehmen. Was soll dann aus der „Wiege des Pro testantismus" werden, wenn da so Plötzlich ein leibhaftiger fff Jesuit in Dresden ankounnen und irgendwo Wohnung nehmen würde? Die arme Polizei! Wenn der Mann mit dem „aufgerollten Hute" seine Heimatspapiere in Ordnung hat und Nachweisen kann, daß er Reichsdeutscher ist, so muß die Hüterin des Gesetzes, den Schrecklichen gewähren lassen, mag er auch von hier ans gegen die „feste Burg" der Bundespastoren Minen legt und sich auschicken au die „Spitze der Sozialdemokratie" zu treten. Nicht einmal verjagen kann sie ihn. Mau stelle sich doch einmal vor, daß der ganze geistige und Physische Heerbann des Evang. Bundes mit diesem schwarzen Mann nicht fertig wird! Aus diesem Gesicl tswinkel betrachtet, ist der Hilferuf be greiflich. der auf der Dresdner Protestversammlung er hoben wurde und der dahin geht — Polizei, Polizei, sonst ist das protestantische Deutschland verloren. Im alten Rom wurden die kleinen Kinder mit dem Rufe: ^llarmikal auto portal geäugstigt, im modernen Sachsen jagt man die großen Kinder mit den Jesuiten ins Bockshorn. Wenn die Herren wüßten, wie unsterblich lächerlich sie sich mit solchem Gejammer machen! Die alten Römer wußten, daß Hanibal nicht olme Begleitung kommen würde, um sich in Rom ein möblienes Zimmer zu mieten, sondern sie fürchteten sich vor dem Heere, das er in die Stadt führen könnte. Die vom „Jesnitentalterich" befallenen Angstmeier aber zittern schon und rufen die Polizei zu Hilfe, weil die Möglichkeit vorliegt, daß eines schönen Tages jo ein schrecklicher Mann in einer Droschke ungefähren kommen könnte. Den gesamten Heerbann der Anarchisten dagegen sieht man über die Achseln an: „der tapfere Schwabe fercht sich nit". Was für eine Vorstellung muß man doch von so einem Jesuiten haben? Mau hält ihn offenbar für einen Riesen oder wenigstens für einen Hexenmeister. Man müßte für einen Aufklärungöfonds sammeln, woraus einzelnen Jesuiten, vorausgesetzt, daß sie Zeit haben, die Möglichkeit geboten würde, einzelne Orte Sachsens auf einige Wochen zu besuchen, wo der kultnrkämpferische Nebel am dicksten ist, damit die Leute sehen, wie so ein Jesuit anssieht und ob er Pferdefüße hat. Selbst die größte Furcht vor einem Menschen darf jedoch nicht zur Beraubung der staatsbürgerlichen Rechte führen, so lange er sich nichts zu schulden kommen ließ. Es handelt sich, wie bemerkt, lediglich um die Person des einzelnen Jesuiten, nicht nm Ordensverbote. Dem un bestrasten Staatsbürger müssen die elementarsten Menschen' rechte bewilligt werden. Rechtsstaat! Wie hat das Wort doch alle Parteien begeistert! Im Namen des Rechts staates wurde jedem Bürger das gleiche Recht zugestauden. Alle stehen unter dem Schutze des gleichen Rechtes, ob Bürger, Bauer, Fürst oder Bettler. Alle? Nein! In dein Moment, als ein reichsdentscher Staatsbürger in den Orden der Gesellschaft Jesu eintritt, wurde er vom Rechtsstaat außerhalb des Gesetzes gestellt. Wo war denn da das Ideal des Rechtsstaates? Auf diesen Punkt hat der Ab geordnete Lasker im Jahre 1872 bei der Beratung deü H 2 schon hingewiesen. Er war Jude und Kultur kämpfer nnd Ordensfeind; aber er sagte: Bisher habe es der Liberalismus für seine höchste und ehrenvollste Aufgabe gehalten, den Rechtsstaat zu verwirklichen, überall die Rechts kontrolle durchzuführen, so daß jeder Bürger, der die Gesetze beobachtet, sich geschützt weiß in seinen Rechten und gegen jede Antastung derselben richterliche Entscheidung an- rufen, den Schutz der Richter gegen Willkür und Unrecht finden kann. Lasker stimmte gegen das Jesuitengesetz, weil es diesen wahrhaft liberalen Grundsatz durchbrach. Er konnte trotz aller Gegnerschaft gegen die Jesuiten es nicht über sein Gewissen bringen, die einzelnen Personen, die nichts Ungesetzliches getan, ohne jede richter liche Instanz dem unbeschränkten Belieben der aus weisenden oder internierenden Polizeibehörde aus zuliefern. In der Hitze des Kulturkampfes hat man sich damals darüber himveggesetzt. Jetzt endlich, nach mehr haben die gesetzgebenden Faktoren des daß mau doch nicht so die einfachsten und RechjtSgrundsätze mit Füßen als 80 Jahren, Reichs erkannt, Menschenrechte treten darf. Die Bannerträger der Kultur, die Verteidiger der Menschenrechte sind deshalb trostlos. WaS ist ihnen Gesetz und Menschenrecht? Ihr Wille ist das Gesetz, so bilden sich manche ein. Die „Neuest. Nachr." und andere Blätter geben den Rat, zureiseude Jesuiten einfach auszuweiseu. Daß die Aufhebung des Z 2 durch die Unterschrift des rechtskräftig wurde, wissen sie sehr wohl; sie wollen landesrechtlich, gestützt auf H .7«!, nicht anerkenne», das Neichsgesetz vorschreibt. Interessant ist das Unter nehmen. Seit das Zentrum seinen Toleranzantrag gestellt hat, wird von den Gegnern stets mit Nachdruck betont, daß die Regelung der kirchenrechtlichen Verhältnisse aus schließlich den Bunde:'waten nnd nicht dem Wußte Sachsen das damals nicht, als das Jesuitengesetz stimmte? Juristisch ist die teilweise Aufhebung des gesetzes gerade aus dem letztgenannten Grunde achtenswert. Der rj 2 des Jesuitengesetzes in der Kompetenz der Reichsgesetzgebuug: aber was Reiche znstehe. es 1872 für Jesuiten sehr bc- lag entschieden denn sie hat das Recht, über die Freizügigkeit und den Aufenthalt Vor schriften zu erlassen. Pei dem I des Jesnitengesetzes ist die Sachlage eine vollständig andere. D er n och besteheude Z 1 gingvon A n fang a n über die durch die Versassnngsurknnde umschriebene Zuständigkeit des Reiches hinaus. Daraus lassen sich nur zwei Folgerungen ableiteu: entweder diese Bestimmung steht mit der Reichs-Verfassung im Widerspruch — dann Zweck des Jesuitenordens: Vernichtung des Protestantismus! Ein englischer Schriftsteller vergleicht einmal in recht unehrerbietiger Weise eine Sorte von Menschen mit einem Schwarm Affen, welche eines Abends einen Glühwurm fanden, über welchen sie schnell Reisigbündeln anfhäuften und sich nun den Atem ausbliesen, diese an dein Glühwurm zum Brennen zu bringen. Diesen Wesen gleichen die Männer, welche in der letzten „Jesuitennnmmer" der „Wartburg" ihre Weisheit zum Vesten geben in Sachen des „Jesniiismus". Auch der edle Graf Paul von Hoenöbroech ist darunter: sucht er doch fleißig des Dichters Lob zu verdienen: „Johann der muntere Seifensieder, — Der wußte viele schöne Lieder". Der Herr, mit dem wir uns heute beschäftigen wollen, ist ein Herr Gustav Mix. Der Glühwurm, den er gefunden und an dem er die Rachefener des protestantischen Fana tismus auzublasen sucht, ist das zeitliche Zusammenfällen des Auftretens von Luther — und Ignatius von Loyola. Damit soll der eklatante Nachweis erbracht sein, daß der Jesuitenorden gegründet worden sein soll zum Zweck der Bekämpfung des Protestantismus. Für diese Behauptung gibt eS nur einen geschichtlichen Beweis aus den Absichten des Stifters. Wer will be weisen, daß Ignatius von Loyola, als er die Gesellschaft Jesu gründete, an den Protestantismus gedacht habe? Zn einer solchen Behauptung fehlt jeder Anhaltspunkt. Sie ist einfach eine recht plumpe Erfindung angesichts der Tat- fache, daß Ignatius von Anfang au sein Augenmerk auf die Heidenländer gerichtet hatte. Die OrdeuSkonstitutioneu. die doch am allerehesten über den Zweck des Ordens Ausschluß geben müßten, wissen ebenfalls vom Protestantismus nichts. Sie reden wohl von der Arbeit um das eigene Seelenheil, welcher die einzelnen Ordensmitglieder obzuliegen haben, und von der Sorge um daS Seelenheil der Nebeumeuscheu — aber vom Protestantismus kein Wort. Die Briefe des Heiligen selbst, die jetzt in sechs statt lichen Bänden vorliegen. enthalten ebenfalls nichts in dem angedichteten Sinne. Doch Herr Gustav Mix weiß das besser. Er hat eigene Beweisgänge. Er sagt: „Das Ziel, das die Jesuiten unverrückbar im Auge haben, ist und bleibt die geistliche Weltherrschaft und darum Austilgung des Pro testantismus." Aber wo hat denn der Herr Gustav Mir den Beweis geliefert, daß das Ziel der Gesellschaft Jesu „die geistliche Weltherrschaft" sei? Hat er ans den OrdenSkonstitnlionen oder den Briefen des Heiligen diesbezügliches Beweis material vorgelegt? Auch nicht eine Silbe. Oder lautete vielleicht das Gelübde, welches der heilige Ignatius mit seinen Freunden auf dem Monl-Martre in Paris an Mariä Himmelfahrt 1.784 ablegten und ans welchem man die Gesellschaft Jesu entstehen läßt, auf Bekämpfung des Pro testantismus und nicht vielmehr auf eine Mifsionslätigkeit in — Palästina? Trotzdem wird wacker darauf los be hauptet. Doch er zitiert einen Gewährsmann. ES ist das ein Schristcheu des Herrn Professor Dr. Goetz, welcher dem bösen Jesuiten Duhr mit seinem Buch „Jesnitenfabeln" gründlich die Suppe versalzen habe. „Nach Professor Goetz' Ausführungen steht es fest, . . . daß die Ausrottung des Protestantismus dein Ignatius und seiner Gesellschaft je länger, je mehr zur Lebens aufgabe wurde. Und als Ziel kann inan doch, wie Gothein (Der hl. Ignatius von Loyola nnd die Gegen reformation 1807) richtig bemerkt, nur das bezeichnen, was sich als solches im Laufe der Lebensarbeit heraus- stellt, nicht den mehr oder minder zufälligen Ausgangs- Punkt (S- G>1). Ignatius aber hat, sobald er den Protestantismus kennen lernte, seine Bekämpfung mit grimmigem Hasse betrieben." Es wäre interessant, zu erfahren, nach welchen Gesetzen der Logik dieser Schluß richtig sein soll. Zweck einer Gründung ist doch daö, was der Gründer bei der Gründung beabsichtigte: wenn als Gründungszweck die Missionvarbcit in heidnischen Ländern iuS Auge gefaßt war, später aber die Arbeit des Ordens daneben noch dem Vordringen des Protestantismus Halt gebot, so könnte man als Zweck und Ziel der Gesellschaft Jesu die Bekämpfung des Protestan tismus nur dann bezeichnen, wenn Ignatius und der Orden, sobald er den Protestantismus kennen gelernt hatte, schleunigst seine ursprüngliche Absicht aiftgab, die selbe völlig außer Acht ließ nnd nie mehr darauf znrnck- grifs. Wollen die Herren Goetz, Gothein nnd ihr Nachbeter Mir behaupten, daß Ignatius nach dem Bekanntwerden mit dem Protestantismus sofort feine sämtlicben Ordens- genossen ans ihren Mlssionsgebieten znrückgerufen und die Missionsarbeit beiseite geschoben habe? Ja, haben denn die Herren niemals den Namen eines Franz 2aver gehört? nichts davon, daß bei des Ignatius Tod<1777- der Orden wohl Provinzen besaß: in Italien. Spanien, Poitngal, Brasilien, Indien nnd Japan, aber keine in Tenischland? Daß bis ans den heutigen Tag die Missionsgebiete in Indien, Amerika und Afrika »och ebenso das Arbeitsfeld der Jesuiten sind, wie etzedem es Ignatius geplant? Wie ! reimt sich denn das damit, daß die Bekämpfung des Pro- : testantismns die Lebensanigabe des Jesuitenordens sei? Aber spätere geschichtspyilosophische Betrachtungen von Jesuiten selbst rühmen doch, daß Ignatius der „Anrilnther" sei. Was derartige Betrachtungen inr einen Beweis er bringen sollen dafür, daß Ignatius den Orden mit diesem ihm unterschobenen Zweck gegründet haben soll, dürste außer dem Herrn Gustav Mir schwerlich jemand eivlenchtcn. Wenn jemand heute geschichtsPhilosophischeBelrachtniigcn über die Bedeutung Alexanders des Großen dahin anstellen wollte, daß Aürander in der Verbreitung griechischer Sprache nsw. im Orient ein gcmaltig Tunk Arbeit gNeistet hat, daß der Unterbau geschlissen wurde, auf dem später oas Ehrlslentnm sich erheben sollte und konnte, hat er dann damit bewiesen, daß Alexander der Große seine Heerzüge unternommen in der Absicht, dem Christentum nnd seinen Aposteln den Weg zu bahnen? Bei solchen Ansfällen der „Wartburg" gegen den Jesuitenorden kann man sagen, daß der Jesuitenorden auf die „Wartburg" gewirkt hat, wie Faust ans Margarethe, und Margarethe-,.Wartburg" daher billig von sich singen und sagen kann, nachdem sie das „Heinrich, mir graut vor Dir" oft genug in die Welt geschrieen: „Sein schöner Gang — seine schöne Gestalt — seiner Locken Pracht — hat mich um allen Verstand gebracht!"