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Sächsische Volkszeitung : 21.01.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192001214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19200121
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19200121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-01
- Tag 1920-01-21
-
Monat
1920-01
-
Jahr
1920
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 21.01.1920
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5 liuv.^ch den 21. Januar 1920 Süchsische B olk«zeit»itg Nr. IS, Seite 6 otzden» müßten ,'br ernsteste Bedenken cntgegengebracht werden, ! ihr der Republik gründlicher Schaden erwachsen könne, falls innptfübrec und namentlich die, welche in hohen Staatsämtern i,i find, sich ihrer schweren Verantwortung nicht bewußt wären. > ird alle- „verbessert", was seinem Geschmack nicht zusagt, „erneuert > erden nach dem tschechischen Gefühl und demokratischem Geiste". Daß die sozialdemokratische Presse Spott und .- ohn aus diese Reformkirche ausgießt, soll nicht weiter betont werden. : mmerhin ist beachtenswert, daß das Organ des Ministerpräsidenten usar, da- „Pravo Lidu", meint: „Mit einer ernsten religiösen Be wegung hat diese» »Reformieren" heiratslustiger Priester vorläufig l icht« gemein." Ungleich schwerer fällt inS Gewicht die vernichtende Kri tik, die der Professor für allgemeine Geschichte bei der tschechischen .Universität Dr. Joseph Susta im „Venkov" der Radikalagrane« n der Reformkirche übt. Er weist darauf hin, daß die Rcfvrmsorde- -nlngcn sich durchweg auf liturgischem und kirchenrechtlichcm Boden bewegen. Die Bildung neuer Kirchen habe in der Regel folgenschwerere und ernstere Gründe gehabt. Sie sind hervorgegangen aus schweren, seelischen Kämpfen einzelner oder ganzer Gruppen. Zweifel an der Mich:-gleit deS bisherigen Weges zum ewigen Heil usw. standen an -ihre» Wiege. Nichts von all dem ist bei der neuen tschechoslowakischen Kirche der Fall. DaS hätten ihre Gründer wohl gefühlt und zur Beseitigung dieses Mangels ihre For- deruuge» nachttäglich mit dem Schlagworte „Gewissensfreiheit" ver brämt. Hier klaffe ein unlöslicher Widerspruch zwischen der subjekti- »istsich-rationalistischen „Gewissensfreiheit", gemäß welcher jede seine religiöse Ueberzeugung nach eigenem Denken, Wollen, Fühlen einrich. iten kann, und der Versicherung, daß die Reformer keinesfalls die Ab sicht hätten, die Grundsätze von der Autorität im kirchlichen Leben und die Grundlagen der katholischen Lebre aufzugeben. Man habe es »fsenbar mit einer sehr übereilten, unklaren Sache zu Sun, die ganz verschieden ist von einer rein religiösen Bewegung und ^ sehr auden DcutschkatholizismuS deS Ronge und Gr- nassen von den 4ver Jahren de» 19. Jahrhunderts erinnert. Tr»! »eil auS 7.. die täli ^ Diet wäre der Fall, wenn sie zu ihrem Bau gewalttäig Balken von der katholischen Kirche benutzen wollten. Denn diese Kirche sei ihrer geschichtlichen Entwicklung nach so fest mit dem Staatsbau verbunden, das keine gen'nge Vorsicht bei der Nengründung in der Regelung deS gegenseitigen Verhältnisses nötig sei. Diese Mahnung an die Adresse der Negierung ist nicht überflüssig. Denn schon verlautet, daß der »alionaldemokratische Universitätsprofessor Mares mit Genossen, ein Wien», der stet» bei allen deutsch- und katholikenfeindlichen Aktionen nn der Spitze marschiert, einen Gesetzesantrag bei der sogenannten Nationalversammlung einbringen wolle, wonach die tschechoslowakische „Kirche" der römisch-katholischen völlig gleichgestellt werden soll, so bald i» einem Pfarrbezirk, Diözese, Provinz, Land oder im ganzen St-atSgebiet deren Angehörige, die Mitglieder der katholischen Kirche waren, bO Prozent, und wo eS sich um „qualifizierte Minderheiten" handele, 35 Prozent auSmachen. An der fortschrittlichen „Tribuna " wendet sich ei« tschechischer . Geistlicher, der den starr-rigorosen Orthodoxismus deS Erzbischof» Kordac keineswegs teilt", gleichfalls „gegen die Nrt, wie die Reformisten die neue Kirche errichteten". „Mit un- k«er typischen republikanischen Oberflächlichkeit haben die Herren über die neue Kirche abaestimmt und sie unter bombastischer Verkündigung in' Leben eingeführt. Die katholische Kirche hat eine Reihe von Kämpfen. Resormbewegungen, Spaltungen durchgemacht. Aber nie ba' sie einer Form gegenübergestanden, die so wenig an Religion und an das, was ihr Inhalt ist, an Seelenheil, erinnert. Toleranz, Ge wissensfreiheit, die unsere Religion verkünden, ist eine schöne Tugend, »bw eise negative. Kann man jedoch auf eine solche Negation etwas «i fbanenk Dann könnt« auch Heiden, Juden, Mohammedaner, Keiften in die n-ne Kirche eintreten, wenn sie nur eine feste Ueberzeu- zg ig' hübe». Von dein positiven Inhalt deS Glaubens kein Wort. habe den Eindruck, daß sich unser Reformer so „enttömert", wie hlc> unsere Republik „entösterrcichert" bat. nicht mit Ausbau, sondern «-t Ginreiße«." Am unbarmherzigste» aber zerzaust der Universitätsprofessor Ar. I. Pekar, der von den Tschechen als ihr erster lebender Ge- fci ichtsforscher gefeiert wird, in dem Allerweltsblatt „Narodni Politika" dc S FarSky-Zahradnik-Gebilde. Er gibt eine Darlegung der Gründe, .„w arum er dem in den tschechischen Blättern ver - Gssentlichten Ausruf zum Eintritt in die neue Re- lgionSgesellschaft nicht folgen wird". Dies unter e-ae« dreifachen Gesichtspunkte: 1. Sein tschechisches Nationalgewissen «^bt ih« auf. sich allem zu enthalten, was die Republik schwer schädi- < » könnte. 2. Unsere Zeit ist am allerwenigsten geeignet, daß in ihr e oße religiöse Kämpfe mit Erfolg ausgesochten werden könnten. 3. Wie i s Beratungen und der Aufruf zeigen, hat die Bewegung keinen festen Voden. ist nicht reiflich vorbereitet und durchdacht. „Der Aufruf fordert von Satz zu Satz zu einer höchst ungünstigen Kritik heraus, ^a« sind nicht Worte von GeksteSmännern und Denkern, die die Massen mit sich sortreißen und sich ihrer Führung versichern könnten." Er zerpflückt gründlich de» Aufruf der vier „Kirchenväter", insbe- f>»dere auch hinsichtlich der Verheißung von „Gewissensfreiheit", die wchr »l« Agitationsmittel, denn auS Ueberzeugung in das Programm nMe»o«me« worden sei. „Mit der Berufung aus Hus könne man ,»oK Unwissende locken, aber Wissende erinnern sich daran, daß zwi- sche, den Worten und Tate» der HuS und zwischen dem Geist, der -n»r dem Aufruf spricht, ein unüberbrückbarer Abgrund besteht." > Professor Pekar schließt: „Ich bin weit entfernt, diese Zeilen zm» Schutze RomS zu schreiben. Entscheidend für mich ist das Schick sal unseres Volkes und Staates. Deshalb halte ich eS für meine vaterländische Pflicht, vor direkt gefährlichem Tun z» warnen, da« einen Pfeiler unserer -Kraft Herausreißen kann, den religiösen Frieden i« Lande." Au» kann sich die tschechische Regierung überlegen, ob sie sich zm» Vorspann der Farsky-Zahradnik-Jnteressen gebrauchen lassen will. Mich zuverlässigsten Informationen trägt sie keine Lust dazu. Vo« Kommende» R-Ichrtagswihlrecht von Dr. Aloi« Klöcker, verlin. IV.-) Im Wahlrecht der Zukunft soll jede abgegebene Stimme für die Partei, der sie zufiel, gewertet werden. „Der leitende Gedanke der Wahlrechtsvorschläge des ReichSministerS des Innern," so schreibt offiziös die „Deutsche Allgemeine Zeitung", ist, einer jeden Pori-i fast mathematisch genau den Anteil au Mandarin im Reichsparloinent zu sichern, der ihr nach ihrer Brsamlstmiiuenzahl gebührt." Dieser Forderung wird nur die Verhältniswahl gerecht. Es kann lein Zwei fel darüber herrschen, daß sie die Grundlage deS kommenden Wahl rechtes bilden wird. Nun gibt es aber der Verhältniswahlsysteme »ine große Reihe. Sie alle enthalten mehr od-r minder Unvollkom menheiten, die bie Mandatsverteil.ing trüben, zum Teil zerstören. Die vollkommenste Uebereiasnmrnuug zwischen der Gesamtstim menzahl einer Partei und ihren Mandaten wird zweifellos erreicht, wenn man die Stimmen für das ganze Wrhlgebiet summiert, also die Wahlkreise gänzlich beseitig t, Rn» aber gibt c-S für das Prinzip der ausschließlichen Ziffeenh'rrschast eine Grenze, wie früher bereits dargelegt wurde. Und wenn auch die angekünviglcn Re- gierungsvorschläge die restlose Lösung des Problems der MandatSver- teilung nach Stimmenbesitz als den Grundgedanken bezeichnen, so bekennen sie sich dennoch nicht zum wMkrei.itoscn Wahlrecht. WaS für die Beseitigung der Wahlkreise sprich^ ist mit einem Worte gesagt: sie ermöglicht ziffernmäßig die vollendete Wirkung deS gleichen Wahl rechtes. Das kann zu wenig bedeuten. Die Prüfung der Gegen gründe wird das erweisen. Ihrer sind viele und gewichtige. Die fortsallende Einteilung des ganzen Wahlgebietes in Wahlkreise zwingt jede Partei, mindestens so viele Kandidaten "auf einer einzigen, der Rcichsliste, zu vereinigen, als sie Mandate zu erringen hofft. Von dieser Liste würden, von oben beginnend, so viele Namen als gewählt zu betrachten sein, wie das Verhältnis der Parteistimmensumme zur Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen ergibt. Also der Platz auf der Liste ist die Gewähr für die Wahl. Wer die Reihe der Plätze festlegt, entscheidet demgemäß über die Aussicht der Parteikandidaturen. Nun aber kann eine Reichsliste nur von der höchsten Parteileitung ausgestellt werden. Wenn das auch nicht ohne Anhörcn der unteren Parteiorgane geschehen wird, und wenn man gar auch den Organisationen., wie sic den früheren Reichstagswahlkrcisen entsprechen, weitestgehenden Einfluß zugcstehen würde, die Kandidaten würden ohne Zweifel den Cha rakter der Heimatskandidaturen einbüßen, ihre Fühlung mit den Wählern würde verloren gehen, da sie ja ihre Wahl nicht her leiten aus den Stimmen eines Bezirkes, eines Kreises, sondern on§ der großen Reichsurne. Schon die ungleiche Wahlbeteiligung würde es unmöglich machen, die Mandate einer Partei im ganzen Reiche zu verteilen ans die Bezirke, die vielleicht über die Kandidatenfolge auf der Parteiliste zu entscheiden hatten, als es dem Stimmenanteil dieser Be zirke an der Gesamtstimmenzahl der Partei entspricht. Gerade die eifrigsten und erfolgreichsten Bezirke würden benachteiligt, gestraft wer den dadurch, daß die Bezirke mit der größten Wahlflauheit die Frucht des Eifers der anderen Bezirke ernten. Das trübt gar sehr die Freude an der Parteiarbeit. Auch die Berechnung der Mandatsverteilunss würde technisch so verwickelt sein, so lange Zeit in Anspruch nehmen, daß das am Wahltage seinen Höhepunkt erreichende Interesse des Wählers unbefriedigt bleibt. Den Erfolg sehen, berechnen, unmittelbar erleben können, gehört mit zu den Imponderabilien, die man nicht unterschätzen darf. Die Wählerschaft einer Stadt, eines LanäbezirkeS hat aber durch das Bolkswahlrecht begründeten Anspruch auf ctncn eigenen , Abgeordneten. Wer dieses Recht beschneidet, der untergräbt den Wahleiser, lockert die Verbindung zwischen Wähler und Gewühlten, schädigt auf die Dauer aufs schwerste den Parlamentarismus. Denn der kann nur bestehen und Gutes schaffen, wenn daS ganze Voll zur Wahl geht und der Gewählten parlamentarischen Arbeit mit hohem Interesse folgt. Eine Reichsliste aber siebt auS wie ein Bartei- diktat und wird als solches empfunden: sie ist zu groß, um geschätzt zu werden, zu entfernt, um warm zu machen, zu überladen, um An griffsflächen nicht zu bieten. Angriffsflächen, wer die Neichsliste aus stellt, muß allen Wünschen der Parteianhänger Rechnung tragen. Kann er cs nicht — und wer kann eS? — so "st ,-er. Erfolg güchmü-rt. Manchem allerdings wird die Kandidatenaufstelliing seitens der Zen- tralleitnng der Partei nicht unerwünscht erscheinen, dem nämlich, der seine Ausstellung zum Kandidaten einem Wabl'eeve lieber entziehen möchte. Daraus ergibt sich, daß das wahlkre'Eose Wahlrecht len Be- rufsparlainentarismus fördert, daß es nickst genügend New'jyr bieret gegen eine Versteifung und Verknöcherung t<S ParlamentcS. Wer also der Beseitigung der Wahlkreise das Wort redet gegen den darf man dem Verdacht hegen, daß er das freie Bolkswahlrecht nur dein Buchstaben nach will gelten lassen v'cht aber iu seinem tiefsten Sinne. Den Klassenparteien könnte allerdings die Beseitigung vcr Wahlkreise gleichgültig sein, u,n nicht ;n tagen willkommen; denn sie haben nur das eine zu beacht >i: Kondidaken, kie der Kiassenportei widerstreiten, fernzuhaltrn. Ge-ade nu'g-'kehrr ist es bei den Volts parteien. Je zentraler s e Ka .d.dateuanliülluüa vor sich acht, desto größer ist die Schwierigkeit -er Berücksich n una aller Berufe. Und auch gerechteste Abwägung entgegenstehender Interesse» wird eS nie zu einer der gesamten Wählerschaft glnchinißig imponierenden Liste bringen. DaS Tor des Haders innerhalb der verschiedenen Vollsparteien ist aus- gerissen, der Wahlerfolg verkImmert, die Pa.'leigeichlossenheit bekommt bedenkliche, tiefe Riffe. Und zur gleichen Zeit und gleichen Schritt haltend marschiert die Idee der Berufswahlen. Weshalb sollen denn, wenn bei der Kandidatenaufstellung doch mit auöichli-ßiich die Berufe und VollS- klassen die Forderung erheben und durchsetzen, genau nach Maßgabe ihrer Kopsstarlc auch die Kandidatenliste beruflich geschichtet zu sehen, weshalb sollen da nicht gleich die DernsSiiänoe selber eigene Kandi datenlisten aufstellen, weshalb nicht die Vvlkspartcie« nach dem Muster *) Siehe „Sächs. Vollszeitung" Nr. -3, 10 und 13. der Sozialdemokratie überflüssig, hinderlich finden? Die Wirtschafts- Fragen werden sich künftig ja so stark in den Vordergrund schieben, daß die kulturellen, vaterländischen Aufgaben, die festesten Bindemittel der Vollsparlclcn, ihre Kraft verlieren. Viele tüchtige Volksgenossen, die im vollsten Umfange das Zeug zum besten Volksvertreter hätten, wüv- den dem Berussstreit unterliegen. Und tälen sie es nicht, s, würde» sie sich freiwillig wohl bald zurückzichen aus einer Arena, in der kein sozialer Ausgleich erstrebt wird, kein Entgegen kommen herrscht, sondern die eine Machtprobe die andere jagt und er bitterter gestaltet. Den tüchtigsten Volksvertreicr verdrängt der lauteste Klassenlämpfer. Von einer ruhigen Entwicklung der öffentlichen Ange legenheiten, der ganzen Volksgemeinschaft kann da nicht mehr gesprochen werden. Aus dem Volkswahlrecht, das allen, nicht allein den mare- riellen Bedürfnissen des Volkes Erfüllung vermitteln soll, ginge hervo» die harte Diktatur des gefühllose^ Materialismus, Ueberstimmnng, Entrechtung, Verflachung, Versumpfung. Dabei können wirkliche Volksparicien sich nicht halten. Jeder Stand, jede Klasse will allein für sich selbst sorgen, und vermeint, daß kein anderer in Gerechtigkeit ihren Fordeningen dienen könne. Sv- viel Berufe, soviel Klassen und Stände eS gibt, soviel Parteien werde» sie bilden. Zwergparteien werden es sein, von denen ei« Dutzend vielleicht genüge» wird, um eine Regierungsmehrheit zu bilde» und damit eine Regierung zu ermöglichen, wenn nicht gar der Streit der vielen Sonderbrödler der Sozialdemokratie allein die Mehrheit in der Volksvertretung verschafft. Wir würden keine Volksregierung mehr haben, sondern die Regierung einer Klasse oder einer Reihe von Klasse». Das wäre noch schlimmer, als die konstitutionelle Monarchie eS jemals hätte werden können. Auf die Dauer würde da« zu ganz u. baltb.ire» Zuständen führen, und das Volk, dessen Lebenskraft stärker ist, als der Zahlenwahn von Wahlrechtsutvpiste», würde bald Abhilfe schasse» durch Beseitigung der tiefsten Ursache, des „elendesten Wahlrechtes," Die Folgen der Wahlkreisbeseitigung sind also so schwere und nach haltige, daß niemand ernstlich die mathematisch idealste Form der Ver hältniswahl als die beste bezeichnen wird. Sie ist rundweg abzulehnen. Und aus diesen Ausführungen ergibt sich noch dies andere: je größer die Wahlkreise sind., und je größer infolgedessen die Zahl ihrer Man> daet ist, desto mehr nähern sic sich den verhängnisvollen Wirkungen de« wahlkreislosen Wahlgesetzes. Die Erfahrungen des letzten Wahlkampfe« bestätige» daS mit aller Deutlichkeit. Kann man auch sagen, daß die Verhältniswahl in dem Grade edler wird, in dem die Wahlkreise kleiner werden? Diese Frage soll ein Schlußartikel beantworten. DaS aber fleht fest: Wenn das Problem des Wahlrechts die Frage nach der Verhält niswahl ist, dann ist diese eine Frage der WahlkreiSein- t e i l u n g. Theata» ««d BmMvLge — Dresden, 17. Januar. Opernhaus. (Zum erste» Mal«: „Re v olntionsho chzeit", Oper von d'Albert.) Mau ent sinne sich des Dramas von Sophus Michaelis: Der Marquis de TresaillcS vermählt sich während einer Schlacht gegen die Jakobiner mit der ihm als Kind angelobtcn Alaine de L'Estoile. Rach dar Trauung dringen die siegreichen Revolutionäre ein und verurteile» den Marquis zum sofortigen Tode. Der Jalobinerofsizier Mare- Arrvn verwendet sich beim racheschnaubendcn Konventskominissar da hin, daß dem jungen Gatten zwölf Stunden Aufschub bewilligt wer den. Als dieser seine Lage erfaßt, wird er, sonst ein mutiger und lebensfroher Offizier, zum FeigUng, der sein Los beklagt. Alaine kann das nicht ertragen, sie läßt Marc-Arron kommen und bietet ih« für das Leben des Gatten sich selbst. Der Republikaner, rasend verliebt in die schöne Frau, willigt ein und die Männer tauschen die Kleider. Wohlgemut entflieht der Marquis. Marc-Arron bettelt nu» um Maines Liebe. Sie vermeint jedoch, es handle sich u» eine „Bagatelle" Erst als er ihr erklärt, daß er nun voll und ganz die Stelle des Gatten aussüllen, das heißt sich also auch erschießen lasse» müsse, beginnt sie diesen Schwärmer zu begreifen und wendet sich ih» zu. Am Morgen — das ist der schaurig-schöne Schlnßeffelt — wird der durch seine Leidenschaft zum Vaterlandsverräter gewordene Marc- Arron erschossen. Die sich vor ihn werfende Alaine trifft gletchfall« die Kugel. Das Stück ist glänzende Theatermache. Besticht. Trotz seines Talmigoldes. Die Philosophie der letzten Nacht trägt deutlich den Stempel der „Jeuncsse doree". So empfindet man am eigene» Diplomatenschreibtisch im ledernen Klubsessel mit der dicken Importe im Munde. Auch Alaine ist nicht sehr wahrscheinlich. Ma» müßte sie den» für hysterisch halten. Man denke: Erst das brünstig oes Bräutigams harrende Landgänschen und nachher dieses Ueberweibi O- Psychologie des Kinos! — Daß sich Eugen VMbert, dieser über mäßig produktive Tondichter, für den Stoff entschieden hat, ist ver- ständticb. Auch er versteht jo die Thentermache ans dein ss. Frei lich sind nicht alle seine Werke dem „Tiefland" ebenbürtig und die Re- volutionshochzsit gehört nicht zu den Besten, was er schrieb, aber er fesselt doch auch diesmal. Ihm kam es besonders auf Stinnnimgl- malerei an. Man beachte, wie verschieden er malt, wenn e» gilt, Er innerungen ans „ancien regime" (das reizvolle Menuetts) «achzurufen und wenn die Revolution mit Marschmusik, -gesprochenen Eijtren — ein Trick Reinhards — und dem entsetzlichen Lärm des Terror« ge schildert wird. Längen lennt er nicht, immer wieder ist F,rd- nutz Leben da. Jedoch: man hört viel bekannte Einfälle, bemerkt Selbst, kopien und muß immer und immer wieder an — Tiefland denken! DaS ist nicht eben sehr löblich. Die Aufführung war ganz prachtvo». Am besten vielleicht Burg, der gesanglich und darstellerisch als Mare-Arron sich selbst übcrtraf. Die Forti war in einer Zwick mühle. Welche Hochdramatische lau» Soubrette sei«? Und d»S ver langt der erste Akt beinahe, soll die Logik nicht zu kurz koimnen. Cie fand sich aber ehrenvoll ab, in den Schlußakten- sogar bravourös. Tauber war der elegante Royalist, dem wie gesagt nur die Sou brette zur Partnerin fehlte. Ein in die Handlung verflochtenes Die nerpaar sangen Fra« Merrem-Nikisch und Rüdiger sehr er götzlich. Auch der Kommissar La n g eS war anerk'nncnswert. Die Kapelle unter Kutzschbach bot ihr Bestes. Ak. i',1 diese» Gefühle» AnSdrnck zu gebe». „Ich bin ihm Dank schuldig, ich beche die Verpflichtung auf mich genommen, ihm als Gliederpuppe zu nie««»," jagte sie mit zuckende« Lippe». Da« Bildchen war bald vollendet »nd wirklich ein kleine- Kunst wal. Der Kunsthändler war wenigstens sehr davon erbaut, eS war' « da moderne» Manier gemalt und doch allgemein verständlich; er stellte es in seine« Laden aus, und e- zog so viele Zuschauer an, daß der Fußsteig fast versperrt war. Rose-Marie kam auch des Weges und blieb eine Weile stehen, u» das BUd hier in seiner neuen Umgebung zu betrachten. Ja, da« «xc sie selber, wie sie leibt« und lebte; ihre innigsten, ihre tiefsten, ihre hakigste» Empfindungen zur Schau gestellt vor Gleichgültigen und Spöttern: ihr Man» hatte sie künstlich Hervorgerufe», um Geld daraus »« schlüge«. „Welch ei» grämliches Gesicht!" sagte ei» Arbeiter «it verächtlicher Miene. - „Aber »ei», d»S ist ganz reizend!" «einte ei» Dämchen, de» Muss voc daS Gesicht haltend . Ei« prachtvolles Mädel!" erklärte ei« Gigerl. „Wo der Mala das Modell nur aufgegabelt hab-n magl" Sie entfernte sich gesenkten Hauptes, nichts so sehr fürchtend, al» haß ma« in ihr daS Original erkennen könnte. ... Zu Hanie angckommen, fand sie Frank in sehr aufgeräumter Stim- «u»g: der Kunsthändler hatte daS Bild zu einem guten Preise vcr- laech. und der Säufer wü"!>l,te noch ein Gegenstück dazu, aber eine« von ganz entgegengesetzter Art, eine Bacchantin oder etwas dergleichen. ,, .Und soll ich mich da ui auch hergeben?" fragte Rose-Marie. „Da- Are ich nicht! Dergleichen Gefühle Hab« ich nicht in mir und kann lh»e» auch keinen AnSdrnck geben." „Aber, Kind, bedenke doch!" „Nein, das will ich nicht! Eine Bacchantin ist eine schlechte Per- svn, und daS bin ich nicht und will eS auch nicht scheinen." „Auf einem Bilde nur." ^Weder ans einem Bilde «och in deinen Augen." Ihre Weiaerung war unwiderruflich. Frank mochte ihr zureden, s»vi»i --- wollte. Sr schrieb daher semem Gönner, eine Bacchant!« passe nicht als Pendant zu einem Amsterdamer Waiserlinde; er werde aber, wenn man ihm die Wahl überlassen wolle, ein Bildchen malen, das gewiß mit dem anderen sich messen könne. Nun schaffte er sich ein seeländisches Kostüm an, steckte Rose-Marie hinein und sie mußte sich ans ein Geländer stützen und zornig drein- schauen, wie sie es letzthin getan hatte. „Du willst gar nichts für mich tun," murmelte er dabei, „ich tue alles für dich, um dich in eine gute Laune zu bringen: ich gebe dir alles was du nur verlangen lannst. Und statt mir gefällig zu sein, widersetzest du dich immer meinen Absichten. Du meinst wohl, ich wäre reich? Wenn das wirklich der Fall wäre, so würde ich mich nicht mit solchen Kindereien befassen wie diese Bilder hier! Das große Werk, das in mir lebt, und das mir keine Ruhe läßt bei Tag und Nacht, würde ich vollenden; aber erst muß ich Geld verdienen, und statt daß mein« Frau, wie es ihre Pflicht ist, mir hilfreich zur Seite steht, trotzt sie mir unaufhörlich, macht mir die Arbeik fast unmöglich und erschwert meine Aufgabe. Hätte ich das ahnen können. . . Während Frank so sprach, hatte er sie unverwandt angesehen und mit heimlichem Vergnügen die drohenden Wolken auf ihrer Sttrn wahrgenommen. Ja, so mußte sie sein, einen solchen Ausdruck hatte er nötig, um ein schmollendes Landmädchen darzustellen. Aber plötzlich fuhr sie auf: „War das dein Ernst, Frank, oder ist das auch wieder nicht- als Komödie? Willst du mich böse sehen, um dein Bild gelingen zu lassen, oder ist es dein Ernst, was du da sagst?" „Du lieber Himmel, Kind, beruhige dich doch! Nun ziehst da dke Saiten zu scharf an! Nicht wütend werden darfst du, nur ei» wenig schmollen, das Lippchen hängen lassen!" - „Und ich bedanke mich dafür, ich will nicht länger d6ne Puppe sein! Katzen und Hunde magst du spielen lassen mit allen möglichen Dingen und sie malen, so oft du willst; aber nicht von mir verlangen! Ich bin ein Menschenkind wie du, und weil ich arm war und in traurigen Verhältnissen, hattest du doch kein Recht, mich zu zwingen, — ja, mich zu zwingen, das hast du getan — dich zu heiraten, unr jetzt behandelst d» mich nicht wie deine Fra«, sondern ... es ist schänd lich!" Frank stand bewundernd vor ihr, während sie ihren Gefühlen kn dieser Weise Lust machte: sie sah jetzt gerade so aus wie an jenem Abend ihrem Stiefvater gegenüber, und seine Seele jauchzte. „Rosa-Marina! Rosa-Marina!" „Ja, du siehst mich an und freust dich, mich böse zu sehen, weil du mich so für dein Bild gebrauchen kannst. Was ich denke und fühle, ist dir gleichgültig. O, wie dumm war ich, als ich mich weigerte, dir für zehn Gulden den Tag zu sitzen, dann hätte ich dir, wenn ich der Sache überdrüssig war, das Geld vor die Füße geworfen und wäre fortgegangen, aber jetzt kann ich daS nicht mehr! Ich war noch s» jung und hatte Jans bei mir, und eS war niemand da, der mir hätte raten können! U„d ich wußte nicht, daß eS so schlimm sein würde, s» gar schlimm! Aber ich lasse mich nicht länger so von dir behandeln; lieber noch entstelle ich mein Gesicht!" Er lachte ein wenig gekünstelt. „Aber, Rose, welch ein toller Einfall! Wozu hätte ich dich denn geheiratet, wenn ich nicht eingesehen hätte, daß ich ek ohn dich in der Kunst nicht weit bringen würde! Ich habe es sofort gefühlt, «lS ich in dem Eisenbahnwagen deine Bekanntschaft machte; aus diesem Ge- sichtchen kann ich alles machen! Und du stehst, wie sehr ich recht hatte. Man reißt sich um dein Porträt. Für das Keine Bild, daS dich als Zigeunerin darstellt, sind mir schon dreihundert Gulden geboren. ES bedarf nur noch kiniger Pinselstriche. Ist das denn nicht schön? Fällt daS Leben an meiner Seite dir denn so schwer? Hättest v» dir ein besseres Los erträumt?" „Ich hätte lieber einen armen Mann heiraten sollen, der «ich als seine Frau behandelt, als einen feinen Herrn, für den ich weiter nichts bin als ein Stück Möbel, um Geld zu verdienen!" Sie riß sich die Haube vom Kopf. „WaS tust du?" ries er erschreckt. „Es ist auS. ich tue es nicht länger!" „DaS ist nicht hübsch. Nnd unsere Uebereinkunst?" „Die hebe ich auf! So etwas hatte ich mir nie geträuutt. Dafür ist die Ehe mir zu heilig, mein Sharakter mir zu grttl" GvrtsedMV s»l«t.) .
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