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Mittwoch den 3. Februar 1915 Sächsische Volkszeitung Nr. 27 — Seite 5 Lin Feldpostbrief eines katholischen Geistlichen aus Sachsen an seine Schwester Liebe Schwester! F-, den 12. Januar. Das schöne Weihnachtsfest ist vorüber! War es wirk lich schön? Sicher, soweit das Weiter etwas dazu beitrug, sogar in der Natur. Freilich fehlte mir die Ruhe zum Ge- r.ietzen alles des Schönen, Lieben und Großen, was mir sich in diesen Tagen darbot: zu unruhig warf es mich hin und her; am besten konnte ich noch auf den Ausfahrten meine Gedanken und Gefühlen nachgehen. Es hat seinen Reiz gehabt, dieses Weihnachten im Kriege! In meinem neuen Quartier, welches mir seit 14 Tagen ein eigenes Zimmer bot, hatte ich mir unter einem Christ bäumchen ein Krippchen aufgestellt, mehrmals haben die Kerzen auf demselben gewechselt, weil ich in den Nach mittagsstunden durch den Lichterglanz die Gedanken in den heimatlichen Verwandtenkreis lenken wollte. Am 1. Feier- tage hatte ich Besuch, mit welchem ich Dresdner Stollen und eine halbe Flasche Kupferberg teilen konnte, die wir auf das Wohl der Lieben in der engeren Heimat tranken. Weih- nachtsfreude herrschte am heiligen Abend überall, selbst von den Gesichtern der Verwundeten und Kranken strahlte sie ;edem entgegen, und in der Ueberfülle der erhaltenen Gaben wurde solche durch Geschenke auch in den Herzen der fran- wüschen Bevölkerung wachgerufen; es wurde über 100 Kinder beschert. Der Artillerie-Unteroffizier, welcher die Beschenkung angeregt hatte, konnte sogar noch an 200 Mark für die Kinder in Ostpreußen abschicken: so wirkte der Ge danke der Liebe auch hier im Felde fort. Nach einer Feier im Kreise des Regiments Nr. 178 begab ich mich ins Laza rett, wo in allen .Krankenstuben der Christbaum leuchtete und allen Verwundeten und Kranken zahlreiche Geschenke aus den Liebesgaben des Roten Kreuzes und anderer Wohltäter zuteil geworden waren. Ich hatte meinen Ver wundeten schon tags zuvor mit einem Gebetbuch eine Freude gemacht und konnte einem verwundeten Fremden- lcgionär, der nichts aus der Heimat Oberschlesien erhalten batte, mit einem Kistchen, welches mir von edlen Spendern aus Dresden zugegangen war, große Freude machen, welche sein Gesicht überstrahlte. Der kameradschaftlichen Feier lm Kreise der Sanitätsoffiziere des Feldlazaretts konnte ich nicht lange beiwohnen, weil die Nacht schwere Arbeit brachte. Um 11 Uhr holte mich das Auto ab, welches mich in halb stündiger Fahrt zur Kirche brachte, wo die Christmette ge halten werden sollte. Es war eine sternenhelle Winter- nacht: eine herrliche Fahrt durch die Hllgellandschaft, welche aber nicht winterlich aussah, nur daß der fahle Mondschein dem Auge eine solche vorzauberte. Ich wollte mich dem Weihnachtsfrieden, weil ja das Gefährt so lautlos — wenn die Hube schwieg — dahinfuhr, nicht wie der altersschwache Landauer, der die Ohren mit seinem Geklapper fast taub macht, hingeben, allein ich kam nicht so recht dazu. Immer drängte sich, mit Macht die Frage auf, wie wird es glücken, wie viele werden erscheinen? Denn es war mir die Schmer- zenskunde geworden, daß die Truppen aus jenem Orte ab- gcrufen worden seien, und ich mußte darauf gefaßt sein, daß Alarmbereitschaft den Besuch der Christmette erschweren würde. Es traf ein, was ich befürchtet hatte, die Kirche füllte sich nicht ganz, aber die Feier gestaltete sich so wür dig und eindrucksvoll, daß alle Offiziere und Soldaten er griffen waren und ein alter Landwehrhauptmann mir unter Tränen seinen Dank aussprach. Die Kirche war mit Tannenbaum und Tannenzweigen in heimatlicher Weise von Soldatenhänden stimmungsvoll geschmückt; die Be leuchtung war sehr bescheiden. Zum Hochamt, dem ersten, das ich im Felde halten durste, sangen die Teilnehmer unsere lieben deutschen Weihnachtslieder, welche der fran zösische Ortsgeistliche auf dem Harmonium begleitete, da ich in Voraussicht des Mangels einer Musikkapelle (178er sollten spielen!) Noten mitgenommen hatte, welche mir in einer Weihnachtskriegsnummer zugeschickt worden waren. Weihnachtsfrieden zog in die Herzen ein, wie auch in unserem Mschnitte der Front in dieser Nacht der Kampf er storben schien. Bei der Heimfahrt durch die klare Mond nacht verging der erste Teil der Fahrt recht schnell unter den Gesprächen über die stimmungsvolle Fricdensfeier im Kriege: der zweite Teil ließ mir dann Zeit, den eigenen Ge danken nachzuhängen, welche in die Heimat führten zu den Lieben, die aus der Christmette wohl auch auf dem Heim wege Nmren. Punkt 2 Uhr war ich in der Behausung, wo kurze Nachtruhe mich umfing. Früh 6 Uhr mußte ich wieder aufftehen; ich mußte noch auf Beichtleute gefaßt fein, obwohl am heiligen Ab.end schon Soldaten gebeichtet batten. Zu den im Standorte untergebrachten Soldaten von der großen Bagage der Division gesellten sich aus einem Nachbarorte solche von einem westfälischen Reserve- Regiment. so daß auch diese Morgenmesse eine recht würdige Feier wurde. Die prächtigen Männerstimmen zu hören war eine Lust. „Heiligste Nacht" großartig, 37 Koni- munionen. Dann entführte mich mein Landauer in die Berge! Du kannst Dir wohl denken, daß nach der nächtlichen Autofahrt das gemächliche Erklettern der Bergeshöhe sich lähmend auf die Seele legte. Die Weihnachtsstimmung be kam dann noch einen gewaltigen Rückschlag, als in dem nächsten Orte der Gottesdienst ausfallen mußte, weil Truppenverlegungen inzwischen die Zahl der Katholiken auf einen einzigen Unteroffizier vermindert hatte, den ich zum Besuch des Ortsgottesdienstes anhielt. Gewonnen war mit dem Wegfall nichts für mich, da ich nun am letzten Orte, einem wunderschön gelegenen Schlosse, welches im Sonnen- schein erglänzte, länger ioarten mußte: leider geht dort die Uhr viel langsamer. Doch erschien hier eine Landwehr- konftxmie unter Führung ihrer Offiziere fast vollzählig, welche den Vorschriften gemäß mit Gewehr auSgerückt war. Recht lebhaft trat es vor die Seele, daß wir Weihnachten feierten! Die Kapelle trug die Spuren der Verwüstung? eine feindliche Granate war in die Sakristei eingeschlagen und der Luftdruck hatte die gemalten Glasfenster nach außen gedrückt. Die Heimfahrt beleuchtete die Weihnachts sonne, die nächtliche Kälte hatte die ganze Gegend in eine leichte Reifhülle gesteckt und es flimmerte milder Glanz dem Auge überall entgegen. Auch die Nacht zum 2. Weihnachts tag war klar, aber sie war schon nicht mehr so ruhig. Wohl hat unser Ohr im Standorte hinter der Front die Tätig keit der Geschütze nicht vernommen, jedoch berichtete uns der Posten in dem Orte, an welchem ich zum Frllhgottes- dienst eintraf, daß aus der Ferne dumpfer Geschützdonner gehört worden sei. Und es wurde auch in der Nähe leb hafter, mancher Gruß aus den feuerspeienden Röhren störte die andächtige Feier. Ich könnte auch diesmal ein Hochamt halten, weil die Soldaten sich aus einer trefflichen Sänger schar aus Köln zusammensetzte. Den zweiten Gottes- dienst hielt ich an diesem Tage in meinem früheren Stand- quartier, dem kleinen Dörfchen mit einem recht ärmlichen Kirchlein. Zu den 170 Einwohnern waren an 1200 Sol daten cinquartiert worden. Am 3. Feiertag (Sonntag) war ein Ort dichter hinter der Front das Ziel. Es galt einer Kompanie braver Landwehrleute aus dem Münsterlande eine Weihnachtssreude zu machen; mehr konnten nicht teil nehmen, weil die Vorsicht alle anderen, wie auch unsere sächsischen Soldaten in Bereitschaft gestellt hatte. Hier setzte sich ein westfälischer Lehrer an das Harmonium und ein Franziskanerbruder aus Werl diente beim Hochamte am Altäre. 42 Kommunionen. Alle waren auch hier sehr erbaut und dankbar. Der Gottesdienst wurde vom Feinds nicht gestört, auch das Frühstück nicht, zu welchem mich der Kommandeur eingeladen hatte. Wie schon gesagt, hatten fleißige Soldatenhände die Kirchen überall recht sinnvoll geschmückt. Große Tannen, die Wacht im FeindeSlande halten, vereinigten sich im Geiste mit den Lieben der Heimat, daß das heiligste Herz Jesu dem Vaterlande und der Welt den Frieden beschere. So bin ich die Weihnachts- und die anderen Tage im Lande herumgefahren, ganz wie früher, als ich meine priesterliche Tätigkeit in der Diaspora begann. Schwierig keiten hat cs auch jetzt gegeben wie früher. Hoffentlich dauert dieser Zustand nicht mehr so lange, denn der jüngste bin ich nicht mehr und die Kräfte kaben auch einmal eine Grenze. So lange mir Gott aber die Kraft schenkt, soll sie in den Dienst unserer braven Soldaten gestellt sein, ihnen zum Heile, Gott zur Ehre! Gott behüte Euch alle in der Heimat! In treuer Liebe Dein Bruder. »Il»III»II»I«I Kriegsgebet an die Mutter Gottes Von Ludwig Stauch Nachdruck nicht gestattet Jungsrau Maria! s Groß ist deiner Bitte Macht Bet Gott für uns auf Erden; Hat dein Sohn ja dargebracht Den Tod für alles sündhaft Werden. Erbitt' den deutschen Waffen Sieg Von Gott dem Lenker der Schlachten. Und erfüll nicht unserer Feinde Trachten. Heilige Jungfrau hilf! Herz Maria! Der du dem Herzen Jesu gleich. Bitt für meinen Mann im Feld Beim Gottessohn im Himmelreich, Daß er sein Leben ihm erhält. Bitt' Jesu den Kinderfreund, Daß er meine lieben Kleinen Mit dem Vater wieder eint; Verhüte, daß sie ihn bewftnen. Herz Maria, bitte für uns. Mutter Maria! i ^ EL streitet jetzt in Feindesland, Mein Sohn für Deutschlands Ruhm und Ehr; Dein Bild mir vor den Augen stand, Du Schmerzensmutter hoch und hehr. Hilf ihm seine Pflicht erfüllen. Und sollt er ins ewige Leben gehn, So füg' ich mich nur Gottes Willen. Im Jenseits gibt's doch ein Wiedersehn. Mutter Maria steh' uns bet! Rosenkranzkönigin! Gar oft die Perlen gleiten Durch Männer», Frauen-, Kinderhand. Lindre des Krieges Leiden Durch deiner Bitte Unterpfand. An Schmerzen reich ist alles Leben Für uns Deutsche in diesem Krieg. Müg Gott freudenreich sein End unS geben. Daß glorreich feiern wir den Sieg. Rosenkranzkönigin, erhöre uns! einzelne auch mit Kerzen, standen beim Altäre; Lannen- zweige waren an den Wänden angebracht. Die Kirchen wurden ja nicht bloß zum Gottesdienste — katholischem wie evangelischem — benutzt, sondern auch zu den Weihnachts- feiern der Truppen, weil andere große Räume nicht zur Verfügung standen. Zum Teil sind die Kirchen recht schön, aber in den wenigsten ist regelmäßiger Gottesdienst, weil die Geistlichen fehlen. In unserem Standorte hatte der Pfarrer — welcher, nebenbei bemerkt, auf die deutschen Soldaten nicht gut zu sprechen und mit Vorsicht zu behandeln ist. andere Con- fratres sind viel liebens- und vertrauenswürdiger — sogar eine Krippe aufgestellt. Allein ich habe es wenig gefunden, daß die Leute, selbst die Kinder nicht, sich um dieselbe scharen wie bei uns. Der Gottesdienst ist wenig besucht: mag viel der Krieg verursachen, aber ein wenig gutes Zeichen war der Besuch des Hauptgottesdienstes am NeujahrStage. Nur wenige Männer — ich sah nur 4, welche am Gesänge be teiligt Waren — erschienen, auch die Kinder fehlten sehr. Nach dem Verklingen unserer prächtigen Weihnachtslieder, von mächtigen Soldatenstimmen gesungen, nahm sich der lateinische Choral recht ärmlich aus. Auch in solchen Orten, wo keine Geistlichen sind, haben die Einwohner an unseren Gottesdiensten wenig Anteil genommen. Den Abschluß der Weihnachtsgottesdienste machte eine Segensandacht in unserem Standorte, weil hier das Allerheiligste vorhanden ist; es sollte so den Soldaten die Möglichkeit geboten sein, doch in etwa an dem großen Sühne- und Weiheakte teil zunehmen, zu welchem die Bischöfe der Heimat eingeladen hatten. Grob war die Zahl der Teilnehmer nicht, aber die Herzen schlugen der Heimat entgegen. Die Krieger, welche Dank aus dem Felde K Folgendes Gedicht erhielten die Kinder des Josephinen- stifteS für in die Schützengräben nach Frankreich gesandte Decken, welche die Kinder au» Tuchfllcken hergestellt hatten. Nebenbei sei bemerkt, daß die Stiftskinder solcher Decken schon 12 Stück gemacht haben, außer einer ganzen Anzahl anderer warmer Sachen, wie Socken, verschiedener Längen Müffchen, Schals und dergleichen. Christnachi! Von weitem die Kanonen dröhnen. Den Wehrmann stört's heut nicht, er lacht. Denn ihm hat heut von deutschen Kindern Das Christkind so viel Schön's gebracht Zum Kampf füc Kaiser und für Reich Zog er in Feindesland hinaus, Ihr deutschen Mädchen, auch für Euch. Verließ er Weib und Kind zu HauS. Seht Ihr das Leuchten seiner Augen. Ec schaut aus« Schlachtfeld jetzt hinaus, Und denkt jetzt beim Zigarrenschrnauchen Den schönsten Dank für Euch sich aus: „Daß alle, nach der Krieger Siege Auch ihre Lieben wieder kriege!" Zum Dank für die warmen Decken und guten Strümpfe den lieben Kindern des König!. Josephinensttstes gewidmet von Landwehrleuten der 5. Komp., Landwehr- Reg. Nr. 16. Im Austrage: Deutsch. Feldwebel. Allerhand Interessantes Pariser Geuußregeln anno 1870. Die Belagerung von Paris im Kriege 1870/71 legte bekanntlich den Parisern gewaltige Beschwerden auf. Ganz besonders wurden gegen Ende der Belagerung die Lebensmittel außerordentlich knapp und es ist allbekannt, daß nicht nur sämtliche Pferde von Paris und die Tiere des Zoologischen Gartens, son dern auch manche andere wenige appetitlichen Tiere zu Nahrungszwecken verbraucht wurden. In dieser Zeit entstand eine wohlgelungene Verspottung der bekannten lateinischen GenuS-Regel aus „iS": Viele Dinge sind auf iS , Längst entschwunden in Paris: ikkmis (Brot), pi8o>8 (Fisch) sind am ti,Ü8 (Endel, Und vom aaum (Hund) blieb nur crinm (Haar), Selbst die saure euaumm (Gurke) Fehlt schon längst, auch mu^ilm iMecrfisch), Und etwas ganz Rares ist! 1?vli8 (Katze) und das Mäuschen zfti.--; (Haselmaus), Und Paris, was ist dein Kim8? I^M8 (Feuer), ja,pi3 (Stein), xnlvm (Staub), i.-ini8 (Asche). Graf Berchtold. Dem aus seinem Amte geschiedenen österreichisch - ungarischen Minister des Aeußern, Grafen Berchtold, widmet der „Kikeriki" folgende gerechte und an erkennende Würdigung seiner unter den denkbar schwie rigsten Verhältnissen geleisteten Aufgaben: Im Amte warst du nur drei Jahr', Nicht lang' tat deine Bürde währen, Jedoch drei Jahr', wo die drei Haar' Selbst Bismarck ausgcgangen wären. Mit ihm dich messen liegt dir fern, Doch was er selbst von sich ließ lesen: „Ein treuer Diener seines Herrn" Bist deinigem auch du gewesen. » Hindenburg als Streitanlaß. Die „Tägl. Rundschau" bringt folgendes Geschichtchen: Mutter wundert sich heute, daß ihr Jüngster nicht wie gewöhnlich mit seinen drei Schul kameraden — das Vierblatt ist sonst immer unzertrennlich — zu gemeinsamem Spiel auf der Wiese miteinander sind. Nach der Ursache gefragt, erklärt der scheinbar Tiefgekränkte erbittert: „Doch —, die sind nämlich so schrecklich singe- bildet. Heute früh haben sie gesagt, sie wär'n viel mehr als ich, weil sie... hinten genau so wär'n wie Hindenburg!" Von den drei Jungen heißt nämlich der eine Bern bürg und die anderen, zwei Brüder, Heim- b n r g. Aus der humoristischen Ecke der Liller Kricgszeitung. Sonderbare Arithmetik: Der Dr e i b a n duv e r arbnp Sonderbare Arithmetik: Der Dreibund verbindet zwei Mächte und der Dreiverband sieben! — Ein aufge- fangenes Funkentelegramm der „Agence Havas" ist zu meist eine aus der Luft gegriffene Lüge, i» der kein Funken Wahrheit steckt! — Die englische Flotte impo niert im Frieden durch ihre Stärke, im Kriege durch ihre Ruhe! — An Kopfzahl ist die russische Armee der unsrigen überlegen, aber — an Köpfen fehlt cs ihr! — Die Russen haben Czernowitz wegen ungünstiger Witterung geräumt. Es war nämlich Granathagel, Kugelregen und Landsturm im Anzuge! — „Ein guter Einfall ist Goldes wert", prahlen die Russen. „Unsere Ausfälle sind aber doch noch wertvoller", entgegnete die Besatzung von Przemysl!