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Beilage zu „Sächsischen Volkszeilung" Umbä« des Königlichen Schauspielhauses. Ter Umbau des Königlichen Schauspielhauses, der in erster Linie die Beseitigung einer Feuersgefahr für das Publikum austrebte. ist dieser Tage vollendet worden und hat dem ganzen, was Dekorationen und innere bauliche Ver änderungen betrifft, zugleich ein würdiges Gepräge ver liehen, so daß es jetzt seiner stolzen Schwester, dem Opern haus. in nichts nachsteht. Im folgenden seien die baulicl-en und technischen Aenderungen näher angeführt. Zunächst fielen die Parkettlogen ganz fort, der Fuß- bodcn des Parketts selbst wurde um zirka 45 Zentimeter höher gelegt, so daß jetzt der Raum durch seine größere Aus- delmung ein wesentlich verändertes Bild bietet. In diesem Sinne wurde auch die Ausschmückung nicht in den Formen der italienischen Renaissance gehalten, sondern zeigt Aehn- lichkeit mit dem antiken Linienornament in moderner Ge staltung. Ter ZusclMierraum ist vorzugsweise hell und farbig gehalten. Die Farbe der Wände ist orangegelb, während der Plafond, Rang und Logenbrüstnng Silbergrau als Grundlage besitzen. Der Charakter der Flächendekorationen zeigt sich in plastischer Schnürarbeit, die in Silber und in Metallvergoldnng ansgeführt wurde. Tie ehemaligen acht Deckengemälde (von Professor Oehnie geschaffen) sind ge blieben. Sämtlicher malerischer Ausschmuck wurde Herrn Hosdekorationsmaler I. Schulz übertragen. Die Portal- architektnr der Bühne ist in Hellblau mit reichen Goldver- ziernngen gehalten, der Vorhang besteht ans eigens zu die sem Zwecke gewebtem Plüsch in sattem Blau, der mit heri- liclx'n Gold- und Silberstickereie» in ornamentaler Fassung versehen ist. Tie Firma Gnst. Schreiber, der im Verein mit Hoflieferant Hes; alle Stosflieferungen oblagen, hatte den wohl erstmalig in dieser Technik hergestellten Vorhang in Arbeii genommen. Tie anstoßenden Proszeninmslogen sind mit Rücksicht ans die Wandfarben ebenfalls orangegelb gehalten. Die Logen des Königlichen Hofes wurden mit gekurbelten Sei denstoffen überzogen und verleiht ihnen je ein Baldachin ans geschmiedetem Gitter ein überaus vornehmes Aussehen. Beseitigt wurde fernerhin noch ganz die Orchesterabtei- liing und verdeckt jetzt eine von getriebener Bronzearbeit ge schaffene lleberdecknng den Platz. Der große Kronleuchter des Hanfes wurde vollständig neu vergoldet, wie überhaupt die Beleuchtung im Parkett und in den Rängen durchweg neu geschaffen ist. Unter Leitung des Herrn Thentermeister Hosait und Belenchtnngsinspektor Sclmser hergestellt, passen sich die Beleuchtungskörper lin ihrer Anzahl ungefähr 2000) anss beste der Innendekoration an. Tie Firma Bölmie und Hilinni war hier Lieferantin. Das ganze Gestühl des Hauses ist gleichfalls erneuert worden. Das hell polierte Holz ist ans den Sitz- und Lehn flächen mit blauem Plüsch versehen. Breitere Sitze und weitere Stellung bilden die Hanptvorzüge. Ter Rabenaner Hokzindnstrieaktiengesellschaft »var diese Arbeit in Auftrag gegeben worden. Die Anzahl der Sitzplätze beträgt 1200. Ter sehr farbenprächtige Zwischenvorhang wurde nach einem Entwürfe des Hoftheatermalers Nieck hergestellt. In seiner Durchführungswcise schließt er sich den Stileigen heiten des Innenraumes harmonisch an. Soweit die dekorativen Eingriffe, die dein Hanse wohl zur höchsten Zierde gereichen, in ihrer Gesamtheit aber nur eine Folge der direkt baulichen und technischen Arbeiten ge wesen sind. Der zweite Teil dieser Abhandlung soll letzterer Bedeutung klar mackxm. Um die bezweckte Verminderung einer Feuersgefahr möglichst sicher herbeizusühren, mußten vor allem anderen die nach dem zweiten und dritten Rang gehenden gewendel- ten Treppen (deren Ban nnvorschriftsmäßig war) abge brochen werden. An ihre Stelle traten zwei an den Seiten der Vorderfront errichtete Treppenanbaue. Von diesen ans stellt eine breite, geradcrrmige Stcintreppe die Verbindung mit dem zweiten und eine besondere, gleichbreite Stiege (1.00 Meter) die mit dem dritten Rang her. Jede dieser Treppen ist von außen zugänglich und mündet in den be züglichen Rang. Außerdem hat man einen besonderen Zu gang vom zweiten Rang ans nach dem ein Stockwerk tiefer liegenden Restaurant gesckxstfen. Ter dritte Rang erfuhr insofern eine große Umwand lung, als die vielen Einzeltreppen beseitigt wurden. Den Znschanerranm umgibt jetzt ein breiter Gang mit an grenzenden Garderoben und Restaurant. Der Umgang be sitzt neben den erwähnten vier Flurtüren noch eine Mittel tür und zwei andere Seitentüren, so daß er also im ganzen sieben Ansgangstüren anfweisen kann. Tie Logengänge, sowohl des ersten und zweiten Ranges wie des Parketts sind durch Abbruch der Zweirangtreppe »m ein bedeutendes luftiger und geräumiger geworden. Ter Fußboden in den Parkettgängen und Garderoben fand durch Verwendung von Zement zwischen den eisernen Trägern für das gesamte Parterre einen massiven Abschluß »ach dem Souterrain zu. Statt der früheren Garderobeplätze legte man zwei neue Seitenansgänge an. Das Parkett verfügt nun gleich den dritten Rang über sieben Ansgänge, doch sind liier zweiflügelige, demnach erheblich weitere Türen vorhanden. Dem einzigen Ansgange im Orchester wurde ein zwei ter beigefügt. Für eine ausreichende Luftzufuhr des Zn- schanerranmes wurde durch Anfstellnng eines mit elektri scher >irast getriebenen Ventilators Sorge getragen. Als wesentliches Moment zur Erreichung einer er höhten Sicherheit des Publikums ist der an Stelle des ehe maligen Asbestvorhanges getretene, schwere eiserne Vorhang in Betracht zu ziehe». Sein Gewicht beträgt nicht weniger als 120 Zentner. Die Firma C. E. Rost ». Cie hatte seine Lieferung übernommen. Zur Bedienung des Kolosses wird ei» Elektromotor verwendet. In Zukunft fällt mithin ein mühevolles Ans winden fort. Das Hcrablassen des Vorhanges dauert ge nau 02 Sekunden, sein Aufziehen nimmt 2V- Minute» in Anspruch. Gegengewichte verhindern Unregelmäßigkeiten i» seiner Auktion Tie Frage der Beleuchtung des Hauses wurde den neue sten Verbandsvorschriften entsprechend gelöst. Im An schluß daran teilte man der elektrischen Notbeleuchtung zwei eigene Akkumulatorenbatterien zu. Hiemit ist eine absolute Unabhängigkeit von der anderen Beleuchtung erzielt wor den. Im Falle eines Versagens dieser Akkumulatoren können noch zwei Tynamomaschinen, die mit einem Wechsel strommotor verbunden sind, in Tätigkeit treten. Endlich wurden die beiden läuteren Bühnentreppen zur größeren Sicherung des Personals bis ins Dachgeschoß ver längert. auch legte man an der Nordseite des Theaterge- bändes im Erdgeschoß einen Notausgang an. Tie Ober maschinerie des Bühnenhauses erhielt statt der Hanfseile und Rollen solche aus Draht. Allen Holzteilen gab man einen fenerwiderslandfähigen Asbestanstrich. Die ein schlägigen Arbeiten im Bülmenhanse übernalnn das tech nische Personal unter Aussicht des Tbeatermeisters Schön. Vom Theatermeister Hosait stammten die Zeichnungen. Die Kosten des Umbaues des Königlichen Schauspielhauses, der in der verhältnismäßig kurzen Zeit vom 20. Juni bis 15. Oktober vollendet wurde, betragen rund 210 000 Mark. Entworfen und ansgesührt wurde er von dem Architekten des .Königlichen HosbanamteS, Herrn Hofoberbaurat G. Dünger und Hosbanrat G. Fröhlich, und gebührt den beiden das Verdienst, mit wenigem vieles geschaffen zu haben. Möge unsere Künstlerschar nun ihr übriges tun — „der Tempel ist euch ansgebant, ihr hohen Musen all!" E r i ch K ü h n. Aus Stadt und Lanv. —* Die „Konservative Korrespondenz" v.rwahrt sich gegen die Behauptung der „Diätschen Ztg.". es be- stehe eine besondere „nalional kouseivc.t've' nn Gegensatz zur „partei-konservativen" R-chlimg. Trotzdem hält die „Deutsche Ztg." diese die konservative Pai lei verdächtigende Differenzierung unstecht. und > m ihr einen Schäumer der Wahrscheinlichkeit zu geben, bemerkt sie, daß ne als national- konservativ an?ehe: die „Berliner Politischen Nachrichten" und — die „Dresdner Nachrichten". Die beiden genannten ..national konservativen" Organe weiden weht über die ihr von der „Dentichen Ztg." gewordene Ülnszeich» nng ei staunt sein. In konservativen Kreisen wird man sich darüber eines ironischen Lächelns nicht enthalten können. —* Der Straßenvei kauf der letzten Nummer der „Dresdner Rundschau" wurde polizeilich verboten. Meißen. Das 0 Jahre alte Söhnchen des Balmsteig- schasfners Lerch kletterte »nährend der Abwesenheit der Mutter auf das Fenstergesims der im dritten Stock gelege nen Wohnung und stürzte i» den Hof. Es blieb mit zer schmettertem Kopse tot liegen. Meißen. Die >0 jährige Tochter des Büchsenmachers Ebigt zeigte jüngst beim Verkaufe den Kunden mehrere Re volver. Hierbei entlud sich eine Waffe, in welcher sich nn- begreiflicherweise eine Patrone befand, und verletzte das Mädchen am Mittelfinger. In ärztlicher Behandlung ver heilte nun die Wunde vollkommen. Vor einigen Tagen — 80 — »lannsgeist würde trotz seiner Nerven bei dem Schreien der Leute und dem Toben des Wetters in ihm erwacht sein. Das ist wenigstens meine Meinung." Wie doch verständige und gute Leute so falsch urteilen können. Holds- ivorth kein Seemann! Was würde Kapitän Tuff über seine Ansicht gedacht haben, »venu er die selbe elende Jammergestalt, die sich so feige verkroch, hätte sehen können, wie sie vor einem Monat war: Ein kräftiger, schöner Mann mit Angen voll Feuer, mit Nerven und Muskeln wie Stahl, ein Seemann, so kühn und unerschrocken bei jedem Sturm und Wetter wie nur einer: ein ganzer Mann in des Wortes wahrster Bedeutung und gleichzeitig ein Kind seinem Herzen nach. Ja. welchen Täuschungen ist der Mensch unterworfen I Und doch, wie wäre es im vorliegenden Falle möglich gewesen, anders zu denken als der Kapitän und sein Freund? Die tägliche Unterhaltung mit Holdstvorth be stärkte sie noch in ihrer Ansicht. Derselbe sprach über alle Gegenstände mit Verständnis, aber es entschlüpfte ilun niemals ein Ausdruck, ans welchem man den Berns eines Mannes zu erraten vermag. Er konnte ebensogut ein Geist sicher wie ein Baumeister, ein Parlamentarier wie ein Advokat gewesen sein nur eben kein Seemann. Mitunter allerdings wurde Kapitän Triff doch auch wieder stutzig, denn es kamen Gelegenheiten, wo Holdsworth nautische Fragen anfwarf, die eine ganz genaue Bekanntschaft mit der See voranssetzen ließen. Diese momentan anssteigenden Zweifel zerfielen aber sofort, sobald stürmisches Wetter eintrat und er jedesmal dieselbe weibische Angst zeigte. Nein, ein Seemann steckte nicht in ihm, er hatte augenscheinlich seine Kenntnis von Segeln, Spieren und Tauen als Passagier gesammelt oder Büchern entnommen. Im großen ganzen verhielt sich der Kranke meist schweigsam. Er ver brachte Stundeir in stillem Sinnen, ohne daß auch nur der Schimmer des Ans lebens einer Erinnerung sein trauriges Gesicht erhellte: nur sein Abscheu vor der Sec und sein wachsendes Unbehagen über die Länge der Fahrt verriet sich immer aufs neue, denn fast täglich erkundigte er sich nach der zurückgclegten Strecke. Oester, wenn das Hanptdeck leer war, schlich er sich air das Boot, und mit vom sckiarfen Denken gerunzelter Stirn durchbohrte er forschend jeden Gegenstand darin mit seinen Blicken: bald nahm er diesen, bald jenen in die Hand und drehte und wandte ihn nach allen Seiten, immer von neuem hoffend, eine Erleuchtung darin zu finden. Eines Tages, als er sich wieder ganz in diese Besänftig ring vertieft hatte, trat der Bootsmann, ein gutherziger englisck>er Seemann, zu ihm. Der selbe begann in seiner biederen Weise mit ihm zu reden und Fragen über das Boot zn stellen, von denen er dachte, daß sie vielleicht dem Kranken helfen könn ten, sich irgend einer Tatsache aus der Vergangenheit zn erinnern. Als er jedoch aus den Antworten erkannte, daß dies ein ganz vergebliches Bemühen sei. forderte er ihn ans, sich einmal das Mannsck-aftslogis anzusehcn. „Viel leicht." fügte er hinzu, „bemerken Sie dort etwas, was Ihnen auf die Spur hilft. .Kommen Sie mir, cs ist zwar da nicht schön und allein würde ich Ihnen auch den Besuch nicht raten, aber mit mir können Sie ihn schon wagen." Damit führte er den zuerst ängstlich Widerstrebenden nach der Vorder- lute, durch welche sie in den düsteren, halbkreisförmigen Raum hinabstiegcn. A» Ort und Stelle angekoinmen, sagte Herr Lcherniami: „Das ist das Boot." Es war »och alles ziemlich so, wie Holdstvorth es verlassen, selbst der Vorratskaste» stand noch offen, und die drei Wassertönnchen lagen noch umher. Man hätte meinen sollen, daß diese Gegenstände, nn welche sich so furcht bare Erlebnisse knüpften, die Erinnerung hätte erwecken und dem Geist die Schreckcnsszenen znrücksühre» müssen, deren Schauplatz das Boot gewesen war. Wen» es Eindrücke gibt, die sich ebenso niianslöschlich in das Gemüt prägen, wie der Brand eines glühenden Eisens in das Fleisch, so hätten der Wahnsinn des Schauspielers, das Delirium des Matrosen, der tragische Tod des alte» Generals, das Bild der klaglos ihren Leiden erlegenen Witwe und des verschmachtenden Knaben diese Wirkung üben, und alle damit verbun denen Einzelheiten und Umstände dem Auge »nieder lebendig vorführen müsse». Bei Holdsworth war jedoch hiervon nichts zu erkennen: nicht der schwächste Schimmer einer Erinnerung erhellte sein Gesicht, »nährend er mit gerunzelter Stirn die Stätte so viele» Elends betrachtete »nd sich das Hirn zermarterte, den Vorhang zn hebe», der ihm den Rückblick in die Vergangen heit versperrte. Nach langem Schweigen fuhr er sich mit der Hand über die Aiigen und seufzte: „All mein Sinne» ist vergeblich, cs will mir nichts toinmen." Herr Schermann war enttäuscht und erstaunt: enttäuscht über die Wir kungslosigkeit des Mittels, auf welches er sei» Vertrauen gesetzt hatte, und erstaunt über die wundersame Erscheinung eines derart erloschenen Gedächt nisses. Er gab jedoch noch nicht jede Hoffnung ans ein günstigeres Resultat auf, sondern sagte: „Nun blicke» Sie einmal hierher: sehen Sie, hier, unter dieser Sitzbant, wurden Sie gesunden und da am Mast lag ein anderer Mann, ein Matrose mit sehr brünettem Gesicht: der war aber tot »nd wir haben ihn bestattet. Können Sie sich gar nicht erinnern?" Holdsworth schüttelte traurig seinen tiefgesenkten Kopf. „So betrachten Sie einmal den offenen Kasten: der war voll Seewasser und anfgeweichtem Zwieback, als wir das Boot trafen, und die Füßchen, die dort liegen, waren leer. Das muß ja ein gräßliches Elend gewesen sein. Haben Sie keine Vorstellung mehr davon?" Holdsworth legte die Hand an die Stirn. „Nicht die geringste." „Der Mast trug auch ei» Stück zerrissenes schwarzes Zeug, anscheinend von einem Tuck» oder Franenrock. Halten Sie eine Frau bei sich?" „Ich weiß es nicht." „Aber vielleicht vermögen Sie weiter znrückzndenken. Versuchen Sie doch einmal, sich ans Ihr Schiff zn versetzen. Von wo segelte es ans? Von England? Was?" „England? Ja - ich kenne England aber - ich entsinne mich nicht, ob ich von England kam." „Nun, mir den Mut nicht verlieren, alter Freund. Sie kennen also England! Sind Sie vielleicht in Liverpool an Bord gegangen?" „Das kann ich nicht sagen, aber Liverpool ist mir bekannt." „Und London?" „O ja, ebenfalls."