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Der Evangelische Bund und die katholischen Missionen. Anläßlich der 21. Jahresversammlung des Evan gelischen Bundes besprach Missionar Hoffmann das Thema: „Was erwartet die Mission vom Evangelisck-en Bunde?" Er führte u. a. nach der „Wiesbad. Ztg." (Nr. 41) ans: „Die evangelische Mission nimmt sich der evangelischen Landsleute draußen treulich an, die von der Kirchenleitung der Heimat nicht erreicht werden: sie unterzieht sich der Aufgabe, verwaiste Kinder aufzunehmen und sie der evan gelischen Kirche zu erhalten, sie erweitert den Besitzstand der evangelischen Kirche und tut damit zugleich eminent kirchliche Arbeit. Die römische Kirche ist gerade in unseren Kolonien mit zielsicherem Blick daran, sich mit lauteren und unlauteren Mitteln neue Gebiete zu erschließen und in alten evangelischen Besitz einzudringen. Sie habe die Parole ausgegeben, sie wolle nicht auch in den Kolonien in der Minderheit bleiben. Da sei es denn Sache der evan gelischen Christen, insbesondere auch des Evangelischen Bundes, die Mission zu unterstützen. 13 Millionen Men schen auf der niedersten Kulturstufe warteten darauf, vor einer falschen Kultur, die ihnen ihren Heidenglauben nehme, aber ihnen nichts dafür gebe, bewahrt zu werden. Sie sollten vor dem Islam bewahrt werden, der sie zu Fanatikern und zugleich zu Feinden Deutschlands zu machen drohe." Diesem Eigenlob der protestantischen Kirche gegenüber dürftö cs von Wichtigkeit sein, einmal festzustellen, welchen „unlauteren" Mitteln die katholische Kirche die Erfolge ihrer Missionstätigkeit zu verdanken hat. Der Protestan tismus ist der gefährlichste Feind der katholischen Missionen im fernen Osten. Seine Kraft liegt in der scharfen Be tonung des Irdischen, des materiellen, intellektuellen Fort schrittes. Dadurch fasziniert er die Masse der oberflächlich unreifen Menschen. Früher schon wurde die Behauptung aufgestellt, daß die Mission eine störende Nebenregierung neben unseren Gouverneuren ist, und daß ferner das Interesse der Missionare in den Kolonien zunächst wirtschaftlicher Natur sei, daß sich ferner die Missionsfähigkeit den Gesamtinter- cssen des Vaterlandes unterzuordnen habe. Das ist falsch. Die Missionare sind nur ein Faktor in der Kolonisation, und sie sollen auch nur ein Faktor sein, aber sie sind ein ebenbürtiger und kein untergeordneter Faktor. Das Prin zip der katholischen Missionare ist und wird immer bleiben: Ora et lakora — Bete und arbeite. In einem Briefe des Generals v. Trotha (früher Gouverneur und Oberkomman dierender in Deutsch-Südwestafrika) an den Prov. I'. Lebeau führt derselbe u. a. aus: „Ueberall auf der Erde, wo ich katholische Missionen in Tätigkeit gesehen habe, in Ostafrika, in China und nun im Westen, überall dasselbe Bild tatkräftiger Arbeit, hin reißender Pflichttreue, immer mit der Devise ora et labora, und überall mit sichtlichem Erfolge. Ich beglückirünsche die katholische Kirche zu diesen Erfolgen und erlitte Gottes reichsten Segen für ihre Arbeit. In einem Bericht der „Köln. Volksztg." schreibt U. R. Streit: „Alle sind so voll Anerkennung (Urteile) und sie sind sich besonders darin einig, daß die katholische Mission mit praktischem Scharf blick, in der richtigen Erkenntnis der Eigenart der zu christianisierenden und zu zivilisierenden Völkerrassen ans Werk gegangen ist. Sie heben das besonders hervor im Gegensätze zur protestantischen Mission, deren gesamte fast 100jährige Missionstätigkeit im heutigen südwcstafrika- nischen Schutzgebiete die „Koloniale Zeitschrift" „einen Schlag ins Wasser" nennt, und sie fügt bei: „Die evan gelischen Missionen sollten nach dem bewährten Vorbild der katholischen umgebildet werden." In der Zeit des blutigen Aufstandes in Dentsch-Südwestafrika forschte Eugen Wolf nach den Ursachen desselben und er schreibt (Hochl. 11/79): „Hätten die protestantischen Missionare das, N>as ihnen so oft bezüglich des ora et labora von. vielen Seiten geraten wurde, befolgt (und es sind allerdings hier die katholischen Missionen mit bedeutend besserem Beispiel vorange gangen, was ja auch von protestantischer Seite zugegeben wird, Anmerk. v. E. W.), so wäre es vielleicht zu keinem Aufstande gekommen oder er hätte nicht solche Dimensionen angenommen." Also dieses „ora et labora" scheint das unlautere Mittel der katholischen Missionare zu sein! Aus Stadl und Land. (Akortsetzrmg an» dem Hanvlbtatt-, —* Die Steuern, Abgaben und Gerecht same der Stadt Dresden brachten nach dem soeben erschienenen Rechenschaftsberichte auf das Jahr 1910 ins gesamt 12 354 665,74 Mark ein gegen 11 660167 Mark im Voranschläge. Der Ertrag der Steuern belief sich hiernach ans 704 388,74 Mark mehr als angenommen worden war. Die Einkommensteuer erbrachte 7 894136,19 Mark, die Grundsteuer 793 084,33 Mark und die Bürger- und Ein wohnersteuer 683 032,82 Mark. Von den indirekten Ab gaben erbrachten die Abgabe von den Verzehrungsgegcn- ständen 789 986,49 Mark, die Brückenzölle 133 861,76 Mark, die Hundesteuer 161 446,82 Mark und die Besitzwechselab gabe 426 960,64 Mark. Kleinere Beträge erbrachten die Abgaben von den Wochen- und Jahrmärkten und verschie dene andere Steuern. Die städtischen Markthallen erziel ten einen Uebsrschuß von 183 150,20 Mark, die Abgabe der Städtischen Straßenbahn für Benutzung der Straßen be lief sich auf 331 480,06 Mark und der Anteil an der Bc- triebseinnahme der Städtischen Straßenbahn, sowie die Ab gabe der Wasserwerke für Benutzung der Straßen betrug je 600 OM Mark. Der Ertrag der Gerechtsame ist natur gemäß von Jahr zu Jahr geringer geworden. So belief sich im Jahre 1910 der Ertrag der Braupsanncn auf 2400 Mark, der Ertrag der Geschoß- und Erbzinsen auf 2390,99 Mark, der Kanon vom.Adreß-Comptoir auf 1800 Mark, die Abfindung für die Gestattung der Elbüberfahrt in Uebigau auf 1270 Mark und eine Rente vom Grundstücke Blatt 382 des Grundbuches für Kaditz auf 60 Mark. —* Die Königliche Technische Hochschule veröffentlicht soeben das Verzeichnis ihrer Vorlesungen und Hebungen samt Stunden- und Studienplänen für das Win tersemester 1911/12. Die Vorlesungen beginnen am 16. Oktober. In dem Berichte ist auch eine Mitteilung über, das neue Städtebauseminar enthalten, das mit Genehmig gnng des Königlichen Ministeriums des Kultus und öffent lichen Unterrichts am 1. Oktober 1910 an der Hochschule er-! öffnet worden ist. Das Seminar findet nur im Winter semester statt und die Teilnahme — auch an den einzelnen Vorträgen und Hebungen — jedem Studierenden, Zuhörer und Hospitanten frei. Auch ein Studienplan für die An wärter für den höheren Dienst der Reichspost- und Tele graphenverwaltung während der ersten vier Semester, sowie eine Uebersicht der Vorlesungen und Hebungen, die für die Kandidaten des höheren Lehramtes der athematiscl>-physi- kalischen und chemischen Richtung in Betracht kommen, sind in dem Verzeichnis enthalten. An der Königlichen Tech nischen Hochschule wirken gegenwärtig 69 Professoren und Dozenten, sowie zahlreiche Assistenten. Auerbach, 22. August. Der Ankauf des Rittergutes Auerbach wurde von den hiesigen städtischen Kollegien zum Preise von 760 000 Mark beschlossen. Angustusbcrg bei Nossen, 22. August. Tödlich über fahren wurde in der Nähe der hiesigen Ziegelei das acht jährige Mädchen des Handarbeiters Mann. Freibrrg, 22. August. Eins Nadium-Gewinnnngs- und -Verwertungsgesellschaft m. b. H. mit dem Sitze in Freiberg ist beim hiesigen Königlichen Amtsgerichte ein getragen worden. Die Gesellschaft bezweckt den Aufschluß und Betrieb der Grube „Unverhofft Glück", sowie die Ge winnung und Verwertung von Uranpechblende usw.. Das Stammkapital beträgt 20 MO Mark. Freibrrg. 22. August. Durch Erschießen versuchte hier ein russischer Student seinem Leben ein Ende zu machen. Er muhte schwerverletzt nach dem Krankenhause gebracht werden. Der Grund zu seiner Tat ist unbekannt. Gröba bei Riesa, 22. August. In der Elbe ertränkt hat sich der Fortbildungsschüler Hartwig. Es wird ver mutet. daß er die Tat aus Furcht vor einer zu erwartenden Schulstrase begangen hat. Seine Leiche konnte bereits geborgen werden. Ntederhütlich, 22. August. Die Leiche eines jungen Mädchens wurde in einem auf Bannewitzer Flur gelegenen Steinbruch gefunden. Ob ein Selbstmord oder ein Ver brechen vorliegt, konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden. Seitens der Behörden ist um Aufklärung eine Untersuchung eingeleitet worden. Obcrlnirglvih, 22. August. Zwei neue Wohnhäuser wird die hiesige Baugenossenschaft zum Preise von je 30 OM Mark an der Hermannstraße errichten. Potschappcl, 22. August. Auf die Ermittelung des Mörders der Melanie Thieme hat die Königliche Staats anwaltschaft eine Belohnung von 300 Mark ausgesetzt. Plauen i. V., 22. August. In der Elster wurde hinter dem Ritterguts Straßberg die Leiche eines neugeborenen Kindes aufgesunden. Reuth bei Plauen. 22. August. Ein großes Schaden feuer vernichtete hier die am Bahnhof gelegene große Bäßlersche Tischlerei. Durch den Brand wurde der gesamte Inhalt der Tischleret zerstört. Auch soll ein großer Geld- betrag mit verbrannt sein. — 40 — endlich alles beisammen. Nochmals fängt er an, um die ganze Arie glatt herunter zu leiern. Für Madame Worse ist dies alles recht unterhaltend. Auf Jngeborgs zartes Nervensystem jedoch üben die vielen Disharmonien die entgegengesetzte Äirkung aus. Vergebens versucht sie, wach zu bleiben. Die Lider schließen sich über den müden Augen. Inzwischen hat Lorenz etwa die Hälfte der Arie heruntergehaspelt. Da greift er wieder eine falsche Note. Laut auflachend blickt er zu Sigrid Arnold- sen hinüber, um sich zu entschuldigen. „Verzeihen Sie mein schlechtes Spiel. Ich —" Er stockt und blickt entsetzt auf Jngeborg, deren bleiches Gesichtchen mit den geschlossenen Augen in diesen: Moment die Starre des Todes trägt. Nur Erik gewahrt, wie er zusammenzuckt, sich über die Stirn fährt, als nrüsse er einen schweren Traum versclxmchen und dann rasch daS Klavier verläßt. Instinktiv ahnt er den Zusammenhang. Nach ein paar Minuten scbon enipfiehlt sich Lorenz — mit auffallender Hast, wie es Erik dünkt. „Ich begleite dich!" ruft dieser energisch. „Unsinn, alter Junge! Denkst wohl, ich fürchte mich hier in eurer Felseneinöde?" „Nein. Aber du könntest dich verlaufen." Ein feuchtheißer Meerwind bläßt daher, als die beiden Freunde die san digen Wege des Felsenparks entlang eilen. Am Himmel zusammengeballte grauschwarze Wolken, das Nahen eines heftigen Gewitters verkündend. Erst als sie durch bas eiserne Tor hinaustreten ans offene Meer, bleibt Lorenz einige Augenblicke stehen, um tief aufzuatmen. „Endlich, endlich bin ich draußen!" Kopfschüttelnd blickt Erik den Freund an. „Fehlt dir etwas, Lorenz?" „Wieso?" „Du zitterst." „Ich — ich zittere? .... Hm —!" Sahst Lu jenes Mädchen, dis Jngeborg Valetti — wie sie zu Küßen ibrer Tante —" „Ach so!" fällt Erik mit erzwungenem Lachen ein. „Ein harmloses Phänomen — nichts weiter! ' „Es hat nrich ganz neivös gemacht," fährt Lorenz zusammcnschauernd fort. „Hätt' drauf geschworen, daß sie tot war — mausetot." Erik antwortet nicht, und beide beschleunigen ihre Schritte. Plötzlich hält Lorenz den anderen am Arm zurück. „Hörst du nichts?" „Nein. Sei doch vernünftig! Aus dir sprechen Fräulein Arnoldsens Weine!" „Bah, Weine! Du weißt, was ich vertragen kann." Und wieder schreiten sie flott drauflos — einsilbig, verstimmt, jeder noch unter dem Eindruck der letzten Stunde. Da — daS Aufzucken eines Blitzes, gefolgt von dumpfem Donnerrollen. Lorenz fährt zusanunen und wird kreideblah. — 37 — Auf der Treppe kommt ihm bereits Sigrid entgegen. „Endlich! Ich erwartete Sie schon lange! Das Mittagessen steht be reit! Und —" „Uird —? Was noch, gnädiges Fräulein?" Lächelnd blickt sie ihn an. Ja, wo haben Sie denn Ihre Gedanken? Ihr Freund —" „Ah! Lorenz Jespersen! Wie konnte ich den vergessen! Ist er schon da?" „Er sitzt im Solan bei Madame Worse." „Wie gefällt er Ihnen?" „Wollen Sie meine offene Meinung hören?" „Ich bitte darum." „Er ist der Bruder Ihrer Braut, nicht wahr?" „Ja. Doch das macht nichts." „Nun wohl. Er gefällt mir nicht. Ich halte ihn für keinen Gentleman. Er hat etwas Gewöhnliches an sich, trotz seiner gesuchten Höflichkeit. Es war sehr liebenswürdig von ihm, daß er sich hierher in unsere Einsamkeit be mühte: aber ich werde ihm noch dankbarer sein, wenn er uns wieder verlassen hat. Er paßt nicht hierher .... Sind Sie mir böse?" „Durchaus nicht. Ich bewundere nur Ihren Scharfblick." In diesem Moment erschallt aus dem Empfangsfalon Helles Lachen. Rasch legt Erik Hut und Stock ab und tritt an Sigrids Seite ein. Ein ungewohnter Anblick bietet sich ihnen. In der Mitte des Zimmers steht Lorenz Jespersen. Nach Art der Taschenspieler wirft er zwei Wachs- äpfel, die er vom Kaminsims genommen, abwechselnd rasch hintereinander hoch i» die Luft und fängt sic geschickt wieder auf. Jngeborg und Madame Worse sitzen auf dem Sofa und begleiten seine elownartig«m Bewegungen mit Hellem Auflachen. Beim Eintreten der beiden stellt er sofort sein Spiel ein. Nach einer tiefen Verbeugung vor der Schloßherrin begrüßt er Erik freundschaftlich kor- dial — etwas zu kordial, wie cs Sigrid dünkt. „Hallo, alter Junge, da bist Lu ja! Hab' dich schon in Tromsö von weitem geiehen Wollt' n ich zuerst bemerkbar machen. Aber du warst in ein mächtig ernstes Gespräch mit e«mm Herrn verlieft. Na, schadet nichts! Kön- nen da? Versäumte nockholen." Da das Essen bereit siebt, geht mau sofort zu Tisch. Erik führt Fräu lein Arnoldscn. Lorenz Madame Worse und Jngeborg. Mit we.üg Merw" erklärt Loren; der würdigen Dame, was sie zu tun habe, um daS Leben ihres Enkels zu versichern; es geschieht dies in solch klarer, populärer Weise, daß seilst Madame WorseS nicht allzu bedeutende Geisteskräfte die Sachlage vollkommen erfassen. Dann geht mau zur allgemeinen Unterhaltung über. Auch hier be herrscht Lorenz jedes Thema. Stets weiß er ein treffendes Wort, eine passende Auskunft. Je mehr das Diner sich seinem Ende zuneigt, je mehr Wein er hinab stürzt. um so lebhafter wird Lorenz. Schon ein paarmal glaubte Erik zu be- merken, wie Jngeborg daS sich zusehends rötende Gesicht ihres Nachbars be- .Helden der Pflicht* ,0