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„Im Gegenteil, ich wollte wieder gesund werden, ohne Dich in Unruhe zn versehen." „Und nun?" „Min ist alles vorbei; ich weis;, daß ich zur Blindheit verurteilt biu, und bitte Gott, mir iu dieser Prüfung die nötige Kruft und Ergebung zu verleihen." „Gott null, das; »vir das Kreuz, welches er uns auferlegt, willig tragen, aber er verbietet uns nicht, ein drohendes Uebel mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen." „Es gibt kein Mittel Hegen mein Leiden." „So sagt der Arzt aber nicht." „Ich weis;, der Doktor meint, in Paris könnte ich Heilung finden. Aber die Reise ist unmöglich." „Warum?" „Ich kann mein Unternehmen hier nicht im Stich lassen." „Ist nicht Herr Eordowa, der Verwalter, da, der dich auch seht des öfter» vertritt?" „Ich weis; nicht, ob ich diesen sich selbst überlassen könnte . . . ." „Alle, die ihn kennen, rühmen doch seine Ehrlichkeit." „Das schon: wir dürfen aber nicht unsrer acht lassen, daß unser Ver mögen beinahe ansschlies;lich in Ländereien und Viehherden steckt. Sobald ich Gold in meiner Kasse habe, verwandelt es sich alsbald wieder in Wiesen und Felder, in Ochsen und Schafe. Erst seit kurzem habe ich angefangen, mit Rücksicht ans die Mitgift unserer Töchter einiges Geld fest anznlegen, sodaß diese Rente noch sehr wenig ansmacht." „Ich hoffe, das; unsere Abwesenheit nicht von langer Dauer sein wird, ein Jahr oder höchstens zwei. Der Gewinn während dieser kleinen Spanne Zeit könnte schlimmsten Falls etwas geschmälert werden, das ist aber auch alles." „Da hast Du recht." ». „Und gerade wegen der Gründe, welche Du mir angibst, ist es doch Deine Pflicht, Genesung zn suchen, damit Du die Geschäfte mit neuen Kräften wieder übernehmen kannst. Was sollte daraus werden, »venu Du das Augen licht einbttktest?" „Nichtig; ein Blinder befindet sich in der traurigsten Abhängigkeit." „Siehst Du wohl!" „Ja, Geliebte, aber Du bleibst mir doch; ich werde mit Deinen Augen sehen." „Wenn ich auch gut reiten kann, so würde es mir doch unmöglich sein, beständig die Farin und die Herden zu besichtigen und die Leute zu über wachen. ohne dadurch die Erziehung unserer Kinder zu vernachlässigen." Dieser Einwand war stichhaltig. Herr Mareskat gab nach, und die Reise nach Paris ward beschlossen. Trotzdem suchte der Kranke noch einen Aufschub, indem er einen nam haften Arzt ans Buenos Aires kommen lies;. Als aber auch dieser ganz derselben Meinung war wie sein Kollege, bestimmte man den Tag der Abreise. Nicht ohne großes Herzeleid verließen Herr und Frau MareSkat die Stätte ihres langjährige«, Glückes, jedoch die umfassenden Vorbereitungen, welche letztere zu treffen hatte, ließen die Bitterkeit weniger aufkommen. Ist es doch keine Kleinigkeit, mit acht Kindern zu reisen. Aber die besorgte Mutter hätte sich von keinem ihrer Lieblinge trennen können. Für sie gab es keinen Unterschied unter ihnen; sie hätte keine Wahl treffen können zwischen diesen kleinen Wesen, die ihr alle fest ans Herz gewachsen: Margarete und Luise, Karmelita und Therese. Johanne und Peter. Was Jsabella und Maria Angela anbetrifft, so hätte sie kaum ohne deren Hilfe fertig werden können. Beide Töchter gingen der Mutter fleißig zur Hand, sodaß zur be stimmten Stunde die ganze Familie sich einschiffen konnte. Josef und Pepa bestiegen den Dampfer, tiefe Trauer im Herzen, während die Kinder sich der Veränderung freuten. So geht es im Menschen leben! Die Jugend genoß das ungewohnte Vergnügen der Ueberfahrt mit einen, solchen Jubel, daß der Kranke von ihrem Frohsinn angesteckt wurde. Dies schien Pepa ein gutes Vorzeichen, und ihre Hoffnung belebte sich neu. 3. Herr Mareskat war ganz fremd in Paris. Die Bekannten von früher her. sowie die wenigen Verwandten, deren er sich erinnerte, waren gestorben oder verzogen; es hätte schwer gehalten, ihre Spur aufzufinden. Ebenso fehlte es ihm an Geschäftsverbindungen in Frankreich, da er an Handelshäuser der amerikanischen Küste lieferte, welche ihrerseits die weitere Ausfuhr übernahmen. Zwar hatten diese ihm Empfehlungsbriefe an ihre Geschäftsfreunde mitgegeben; letztere jedoch bewohnten Marseille. Havre oder Bordeaux. So kam es, daß die Mareskats ganz vereinsamt standen in der Vaterstadt des Familienhauptes. Josef, der seinen Aufenthalt daselbst auf kurze Zeit berechnet hatte, bezog mit den Seinigen eine elegante Zimmerflucht im Hotel Continental. Gleich am Tage nach ihrer Ankunft führte Pepa den Gatten zu einem berühmten Augenärzte. Dieser erklärte das Leiden als ein sehr bedenkliches; indessen hoffe er, daß bei längerer Behandlung, äußerster Vorsicht und besonderer Pflege das Uebel noch zu heben sei. Als eines der 'wichtigsten Erfordernisse zur Genesung bezeichnte der Doktor eine einfache, stärkende aber wenig gewürzreiche Nahrung. Dieser Umstand machte ein längeres Verweilen in einem Gasthofe unmöglich. Des halb gab sich Pepa gleich daran, eine Familienwohnung in der Nähe des Boulogner Wäldchens zn suchen, in der Hoffnung, daß auch die dortige reine Luft dem Kranken zuträglicher sei. In der Avenue Henri-Martin fand sie etwas Passendes, und schnell waren die nötigen Möbel beschafft. Pepa richtete das neue Heim schön und behaglich ein; der größte Raum sollte als gemeinschaftliches Schlafzimmer für die Kinder dienen, und zu diesem Zwecke kaufte sie weiß lackierte Bettchen, alle gleichmäßig, nur in der Größe verschieden. Die junge Frau war im Schoße des Reichtums geboren und grobgezogen; sie hatte stets das Geld mit vollen Händen einkommen sehen und konnte es auSgeben, ohne sich zu beschränken. Allerdings gab es einen Unterschied zwischen den Bedürfnissen in la Plata und den Ansprüchen an das Leben in Paris, darin war Pepa noch etwas unerfahren. Immerhin standen ihre jetzigen Ausgaben noch eher unter als über dem Verhältnis ihrer finanziellen Lage. Da sie nur ein Kindermädchen und eine ihr ganz ergebene Kammerfrau