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sucht die Revolution mit allen Mitteln vorzubereiten. Soll das alles ungeniert betrieben werden? Wo bleibt die bür gerliche Gesellschaft, das; sie sich nicht wehrt? Man versteht es im Volke nicht, daß inan alles dies duldet. Wie lange will die Regierung noch ruhig zusehen. Es ist Pflicht der Regierungen, die Stunde und die Mittel zum Schutze der bürgerlichen Gesellschaft zu bestimmen. (Beifall.) Abg. Bassermann (Ntl.) sucht die November debatte von 1908 als bedeutsamer hinzustellen, als es die Vorredner getan haben. Heute ist die Sache anders als vor zwei Jahren. Damals hohe Erregung im Volke, heute nicht. Es handelt sich um persönliche Anschauungen deS Kaisers, die von hoheni Idealismus und christlichem Sinne getra gen sind, ebenso von hoher Liebe zum Vaterlande. Ich halte daher die Interpellation für überflüssig. Die Beu- roner Rede hat aus der einen Seite den Ruf nach Aufhebung kes Jesuitengesetzes hervorgernfen, von protestantischer Seite kanc dann der Protest. Tann wird zu Unrecht über las Gotiesgnadcutum geklagt. Aber wir haben den Wunsch nach tunlichster Zurückhaltung. Der Reichskanzler möge sich in dieser Richtung bemühen. Je mehr die Sozialdemo kratie den monarchischen Gedanken schädigt, desto enger schließt sich die bürgerliche Gesellschaft an eine starke Mon archie an. (Beifall links.) Abg. v. Payer (Vpt.): Des Passus vom Gottesgnaden- tuni verstößt gegen die Verfassung. Früher war diese Be zeichnung die Kundgebung der Demut der Fürsten. Heute ist es anders. Die heutigen Reden werden freilich nicht dazu beitragen, daß Kaiserreden seltener werden. (Sehr richtig!) An der Novembererklärnng soll man nicht rütteln und deu teln. Man war dem Kaiser dankbar, daß er sich an dieses Abkommen gehalten hat. Warum der Umschwung? Die Benroner Rede klingt harmlos, ist es aber nicht. Diese Rede behandelt Fragen recht aktueller Natur. Die Zentrums presse stützt sich ans diese kaiserlichen Worte und fordert die Aufhebung des Jesnitengesetzes. (Ruf: Schrecklich!) Rechte und Zentrum sollten uns unterstützen im Vorgehen gegen solcl>e Kaiserreden. Konservative und Zentrum stützen heute den Kaiser, aber dieser hat durch die Benroner Rede eine Gefolgschaft erhalten, auf die er nicht gerechnet hat. (Sehr gut! Hört!) Abg. Dr. David (Soz.): Der Bund der Ritter und der Heiligen stürmt gegen uns an. Wir verkümmern es dem Kaiser nicht, wenn er bei einem Familienfeste seine re ligiöse Anschauung knndgibt. Die Freisinnigen werden an unserer Seite kämpfen. (Hört!) Abg. v. Dirksen (Rp.): Die feierliche Proklamie- rung der Forderung der Republik durch die Sozialdemokra tie ist das erste politische Ereignis des Tages; das zweite ist die Verbindung von Sozialdemokratie und fortschrittlicher Volkspartei. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird mit großer Mehrheit angenommen. Es folgt die Interpellation der freisinnigen Volkspartei betreffend Pensionsversicherung der Privat beamte n. Abg. Dr. Mugdan (Freis. Dp.): Wie steht es mit diesem seit langem gewünschten Werke? Der Reichstag hat schon oft ungefragt; soll nun der Gesetzentwurf noch in die ser Session eingebracht werden? Staatssekretär Delbrück: Der Entwurf ist im Reichsamte des Innern ausgearbeitet: er liegt dem Staats- Ministerium vor. Sobald dies Beschluß gefaßt hat, wird er publiziert werden. Ich werde auf Beschleunigung drin gen, damit der Bundesrat rasch zum Ziele kommt. (Beifall.) Abg. Dröscher (Kons.). Nacken (Ztr.), Lieber- mann v. Sonnenberg (W. Verg.), Linn (Rp.), Schmidt (Soz.) und Beck Ntl.) fordern rasche Erledigung der Vorarbeiten, damit das Gesetz noch in dieser Session ver abschiedet werden kann. Das Hans vertagt sich hierauf auf Montag 2 Uhr: Kleine Vorlagen, Schiffahrtsabgaben. Schluß 6 Uhr. Hirtenbrief. Am ersten Adventssonntage wurde in unseren Kirchen ein Schreiben der am 23. August 1910 am Grabe des heil. Bonifatius versammelten Erzbischöfe und Bischöfe verlesen. Es lautet: Geliebte Diözesanen! Die Kirche und ihr oberstes Hirtenamt sind zu allen Zeiten der hl. Mission eingedenk gewesen, die ihr das Wort des Herrn übertrug: „Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium allen Völkern." So sandte der große Papst Gregor I. Glaubensboten nach der Inselwelt, die westlich von unserem heimatlichen Strande liegt, und von ihr empfingen dann die deutschen Dolksstämme das Licht des Glaubens und mit diesem die christliche Zivilisation. Wie könnten wir diese Tatsachen vergessen, während wir hier am Grabe des heiligen Bonifatius knien! Doch heute lenkt unsere Blicke ein Hilferuf katholischer Glaubensboten nach dem fernen Osten, nach Japan. In diesen! großen Jnselreiche an Asiens Ostkllste, dessen Pforten vor 300 Jahren der groß« Apostel Indiens, Franz Lader, dem Glauben erschloß, bis sie der Ansturm der Hölle nach kurzer Blüte wieder verschloß, hat sich ein mächtig auf strebendes Volk eine achtunggebietende Stellung unter den Großmächten der Erde errungen und öffnet infolge seines politischen Aufstieges seine Tore der Kultur und Zivili- sation und damit von neuem auch dem Christentum. So fort haben sich die Glaubensboten der katholischen Kirche beeilt, ihre Füße auf jene Gestade zu setzen, die durch die mühsamen Wege und Arbeiten des heiligen Franz Lader geheiligt sind, und seine Aussaat von neuem zu pflegen be gonnen. Es gilt aber, einem hochgebildeten Volke den Glauben zu bringen, das auf allen Gebieten des irdischen Wissens mit den fortgeschrittensten Nationen der Erde wett eifert. Ihm die alles beherrschende Macht des christlichen Geistes auch im Fortschritte des menschlichen Geisteslebens zu zeigen und seinen Aufschwung in die höchsten Zweige der menschlichen Erkenntnis durch Förderung des Unter richtes zu unterstützen, ist der Weg, der den Glaubensboten das Vertrauen und die Achtung des japanischen Volkes ge winnen kann. In richtiger Würdigung dieser Verhältnisse gründete unser Heiliger Vater Pius X. in seinem Jubeljahr 1908 ein großes Unterrichtswerk in der Hauptstadt des Kaiser reiches Japan zur Pflege der von den Japanern so eifrig betriebenen Wissenschaften. Was Fulda, die Stiftung des heiligen Bonifatius. Jahrhunderte hindurch für Deutsch land gewesen, die Leuchte der Gelehrsamkeit und christliche» Bildung, das soll nach den Absichten PiuS' X. die von ihm gegründete Anstalt in Tokio für jenes Ostreich werden. Schon dieser Gedanke ruft die deutschen Katholiken zur Teilnahme auf. Aber noch ein anderer Umstand spricht dafür. Seit mehr als dreißig Jahren ist Las sich ver jüngende Geistesleben Japans in immer engere Be ziehungen zu den großen Mittelpunkten der Wissenschaft iin Deutschen Reick)« getreten. Immer enger sind diese geistigen Bande zwischen Deutschland und jenem große» Jnselreiche in Ostasien geknüpft worden. Wir möchte« deshalb eine Ehrenpflicht der deutschen Katholiken darin er kennen, das große Unterrichtswerk in dev Kaiserstadt Tokio zu unterstützen durch Förderung des Anteils, den die deutsche Sprache und Wissenschaft in der Verwirklichung der erhabenen Absichten des Papstes Pius X. haben sollen. Die am Grabe des heiligen Bonifatius wieder ver sammelten Oberhirten wenden sich daher an euch, geliebt« Diözesanen, und bitten euch: unterstützet jenes hochwichtig« Werk des obersten Hirten mit dem Scherflein eurer so oft bewährten Freigebigkeit. Ihr dient damit eurer Kirche; ihr erhöht ihren Ruhm und ihren Einfluß bei jenem hoch- entwickelten Volke und bahnt dem Evangelium die Wege zu seiner Erkenntnis und zu seinem Herzen. Ihr dient auch zugleich dem Vaterlande, indem ihr dazu mitwirkt, die Schätze seiner Geistesarbeit den Völkern an den Gestaden des Stillen Meeres zugänglich zu machen. Eure Freigebig keit wird somit das Apostolat des heiligen Bonifatius bei den Völkern des fernen Ostens fortsetzen und das MissionB- werk des heiligen Franz Lader von neuem beleben. Um euch dazu Gelegenheit zu bieten, ordnen wir hier mit an, daß am zweiten Adventssonntage, der dem Feste des großen Apostels Japans folgt, eine einmalige Kirchen kollekte stattfinden soll. Durch Schilderung der ruhmvollen Missionstätigkeit des heiligen Mannes werden eure hoch- würdigen Herren Seelsorger euch begeistern, zur Verwirk- lichung der hohen Absichten mitzuwirken, die seine Schritte vor 360 Jahren in jene ferne Gegenden lenkten. Fulda, am 23. August 1910. Dir am Grabe des heiligen Bonifatius versammelte» G»-- bischöfe und Bischöfe. An müden Eaden für den ?au einer St. Gntrudiskirchc zu Neustadl i S. gingen in der Zeit vom 1 Juli bis 81. Oktober 1910 ein: > Fortsetzung.) M. M. in Leipzig 1.50 Frau M. Schäfer in Feßnigs Sekret. Bonif.-Vercin in Paderborn, (dort eingegangen): DechantTschernay in Schnauhübel 5,60^k, vontzdem- selben 7, o -6, L. < crge in Dresden 8 -2, P. Banda in Radeberg 2 Frl. Löhr n, Dresden 1 -1t, Fr!s. PlödterlI in Dresden 6 Fr. Laube in Dresden 2 .K, Frl. Wotlchke in Dresden 0,80 Unge nannt in Dietzdcn 5,5« Pfarrer Dubois in Düssetdorf-H. b -6, Ed. Franz sr. ln Langcnbielau 1 Ar. Becker in Saarbrücken 2 P. Brauner in Varel 3 -«, I. F in Sebnitz 3 Oberl- Eiselt in Fugau 1 Edm. Oettinger in Liegnitz 1 I. Hase in Filippsdorf 0,50 -1t, Joh. Buder in Filippsdvlf 2 -«, Joh. Herbrich in Filippsdorf 3 W. Rudolf in Filippsdorf i ^it, M. Holeb in Filippsdorf l .1t, Edm. Porschel in Filippsdorf 1 -«, Mar. Herbrtch in Filippsdorf o.SO -6, Dechant Klein! in Georgs walde 20 -1t, O. Bulang in Wittichcnau l,50 ^t, Konvent der L. L Kapuziner in Rumburg 19 -1t. Dechant em Kügler in Rum burg 2 -1t, Lehrer Scheder in Dresden 1 -1t, Lehrer Mannheim in Plauen i. V. l -it. (Schluß folgt.) Allen edlen Gebern ein herzliches »Vergelt'S Gott>' Banda, Kassierer. — 34 — „Ohne auf den Doktor zu warten?" „Allerdings," erwiderte Riaux. „Hierbei will ich indessen erwähnen, daß Sie den Arzt nicht heute zu bezahlen brauchen. Er wird Ihnen, sowie allen seinen Klienten zu Neujahr die Rechnung schicken." „Bevor Sie sich entfernen, mutz ich Ihnen nochmals meinen herzlichsten und innigsten Dank ausdrücken," Hub Largeval von neuem an. „Sie haben mir mein Kind wiedergegeben, und dieser Umstand trägt auch dazu bei, daß ich unter der Last des Unglückes, das mich heute heinigesucht hat, nicht zu- sainniengcbrochen bin." „Ein Unglück hat Sie heimgesucht? Können wir Ihnen irgendwie nützlich sein?" „Leider nein! Dennoch danke ich Ihnen für den guten Willen!" „Auf Wiedersehen denn, Herr Largeval." „Ja, ans Wiedersehen, denn ich hoffe, daß Sie uns recht bald mit Ihrem Besuche beehren werden. Zudem haben Sie auch meiner Tochter versprochen." „Ich werde mein Versprechen nicht vergessen." Man reichte sich die Hände, und auch Herr Largeval eilte herbei, um sich von den beiden Künstlern zu verabschieden. Nachdem dieselben gegangen, sank Laurenca auf einen Stuhl und sprach. „Wir wurden immer vom Unglück verfolgt; das sehe ich heute neuer dings bewiesen." „Meine geliebte Laurenca," erwiderte Largeval mit tiefer Bitterkeit, „wir sind noch weit unglücklicher und bedauernswerter als du denkst." „Was willst du damit sagen?" „Ein Fluch scheint auf uns zu lasten und uns auf allen unseren Wegen zu verfolgen." „Um Gottes willen, was ist denn geschehen." „Mein Pinzipal, Herr Roulleau . . ." „Hat dich entlassen?" fragte Laurenca angstvoll. „Wenn es nichts weiter wäre, so hätte er mich wenigstens bezahlt." „Was denn . . ." „Er ist bankerott geworden; Laden und Magazine sind gesperrt. Ich habe keine Anstellung mehr und verliere auch die Bezahlung für den laufen den Monat." „O, o!" brachte Frau Largeval mühsam hervor. „Als ich sah, daß Geneviöve verletzt sei, wollte ich in ihrer Gegenwart nicht sprechen . . . Mit dem Kopfe möchte ich an die Wand rennen!" klagte der arme Mann und raufte sich verzweiflungsvoll die Haare. „Und dabei haben wir keine zwanzig Franken im Hausei" ES trat eine kleine Pause ein, worauf Largeval sagte: „Niemanden als mein Schicksal kann ich für mein Unglück verantwort lich machen. Herr Roulleau ist ein rechtschaffener Mann, ich bin überzeugt davon, und er wird ebenso arm bleiben wie wir." „Meinst du?" „Gewiß, meine ich es. Aufs höchste erbittert mich aber der Gedanke, daß ich nie etwa» unternehmen konnte, ohne daß früher oder später alles unter meinen Händen zusammenbrach, gleichviel was es gewesen sein mochte." — 36 - „Wie werden wir den Arzt bezahlen?" fragte Laurenca, die stets an die nötigsten Dinge dachte. „Hierüber brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, denn er wird unS seine Rechnung zu Neujahr schicken, und so haben wir wenigstens Zeit gewonnen." „Du müßtest dich an deinen Bruder wenden. Unter anderen Umständen hätte ich dir diesen Rat nicht erteilt, aber heute . . ." „An meinen Bruder!" sagte Largeval in einem Tone, der zur Genüge bewies, wie gering sein Vertrauen zu diesem Auskunftsmittel sei. „Jeden falls werde ich heute abend zu ihm gehen." Gerade kam der Arzt aus dem Zimmer der Kranken. Das trostlose Ehepaar erhob sich bei seinem Anblicke und begleitete ihn hinaus. 6. Am Abende desselben Tages langte Georg Largeval bei seinem Bruder an, der tags vorher seine Magd entlassen hatte und ihn einige Minuten war ten ließ, bevor er ihm die Tür öffnete. Die überraschende Aehnlichkeit zwischen den beiden Brüdern war eine um so erstaunlichere, als sie, wie Montussan ganz richtig geraten, im Leben zwei ganz verschiedene Bahnen gefolgt waren, nachdem sie von demselben Punkte ausgegangen. Als sie zwanzig Jahre alt geworden, war ihnen ein« lehr beträchtliche Erbschaft zugefallen. Dreihunderttausend Franken, die sie mit einander zu teilen hatten, ließen ihnen das Leben in recht freundlichem Lichte erscheinen bedeuteten für sie die erste Staffel zur Stufenleiter des Glückes. Sie konnten entweder von Ehrgeiz getrieben sich in Unternehmungen einlassen oder sich einen bescheidenen Wohlstand sichern. Der eine der Brüder. Remi, stürzte sich Hals über Kopf in einen Strudel von Vergnügungen, und in drei Jahren hatten Spiel und Frauen sein Ver mögen verschlungen. Georg wandelte ein Jahr lang in den Fußtapfen seines Bruders; doch wollte er sich für die Zukunft sicherstellen und hinterlegte das ihm gebliebene Baargeld bei einem Vankhause, dessen Ruf über jeden Zweifel erhaben war. Mit diesem Zeitpunkte begann die Reihenfolge jener Unglücksfälle, die den armen Mann so schwer heimsuchten. An demselben Tage, da Remi am Spieltische seinen letzten Heller verlor, erhielt Georg die Nachricht, daß der Bankier, zu dem er solches Vertrauen gehabt, sich erschossen habe, nachdem er an der Börse sein und seiner Klienten Geld verspielt hatte. In seiner Kaste fanden sich gerade noch vierundzwanzig Sou vor. Die beiden Brüder waren auf demselben Punkte angelangt, der eine durch seine Verschwendungssucht, der andere durch seine Vorsicht. Aber leben mußte man. Georg suchte und fand eine Anstellung, deren Besoldung zur Not für den Lebensunterhalt eines einzelnen Menschen auSreichte. Eben deshalb beging er kurze Zeit darauf die Torheit, sich eine Frau zu nehmen. Man sollte gar nicht glauben, wie sehr die Armut zum Hei- raten anregt. / s