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Mittwoch den 22. Januar 1913 Sächsische VoNSzeitung Nr 17 — Seite 5 Zesuiten und Gegenreformation Zur Behandlung dieser heute, da das „protestantische Volksempfinden" gegen die Jesuiten mobil gemacht wird, besonders wichtigen Frage erscheint eben recht der 2. Band des großen Werkes von Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge (Freiburg, Verlag Herder). Gleich an der Spitze des ersten Halbbandes wird die Fabel von der Schuld der Jesuiten am Dreißigjährigen Kriege an der Hand eines umfassenden Materials abgetan. Daß letzten Endes politische Machtfragen der eigentliche Grund des furchtbaren Krieges waren, sollte billigerweise von niemand mehr bestritten werden. Auch protestantische Historiker bekennen: Die Frage der nach 1656 (Augsburger Ncligionsfriede) erzielten und noch fernerhin erwarteten Machterweiterungen der Protestanten war in dem großen Streit der Parteien die Hauptsache (bei Duhr 6 fl.). Natürlich wurde der aufgepeitschte konfessionelle Haß gegen das Papsttum und besonders die Jesuiten von den eigentlichen Kriegstreibern nach Kräften ausgenutzt, um einen Sündenbock zu haben, aus den inan die eigne Schuld abschieben konnte. Allen voran die Pfälzer Kreise, und kaum war in Mähren die Revolution ausgebrochen, so schlossen auch schon die schlesischen Fürsten und Stände einen Pakt mit den böhmischen Rebellen zur Austreibung der Jesuiten (24. Juni 1619). An die Patres erging der Be- Befehl, bei Leib- und Lebensstrafen aus dem Lande zu wchchen, an die Einwohner das Verbot, ihnen Unterschlupf zu gewähren, bei Verlust von Hab und Gut. Die furchtbare Zerstörung und Verwüstung, welche der fürchterliche Krieg über Deutschland brachte, hat auch der Gesellschaft Jesu innerhalb des deutschen Sprachgebietes schwer heimgesucht. Mehr als einmal hat die brutale Solda teska an Jesuiten, die ihnen in die Hände gefallen, ihr Müt- lein gekühlt oder durch auferlegte Kontributionen ausge- Plündert. Auch das sollte von denen, welche so gerne das blutige Rresengemälde des Dreißigjährigen Krieges auf- rollen. nicht vergessen werden, wie es nur zu oft geschieht. Wie der konfessionelle Haß aufgepeitscht wurde, zeigt ein Blick in die Publizistik jener Zeiten, in der antikatho lische Flugschriften, wie z. B. „Gottes- und des heiligen Römischen Reiches Liccht-Butzer" offen die Ausrottung deS Papsttunis in Deutschland forderten. Das alles muß man wissen, uni zu verstehen, wie katho- lischerseits nach den Siegen WallensteinS das Nestitntions- edikt mit seiner Zurückforderung alten katholischen Be sitzes mit lautem Jubel begrüßt worden. „Die Erbitterung der Katholiken über die sich inimer Und immer wieder erneuernde Beraubung der Kirche war eine allgemeine, der Schrei nach Restitution ein durchaus berechtigter. Die langjährige, Wider den klaren Wortlaut der Reichsgesctze erfolgte Beraubung der Kirche saß den Katholiken als stechender Dorn im Herzen, und es ist des- halb nicht zu verwundern, wenn sie den günstigen Augen blick ersehnten, um Abrechnung zu halten. Der Kaiser hielt sich nicht allein für befugt, sondern auch für verpflich tet, alles zurückzufordcrn, was die Protestanten gegen den Worlaut des Augsburger Religionsfriedens widerrechtlich in Besitz genommen. Auch die katholischen Kurfürsten sprachen sich in diesem Sinne auS" (460). Und dennoch mutz vom politischen Standpunkte auS daS Edikt als ein großer Fehler bezeichnet werden, wegen der Erschütterung deS Besitzes, von dem kein protestantisches Fürstenhaus. daS Kirchengut an sich genommen hatte, ver- schont wurde. DaS trieb alle diese Teile wieder zusammen und bot ihnen Gelegenheit, die Besitzfrage zu einer reli giösen zu gestalten. Vom Ncchtsstandpunkte aus betrachtet, war allerdings nichts dagegen einznwenden, und deshalb kann man auch nicht jene Jesuiten tadeln, welche dabei mitgewirkt hatten. Deswegen aber von einer besonderen Verschuldung dieser Jesuiten zu sprechen, dürfte wohl kaum zulässig sein. „Was der gemeinsame Gedanke einer ganzen Partei war, so hat ein Geschichtsschreiber des Edikts hcrvor- gehobcn, das kann nicht einem einzelnen zum Verdienst oder zur Schuld ungerechnet werden" (Duhr 463 fl.). Die Preisgabe der Kirchengüter war denn auch stets ein Stein des Anstoßes für leidenschaftliche Köpfe, die auch nach dreißigjährigem Elend nichts wissen wollten von einem Jriedcnsschluß, durch welchen der Verlust sanktioniert werden sollte. Auch unter den Jesuiten fehlte es nicht an solchen Fanatikern, die mittelalterliche Anschauungen auS- gruben und nach diesen die Frage des Friedensschlusses be- urteilt wissen wollten. Ein solcher Draufgänger und Fana tiker war der Jesuit k. Wangnereck, der in seinem Fanatis- mus selbst Sturm lief gegen die Ordensobern. Die damalige Situation charakterisiert Duhr: Die großen Schwierigkeiten bei diesem Streite der Meinungen liegen offen zutage. Auf der einen Seite stan den die klaren Grundsätze des kirchlichen Rechtes und die entschiedene Betonung derselben durch den Apostolischen Nuntius, auf der andern drängte die äußerste Notlage, die den völlig erschöpften deutschen Fürsten und Völkern den Frieden als unbedingt notwendig und eine Fortführung des Krieges als höchst gefährlich auch für das bis jetzt noch Gerettete erscheinen ließ. Dieser Friede konnte nur zustande kommen durch Preisgabe ganzer Läuderstriche, darunter auch großer früher kirchlichen Besitztümer. Wenn je, so galt hier der Grundsatz: Not kennt kein Gebot. Die Theologen, die sich auf den rein grundsätzlichen Standpunkt stellten, konnten zu kcincni andern Resultat als Verwerfung de? Friedens kommen, diejenigen, die bei aller Klarheit in den grundsätzlichen Fragen ein offenes Auge für die gegen wärtige Lage und die daraus entspringenden Notwendig- keiten hatten, mußten sich zu einen: Eintreten für den Frie- den entschließen. Tie Folgezeit hat den letzten: Recht ge geben, abgesehen davon, daß bei diesem wie jedem andern Streit der Meinungen die Verletzung der Geradheit und der Liebe in jedem Falls zu verwerfen war" (Duhr 490 fl.). Was aber der einzelne Hetzer getan, das kann doch der ganze Orden nicht entgelten, zumal auf seiten der Friedens freunde, wie schon gesagt, nicht wenige Jesuiten standen Und einer derselben, der Beichtvater des Kaisers Ferdinand Becanns für Toleranz gegenüber den Protestanten in katho lischen Gebieten eintrat, als noch kein Prädikant und prote stantischer Theologe zu dieser Höhe der Betrachtung sich er schwingen konnte. Gemeinde- und Verelnsuachrichten 8 Dresden. (Kath. Bürgerverein.) Am 16. Ja nuar fand die ordnungsgemäß einberusene 28. ordentliche Generalversammlung unter lebhafter Beteiligung statt. Vor Eintritt in die Tagesordnung begrüßte der erste Vorsitzende Sekretär Nowak in warmen Worten die Erschienenen und überreichte sodann unter beglückwünschenden Worten den beiden Jubilaren Privatus Jursch und Pianofortefabrikant Kulb als Anerkennung ihrer 26jährigen ununterbrochenen Mitgliedschaft je eine silberne Ehrennadel. Ferner teilte der Vorsitzende noch mit, daß von dem Mitglieds Herrn Bildhauer Karl Zeiser, Kauonenstr. 71, eine in Stein ge meißelte Büste Sr. Majestät des Königs Friedrich August als Geschenk überreicht worden sei. Dieses wohlgelungene Werk legt ein vorzügliches Zeugnis von dein künstlerischen Talente seines Meisters ab Ter erste Vorsitzende übernahm dies wertvolle und sinnreiche Geschenk mit warmen Worten des Tankes in die Obhut des Vereins und brachte ein drei faches Hoch auf Se. Majestät den König ans, in welches die zahlreich besuchte Versammlung begeistert mit einstimmte. Den Jahresbericht erstattete der erste Schriftführer Herr Amerik. Dentist Lechncr. Hiernach beträgt die Mitgliedcr- zahl am Schlüsse des Jahres 328 und 3 Ehrenmitgliedcr. Durch den Tod wurden den: Verein 3 Mitglieder entrissen ausgetreten sind 16, darunter 6 infolge Wegzugs. Diesen Verlusten steht aber ein Zuwachs von 61 Mitgliedern gegen über. Im Lause des Jahres fanden 37 Vereinsversainm- lungen, 5 Wanderabende und 2 patriotische Festabende, zu sammen 44 Versammlungen statt. Archer diesen Versamm lungen wurden 17 Vorstandssitzungen abgehalten. Um den geselligen Verkehr im Vereine zn heben und zu fördern, wur den an den verschiedensten Sonntagen gesellige Zusammen künfte in Dresdens nächster Umgebung veranstaltet, die sich eines guten Besuches erfreuten. Die Geburtstage Sr. Ma jestät des deutschen Kaisers und Sr. Majestät unseres all- verehrten Königs wurden festlich begangen. Um das An denken an unseren vor 100 Jahren geborenen unvergeßlichen Führer der deutschen Katholiken Ludwig Windthorst zu ehren, wurde eine Windthorst-Gedächtnisfeier veranstaltet. Sein Stiftungsfest beging der Verein wiederum gemein schaftlich mit dem katholischen Männergesangverein. Ins gesamt wurden nicht weniger als 19 Vorträge gehalten, darunter zwei Lichtbildcrvorträge. Infolge der Annahme des Kirchen, und SchnlsteuergcseheS ist eine langjährige Ar- beit des Vereins von Erfolg gekrönt worden. Seit länger den» 20 Jahren hat der Verein durch fortgesetzte Petitionen an Landtag und StaatSrcgicrnng nnter Darbringung großer Geldopfer daran gearbeitet, daß die ungerechte Besteuerung der Katholiken Sachsens für Kirche und Schule endlich auf- hört. Ter Verein ist sich bewußt, daß er sich für die Katho liken Sachsens ein großes Verdienst erworben hat, das ihm niemand streitig machen kann. — lieber den Stand der Ver einskasse erstattete der erste Kassierer Herr Buchhändler Beck den Bericht. Die Einnahmen betrugen 1848 Mk. 71 Pf., die Ausgaben 1171 Mk. 47 Pf., somit verbleibt ein Bestand von 677 Mk. 24 Pf. Dem Kassierer wurde Entlastung erteilt. Ans den Neuwahlen ging Herr Bartholomäus wiederum als stellvertretender Vorsitzender mit großer Mehrheit her- — 84 — „Hören Sie, wie sie jammert?" sagte Jochen, „als sie an Frau Grotes jahnk Zimmer vorbeikamcn. „Aber Herr, ich glaube doch an die ganze Ge- schichte nicht. Paul ist doch ein viel zu verständiges Menschenkind, um sich hier im fremden Lande zu ertränken." Der alte Jahn griff stillschweigend mit großen Schritten ans. die Straße herunter . Bei Jochen stand indessen daS Mundwerk nicht still: „Herr, er wird Wohl kopfüber inS Wasser geschossen sein, ohne daß er selbst oder ein anderer etwas davon merkte." Und dann wieder: „Aber, Herr, ängstigen Sie sich man nicht, er wird sich wohl noch irgendwo haben festhalten können." Der alte Mann antwortete nicht, er hörte auch nicht zu, er schritt nur immer eilend vorwärts. Jochens Weisheit war aber noch nicht zu Ende, sein Hirnkasten arbeitete weiter und gas dem Munde Nahrung: „Gewiß hat er sich in einen Kahn gesetzt und dann hin und her gewippt, wie er's früher immer machte. Ich Hab ihm ja schon damals gesagt: „Paul, wenn dir daS nur nicht mal schlecht bekommt." Mittlerweile waren sie an den Strand gekomnren. Der alte Jahn stand still und sah sich um. Nirgends ein Menschenauflauf, alles ging ruhig seiner Wege. Mit einem Male machte Jochen einen Satz in die Höhe und rief auS: «Herr, sehen Sie doch da hinten, da kommt unser Paul an und Helene dabei. Hab' ich's nicht gleich gesagt, der Junge ist viel zu schlau, um zrr ver saufen. Der Nemlich hat uns war vorgelogen. Na, wart nur, Kerlchen, das schreib ich dir aufs Kerbholz." Der Alte war auf die beiden zugelaufen und als er in ihre Nähe kam. rief er: „Helene, Helene, waS habt ihr unS für Angst gemacht? Gott sei Dank, daß sie unnötig war." „Was ist denn?" frug Helene und sah bang in daS aufgeregte Gesicht Onkel Jahns. „Deine Eltern glaubten schon, ihr wäret auf den, Wasser zir Schaden gekommen." „Mein Gott, ich hatte ja ausdrücklich gesagt, ich wollte an den Strand gehen und bin nun mit Paul —" Hier brach daS Mädchen in Tränerr arrSt ..Ach Gott, ich bin ja nicht schuld daran!" . Komm, komm nur jetzt," sagte der Alte und legte seinen Arm um sie, „cS ist gut, daß alles so abgelaufen ist, aber komm, deine Mutter ist in so großer Angst, und sieh, da kommt dein Vater schon an." Jochen war inzwischen auf Paul losgesteuert und seine Augen leuchteten dabei vor eitel Freude: als er aber bei ihm war, zwang er sich ein ernstes Ge- sich auf: „Na, Paul, du machst dir gut. So kannst du bleiben. Bringst du eine Verwirrung inS HauS, so daß mein Herr sogar seinen schönen Kaffee muß stehen lassen." „WaS hast du denn?" antwortete Paul ganz erbost. „WaS ich Hab', nichts Hab' ich, aber Hab' ich dir nicht immer gesagt, du sollst daS Wippen im Kahn sein lassen?" „Ich Hab' ja auch gar nicht gewippt." „Nun, dann mach', daß du nach HauS kommst. Deine Mutter schreit daS ganze HauS um euch zusammen. Und Paß auf, wenn du hier am Strand nicht naß geworden bist, dann wirst du eS bei ihr." Die Reise »ach lioiistantinopei — ki ll«. gortietzunA.1 Ja, es war Ostertag und alle Glocken und Glöcklein der großen Stadt klangen in Jubel zusammen und ihr Schall mischte sich mit der Nebklsckricht. die über dem Wasser lag. „Ach, Lening," rief Paul immer wieder und sie druckte den Bruder immer wieder fest an sich, froh, daß sie doch einen hatte, dem sie das Uebermaß ihrer Liebe übertragen konnte. So gingen sie weiter und Paul sprang wie ein junges Fohlen, das am ersten Maitag in die Koppel freigelassen worden ist, hin und her. „Lcneken, nun komm mal bloß hier her, wo die alten Weiber sitzen, da gibt's rote Fische und grüne und blaue und ganz tolle Muscheln und andere Biesters. Komm, sieh doch mal." „Nein, laß mich, Paul, geh du nur und sieh dir alles an. Ich gehe etwas die Mole entlang und besehe nrir das Meer. Aber vergiß nicht, mich hier anzurufen und merke dir die Stelle genau, da oben am Ende mußt du mich treffen." Paul sprang von ihr weg in das Getriebe des Fischmarktes. Als Helene eine Zeitlang am Ende des Hafcndammes gestanden hatte und ihr glückliches Herz mit der glücklichen Welt hinüber finden konnte, legte sich auf einmal eine Hand auf ihre Schulter und die Tante Lina stand an ihrer Seite. Ihre Augen leuchteten hell, als wenn durch den grauer: Regen tag ein warmer Sonnenstrahl bräche. „Mein licbeö Kind, was sagen Sie zu dieser schönen, schönen Welt?" „Ich weiß gar nicht, wie mir ist, so glücklich bin ich Wohl noch nie gewesen." — „Das glaub ich gern, liebe Tochter, Sie sind noch jung. Bei mir mischt sich schorr etwas Trauer in das Entzücken. Kein bitterer Schmerz, aber ein tiefes Bedauern, daß ich das nicht alles auch schon in der Jugend habe setzen dürfen. Ich glaube, ich wäre ein besserer Mensch geworden, als ich heute bin, denn ich glaube, daß reine Freude ebenso unserem Herrgott näher bringt als tiefer Schmerz. Von letzterem Hab ich mein Lebtag ziemlich viel zn kosten ge kriegt ,von den Freuden weniger. Aber verstehen Sie mich wohl, es war immer noch mehr, als ich verdient habe und unser Herrgott weiß am besten WaS für uns Menschenkinder gut ist. Wer weiß, wenn ich mit allerlei Freu den überschüttet worden wäre, wäre ich vielleicht ein leichtsinniges Frauen zimmer geworden. Ein leichte? Herz habe ich ja noch heute. Aber ich itöre Sie in Ihren Betrachtungen und ich habe auch noch ein wichtiges Geschäft bei dem deutschen Konsul abzuwickcln, da will ich den —" Brunn: > Da knallte ein Kanonenschuß über die See herüber und bnmm, folgte ein zweiter und dritter Der dichte Pulverdampf wälzte sich über daS Wasser hinüber, als ob sich ein Alv ans den süßen Schlaf legt, um dann sich in lichte Wölkchen aufzulösen, wie die Angst sich in lichte Träume verzieht. Auf die zwölf Kanonenschläge deS Schiffes antworteten zwölf Schläge ous der Festung und die alte Dame sagte: „Sehen Sie, das ist ein Kriegsschiff, es führt die französische Flagge. Es muß etwas zrr bedeuten haben, daß geschossen worden ist. Ich will doch mal Nachfragen. Sie wandte sich an einen Matrosen, der auch in Gedanken verloren in die See schaute. Als sie Wiederkain, sagte sie: „Alles, WaS mir der Mann, ein Italiener, vor- szeschwätzt, habe ich nicht verstanden, aber so viel hörte ich doch, daß eS eine französische Fregatte ist. die den neuen Kaiser Maximilian von Mexiko von II I