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SaMcheUolksMUllg Unabhängige« Tageblatt rl für Wahrheit, Recht und Freiheit IN5 I n>a»«e« » «a »u g«t«a»««» — «l» »«u D«tWl«a f»i -- IWÜS^SL^^LSS-I Nnt..^>lt«„^»^l.^ «. i«>st^.»t. »»» r*»»«»»»»«n««» F,>„«»«»» Nr. 214 Geschäftsstelle und Redaktion Dresden»A. IS, Holbeinstratze 48 Freitag den 18. September 1914 Fernsprecher 21866 13. Jahrg Der europäische Arieg. Zu dem Kapitel Geistlichkeit und Krieg schreibt uns noch ein Freund unseres Blattes: Die anfänglichen Zweifel an der Wahrheit der Schauer- Nachrichten über das Verhalten katholischer Geistlicher im Kriege verdichteten sich immer mehr, zumal auch der Ur sprung dieser Nachrichten schwer zu erkennen war. Ueber einen speziellen Fall wird dem „Badischen Beobachter* (Nr. 237) geschrieben: „Schon in den ersten Tagen des August ging in Freiburg das Gerücht: Sogar ein alter Pfarrer im Oberelsatz hat den Landesverrat verübt und ist bereits erschossen worden. Der betr. Geistliche ist jetzt hier. AuS seinem Bericht sei kurz folgendes mitgetetlt: Als Ver räter denunziert, ward er in seiner Pfarrei verhaftet und zur Untersuchung nach Freiburg gebracht. Während er sich über die Haltung des Militärs, das selbstverständlich der Sache auf den Grund gehen mutzte, nicht zu beschweren hatte, war die Behandlung durch die Zivilbevölkerung äußerst beklagenswert. In Mülheim z. B. konnten die begleitenden Offiziere ihn nur mit blanker Waffe vor der Volksmenge schützen. 14 Tage lang war der Greis von 72 Jahren in einer Gesangenenzelle untergebracht. Doch die Untersuchung der betreffenden Beamten war ebenso zuvorkommend wie gründlich. Al« ihn einmal der Beamte fragte: Sie wären doch gerne französisch geworden? antwortete er: Ich danke für diese atheistische Gesellschaft. Ich bin ein guter Deut scher und nur so will ich leben und sterben! E» blieb auch nicht der kleinste Verdacht, den er nicht hätte befestigen können. So wurde er in allen Ehren entlassen. Er weilte einige Zeit hier in guter Pflege, um sich von den schreck lichsten Tagen feines Leben«, wie er sagt, zu erholen. Er- greisend äußerte er sich: „Möge Gott dem gnädig sein, der mich so verleumdet hat. Ich habe ihm vergeben.* Im „Badischen Beobachter* lesen wir: „In Nr. 228 lese ich zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß das in hiesiger Gegend austauchende Gerücht über meine Person bereit» dorten Verbreitung gefunden hat, als sei ich wegen Spionage verhaftet und sogar bereits erschossen worden. Ich kann Ihnen Mitteilen, datz an der ganzen Sache kein wahreS Wort ist. Ich habe noch nie Brieftauben be sessen und würde mich überhaupt als guter Deutscher selbst verständlich nicht dazu hergeben, am eigenen Vaterlande Verrat zu üben. Wie wenig an der ganzen Sache Wahres ist. können Sie auch daraus erkennen, datz ich heute noch im Besitze einer Karte bin, welche mir zu jeder Zeit da» Betreten der Befestigungen erlaubt. Da« ganze Gerücht rührt von Soldaten her, welche den seinerzeit au» dem elsässtschen Flecken Löchle verhafteten Prälaten Kannengietzer (der übrigen» auch schuldlos war. Anmerkung des Verfassers) gesehen hatten. E» ist eigentlich traurig genug, datz wir Geistliche, die in der gegenwärtigen KrtegSzeit meistens doppelte Arbeit haben, noch in so verleumderischer Weise ohne jeden Grund angegriffen werden. Ich hätte schon früher Gegenschrstte gegen diese» Gerücht getan, habe aber keine Zest gesunden, da ich neben der ausgedehnten Pfarrei noch besonders Arbeit in der Soldaten - Seelsorge in den Lazaretten habe. Die» zur Steuer der Wahrheit. F. Leh mann, Pfarrer, Jstein.* Einen Allensteiner Fall hat fast die gesamte deutsche Presse veröffentlicht. Der Verbreiter der Verleumdung, ein Allensteiner Gewerbetreibender ist wegen Verbreitung det Verleumdung zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Man wird dieses Urteil mit Befriedigung gelesen haben und sich sagen, daß jene Verleumder der katholischen Geistlichkeit, die ihre vergifteten Pfeile im Schutze des PretzgeheimniffeS abgeschickt haben, noch eine viel, viel schärfere Strafe verdienen, um so mehr al» hinter diesen ntchtSwürdigen Verleumdungen Absicht und System zweifel los dahinter steckt. Die Franzosen und die Sanitätskolonne Ein Freund unseres Blattes schreibt aus dem Felde: Nach einer 52stündigcn Fahrt kamen wir glücklich an unselcin Bestimmungsorte an. Es war ein kleines Dörfel an der rheinisch-lothringischen Grenze mit guter Verpfle gung. Hier lagen wir acht Tage in Reserve. Tagtäglich hörten wir den Kanonendonner von ferne. Besonders am Tage der ungeheueren Schlacht bei.Metz-Tieuze dachten wir jeden Augenblick, wir würden eingreifen müssen. Leider hatten wir keinen Anteil an dein Gelingen dieser größten Schlacht, die jemals auf Enden geschlagen worden ist. Sonnabend den 22. August abends traten wir dann unfern Normarsch an. Sonntag überschritten wir als Spitzengruppe und ich als allererster unserer Brigade mittags Uhr die französische Grenze. Nun ging's unaufhaltsam vorwärts. Durch zerschossene Dörfer, die von den Bewohnern verlassen tvaren, ging es immer hinter unserni Gros her. Beinahe wären wir am gleichen Abend noch ins Gefecht gekommen, die Schlacht wurde jedoch ohne uns gewonnen, so daß wir in Ruhe unser erstes Biwak auf französischem Boden beziehen konnten. Am nächsten Tage wurden wir durch Kanonendonner wieder geweckt. Tie gleiche Sache, wie am Tage vorher, wir waren noch überflüssig. Ein Erlebnis aber ist er wähnenswert. Während wir in Deckung den Verlauf der Schlacht abwarteten, erschien plötzlich über uns ein fran zösischer Flieger und warf Bomben auf uns. Er lvar jedoch zu hoch, so daß die Bomben zirka 100 Meter über uns schon platzten und keinerlei Schaden anrichteten. Nun folgte, da unser linker Flügel bedrängt war, ein riesiger Nachtmarsch. Von Montag abend 0 Uhr bis Diens tag früh i/s>5 Uhr fast ohne Unterbrechung. Wir erreichten jedoch dadurch, daß wir die Franzosen noch fassen und zu rückwerfen konnten. Nun einiges über die Schlacht selbst. Uni 6 Uhr früh, Dienstag den 25., gingen wir gegen den Feind vor. Er hatte sich stark verschanzt. Es war für uns keine kleine Aufgabe, den Feind in dieser starken Stellung anzngreifen. Wir schossen, vor allem unsere Artillerie, wie die Teufel. Aber auch die Franzosen waren nicht faul. Wenn du wissen willst, wie es nach der Schlacht bei uns anssah, dann lese Freiligraths Gedicht: Von 2 Regimentern, was ritt und was stritt, öer zweite Mann ist geblieben. — Ich habe, Gott sei Lob und Dank, nicht das mindeste abbekommen. Wenn man die Kameraden so links lind rechts fallen sieht, dann wird einem doch etwas anders zumute. Ich habe früher gelackt, wenn man von einem Kugelregen sprach, es ist aber tatsächlich zu wenig gesagt. Es ist ein direkter Hagel, der über einem hernnterkommt. Jedoch habe ich von Angst, die man verspüren soll, wenn man znm ersten Male in den Regen herein kommt, nichts gemerkt. Ich war ruhig bis in die Fußzehen und wohl alle »reine Kameraden mit. Ich trat dann ans und krachte unsere Verwundeten mit zu unserem Verbandsplatz. Es war eine alte Mühle, in die wir nach und nach zirka 250 Mann hereinbrachten, heraus geholt zum größten Teil ans dem dichtesten Kugelregen. Die Franzosen, die wir am Morgen aus ihren festen Stellungen hinausgeworfen hatten, kamen am gleichen Abend in ungeheuerer Anzahl wieder. Zirka 3 Korps — 100 000 Mann — gegen unser kleines znsammen- geschmolzenes Häuflein. Wir konnten die Stellungen nicht halten und zogen uns in Ruhe und Ordnung etwas zurück. Dadurch geriet aber unser Lazarett mit unseren Aerzten und Sanitätspersonal in die Hände der Feinde. Man nahm uns alles ab, führte unsere sämtlichen Aerztc und das ganze Sanitätspersonal, zirka 40 Mann, kriegsgefangen ab. So achtet Frankreich die inter nationalen Vereinbarungen das Note Kreuz betreffend. Zur Pflege unserer 250 Verwundeter, darunter 12 Offi ziere, ließ man nur 6 Mann zurück, darunter mich und einen Kameraden von meiner Kompagnie. Außerdem ließ man uns eine Wache (französische natürlich) von 9 Mann. Wir hatten also nichts mehr hier, als was wir auf dem Leibe trugen, keinen Arzt — 250 zum großen Teil schwer Verwundete und dann noch eine Wache. Ist das nicht der „grande Nation" würdig? Nunmehr waren wir 2 Tage von aller Welt abge schnitten. Wir arbeiteten an unseren Verwundeten Tag und Nacht. Wie, das mag dir beiliegende Abschrift einer Anerkennung unserer verwundeten Offiziere bestätigen. Endlich am Freitag kam uns unerwartet Hilfe. Mein Kamerad hatte sich davongeschlichcn und hatte im nächsten Dorfe Hilfe geholt (deutsche Besatzung). Nun drehten wir den Spieß um, nahmen die Wache gefangen und konnten nun unsere Verwundeten endlich in die Heimat fahren lassen. » » 'S Der Errtscheidungskampf im Westen Große- Hauptquartier, 17. September, abends. In der Schlacht zwischen Oise und Maas ist die endgültige Entscheidung immer noch nicht gefasten, aber gewisse Anzeichen deuten darauf hin, dast die Widerstandskraft des Gegners zu er« lahmen beginnt. Ein mit großer Bravour unter nommener französischer Durchbruchsver« such auf dem äußersten deutschen rechten Flügel brach ohne besondere Anstrengung unserer Trup pe« schließlich in sich selbst zusammen. Die MUte der deutsche« Armee gewinnt langsam, aber sicher an Boden. Auf dem rechten Maasufer versuchte Ausfälle aus Berdu» wurden mit Leichtigkeit zurückgewiesen. <W. T. B.) „ES wird weiter gedroschen!" Auf eine Glückwunschdepesche eine» Stammtische» in Frankfurt a. M. an den Generaloberst v. Hindenburg nach dem Siege bet Tannenberg traf bei den Absendern eine Feldpostkarte ein, auf der in mächtigen charakteristischen Schristzügen zu lesen stand: Vielen Dank für freundliche Glückwünsche. Ich danke den Erfolg Gott dem Herrn und meinen braven Truppen. ES wird Weiler gedroschen. Generaloberst v. Hindenburg. Niederträchtiger Mißbrauch de» geistlichen Kleide» Laut der protestantischen „OSnabrücker Zeitung" vom 5. September schreibt ein protestantischer OSnabrücker Offi zier folgende»: Die schlimmsten Franktireur» (in Belgien) sind die unter dem Mantel des katholischen Pfarrers lausenden Leute. Jedem dieser „Brüder* lasse ich den Hut abnehmen und kontrolliere die Tonsur. Heute haben wir acht Mann von diesen „Brüdern" al» Gefangene sest- genommen. ES war kein einziger Geistlicher. Ein Schwager de» Kaiser» schwer verletzt Frankfurt a. M., 17. September. Prinz Friedrich Karl von Hessen, der Schwager des Kaisers, wurde in dem Gefecht bei VillerS-le-Sec durch einen Schuß in den Oberschenkel schwer verletzt. — Prinz Friedrich Karl von Hessen ist fett 1893 mit Prinzessin Margarete, der jüngsten Schwester des Kaiser», verheiratet. Er steht im 47. Lebensjahr. In der Armee bekleidet er den Rang eine» Generalleutnants und ist Chef des 81. Infanterie- Regiments. — Vor kurzem ist auch sein ältester Sohn Prinz Friedrich Wilhelm, der mit den Hanauer Ulanen als Leutnant in den Krieg zog, in Frankreich durch einen Brustschutz verwundet worden. Erklärung der italienischen Regierung Rom. 17. September. (W. T. B.) Die „Agenzia Stefani veröffentlicht folgende Erklärung: Zu leicht durch sichtigem Zwecke einer tendenziösen Polemik legt man in- sonderhett einem Blatte die Qualifikation bei, als offiziös und als Vertretung der Gedanken der Regierung Über die gegenwärtige internationale Lage zu gelten. Die Regierung hat keinerlei offiziöse Organe und hat niemanden ermächtigt, sich zum Dolmetsch ihrer Absichten und Ent schlüsse in der aurwärtigen Politik zu machen. Die Regie rung. die während der Tagung der Kammern wiederholt feierliche Beweise des Vertrauen» des Parlaments erhalten hat und die gegenwärtig von dem Gefühl beseelt ist, stark zu sein durch die Uebereinstimmung mit der groben Mehr heit deS Landes, ist sich der schweren Verantwortung und der auf ihr lastenden hohen Aufgaben bewußt. Sie wird diese Ausgabe erledigen, indem sie ihrem Gewissen folgt und sich ausschließlich von den italienischen Inter essen leiten läßt. Drei deutsche Flieger über Paris Frankfurt a. M., 17. September. Wie der „Franks. Zeitung" aus Malmö berichtet wird, erfährt die dortige Zeitung „Sydsvenska Tagbladet" aus Paris: Drei deutsche Flieger kreuzten gestern nachmittag über Paris. Sie wur den von Maschinengewehren mit einem Schnellfeuer be grüßt, aber sie scheinen keinen Schaden gelitten zu haben. Mehrere Personen wurden durch Bomben lebensgefährlich verletzt. Einige sind von Kugeln, die den Fliegern galten, verwundet und getötet worden. Frankreichs schwarze Garde Die französische Presse beziffert die Zahl der aus ganz Afrika verschriebenen schwarzen Hilfskräfte auf 200 000 Mann. Tie Marokkaner gegen die Franzosen K öln , 17. September. Wie der „Köln. Volksztg." aus Madrid gemeldet wird, meldet der „Diario de Madrid", daß unter den Kabylen eine ganz außerordent- liehe Gärung herrscht. Bilder des deutschen Kaisers und seines Einzuges in Tanger werden verteilt. Auf dem Marktplatz von Tanger verlesen Juden und des Lesens kun- dige Araber aus dem „Ris-Telegraph", einer dort erschei- ncnden Zeitung, die M c l d » n g e n über die Siege der deutschen und österreichischen Truppen. Dazu meldet die Madrider „Epoca": In der französischen Zone von Mulnja ist ein neuer Rogi aufgetreten, der den heiligen 5k lieg gegen die Franzosen predigt und die Kabylen auffordcrt, sich um ihn zu scharen und die Franzosen ans dem Lande zu jagen.