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MchllscheUolksMung »»«» LV« Unabhängig»« Tageblatt Mr Wahrheit, Recht ««- Freiheit Wgßch D§O !E>sisvl6sttO HchDE «iiaiu»«'» n»t« »a r»n»« ,« n» tt Nr. 248 GeschSstSstelle und Redaktion Dresden«A. 16, Holbeiustratze 46 Mittwoch den 28. Oktober 1914 Fernsprecher 21366 13. Jahrg. Eine neue Tat der „Einden" Das Schwinden des Ansehens der Dreiverbandsmächte Der Stern des Dreiverbandes ist nicht nur auf den Schlachtfeldern des Westens und Ostens im Verblassen. Das Ansehen desselben hat auch infolge anderer Vorkommnisse der letzten Zeit eine bedeutende Einbuße erlitten, so daß selbst in einem Staate wie Portugal, der England stets auf Gnade und Ungnade ergeben und durch ein Bündnis an Albion gekettet war, die Bedenken wegen eines mili tärischen Anschlusses an die englisch-französischen Verbün deten so stark wurden, daß die Erfüllung der Bündnis pflichten seitens Portugals in Frage gestellt erscheint. Ob die unbedeutende Hilfe Portugals den kriegführenden West mächten besondere Dienste hätte erweisen können, ist ja überhaupt zweifelhaft. Trotzdem kommt aber dem bereits offenkundig werdenden Zaudern der portugiesischen Repu- blik, den Engländern Hilfe zu bringen, insofern eine be- sondere Bedeutung zu, weil die derzeitige Haltung Portu gals ein neues Mied in der langen Reihe der bisherigen Mißerfolge der Dreiverbändler ist. Die neutralen Staaten, von Portugal ganz abgesehen, können eben durch die Lügenmeldungcn der Dreiverbandmächte über den währen Stand der Dinge auf die Dauer nicht im Unklaren belassen werden, und sie hüten sich, das Schicksal des verratenen und verlassenen Belgien zu teilen. Sie benützen vielmehr die günstige Gelegenheit, um den Einfluß dieser Mächte aus ihrem Lande zu verweisen. Ein deutliches Beispiel für das Verhalten der Neutralen in der gegenwärtigen Lage bietet die Haltung der Türkei. Mit der Aufhebung der Kapi tulationen hat sie vor allem den europäischen Westmächten einen schweren Schlag versetzt und erst kürzlich wieder aus- drücklich erklärt, daß damit auch das Protektorat Frank- rcichs über die Christen im Oriente erloschen sei. Welche Bedeutung die Jakobinerrepublik diesem Protektorate zu maß, ergibt sich daraus, daß Frankreich trotz des voll ständigen Bruches niit dem Heiligen Stähle das Protektorat über die orientalischen Katholiken doch nicht fallen ließ. Die noch immer aufrecht erhaltene Sperre der Dardanellen besagt gleichfalls, daß sich die Pforte durch keine Drohungen der Verbündeten einschüchtern läßt. Und als der Drei verband von der Türkei die Entfernung der deutschen Marinemannschaften von den türkischen Kriegsschiffen for derte, erklärte die ottomanische Regierung klipp lind klar, daß den protestierenden Mächten das Recht nicht zustehe, in innertürkische Angelegenheiten hineinzureden. Das tür kische Vorgehen gegen die Westmächte und Rußland hat auch den Perfern das Rückgrat gestärkt, und das Einver nehmen zwischen den beiden islamitischen Staaten ist in allen derzeit aktuellen Fragen zum Schaden des Dreiver bandes ein sehr inniges. Auch in Aegypten, welchem Lande in diesem Kriege von den Engländern besonders hart mitgespielt wurde, wächst die Erregung gegen die englische Willkür-Herrschaft von Tag zu Tag. Die Engsänder ge- bärden sich im Pharaonenlande und am Suezkanal als die alleinigen Herren. Während sie selbst am Beginne des Krieges die Neutralität Aegyptens auf das peinlichste be obachtet wissen wollten, haben sie dieselbe durch die ersten Völkerrechtsbrüche illusorisch gemacht. Die diplomatischen Vertreter Oesterreich-Ungarns und Deutschlands wurden unter Androhung von Gewalt zur Abreise genötigt und durch dieses Vorgehen den Hoheitsrechten des Sultans arger Ab bruch getan, so daß sich dieser zu einer energischen Ver wahrung entschloß. Diesem Schritte hat sich auch der durch die Engländer aus Aegypten verbannte Khedive in Kon stantinopel angeschlossen. Die Erregung unter den Moham- medanern einerseits über die bisherige Unterdrückung, anderseits wegen der letzten Uebergriffe der Engländer hat sich auch der Mohammedaner Indiens bemächtigt, so daß die britische Regierung gezwungen wurde, die Verschiffung von indischen Truppen nach Europa einzustellen. Im fernen Osten sorgen die Japaner, die gelben Ver bündeten der Engländer dafür, deren bisheriges Ansehen zu schädigen. Die Besetzung der Marschallinfeln ist ein Er eignis von großer Tragweite und offenbart so recht die Hinterlist der gelben Jnfelrasse. Von den feierlichen Erklä rungen der Regierung des Mikado und des Londoner Kabi netts in Washington, daß die kriegerischen Aktionen der Japaner nur gegen Kiautschou gerichtet sind und nicht über das chinesische Meer hinausgohen werden, ist heute kein Wort mehr wahr. Die gelbe Gefahr beunruhigt nicht nur die mit den schlitzäugigen Inselbewohnern seit jeher auf Kriegsfuß lebenden Nordamerikancr, sondern sie teilt sich auch schon den Australiern mit, die dein britischen Mutter lande für die nähergerückte gelbe Nachbarschaft nicht nur keinen Dank wissen, sondern darüber sehr entrüstet sind. Auch den Chinesen ist das selbstherrliche Schalten und Wal ten der Japaner nicht gleichgültig Wie die Besetzung der Schantunbahn und das Betreten chinesischen Gebietes be weist, haben die Japaner nicht den geringsten Respekt vor der chinesischen Nogierungshoheit. Der Protest der chine sischen Regierung vermag in Tokio nicht mehr als ein Achselzucken zu verursachen. Das alles verdanken die Söhne des Reiches der Mitte den guten Freunden der Japaner, den Engländern. Statt sich die Sympathien in den neu tralen Ländern zu vermehren, erreichen die Verbündeten gerade das Gegenteil und steigern nur noch den Haß gegen die selbstsüchtige und rücksichtslose Tätigkeit des Dreiver bandes. Das Umschmeicheln der Negierungen der neutralen Staaten vermag diese von ihrer bisherigen Haltung nicht abzubringen. Da nützen alle geheimen Missionen nichts. So mußte Herr Cambon nach mehrtägigem Aufenthalte in Rom wieder unverrichteter Dinge an den französischen Regierungssitz in Bordeaux zurückkehren und auch Herr Schebeko, der das Leichenbegängnis König Karols zum An laß nahm, um mit verschiedenen Persönlichkeiten in Buka rest in Fühlung zu treten, hat den rumänischen Boden un verrichteter Dinge verlassen. Selbst der Zar mit seinem an Italien gestellten Anerbieten der Freigabe der österreichi schen Gefangenen italienischer Abkunft hat sich nur eine Abweisung geholt. Die Neutralen wissen eben das stür mische Werben der Dreiverbandmächte richtig zu deuten und sind dem politischen Agenten derselben gegenüber kühl bis ans Herz hinan. Durch die ewige Bettelei und Suche um Hilfe bringen sich die Mächte des Dreiverbandes bei den Neutralen nur in Mißkredit. Die Tat der „Emderi^ Berlin, SV. Oktober. Aus Zürich wird ge meldet: Wie die Schanghaier Versicherungsagentur „Jangtsekiang" bekannt gibt, ist der japanische Passagierdampfer „Kamasata Maro", der von Kobe nach Singapo^e unterwegs war, vom deutschen Kreuzer „Emden" versenkt worden. Die Gesellschaft erklärte, auf Fahrten über Singapore hinaus keine Versiche rungen mehr anznnehmen. Die großen Schlachten im Gange Großes Hauptquartier, SV. Oktober, vormittags. (Amtlich. W. T. B.) Mitteilung der obersten Heeresleitung. Die Kämpfe im Abschnitte des Mer- und ?)pres-Kanals bei 4)prcs und südwest lich Lille wurden mit gleicher Hartnäckigkeit fort gesetzt. Die deutschen Truppen haben auch gestern Fortschritte gemacht. Auf dem übrigen Teile der Kampffront im Westen haben sich wesentliche Ereignisse nicht zugetragen. Westlich Augnstow ist der Angriff der Deutschen in langsamem Fortschreiten. Südwestlich Warschau sind alle Angriffe starker russischer Kräfte von unfern Truppen zurückgewiesen worden. Nördlich Jwangorod haben neue russische Armeekorps die Weichsel überschritten. Die Kühnheit der deutsche« Telegraphisten Kopenhagen, 27. Oktober. Der Korrespondent der «Times" in Nordfrankreich berichtet von der außerordent- lehnte den blonden Kopf an seine Brust und sagte mit leisem Lachen: „Laß den Herbststurm nur heulen, Liebster, mich schreckt er nicht. Bei uns kommt der Frühling. Man muß nur daran glauben und den Mut nicht verlieren." Kriegsbilder Wie die ersten Ulanen in Antwerpen einritten. — Mit Liebesgaben an die Front. Wie die ersten Ulanen in das eroberte Antwerpen ein ritten, schildert der nachstehende Feldpostbrief in launiger, von echtem deutschen Reitergeist durchwehter Weise: „Wie 'hat sich alles in den letzten acht Tagen geändert. Ich sitze wieder friedlich in Brüssel und träume nur noch von Patrouillen, Jnfanteriefeuer und Kanonendonner. Es waren herrlicl)e, unvergeßliche Siegestage, die ich bei den . . . Ulanen unter K. Führung mitmachen durfte. Eine gütige Fee hat mich dauernd behütet, denn ich war während 12 Tagen stets auf Patrouille und täglich im Feuer und habe trotzdem weder Mann noch Pferd verloren. Und wir haben, wenn auch teilweise durch Zufall, Glän zendes geleistet. Während der Beschießung eines Forts waren wir als Schleichsxürouille bis auf 1000 bezw. l>00 Meter herangckommen und konnten so unserer berühmten 42-Zentiinctcr-Artillerie wertvolle Beobachtungsmeldungen schicken. Es war ein schaurig schöner Anblick, wie am 7. mit dem letzten Schuß eine Pulverkammer gegen den roten Abend-Himmel aufflog. Wir Hecken ganze Arbeit ge- mackst, wovon ich mich am nächsten Tage persönlich über, zeugt habe. Am 9. morgens hatten wir Patrouille gegen Antwerpen selbst. Gegen mittag hörten wir, daß Kapi tulationsverhandlungen im Gange waren. Da gab cs kein Halten mehr. Mit „Heil dir im Siegeskranz" und eichen laubgeschmückten Pferden ging's unaufhaltsam vorwärts, Umkehr Von Erika Walden Nachdruck nicht gestattet. Im Krankenhause zu M. lagen viele verwundete Krieger. Und unter diesen auch Erich Neustädt. Er hatte tapfer gekämpft, wie ein Löwe, und heute war ihm mit- geteilt worden, daß er wegen seiner Tapferkeit das Eiserne Kreuz erhaltrn sollte. Das Eiserne Kreuz! — Er legte die gesunde Hand an den verbundenen Kopf und dachte nach. Eigentlich hatte er immer Erfolg gehabt. Er war ein starker, kraft voller Mensch gewesen, der alle» Halbe haßte. Und so " war er von Stuse zu Stufe emporgestiegen und wider seinen Willen in ein atemlose» Jagen und Hetzen hinein- gezerrt worden — bi» er der weit und breit bekannte Bildhauer geworden war. Schon al» Junge hatte er ge- sagt: «Etwa» Große» werden. Mut besitzen und aufwärts steigen, immer auswärts!" Dann dachte er an da» entzückende kleine Bergdorf, da» er einst auf seinen Wandertouren in den Ferien ent- deckt hatte, und wo er die zarte, liebliche Menschenblume gefunden, die ihm al» seine Gattin in sein Heim gefolgt war. Die wollte er zu sich emporziehen, sie an seinem Streben teilnehmen lasten. Aber Frau Elly gehörte nicht zu jenen Seelen, denen da» «Auswärts" Lebensparole war. Sie wollte ihn lieb haben, ihn umsorgen, ihm ein behag liche» Heim bereiten, aber keine Studien machen, die ihrem Geiste fern lagen. Da war Erich Neustädt enttäuscht über seine unbe deutende Frau, und der Mann, der so stark war im Bor- wärtSringen. hatte nicht Selbstbeherrschung genug, diese Enttäuschung vor seiner F>au zu verbergen. Er nörgelte, kritisierte bald hier, bald dort, und Frau Elly hatte längst eingesehen, daß sie keine Bedeutung imLeben ihre» Gatten hatte. Da» ist bitter und bedeutet so oft ein leere», unbe friedigte» Leben. Aber nie zeigte sie ihre Wahrnehmung, stet» blieb sie ihm gegenüber voll Aufmerksamkeit und Freundlichkeit, die Tränen, die sie im stillen vergoß, sah er nicht. Tapfer trug sie ihr Los, ihre Einsamkeit, zu der der Gatte sie verurteilte. Da» alle» wußte Erich Neustädt. aber er hatte e» noch nie gewürdigt, bi« jetzt, da er so einsam im Lazarett saß, und seine Gedanken die vergangenen Tage immer und immer wieder aufrollten. Wie eine Heldin erschien ihm jetzt die zarte, stille Frau, die ohne Klage da» Leben trug. Und e» deuchte ihn, sie hätte eher da» Eiserne Kreuz verdient, denn er. Er durfte ein Tapferer, ein Großer werden, aber wer sah die Heldentaten einer Frau, die Tag um Tag ge übt wurden in Selbstverleugnung und Geduld . . . Zwei Tage später wurde gemeldet, etne Dame wolle Erich Neustädt besuchen. Und schon stand sie an seinem Lager, die stille, sanfte Frau Elly mit Tränen in den Augen. Er umklammerte ihre beiden Hände mit heißem, fieberhaftem Druck. «Slly — du kommst zu mir?" «Wie kann ich ander»", klingt e» einfach zurück. Und sie sah ihn an mit einem glücklichen Lächeln, obwohl ihre Augen voll Tränen standen. »Du Gute", stammelt er, «nun kommst du, wo e» mit mir abwärts geht", und er deutet auf seinen verbundenen rechten Arm. «Nicht abwärts, e» geht aufwärts. Liebster", sagte sie weich. «Ich hatte kein Recht an dir, so lange du der Kunst dientest, nun gehörst du mir und du sollst sehen, wie schön e» ist, wenn du mit mir weiterschreiteft — Hand in Hand." Einen Augenblick horchte er hinaus, dorthin, wo der Herbstwlnd durch die hohen Baumwipsel fuhr. Frau Elly