Volltext Seite (XML)
Nr. S. Freitag, den 8. Januar 1904. 3. Jahrgang. Sächsische KolksMiW »rschrint tS«lich nach«, mit «uSimhme der Sonn-und Festlage. l — Jnseratewerden die "^Opcal»nikPeIil^'Ueodcr^ mit en Postanstalt, lt. ZettungspreiSl. Einzelnu RedakttonS'Sprechstunde: 11—1 Uhr. Ttnlerate werden die 6 gespaltene Pelitzeilc oder deren Raum mit IS Ps. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. «uchdrutterei, Redaktion und WrschäktSstellr: LreSd««. »illnihrr Strafte 11 Fernsprecher: Amt I Rr. „Neutralität" der „freien" Gewerkschaften. Kaum eine Tatsache ist geeigneter gewesen, den sogen, freien Gewerkschaften die heuchlerische Maske politischer Neu tralität vom Gesicht zu reihen, als die offene sozialistische Agitation dieser Arbeiterorganisationen bei der letzten Reichs lagswahl. Allerdings hatte schon ein Jahr vor derselben aus dem Stuttgarter Kongreß der „freien" Gewerkschaften im Jahre 1902 der Vorsitzende Boemelburg vom Zentral verband der Maurer unter allseitiger Zustimmung den h mit dem Ausruf schließen können: „Die Sozial demokratie und die freien Gewerkschaften sind eins." Und das Verhalten der Gewerkschaften bei der Reichstagswahl hat dies vollends bewiesen. Neuerdings meldet sich in einem Artikel „Jahreswende" auch noch daS Organ des Deutschen Holzarbeiterverbandes, die „Holzarbeiter-Zeitung" (Nr. 52), um die Wahrheit obigen Wortes Boemelburgs darzutun. In dem Artikel heißt eS: „Und wenn auch die Gewerkschaften z» den Wahlen Stellung nahmen, ihren Einfluß dabei zugunsten der Arbeiterinteressen geltend machten, so haben sie nicht mehr als ihre Pflicht getan. Denn ganz abgesehen davon, daß die herrschende Wirtschafts- und Steuerpolitik auf die Wirtschasts- und Lebenslage des Arbeiterstandes einen er heblichen, und zwar einen verhängnisvollen Einfluß auSnbt, erfordert es auch unser Interesse an der Gestaltung der innerpolitischen Ver hältnisse, daß die Gewerkschaften bei den Wahlen mit Nachdruck für die sozialdemokratische Partei eintreten. Ja, es war das eine Pflicht der Selbsterhaltung und der Selbstachtung." Es folgt sodann eine Darstellung der die Koalitions und Versammlungsfreiheit beschränkenden Maßnahmen der Behörden und Polizeiverwaltungen, von Bestrafungen von Gewerkschaftsführern rc., und dann wird weiter ausgeführt: „Das waren die Gesichtspunkte, aus denen heraus die gewerk schaftlich organisierte Arbeiterschaft so regen Anteil an den Wahlen nahm. Und diesem Eingreifen war es wohl auch mit zu verdanken, daß die sozialdemokratischen Stimmen bei diesen Wahlen aus Lider drei Millionen anschwollen und 81 Reichstagsmandate errungen wurden. Mit diesem Erfolge können die Gewerkschaften wohl zu frieden sein, umsomehr, als eine Reihe neuer gewerkschaftlich tätiger Kräfte in den Reichstag einzog, die einen guten Schatz praktischer Erfahrungen bei der Vertretung der Ardeiterinteressen mitbrachten. Eine solche Verstärkung mußte der sozialdemokratischen NeichL- tagsfraktion, welche, wie bisher, so auch in Zukunft, die zuverlässigste Vertreterin der Arbeiter bildet, hochwillkommen sein." Bei diesen Auslassungen der „Holzarbeiter-Zeitung" ist die rücksichtslose Offenheit anznerkennen, mit der sie das Eintreten der freien Gewerkschaften für die Sozial demokratie als etwas ganz Selbstverständliches darstellt. Das ist wenigstens ein klarer Standpunkt; daß im übrigen der sozialdemokratischen Partei die Hilfe der Gewerkschaften — sowohl die Agitation in den Gewerkschaften und Versammlungen, als auch die finanzielle Stärkung der Wahlkasse ans der Gewerkschaftskasse — hochwillkommen war. das glauben wir der „Holzarbeiterzeitung" aufs Wort. Umsomehr ergibt sich hieraus wieder die Not wendigkeit und Existenzberechtigung der christlichen Gewerkschaften. Die christlichen Arbeiter wollen und können der Sozialdemokratie nicht angehören und aus diesem Grunde ebensowenig einer Gewerkschaft beitreten, die sich der Sozialdemokratie mit Leib und Seele verschrieben hat. Wie weiter die religiöse Neutralität in den freien Gewerkschaften gewährleistet wird, auch dafür brachten einige Gewerkschaftsblätter ans Anlaß des Weihnachttzfestes wieder einige Beweise. In einem Festgedicht „Weihnachten" stellt die „Fachzeitung für Schneider" (Nr. 52) die frohe Botschaft der Erlösung der Menschheit durch die Geburt des Christkindes als eine „alte Wund er mär" hin ; sie ist (Fortsetzung.) Kirchenmusik. 3. Der liturgische Text. 7. Die gebräuchliche Sprache der römischen Kirche ist die lateinische. Es ist daher verboten, etwas in irgend einer anderen Volkssprache bei den feierlichen liturgischen Funktionen zu singen; um viel weniger aber die Wechsel- gesänge oder das Ordinarium der Messe oder des Hochamtes. 8. Da für jede liturgische Funktion die Texte, welche gesungen werden können, sowie die Aufeinanderfolge, in welcher sie gesungen werden müssen, festgesetzt sind, so ist es nicht zulässig, weder von dieser Reihenfolge abzuweichen, noch die vorgeschriebenen Texte durch andere eigener Wahl zu wechseln, noch ganz oder teilweise auszulassen, anöge- nommen wenn im letzteren Falle die liturgischen Rubriken gestatten, durch die Orgel einige Verse des Textes zu er- setzen, während diese einfach im Chor rezitiert werden. Nur ist eS erlaubt, gemäß der Gewohnheit der römischen Kirche, eine Motette zum Allerheiligsten Sakrament nach dem Benediktus des Hochamts zu singen. Ebenso ist erlaubt, nach dem Singen des vorgoschriebenen Offertoriums der Messe in der übrig bleibenden Zeit eine kurze Motette nach von der Kirche approbierten Worten zu singen. 9. Der liturgische Text muß so gesungen werden, wie er in den Büchern steht, ohne Veränderung oder Nach setzung von Wörtern, ohne ungehörige Wiederholungen, ohne Zerstückelung der Silben und immer in einer den zuhören den Gläubigen verständlichen Weise. 4. Aeußere Form der kirchlichen Kompositionen. 10. Die einzelnen Teile der Messe und des Amtes müssen auch mustkalischerseitS jene Idee und jene Form beibehalten, welche die ttrchliche Tradition ihnen gegeben ein „wesenloses Schemen" (Schatten), für daS nnr ein Platz sich findet in „der Kindheit Traum". Und am Schlüsse des Gedichtes heißt es: „Es wird einst der Messias werden. Wenn auch nicht aus des Himmels Höh'n, Nein, aus der Menschheit, hier auf Erden Wird er sein Reich errichtet seh'n! Dieser Messias ist natürlich der Erlöser „Sozialismus", zu dem der „Textilarbeiter" (Nr. 52), Orgau des Ver bandes aller in der Textilindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands, sich offen bekennt. Ein Artikel „Soziale Weihnachtsgedanken eines Arbeiters" endet pathetisch mit folgendem Satz: „Und wenn dermaleinst die morschen Träger der kapitalistischen Gesellschaft krachend in sich zusammenstürzeu und aus den Trümmern neue? Leben entsteht, wenn sich die Ideen des Sozialismus durch gerungen haben, dann wird auch für die Arbeiter ein neues Weih nachten entstehen . . ." Den Sozialismus und damit seine politische Ver- tretuug, die Sozialdemokratie, als deu Erlöser, den Friedeusbriuger in den Kämpfen auf Erden angepricsen zu sehen, klingt beinahe als eine Selbstverspottung, nachdem der Dresdner Parteitag so seltsame Blüten sozialdemokratischer Friedensliebe, Freiheit und Brüderlichkeit getrieben hat. Das wesentlichste bleibt aber immer die Frage: waS hat diese Verspottung der Lehren des Christentums und demgegenüber die Ver himmelung des Sozialismus mit den Aufgaben einer Gewerkschaft zu tun, die sich statutengemäß ebenso sehr von der Erörterung politischer wie religiöser Fragen fern halten soll? Weil vielen der freien Gewerkschaften diese ab neigende, wenn nicht feindliche Stellung gegen das Christen tum so in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit zürn AnSbruch kommt, ist auch aus diesem Gruude den christlichen Arbeitern der Eintritt v rsperrt und die Notwendigkeit der christ lichen Gewerkvereine erwiesen. Militärische Zukrrilftsmnfik. „Kleine" und „große" Militärvorlagen sind im Preußi- scheu .Kriegsministerium auf Lager; man darf nur die ent sprechenden Fächer ziehen und die Millionensorderungen springen heraus. Zu deu „kleinen" Militärvorlagen sind zu rechnen das Militärpensionsgeseh und das Servisklassen- gesetz, die in den nächsten Tagen beim Reichstage ein gebracht werden und den Etat fortlaufend mit Millionen belasten werden; aber sehr genau werden sie nach der Richtung geprüft werden, ob nicht der Bedürftige hier zurückgesetzt ist gegenüber dem Offizier. Der neue .Kriegs minister hält diese beiden Vorlagen für so wichtig, daß er deshalb die „große" Militärvorlage, die eigentlich auf 1. April 1901 erledigt sein sollte, zurückgestellt hat, wie er selbst im Reichstage erklärte. Wenn mm statt dessen eine andere Vorlage aus 1. April Gesetzeskraft erhalten soll, nämlich die ReichSfinauzreform, so darf mau diese mit Fug und Recht als Schrittmacher der neuen Militärvorlagen ansehen. Heuer soll dein Reiche der große, aber noch leere Geldbeutel für die MilitärauSgabeu gewidmet werden; im nächsten Jahre will man daun den Beutel füllen durch neue Steuern und sofort wieder leeren durch erhöhte militärische Ausgaben. Die Bundesstaaten wollen sich vor diesen sichern und deshalb ist die ganze lox Stengel im Reichstage eingebracht worden. Dieser Plan würde erst schlau eingefädelt sein, wenn der Reichstag nicht auch auf hat, und welche sich so sehr gut im gregorianischen Gesang ausgedrückt findet. Verschieden sind daher die Arten, einen Introitus oder ein Graduate, eine Antiphon, einen Psalm, eine Hymne, ein 0,Iorin in axoalmu >'c. zu kom ponieren. 11. Im Besonderen müssen folgende Normen be obachtet werden: n) Kyrie, Gloria, Credo ?c. der Messen müssen die Einheit der Koniposition wahren, eigentümlich ihrem Texte. Es ist daher nicht erlaubt, sie aus getrennten Stücken zusammcnzusetzen, sodaß jedes solcher Stücke eine eigene vollendete musikalische Komposition bildet und daß solche vom Uebrigbleibenden abgenommen werden und durch eine andere ersetzt werden kann. — ft) Bei der Abhaltung der Vesper soll mau sich für gewöhnlich an das 6oromoninIo Lpmeoporum halten, welches den gregorianischen Gesang für die Psalmodie vorschreibt und für die Verse des ttlm-ia, l^atri und für den Hymnus mehrstimmige Musik erlaubt. Es wird jedoch nichtsdestoweniger erlaubt sein, besonders bei größeren Feierlichkeiten, daß der gregorianische Gesang des Chores mit den sogen. Falsibordoui oder mit in ähn licher passender Weise komponierten Versen abwechselt. Man kann auch noch einige Male erlauben, daß die einzelnen Psalmen ganz in Musik gesetzt werden, wenn sie nnr die der Psalmodie eigentümliche Form bewahren, daß heißt so, daß die Sänger untereinander zu psalmodieren scheinen, entweder mit neuen Motive»! oder mit jenen dem gregoria nischen Gesänge entnommenen oder diesem nachgeahmteu. ES bleiben also für immer ausgeschlossen und verboten die sogen. Konzertpsalmen. — o) Bei den Hymnen ist die traditionelle Hymnenform beizubehalten. Daher ist es nicht erlaubt, zum Beispiel das fl'antnm vrgo derartig zu setzen, daß die erste Strophe eine Romanze, eine Kavatine, ein Adagio und daS Oonitori ein Allegro darstellt. — ci) Die Vesperantiphonen sollen für gewöhnlich in ihren eigenen fünfe zählen könnte und wüßte, was am Ende kommt. Zur rechten Stunde hat uns der Generalleutnant v. Boech durch seine „Ausblicke auf die nächste Militärvorlage" noch den Schleier von dem Bilde ein wenig gelüftet und eine wahrhaftige militärische „SchreckenSkammer" gezeigt. Da werden nämlich für die Zukunft folgende Forderungen auf gestellt: Da die zweijährige Dienstzeit auch nach Annahme des schriftstellernden Generals sicher sein wird, so fordert er in erster Linie Vermehrnng des Personals der Unter offiziere. wogegen sich allerdings nicht allznviel sagen läßt; nur wird es recht schwer fallen, noch mehr Unteroffiziere zu gewinnen. Die Militärverwaltung klagt ja jetzt schon darüber. Ans diese recht zahme Forderung aber kommen dann »vahre Lawinen herniedergestürzt: für die Infanterie 11 dritte Bataillone, für die Kavallerie 15 neue Regimenter, für die Artillerie die Rohrrücklaufgeschütze, für die Pioniere <; Bataillone und für den Train je die vierte Kompagnie. General Boech hat in der Tat keine Truppengattung ver- gessen, aber das viel Wichtigere hat er nicht gesagt; wo will er das viele Geld für diese Niesenlasten herbringen? Da müßte eine Steuererhöhnng sicher eintreten; hierfür ist jedoch im Reichstage keine Mehrheit zn finden. Auch aus diesem Gesichtspunkte tut derselbe gilt, die Reichsfinanz, reform rundweg abzulehnen; er schiebt damit den stärksten Riegel gegen „uferlose" Militärvorlagen vorl Politische Rundschau. Deutschland. — DaS deutsche Reich hat sich durch die verschiedensten Maßnahmen davor zu sichern gesucht, daß die Auswande- rung militärpflichtiger Deutschen nach Amerika zn große Dimensionen anninuut, findet aber weder bei deu Eng- ländern, noch den Amerikanern darin Entgegenkommen; unsere angelsächsischen Vettern diesseits und jenseits des Ozeans scheinen vielmehr ein gutes Werk darin zn er blicken. die jungen Leute vom Militärdienst zu befreien. Im allgemeinen wird keinem Auswanderer der Aufenthalt in Amerika gestattet, wenn seine Papiere nicht in Ordnung sind — und er nicht genügende Barmittel mitbringt. Junge Leute aber, welche militärflüchtig sind, lassen die Amerikaner ruhig drüben landen, auch wenn sie sich nicht ausweisen können; mit Vergnügen befreit man sie von dem Militärdienst. Die „Christliche Welt" (herausgegeben von Pfarrer !)>'. Rade) äußert sich wie folgt über die konfessionelle Spannung auf protestantischer Seite: „Katholische Zeitungen werden nicht müde, zu behaupten, daß die antikatholische Stimmung unter den protestantischen Deutschen nichts weiter sei als Pa stören »na che. Man kann ihnen diese Deutung gewisser Tatsachen kaum verdenke», auch ist die geflissentliche Wiederholung der Ansicht taktisch klug. Aber sie trifft die Wirklichkeit nicht. Die. autikatholische Stimmung lebt in der protestantischen Bevölkerung je nach den Gegenden stärker oder schwächer, sie schlummert viel leicht da und dort, aber sie ist nicht nur durch Postoren- agitatiou wach geworden. Wenn als Redner in konfessio nellen Versammlungen vornehmlich Pastoren austreten, wenn solche überhaupt bei konfessionelle» Kämpfen als bald in den Vordergrund treten, so ist die Ursache: ihre Sachkenntnis, und ihre Redfertigkeit wird dann begehrt. Nein, die kousessionelle Beunruhigung des Protestantischen Teiles bei uns ist nicht künstlich gemacht (woher sollten gerade djg gregorianischen Melodien ausgeführt werden. Will man dieselben in Musik setzen, so dürfen sie weder der Form noch dem Umfange nach weder einer Kouzertmelodie gleichen, noch zu Motetten oder Kantaten ausgedehnt werden. 5. Säuger. 13. Ausgenommen die dem Priester zukommcnden Gesäuge, welche stets im gregorianischen Gesäuge ohne Begleitung der Orgel sein sollen, werden alle übrigen Ge sänge von den Leviten ausgeführt und diese, sowie die kirchlichen Laiensänger bilden den Kirchenchor; folglich soll die von deu Sängern vorgeführte Musik wenigstens znm größten Teile den Charakter der Chornmsik tragen. Hiermit soll noch nicht der Sologesang ausgeschlossen werden, aber dieser soll nicht vorherrschen, sodaß der größte Teil des liturgischen Gesanges durch deu Sologesang vorgeführt wird. 11. Hieraus folgt, daß die Sänger in der Kirche ein wirkliches liturgisches Amt erfüllen und somit die Frauen, da sie zu einer solchen Pflichterfüllung unfähig sind, nicht zugelassen werden können, mn an solchen Aktionen, weder Gesang noch Musik, teilzuuehmeu. Will man im Chor Sopran- und Altstimmen benützen, so müssen dazu dem alten Gebrauche der Kirche gemäß Knaben verwendet werden. Endlich »volle man zur Kirchenmusik mir solche Männer znlassen. die durch Frönimigkeit und Sittenreinheit sich anSzeichnen und »nährend des liturgischen Gottesdienstes durch ihr bescheidenes und frommes Auftreten sich ihrer heiligen Pflicht bewußt sind. Es geziemt sich, daß die Säuger beim Kirchengesauge mit einem Chorrvcke bekleidet sind. Falls der Chor vor den Blicken des Volkes nicht genügend geschützt ist. so sollte durch Errichtung eines Gitters dein abgeholfen werde». (Schluß folgt.) L v M