Volltext Seite (XML)
die Ausmerkkamkeit der Insassen des Wagens nnd von Fersen sagte halb zu sich: „Ist denn das nicht der Griebow aus Blockerode? Herr Griebow!" ries er ihm nach — .aber Griebow hörte nicht, er lief, was er laufen konnte, bis er lich ganz erschöpft auf einem Grenzstein niederließ. Von dem Wagen war keine Spur mehr zu sehen! „Großer Gott!" murmelte Griebow, „das war er, das war er — ich kann mich nicht irren — er war bei dem Hunde, den Breitkopf gestern — o Gott, o Gott, wenn der hier in der Nähe bleiben sollte — wenn ich ihn immer und immer sehen müßte." Er wischte sich die dicken Schweißtropfen von der Stirn nnd wankte todesmatt heimwärts. Als er nach Hause kam, sand er den Schulmeister in seiner Wobnung vor. Der kleine Mann hatte den Regenschirm in der Hand, den er köpf schüttelnd betrachtete. Als Griebow heimkam, wandte er den Kopf. „Du, Griebow", sagte er dann, „ich wunderte mich gleich, wie du mir gestern sagtest, das wäre mein Schirm, den du mir mitgabst, als ich gestern nach deni Kruge ging. Aber ich bin nun mal so'n zerstreuter Mensch, das ich doch schließlich glaubte, ich könnte ihn mitgenommen haben. Er hat mir auch gute Dienste geleistet, als ich aus dein Kruge kam. Meine Alte aber hat gleich gewußt, daß es nicht der meine war. Sie hat meinen herbeigeholt und ver glichen — und wirklich, sie gleichen sich aus ein Haar, sie sind auch in dem selben Geschäft gekauft — in der Stadt. Mich wundert nur, daß du ihn für den mcinigcn halten konntest — man kennt doch seinen eigenen Schirm —" „Aber ich versichere dir, Schulmeister, es ist nicht der meine", sagte Griebow lebhaft. „Ich selbst habe nur einen ganz alten und daß der da nicht in meiner Stube war, ehe du kamst, weiß ich auch " „Ja, wie sollte er aber da hineinkommen —? Warst du denn niclü ani Nachmittage zu Hause oder in dieser Stube? Wie ich kam, warst du ja wohl im Garten?" „Ja", sagte Griebow, sichtlich sehr unangenehm berührt-, „ich ivar im Garten —" „..Ja, dann", sagte der Schulmeister, „dann gibt es nur eine Rög licbkcit —" „Na, welche denn?" sagte Griebow unruhig. — „Sieh mal — ich weiß noch, daß deine Stubentür offen stand, als ich dich nach dem .«»trüge abholen wollte. Ich Hab das auch mir in acht behalten, weil ich mich sehr darüber gewundert habe. Wie ich gekommen bin. daß Haft du nicht gemerkt — du hättest ebensowenig gemerkt, wenn jemand anders bin- eingekominen wäre — und die Hoftür hattest du auch offen stehen lassen^— ich war erstaunt, daß das alles so weit offen stand. Was wäre nun natürlicher, als daß jemand zur Haustür hereingekommen und gleich durch die offene Stnbentür cingetrcten wäre. Er traf niemanden — da aber alles offen stand, nabm er mit Recht an. cs müsse jemand zu Hause sein, müsse gleich herein kommen. Er hat sich dabei gesetzt und dabei den Regenschirm an die Wand ge stellt — dann hat er sich vielleicht ein wenig bemerkbar gemacht und ist in die Küche gegangen — oder sonst wohin — und dann auf den Hof — der ist durch die Hecke abgeschlossen vom Garten — und wer das hier nicht kennt, der denkt vielleicht, daß er da gleich ins Feld geht — und in der Laube habe ich dich ja auch nicht gesehen — dein Besucher ist nun überzeugt gewesen, daß doch niemand zu Hause sei, hat vielleicht über den Leichtsinn der Leute den Kopf geschüttelt und ist dann wieder gegangen —" „Ja — aber - sagte Griebow nachdenklich und kopfschüttelnd — „da müßte er doch seinen Schirm mitgenommen haben —" „Na du lieber Gott", fiel der Schulmeister, der auf seine feine Kombi nation nicht wenig stolz zu sein schien, eifrig ein, „wie leicht kann man einen Schirm vergessen oder stehen lassen, wenn's gerade in dem Moment, wo inan geht, nicht regnet!" „Ja, aber — man weiß denn doch, ob man vorher was in der Hand ge- habt hat oder nicht „Ja, das ist vielleicht bei dir so! Aber es gibt Leute, — die sind mal io, weißt du — so zerstreut — ich kann dir das versichern, mir gebt es oft ebenso —" „Ja, das — das weiß man — " sagte der andere mit schwachen Lächeln, indem er daran dachte, wie oft man den guten Schulmeister mit seiner Ver geßlichkeit und Zerstreutheit hänselte. „Na, also - und wenn dir nun behauptest, dir gehört er nicht —" „Nein, nein, keine Spur —" „Nun, dann muß man den Eigentümer ausfindig machen — und das geht vielleicht - „Aber wie willst du denn —" „Ich — nein — ich kann nur wenig tun. Aber sieh mal — da ist oben, wo die Krücke an dem Stock befestigt ist, die Firma. Der Schirm ist noch ganz neu — da ist sogar noch der Preis. Vielleicht entsinnen sich die Leute noch der Person, die ihn kaufte —" „Du lieber Gott, wo so eine Menge Menschen hinkommcn —" „Vielleicht führt aber dann das hier zum Ziele." Er deutete auf zwei an die vordere Durchschnittsfläche eingeritzte Buchstaben, „A. B." „A. B." kopfschüttclte Griebow, — „das ist der Anfang vom A B E." „Hier bedeutet es aber den Namen", rief der Schulmeister sehr ent schieden, „sich mal, ich kenne doch einen Alfred Brücken, einen Adolf Benkfurt, einen Adolf Bormann — sicher sind cs die Anfangsbuchstaben des Namens des früheren Besitzers." „Na, und gehst du denn nach der Stadt?" „Ich nicht, aber der Balthasar Bohm fährt morgen früh. Dem gebe ich den Schirm nnd der kann dann mal Nachsehen, ob er den Eigentümer er mittelt." — „Ja, tu das", sagte Griebow — „ich möchte doch auch mal wissen, iver mich da hat besuchen wollen — und ich kenne doch keinen er schreckte zu sammen — A. B. - ein Gedanke zuckte durch seinen Kopf — aber das wal- natürlich Unsinn. „Was ist dir denn nun wieder?" fragte der Schulmeister, der die Be wegung des Griebow wohl bemerkt hatte. „Nichts", sagte Griebow, „aber du kannst dem Bohm sagen, er möclfte mir eine Laterne aus der Stadt mitbringen —" „Eine Laterne", fragte der Schulmeister von Blockerode aufmerksam. „Na, ja doch — meine ist entzwei - " antwortete Griebow schnell — „ist denn so etwas Merkwürdiges dran?"