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lietet seinen Mitgliedern als Entschädigung für den Jah resbeitrag die sechs roten Heftchen, die nötigen Flugblätter und fiir wenig Geld wertvolle Schriften, Er ist aber des halb kein eigentlicher Schriftenverein, er hält wohl Ver sammlungen, ist aber kein Redeverein. er ist ein politischer Verein, aber kein parteipolitischer. Was der Volksverein will, zeigen die Wappen auf den roten Heftchen: Heran- bildung zur Ausübung praktischen Christentums, Förde rung der landwirtschaftlichen Interessen, Hebung des Han dels, Gewerbes und der Wissenschaften. Redner gab dann noch einen kurzen Ueberblick iiber die neue Reichsversiche- rungsordnung. Zum Eintritt in de» Volksverein meldeten sich 15 Mann, so das; die Mitgliederzahl -14 beträgt. Vivant t« «iiii'nt«'?! Kirche und Unterricht. k Abfallziffern dcr Los v»n Rombeweguog. Die Los- Von-Rom-Pastoren erzählen aus den Veisamiulungen VeS Evangelischen Bundes ihren Zuhörern gewöhn! ch von Hunderttausenden, die sie mit der „rollenden Mark" ge- Wonnen hatten. Gegenüber diesen Uebertreibnngen sollt die neueste protestantische Statistik fest, dag inSges iint seit den l!i Jahren der Absallbewegung 55 372 Austritte aus der katholischen Kirche in Oesterreich-Ungarn erfolgien, welchen jedoch 12 370 Rücktritte gegeuüberstehen, so daß sich die Gesamt-„Gewi»n"-Summe für den ProieslantiSmus auf 42 000 abgefallene Katholiken belärift. Zu den Rück tritten kämen noch 1820 weitere Austritte auS drin Protestantismus, sodaß er insgesamt einen Verlust von 14 205 Mitgliedern autzuweisen hat. Au« der Statt».k ist auch zu eriehen, wie die RücktrittSbewegung immer anwächst; von 038 im Jahre 1808 sind die Rücktritte aus 1200 bezm. 142!» Austritte im Jahre 1010 aiigewachlen. Die Abfälle von der katholische» Kirche sind von 0200 im Jahre 1001 (Höchstzahl!) aus 4605 im lehten Jah>e gesunken. Wieviel Reichsmark jeder Abfall kostete, ist leider an« der Statistik nicht zu erseben. l< Vor» Katholizismus über de» Protestantismus zur» Athcismris. Ter protestantische Hauptpastor Hey- doru, einstmals katholisch, seht in Burg auf der Insel Fehmarn tätig, gibt eine Zeitschrift „Leben im Licht" heraus und hat am Schluß des 2. Jahrganges seine reli giösen Anschauungen „nach berühmten Mustern" in 100 These» zusammengesasjt. Ter Pastor verwirft » a.: I. Tie sogenannten Offenbarungen, mittels deren Gott persönlich cder indirekt Enthüllungen über sein Wese», seine Pläne oder über die Zuluust gemacht habe» soll derartige Offenbarungen haben sich sämtlich als Mrnschenmeiniingen erwiese». 2. Te» überlieferten Glauben den» unsere Vorfahren und ihre Gewährsleute (ob Papst, ob Luther, ob Jesus) können sich geirrt haben, das Prinzip der Ent wicklung darf hinsicbttich des Glaubens nicht einfach anSge- schaltet werde». TaS Kieler Konsistorium sandte ihm einen sehr höflich gehaltenen Brief des Inhaltes: „In Erwägung, das; Ihnen allseitig ernster Lebenswandel, religiöse Wärme und Treue in der Einzelseelsorge bezeugt wird und das; Sie ... in Ihrer amtlichen Wirksamkeit ihre Negation habe» znrücttrelen lassen, wie endlich im Hinblick auf Ihre große Amtsjugend sehen wir trotz Ihrer Thesen po» weiteren Schritten ab?' — Heydorn ist bereits 38 Jahre alt und seit 0 Jahren Prediger. Mit den „mildernden Um ständen" ist es also so eine Sache, zumal Heydorn dem Konsistorium erklärt hatte, er halte seine Thesen „Wort für Wort" aufrecht. Aber er ließ sich nicht mal den un glaublich gnädigen Verweis des Konsistoriums gefallen, sondern beschwerte sich darüber beim Kultusminister und veröffentlichte einen Protest im Namen „der Tausende", die sich von ihm „in Kiel, in Breslau und in Burg zu einer neuen Erfassung des Evangeliums (!) haben leiten lassen". Er erklärt, „daß das reine Evangelium, wie es außer mir eine stets wachsende Zahl von Geistlichen vertritt . . . durch keinerlei behördliche Worte und Taten getötet werden kann . . . Wir sind nicht Glieder der katholisrk>en Kirche, die ein unfehlbares Lehramt besitzt, wir sind Glieder der evangelischen. In der evangelischen Kirche aber darf nie und uiminer gefragt werden: hältst du dies für wahr, hältst du das für wahr?, sondern darf nur gefragt werden: ist dein Gesinntsein und dein Handeln von der Art Jesu?" tEv. Proteslantenblatt, S. 422.) Der Kultusminister hat die Beschwerde abgelehnt. Vermischtes. V Bierverbrauch in Böhmen. Nach der amtlichen Statistik entfallen in Böhmen auf je einen Einwohner im Jahresdurchschnitt: in Prag 300 Liter, in Ezer 210, in Pits-.m 207, in Reichcnberg 202, BudwetS >07, Königgrätz 130 Liter. Am wenigsten entfällt auf die Stadt Pvlitschka, wo sich die Einwohner mit nur 43 Litern im I ihre be gnügen. v „Kahlköpfe", die Zukunft des Men schengeschlechtes. Mit den Aussichten uuseres schönsten Kopfschmuckes, der Haare, steht eS sehr schlimm. Alle Fachleute, Aerzte und Kosmetiker, sind damit beschäf tigt, ein Mittel ausfindig zu mache», wie wir das Ent stehe» des gefürchteten Kahlkopfes verhindern können. Es ist bisher noch keinem, der an Haarschwund litt, geglückt, selbst wenn er »och so viel Geld für Heilmittel aller Art auSgegeben hat, und mancher seufzt mit Recht, das; ihn seine Glatze 3000 Mark koste. Diese Unglücklichen könne» sich aber schließlich trösten. Eine wissenschaftliche Autorität allerersten Ranges auf dem Gebiete der Haarerkraukungen, der bekannte Professor Kromeyer, hat erklärt, daß das Hauvthaar allmählich ganz verschwinden wird. Es ist ein Ueberbleibsel aus einer früheren Zeit. Professor Kro meyer sagt darüber in einer seiner Schriften » örtlich fol gendes: „Das Haupthaar ist infolge eines Mangels an Tätigkeit schädlichen Einflüssen gegenüber weniger wider- smndssähjg geworden und in seinem Bestände überhaupt bedrobt. I» vielen tausend Jahren inerden unsere Nacl^ komme» Kahlköpfe sein, und das Haupthaar wird als Atavismus bezeichnet werden, wie heutzutage der Affen mensch." Es scheint also, das; die kleinen Mittelchen, die wir jetzt gegen den Haarausfall anwendeu, tatsächlich be langlos werden. Wir haben allerdings noch viel Zeit, da erst in vielen lausend Jahren der Kahlkopf die ständige menschliche Einrichtung sein wird. Uebrigens brauchen die Frauen nicht zu furchten, das; auch sie autzersehen sind, Nenn auch in späteren Geschlechtern, kahlköpfig und des schönen Haarschmuckes beraubt, durch das Lebe» wandeln zu müssen. Für die Frauen trifft nun diese Voraussage nicht zu, da bei ihnen das Haupthaar als Geschlechts symbol wirkt und darum als zweckmäßiges Organ dem Aussterben nicht verfallen ist. Ebensowenig scheint es, daß der Bart des Mannes, der gleicherweise als Geschlechts- symbol aufznfasse» ist, völlig von der Erdoberfläche ver schwinden wird. Trotz der schlechten Aussichten wollen wir ruhig in die Zukunft blicken und der festen Ueberzeugung sein, daß unsere Friseure und Haarkünstler bis dahin schon Mittel und Wege gesunden haben werden, .Kahlköpfe völlig naturgetreu zu verdecken, zumal ja auch heute schon auf diesem Gebiete ganz Ausgezeichnetes geleistet wird. cklamat »„en wegen «nregelmähiger Lieferung oder Nichterhalten der Zeitung durch die Post bitten wir stets be dem betreffenden Poftamte a»- z,«bringen, be, den, die Zeitu-g bestellt worden ist. Literatur. Eine Auswahl trrsslichcr Theaterstücke für dir Dilettantcnbühnc gibt das im Verlage der Saxonia- Buchdruckerei, Dresden, Pilluitzer Str. 43, erschienene Heft- che» „Theaterstücke für die Vereinsbühne" an. Manchem Leiter von Vereinen dürfte mit der Herausgabe dieser Schrift, welche Inhalt, Szenerie, Dauer usw geeigneter Theaterstücke angibt, eine große Erleichterung geschaffen sein. Es darf in keinem Vereinsvorstandc fehlen. Preis 00 Pfennig, per Nachnahme 86 Pfennig. „Waffen dcr Wahrheit." Von dieser neuen Zeit schrift ist joeben Heft 0 erschienen. Den Zweck, jedem wissen schaftlich Arbeitenden, jedem Vereinsleiter, Pädagogen Geistlichen, Sozialpolitiker für Predigt, Vorträge und sonstiges Arbeiten die allerueuesten und zuverlässigsten Be lege aus der wichtigsten Tagespresse der deutschjprecheuden Länder zu sammeln, erfüllen die „Waffen" auch in weit- gehendem Maße mit dem vorliegenden Hefte. Wir neunen aus dem Inhalt: Für den Theologen: Altkatholizismus - Beichtsiegel — Calvin als „Jesuit" — Ehristusproblem Freisinn und Moral — Katholizismus laut Protest»» tischem und altkatholischem Urteil Leicheuverbrennnng Liberalismus und Dogma — Marienverehrung und abgestandene Priester dito bei Schismatikern Mo- ral, heutige Protestantismus, heutiger — Religion und Wissenschaft. — Für den Sozialpolitiker und Vereinsleiter bringt das Heft extra viel brauchbares Material, n. a.: Caritas und Konfession — Caritas und Kirche — Frau und Politik — Freisinn und Volkswohl Genußsucht — Gewerkschaften, christliche Kinder- und Mütterfürsorge Kinderhaudel Nechtskunftsstellen, gemeinnützige - Volksverein, italienischer. - Auch der Literaturfreund findet seinen Teil in: „Gralbund" und Pius X. — Porno graphie und »euere Literaten Schundliteratur — und der Pädagoge in: Fürsorgeerziehung für Minderjährige — Jugend und Verbrechen Neligionspädagogik — u. a. m. Nebst den genannten enthält dag Heft noch viele jeder mann interessierende Artikel, dabei — und das ist die „So wartet eine» Augenblick, icy werde sie zu Euch sichren. Ich werde aber jetzt sogleich »ach Schloß Rotbnrg znrückkehreu. Meine Gegenwart könnte dort sehr notwendig sein." Etwa fünf Minute» später trat die Fremde ins Zimmer. Juan hatte sie seit jenem Tage, als sie mit seiner Schwester Indien verließ, nicht wieder- gesehen, aber ein Blick in das dunkle, gutmütige Auge, und er crkannte sie. „Liddy!" rief er, ihr beide Hände zum Willkommen eutgegensireckeud. Einen Augenblick stand die Fremde jcbweigend und starrte Juan ValeS- anez an. Aber mit einem Male erheiterte sich ihr Gesicht. „O, gnädiger Herr, nun ist alles gut! Nun kann der böse Mann Ihre Nichte nicht mehr sortnelnnen!" rief sic voll Freude aus. „Nein, Liddy, gewiß nicht," sagte er feierlich. „Ich gehe jetzt, um meine Nichte aus den Händen der bösen Menschen zu befreien. Bleibe ruhig hier und tue, was Lenlmrdt dir sagt. Bald komme ich mit dem lieben Mädchen hierbei-, und dann kehren wir zurück in unsere Heimat." Die Fremde jubelte laut auf vor Freude. Das war ja alles, was sie zu erreichen wünschte. 0. Gleich nach Mittag war der Freiherr aus Schloß Notburg cingekommen und hatte eine lauge Unterredung mit Fräulein Erdman» gehabt. Die Nachrichten, welche er von derselben empfing, lauteten für seine Absichten be sonders günstig. Nora hatte sich in der Tat in letzter Zeit leidend und angegriffen ge fühlt, und sie verträumte eine» gkoßen Teil des TageS in ihrem halbdnnklen Geniache. Sie war des ewigen Kampfes müde geworden und legte jetzt eine Gleichgültigkeit an den Tag, welche jeder besorgniserregend finden mußte. Bisweilen jedoch, besonders wenn Malvine ihr gegenüber so außerordentlich besorgt und liebenswürdig war. konnte sie in einen grenzenlosen Zorn aus- brechen, so daß Fräulein Erdmanu in der Tat voll Augst aus dem Zimmer geflüchtet war. NoraS Nervensystem war überreizt und schwer angegriffen. Tas Be wußtsein, das; sie endlich doch unterliegen würde, war in ihr lebendig ge worden: sie hatte jede Hoffnung verloren, und noch momentan regte sich die Ieide»schaftlicl>e Sehnsucht nach Freiheit in ihr. Jetzt verlangte sie seltener hinaus in die frische Luft, nach den Bäume» und Blumen, und früher hatte sie doch uiniuterbrocheu geklagt, daß man ihr nicht einmal die Freude gönne, in der frischen Lust ihre einsamen Tage zu verleben. Heute hatte sie gerade am Fenster gestanden, als dcr Freiherr anlangte. Sie sah ihn anssteigen, und in demselben Augenblicke hatte sie einen Schrei ausgestoßen und war umgesunkc». So hatte Malvine soeben erzählt. Den Freihern schien das nicht sonderlich zu beunruhigen. Er sprach in: Gegenteil Malviiw seine Anerkennung für ihre Dienste aus und versprach ihr, daß er auch in Zukunft, wenn Nora fort sei, für ihr weiteres Fortkommen Sorge tragen wolle. „Sic werden dadurch nur einer schweren, verantwortlichen Stelle ent hoben, Malvine. In vielleicht sehr kurzer Zeit würde Nora sich geweigert — 47 — haben, ferner Ihre Autorität atiznerkenue». Es ist besser so. Vergessen Sie nicht Ihre Aussagen, wen» der eine oder andere der Aerzte auf dieselben besonderen Wert legen sollte. Bis dahin lassen Sie die Kranke nicht ans den Augen." Malvine versprach, ihr Möglichstes zu tun. Sie fühlte st'lber, daß dies nicht so fortgchen konute. Zweifellos würde sie eine selbständige Stellung nicht wieder einnehmen, aber, obgleich sie es nicht gerne gestehen wollte, sie mußte sagen: sie fürchtete Nora. Ja, sie fürchtete das zarte, schmächtige Mädchen, aber sie haßte cS auch leidenschaftlich, und es verursachte ihr eine heimliche Freude, wenn sie daran dachte, wie viel schärfere Mittel wohl dem nächst gegen die verlassene Waise gebraucht werden würden. Gewiß dachte Nora noch manchesmal an Malvine Erdmann mit ihrer zärtlichen Fürsorge. Kein Gedanke des Mitleids erwachte in ihrem verhärteten Herzen: sie kannte nichts weiter, als sich eine sichere Existenz zu schaffen, gleichviel aus welche Weise. Sie war Teilhaber!» eines grauenhaften PervrechenS geworden, und wahrlich, ihre Schuld war's nicht, wenn nicht längst der Schatten des Wahnsinns diese zarte jugendliche Seele umnachtete: aber niemals-war ihr Gewissen rege geworden, niemals hatte sie das arme junge Mädchen bedauert. Ter Freiherr würde ihr eine andere, gewiß nicht minder vorteilhafte Stellung verschaffen, dann war sie glücklich dieser steten Sorge und Unruhe überhoben. Nebenbei würde die freihcrrliche Familie ihr eine Stütze durch das Leben sein, sie würde schon Sorge tragen, daß man sie nicht abzuschütteln versuchte. ' Während Malvine so ihre eigenen glänzenden Zukunftspläne schmiedete saß Nora i» ihrer Einsamkeit und weinte. Sie hatte den Mann wieder gesehen, den in der Welt sie am meisten fürchtete, und wenn sich überhaupt ihr Leid und Wehe noch vermehren ließen, dann erreichten sie in dieser Stunde de» Höhepunkt. Tas Oiefühl des entsetzlichen Vcrlassenseins überkam sie, wie der Oie- danke, daß nun das Ende gekommen sei. Seit Wochen lebte sie unter dem Einflüsse einer schrecklichen Ahnung, veranlaßt durch Malvinens rücksichtsloses Benehmen und manche unüberlegte Aeußerung. Nora wußte, das; man im Begriffe stand, sich ihrer zu entledigen, gleichviel, um welchen Preis. Sterben! Wenn sie doch hätte sterben können! Zum ersten Male dachte sie an den Tod als au eine Erlösung. Früber hatte ihr der Tod ein Grauen eingeflößt, jetzt sah sie nur durch ihn das Ende ihrer Gefaugenscl>ast erreichbar War's denn so schwer, zu sterben? Sie schauderte zusammen. Vor ihrem innere» Auge erschien plötzlich eine Gestalt, ein liebes, freundliches Gesicht und zwei zärtliche Auge». Ster be» mit -hm. Ja, dazu wäre sie bereit gewesen, aber nicht ohne ihn. Sie konnte die Hoffnung nicht ausgebeu, das; sie ihn eiueS Tages Wiedersehen würde, ihn, dessen Bild sie tief im Herzen trug. 10. „Es freut mich außerordentlich, meine Herren, Sie so pünktlich meine» bringenden Wünschen Folge leiste» zu sehen. Heimlich hoffte ich noch immer, mir einen schweren Schritt ersparen zu können, und ich befürchte, das; meine