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Aus Stadt und Land. (Aortsetzmlg au« dem Hasptblatt.) —* Recht unangenehm machen sich bei dem abnorm kleinen Wasser die erheblichen Schwankungen des Elbwasser spiegels bemerkbar, die zweiselloS eine Folge der Kanali sierung der Moldau und der oberen österreichischen Elb strecke sind. Geradezu sprunghaft fällt und wächst der Wasserspiegel an den einzelnen Stationen von Tag zu Tag, worunter die Schiffahrt allgemein zu leiden hat und womit die Dispositionen jetzt selbst nur für den folgenden Tag beinahe zur Unmöglichkeit gemacht werden. Beispielsweise zeigte der Pegel in Leitmeritz am 27. —94, am 28. — 103, am 29. —94 Zentimeter. In Dresden ist der Pegelsland am 29. von vormittags 8 Uhr von —215 bis nachmittags 4 Uhr bis auf — 121 Zentimeter zurückgegangen. Dieser plötzliche Fall hat die unterwegs befindlichen Personen dampfer in ihrem Fortkommen wesentlich beeinträchtigt und die Einstellung der Fahrten von HerrnSkretschen elbauf- wärtS zur Folge gehabt. Vorläufig werden dagegen die Personenfahrten im vollen Umfang auf der Strecke HerrnS kretschen abwärts bis Mühlberg noch aufrecht erhallen. Müssen die Bemühungen der Sächsisch-Böhmischen Dampf- schtffahrtS-Gesellschaft um Ausrechterhallung dieser Fahrten besonders anerkannt werden, so verdient der Umstand doppelte Anerkennung, daß die Gesellschaft die wöchentlich dreimal statlfindenden Heidefahrten, welche gerade in der jetzigen Zeit für die armen Großstadtkmder die einzige Erholung bieten, trotz der sehr erheblichen Schwierigkeiten noch zur Ausführung bringt. —' Auf der Dresdner Vogelwiese begann gestern nachmittag 3 Uhr das Damcnschicßen auf den Elb vogel und auf den Landvogel. Mit dem Elbvogcl ist be kanntlich die Erlangung der offiziellen Königinwürde ver bunden, weshalb derselbe nur für die Frauen der Mitglieder Vorbehalten ist, während auf den Landvogel nur die Töchter der Mitglieder schossen. Tie Würde einer Schützcnkönigin erschoß Frau Vorsteher Hofjuwelier Jähne für Frau Deputierte Adam. Die Königinwürde vom Landvogel er schoß sich Frl. Förster, Tochter des Herrn Deputierten Hof lieferant Förster. An dem Schießen auf beide Vögel hatten sich über 100 Damen beteiligt. Nach Schluß des Schießens fand der übliche Umzug um die Vogelstange und die Schieb halle statt, worauf Herr Königl. Kammerherr Graf v. Rex- Zehista die diesjährige Schützenkönigin Frau Deputierte Adam in feierlicher Weise im Königl. Zelte bestätigte. An» der Sächsischen Schweiz, 30. Juli. Im Amlel- gründe traf den auf einer Wanderfahrt anläßlich des 15. Deutschen Turntages begriffenen Professor Fischer ans Greifenberg in Pommern einHitzschlag, wodurch er bestnnnngs- los zusammenbrach. Fischer hatte sich von der Wandergruppe etwas entfernt und eine kleine Anhöhe erstiegen, wo er von seinen Turngenossen tot aufgefunden wurde. Döhlen, 30. Juli. Im Carolaschachte wurde der Berg- mann Grübler aus Wurgwitz durch hereinbrcchende Kohle verschüttet und getötet. Elsterberg, 30. Juli. DaS städtische Bad beim Stadt- mühlenwehr wurde infolge des niedrigen WasserstandeS der Elster geschlossen. In dem Flusse sind in den letzten Tage» tausende von Fischen verendet, sodaß sich das Wasser zum Baden nicht mehr eignet. Fretder», 30. Juli. In der Eisengießerei und Maschinen- fabrik von Münzner und Schönherr sind die Former und Kernmacher infolge NichtbcwiKtgung ihrer Lohnforderungen in den AuSstand getreten. Frohburg, 30. Juli. In der Dünqergrube ertrui ke» ist hier in den frühen Morgenstunden die Ehefrau eines hiesigen Handarbeiters. Köaigsteiu, 30. Juli. Ein Hofgebände deS Rittergutes HenuSdorf wurde nachts durch Feuer zerstört. Die beiden darin wohnenden Familien konnten nur mit Mühe und Not ihr Leben retten. Leipzig, 30. Juli. Für die Internationale Ausstellung für Bnchgewerbe und Graphik, die 1914 in Leipzig statt- fiadet, hat der Rat die unentgeltliche Uebcrlassung des notwendigen Areals genehmigt und einen ansehnlichen Beiirag zum Garantiefonds bewilligt. Meißen, 30. Juli. In der Dampsziegelei von Handel in Brock.vitz entstand ein Schadenfeuer, durch das sämtliche Gebäude, das Maschinenhaus und die Oefen vollständig zerstört wurden. Die Löscharbeitni wurdcn durch den herrschenden Wassermangel sehr erschwert. Scitendvrf. Zum Bericht unseres ^-Berichterstatters in Nr. 170 vom 28. Juli wird uns mitgeteilt, daß sich die Sache mit der Messerstecherei anders verhält. Die 12 arbeitswilligen Polen wurden auf dem Heimwege von streikenden Arbeitern, welche in einem Trupp von 10 bis 50 Mann erschienen waren, nicht nur beschimpit, sondern auch gröblichst beleidigt. Als diese sich das durch ihre Vor arbeiter verbaten und ersuchten, sie in Ruhe zu lassen, wurde der betreffende Vorarbeiter von den Streikenden durch einen Stockhieb ins Gesicht schwer verletzt, und dieses war die Veranlassung der darauf entstehenden Schlägerei. Direktor Faber von den Herkuleswerken, der Augenzeuge dieses Vorfalles war, teilt uns mit, daß von seiten der Polen kein Wort gefallen sei, was die Streiker veranlassen konnte, diese zu beschimpfen, oder, wie cs leider geschehen ist, tätlich anzngreifen. Daß von den Polen mit Messern gearbeitet worden sei, wie von einer Seite gemeldet wird, ist nicht erwiesen und die Untersuchung wird ergeben, von welcher Seite die durch Messerstiche vorgekommenen Ver wundungen stammen. Einer der Polen ist ebenfalls mit dein Messer verletzt, und bei der großen Anzahl der betei ligten Streiker, welche sich in der Dunkelheit gegenseitig nicht mehr erkennen konnten, ist, so schreibt Herr Direktor Faber, mit großer Sicherheit anzunehmen, daß diese, und nicht die Polen, mit dem Messer hantiert haben. Die rabiaten Streiker sind weniger auS der hiesigen als ans der Senftenberger Gegend »nd sind hergeschickt, um den ganz aussichtslosen Streik wach zu erhalten. Kirche und Unterricht. I< Auf dem Hamburger Realgymnasium soll nach einer Mitteilung des „Hamburgischen Korrespondenten", daS Esperanto als fakultativer Lehrgegenstand aufgenommen werden: an den Gymnasien Frankreichs wird das Schach spiel als Wahllchrsach zur Einführung gelangen. Der Untcrrichtsminister machte diese Zusage auf die Vor stellungen des Pariser Sck-achvereins, daß es nicht angehe, die französische Jugend ohne Unterricht in diesem wichtigen Fache aufwachsen zu lassen. Sport. »p. Fortschritt! im Flugzeugbau uud seine Ursachen. Es ist noch kein Merschrnalrer her, da gehörte das Auto mobil zu den seltensten Eischeinungen. Heute gehört da» Auto zu den Selbstverständlichkeiten des Lcbens. Einen ähnlichen, nur noch viel rascheren Entwicklungsgang haben die Flugapparate zu verzeichnen. Leistungen, wie der durch den Kathreiner.Piers veranlaßte Flug München—Berlin, den Hirth vor wenigen Wochen ausführte, uno in den letzten Tagen der Nundslug um Deutschland, hielt man noch vor einigen Jahren für Fantasterei. Die Gründe für diese schnelle Entwicklung sind nicht allein auf die fort schrittliche Tendenz der Industrie zurückzusühren. Wo wäre heute die Automobil-Industrie, wenn nicht die begüterten Krerse der Nation durch ihre Stiftungen, Preisausschreiben und nicht zuletzt auch durch ihre persönliche Anteilnahme den Erfindern einen steten Ansporn gegeben hätten, immer wieder neue schwierige Probleme zu lösen. Auch der Flug zeugbau würde heute noch in den Kmderschuhen stecken, hätte nicht unsere Großindustrie durch Preise und Stiftungen das Interesse immer wach erhalten. Dem Blelchiöder- Preis von 10 000 Mk. folgte der Ov°l-PreiS von 20000Mk.. diesem der Lanz-Preis von 40 000 Mk , uud ebensoviel betrug der bei dem Rundflug von Deutschland einem einzelnen Flieger zugefallene HanptpreiS. Der höchste bisher ge ahlte P,etö ist der von Kathreiners Malzkaffes- Fabr'ken gestiftete Kathreiner-Preis von 50 000 Mk. für den Flug München—Berlin. Vermischtes. V Rund 20000 verschiedene Briefmarkenarten gibt es in der ganzen Welt, seitdem in England zum ersten Male vor 70 Jahren die erste Marke erschien. Anfänglich waren eS 310 Staaten, die Briefmarken ausgaben, aber im Laufe der Jahre haben 69 Staaten die selbständige Ausgabe eingestellt, die meisten, weil sie in größere politische Gemeinwesen oufgingen. Von 1900—1908 sind noch 31 neue Staaten auf dem Schauplatz erschienen, die selbständig Briefmarken eingesührt haben. v Ein interessanter vorgeschichtlicher Fund wurde bei CabrioreS im Departement Härault durch den Professor der Naturwissenschaften Vasseur aus Marseille gemacht. Der Gelehrte entdeckte, wie dem „Berliner Lokal-Anzeiger" aus Paris gemeldet wird, in den Felsen von Neufbouche» eine prähistorische Kupfermine. Nicht weniger als 300 Werkzeuge aus Quarz, die zur Zerkleinerung und Verarbeitung der Kupfererze dienten, wurden aufgefunden. In einer Entfernung von 600 Meter stieß der Forscher auf eine Grabhalle, die zahlreiche Gebeine und Töpfereien der Bronzezeit enthielt. — 56 — Schnellen Schrittes eilte sie den Kiesweg entlang, dem kleinen Pavillon zu, wo sie Lcnhardt stets zu dieser Stunde getroffen hatte. Heute sah sie ihn nicht cm der gewohnten Stelle. Angstvoll suchend, flogen Noras Blicke umher — vergebens. Wenn er hier nicht war, wo konnte sie ihn dann finden? Im Hause durfte sie ihn nickst suchen, und dort wäre es auch gefahrvoll gewesen, mit' ihm einige Worte zu wechseln. „Lenhnrdt!" rief Nora, nachdem sie einige Augen blick' lauschend dagestanden, ob er nickst dennoch kommen würde. Alles blieb still, doch noch ehe Nora ihren Ruf wiederholt hatte, raschelte "v im Gebüsch, und unmittelbar darauf stand ihr nickst Lenhardt, aber ei» Mann gegenüber, an den sie, nach der einmaligen Begegnung, im Garten des Freiherrn, so oft in ihrer Einsamkeit gedacht hatte. Heißes Not übergoß NoraS bleiche Wange, und zu einer anderen Zeit wäre sie wohl davongeflohen voll mädchenhafter Verwirrung, aber in diesem Augenblicke betrachtete sie den ihr Gcgenüberstehenden als einen Helfer in der höchsten Not. ..2 mein Fräulein, hier finde ich Sie wieder!?" sagte der junge Mann mit «verströmendem Gefühl, indem er schüchtern die kleine Hand ergriff. „Retten Sie mich!" stammelte Nora. „O. mein Gott, geben Sie nicht zu, daß man mich von hier fortbringt und mich mordet." Der junge Mann blickte Nora erschrocken an. „Was ist Ihnen, Fräu lein? Seien Sie versichert, daß Sie unter meinem Schutze stehen. Betrachten Sie mich als Ihren Freund, Ihren Bruder!" Es lag eine überzeugende Wahrheit in dem Tone seiner Stimme. Sollte es doch noch eine Nettnng für Nora geben? „Mein Herr," sagte Nora mit bebender Stimme. „Sie kennen mich nicht, Sie haben mich nur einmal im Garten des Herrn v. Minkwitz gesehen, aber sagen Sie mir, ob Sie mich für wahnsinnig haltenI" Sie sah den jungen Mann voll unaussprechlicher Angst mit ihren dunklen Augen an. Es war, als erwarte sie Leben oder Tod von seinen Lippen. Und doch zögerte er, eine Antwort zu geben. Er wußte nickst, was er auf diese Frage er widern, was sie bedeuten sollte. „O, bitte —- geben Sie nur Antwort: Ja oder nein!" flehte Nora. In diesem Augenblicke hörte man Fräulein Erdmanns Stimme, welche laut NoraS Namen rief. Tiefe Blässe bedeckte Noras Wangen. Die flehend c> iporgehobcncn Hände sanken kraftlos nieder. „Ich bin verloren," murmelten die bebenden Lippen. Diese Worte trafen kaum des jungen Mannes Ohr, als eine Ahnung in ihm aufsticg, um was es sich handele. Nasch entschlossen schlang er seinen Arm um die Taille des jungen Mädchens. „Nicht, so lange Sie unter meinem Schutze stehen. Wohin soll ich Sie bringen?" — „Nur fort von hier!" stammelte Nora balb bewußtlos vor Angst, als sie jetzt Fräulein Erdmann in nächster Nähe hörte. Wie eine Feder hob er die zarte Gestalt mit seinen starken Armen und trug sie fort Et wußte ganz genau, was er tat. welche Verantwortung er übernahm, aber er hätte nicht anders handeln können, und wenn er dadurch ein todeswürdiges Verbrccl-cn begangen hätte. Sie war in Gefahr und hilf los. Sollte er sie preisgeben? — 53 — Ei i Blick voll unaussprechlicher Dankbarkeit aus Noras Augen war Doktor Bergheims Lohn. Ter Freiherr sah Doktor JuleS bedeutungsvoll an und entgegnete dann: „Derselben Ansicht ist auch Doktor JuleS. Doch kommen Sie. '.»eine Herren, wir werden diese Frage gemeinsam beraten, und ich er warte von Ihnen, daß Sie mir in dieser Angelegenheit nach Kräften bei- stehen." Doktor Bergheim hätte vielleicht gewünscht, noch einige Augenblicke die mgcblicyi. Kranke zu beobachten, aber er fand keinen Grund, sich der Absicht des Freiherrn zu widersctzen. Gemeinsam mit den drei Herren kehrte der Freisten in sein Gemach zurück, wo ein ausgezeichnetes Frühstück ser viert war. Gegen Mittag verließe» Notting und Bergheim Schloß Rotburg und Dokwr Jules blieb zurück. Er hatte den Sieg über seine Kollegen davon getragen, und seine Abreise mit dem unglücklichen Mädchen nach seiner An stalt, die zugleich auch ein Asyl für Geisteskranke war, ward auf denselben Astend festgesetzt. Ihm, dem Irrenärzte, war Noras ferneres Schicksal an vertraut worden. 11. Nma war allein in dem Gcmack)c zurückgeblieben, denn auch Fräulein Erdmann hatte sie bald darauf verlassen, da der Freiherr sie zu sprechen wünschte. Sie saß noch an dem Fenster, die Hände im Schoße gefaltet, und blickte nachdenklich vor sich nieder. Es stürmten so viele Gedanken auf sie ein, daß sie kam» wußte, an welchen sie sich halten sollte. Eines nur war ihr klar geworden — sie sollte fortgehen von hier, von der Stätte, an welcher sie mit lcidenichattlicher Liebe hing, von dem Platze, Ivo die sterblichen Reste ihrer geliebten Eltern ruhten. Ja, sie fühlte, daß sie fortgehen mußte, und zwar mit dem Manne, dessen Anblick ihr unwillkürlich einen solchen Schandcr einge flößt hatte, daß ihr Blut in den Adern zu erstarren drohte. Nora war nickst immer ein selbständiges, nachdcnkendes Wesen, sie war cs erst geworden, und zwar erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit. So lange ihr Vater lebte, ward sie wie ein kostbarer Schatz behütet und bewacht, von Liebe und Ucberfluß umgeben. Nach seinem Tode nahm sich ihrer der Frei herr v. Minkwitz an, aber in einer Weise, die daS sanfte, schüchterne Mädchen nicht allein abstieß, sondern cs auch scheu und furchtsam machte. Es wurde ihr täglich, fast stündlich vorgchalten, welch sckpvcre Last dem Freiherr» durch sie aufgebürdet worden war: daß ihr zärtlich geliebter Vater nichts als Schulden hinterlassen, und dergleichen Dinge. Nora ivar gänzlich hilflos. Nickst allein, daß sie an keinerlei Arbeit gewöhnt war, sondern eine Anzahl Diener zu jeder Zeit bereit war, ihre kaum ausgesprock>enen Wünsche zu erfüllen, sic hatte niemals die leiseste Ahnung gehabt, das; sie in der Tat arm sein könne. Dennoch hatte es für sie nichts Sckynerzliches, das Gnaden brot zu essen, eS war ja ihrer Meinung nach etivas so durchaus Selbstver- ständlickies, daß der einzige Bruder ihres Vaters sich ihrer annahm, als sie keinen Versorger mehr hatte. > > ..Ein Kind des Südens.» LZMULULLIML lWL n 1