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Nr. rss — o. Jahryaug Sonntag de« 6. November LVIt> SWMHMsreitilllg Eriche tiü täglich nach«. mU «utnahme der Sonn- und Zeittage. «»Saabe L.i MU .Die ZeU in Wort und Blld- biertetjLhrltch »,»0 Fk In Dre»den durch Boten » 40 Fk. In »an, D«üschland Uet HauS »,8» Ft. «,«aa»« ».: Ohne illustrierte Beilage vierteil 1.80 F». I, Dresden d. Boten » »O Ft. In ganz Deutschland sret Hau» ».«» Ft. - «inzei-Nr. »04- 8eitung»vr-i«l. Nr. «888. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht and Freiheit Inserate werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit »8 4, Reklamen mit 80 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt vnchdrmkeret, Redaktion und Geschäftsstelle : Dresden, Pillni-er Strafte 48. — Fernsprecher IS«« gtirRückgabe uuverlaua». Schriftstücke keine iverbtndltchkett RedattionS-Sprechstunde: »»—»» Uhr. Gesehesverlehungen oben und unten. Man schreibt uns aus Berlin: Die Moabiter Unruhen gaben uns Gelegenheit, mit aller Entschiedenheit zu betonen, daß die dabei vorgekom- menen Verletzungen streng zu ahnden seien. Der „Vor wärts" wollte aber davon nichts wissen; er forderte also Straffreiheit für seine Radaubrüder, denn um solche han delt es sich. Die Arbeiterschaft als solche verbittet es sich mit allem Nachdrucke, daß der Moabiter Mob ihr an die Rockschöße zu hängen versucht wird, wie es die rote Presse aus Agitationsgrllnden tut. Der ehrliche und anständige Arbeiter will von einer solchen Gesellschaft nichts wissen und wendet sich von derselben ab. Er fordert ebenfalls, daß man gegen die Tumultuanten die Strenge des Gesetzes walten läßt. Mit der gesunden starken Arbeiterbeweg!..:g haben diese Ausschreitungen nichts zu tun. Wir fordern die Strenge des Gesetzes aber auch nach oben hin. Nsach verschiedenen Berichten sind gegenwärtig in Berlin eine Anzahl von Duellen im Gange, von denen eins — angeblich zwischen einem General und einem Landrat — mit dem Erfolge der schweren Verwundung des einen Duellanten schon zum Austrage gekommen sein soll. Die demokratische „Franks. Zeitg." knüpft daran folgende Be merkungen: „Diese Art von Gesetzesverhöhnung sind wir ja leider schon gewöhnt; wenn sie hier gleich im großen getrieben wird, so beweist das, wie unverfroren die sogenannten Stützen von Thron und Altar — denn das sind ja die pri vilegierten Duellraufbolde — Gesetz und Recht mit Füßen treten, und wie wenig ernst es die höheren Stellen mit der Unterdrückung des Duells nehmen. Und die gerichtliche Ahndung? Wie es damit aussieht, dafür ist die weitere Mitteilung kennzeichnend, daß der Polizei, die auf Grund einer Anzeige von zwei Soldaten über das Duell Verneh mungen anstellen wollte, dies von der Militärbehörde untersagt und den Soldaten eine Aussage über ihre Beob achtungen verboten sein solle. Danach sind also, wie ja auch vorauszusehen war, Offiziere am Duell beteiligt. Die Militärgerichte denken aber über Duelle sehr milde und können auch nicht anders, so lange die Duellpflicht für Offi ziere anerkannt wird. Daß das Kriegsministerium dagegen etwas Durchgreifendes tun wird, glaubt kein Mensch mehr." Die Bemerkungen des demokratischen Blattes sind sehr bitter, aber leider enthalten sie nur allzuviel Wahres. Welch bitterer Hohn liegt darin, wie das demokratische Blatt seine Ironie über die „Stützen von Thron und Altar" ausschütten und die privilegierten Verächter des göttlichen und mensch lichen Gesetzes öffentlich an den Pranger stellen kann! Es geht in der Tat nicht an, den Duellunfug und insbesondere die Duellpflicht im Heere länger aufrecht zu erhalten. Gegenüber der sozialdemokratischen Auflehnung gegen Ord nung und Gesetz verlangt man, daß jede Ungesetzlichkeit mit unbeugsamer Strenge unterdrückt und sofort geahndet werde. Und da soll das Duell im Heere, das doch auch straf rechtlich verboten ist, nicht nur geduldet, sondern es soll so gar die Duellpflicht für Offiziere beibehalten werden! Mag das Kriegsministerium sich gegen die Abschaffung der Duell- Pflicht immer noch sträuben, die letztere muß und darum wird sie beseitigt werden. Nur steht dem Frankfurter Blatte der Hohn sehr schlecht: denn eine seiner Größen, der Abge ordnete v. Payer, hat vollständig versagt, als aus dem Zen trum bei der Beratung des Offizierspensionsgesetzes der Antrag gestellt wurde, Offizieren, die im Duell standen, keine Pension zu geben. Während sich das gesamte Zen trum für den Antrag erklärte, sprach Herr v. Payer sich gegen diesen aus mit der sonderbaren Motivierung, er könne sich noch Fälle denken, in denen ein Offizier sich eben duellieren müsse. Der Antrag wurde dann leider infolge der Haltung der Freisinnigen abgelchnt. Also heute nicht so entrüstet tun. Das Zentrum war immer der schärfste Gegner des Duells; es hat nach fast jedem bekannt gewor denen militärischen Zweikampfe interpelliert und es an Deutlichkeit nicht fehlen lassen. Die Beratung des Straf gesetzbuches wird Gelegenheit geben, diese Ansicht zum Durchbruche zu bringen. Man stelle einfach Duell und Kör perverletzung auf eine Stufe und behandle den Duellan ten nicht günstiger als den Raufbold von der Straße. Man könnte sogar dem Duellanten die bürgerlichen Ehrenrechte absprechen, denn er vergeht sich gegen eine Grundlage d-eS Staates; statt dem ordentlichen Gerichte seinen Gang zu lassen, greift er zur Selbsthilfe. Diese offenkundige Ge- setzeSverletzung von oben ist noch schlimmer als die Moabiter Vorkommnisse, da sie dem Staate Hohn sprechen und daS schlimme Beispiel böse wirken muß. Man darf es aber auch offen sagen: ein Wort und Verbot des Kaisers würde daS Duell sofort ausrotten! Wenn der Kaiser erklärt: Duellan ten dulde ich nicht im Heere, so ist der ganze gesetzverletzende Mumpitz aus. Hat kein Minister den Mut, diesen Vorschlag einmal offen dem Kaiser zu unterbreiten? Rom und die Leichenverbrennung. Nach der Meldung mehrer liberaler Blätter Sachsens „soll" Nom seinen „Widerstand gegen die Feuerbestattung aufgegeben" und den katholischen Priestern die Teilnahme im geistlichen Kleide zum Zwecke der Einsegnung erlaubt haben. Ohne auf ein Dementi zu warten, können wir be stimmt erklären, daß dieser „Widerstand" sicher nicht auf gegeben wird. Es dürfte aber ganz interessant sein, einige Beweggründe zu diesem Verbote näher zu erläutern. Vor allem muß zugegeben werden, daß die Feuerbestattung keiner christlichen oder geoffenbarten Wahrheit widerspricht. Die Feuerbestattung an und für sich leugnet weder die Un sterblichkeit der Seele noch die Auferstehung des Fleisches. Ueberdies wird die Trennung des Leibes von der Seele, der entseelte Leichnam schon durch natürliche Vorgänge in seine Teile aufgelöst und es ist an und für sich ganz gleich gültig, ob diese Zersetzung in feuchtem Boden oder durch Feuer vollzogen wird. Warum also verbietet die Kirche so streng die Leichenverbrennung? Die ganze Frage wird hin reichend gelöst, wenn wir wissen, wer diese Bestattungsart cingeführt hat und welche Ziele damit verbunden werden. Es waren und sind grimmige Feinde der katholischen Kirche, die an Stelle des Sarges die Urne haben wollen. Es ist eine der vielen Parolen der Dreipunktebrüder, wo durch sie allmählich christliche Sitten in heidnische Gebräuche überführen wollen. Die ernsten Mahnzeichen, die der ka tholische Friedhof auch dem Zeitalter der Kraftwagenge- schwindigkeit noch immer zuruft, sollen verschwinden. Außerdem soll durch die Verbrennung die gänzliche Ver nichtung oder wie sie es wissenschaftlich ausdrücken, die Annihilation des Menschen dargestellt werden. Ist aber eine „gänzliche Vernichtung" eingetreten, dann ist es auch aus mit einer Auferstehung in dem gleichen Leibe, den der Mensch bei Lebzeiten sein eigen nannte; damit sind aber die Anhänger der Feuerbestattung bei der Leugnung christlicher Wahrheit, nämlich des Fortbestandes der Seele für die ganze Ewigkeit und der Auferstehung des Fleisches an gelangt. Da also die Feuerbestattung unter den beschriebenen Umständen die Anerkennung sittlich unerlaubter Ziele in sich schließt, ja theoretisch und praktisch der Leugnung ka tholischer Dogmen gleichkommt, so ist sie auch ohne Verbot der Kirche schon unerlaubt. Auf die Widerlegung der Gründe, die die ästhetische und ökonomische Seite der Feuerbestattung betonen, brau chen wir gar nicht einzugehen, da sie tatsächlich Luftgebilde sind und hinreichend von Fachmännern widerlegt wurden. Außerdem kann wahre Aesthetik nie in Widerspruch sein mit den unverrückbaren Normen der Wahrheit. Daß tat sächlich nur wegen der oben beschriebenen Tendenzen die Feuerbestattung kirchlich verboteil ist, beweist die Tatsache, daß in allen Fällen wegen öffentlicher Wohlfahrt, wie zum Beispiel zur Abwendung von Ansteckungsgefahr, kein Ver bot besteht, den Leichnam der an Infektionskrankheiten Ver storbenen zu verbrennen. Politische Rundschau. Dresden, den 5. November 1910. — Der Kaiser von Rußland wurde bei seiner Ankunft auf der Wildparkstation vom Kaiser in Gegenwart des Reichskanzlers und der anwesenden Prinzen empfangen. Beim Einlaufen des Zuges spielte die Musik die russische Hymne. Kaiser Nikolaus, in der Uniform des Regiments Alexander mit der Blechmütze und dem Bande des Schwär- zen Adlerordens, entstieg dem Salonwagen. Die Mon archen umarmten und küßten sich wiederholt. Bei der Fahrt nach dem Neuen Palais mit Eskorte vom Regiment der Gardes du Corps begrüßte das versammelte Publikum die Monarchen. Bei der Einfahrt von der Gartenseite des Neuen Palais erwies eine Ehrenkompanie vom Ersten Garderegiment zu Fuß die Honneurs. Die Kaiserin und die Prinzessinnen erwarteten den kaiserlichen Gast in« Muschelsaale des Neuen Palais. Hier fand Empfang statt. Um 1 Uhr mittags war Familientafel. Kaiser Nikolaus machte nach der Frühstückstafel Besuche bei den hier an sässigen Fürstlichkeiten. Kaiser Wilhelm empfing abends den Verweser des russischen Ministeriums LeS Aeußeren Herrn Sosonow, Kaiser Nikolaus den Reichskanzler v. Beth- mann Hollweg und darauf den Staatssekretär v. Kiderlen- Wächter. Während der Galatafel tranken die Souveräne sich einander zu unter Austausch freundlicher Worte. Kai ser Nikolaus führte bei Tische mit der Kaiserin und dem Kaiser eine überaus angeregte Unterhaltung. Kaiser Niko laus trank dem Reichskanzler, Kaiser Wilhelm Herrn Soso- uow und Baron Frederick zu. Nach der Tafel hielten die Majestäten im Muschelsaale Cercle. Zu Ehren SosonowS. findet heute Frühstück bei Herrn v. Kiderlen-Wächter und abends Diner beim Reichskanzler statt. — Im BundrSrate wurde dem Entwürfe eines Ge- setzeS betreffend den Schutz des zur Anfertigung von Reichs banknoten verwendeten Papieres gegen unbefugte Nach- ahmung die Zustimmung erteilt. — Im Wahlkreis Glogau liegen Liberale und Frei sinnige im Kampfe. Mehrere Blätter melden, daß dort der Bauernbund als ReichStagskandtdaten den national- liberalen Landwirt Wilhelm Knetschke als Kandidaten auf gestellt habe. Der Wahlkreis Glogau ist seit dem Jahre 1884 fortschrittlicher Besitzstand und wird seit 1898 von dem Abg. Hoffmeilter vertreten. Bei den Wahlen 1907 erhielt dieser im ersten Wahlgange 3774 Stimmen, der Konservative 4711, das Zentrum 2558 und der Sozial demokrat 2179. In der Stichwahl behauptete Hoffmeister den Kreis mit 7127 Stimmen gegen 6387 Konservative. „DaS nationalliberal-bauernbündlerische Vorgehen würde danach nur die eine Tendenz haben, den Fortschritt zu gunsten von Zentrum oder Sozialdemokratie aus der Stich wahl zu drängen," meint bekümmert daS „Berl. Tagebl.". Für das Zentrum ist dieser Vorgang ein doppelter Anlaß, sich recht tüchtig zu rüsten, da es das nächste Mal die Entscheidung geben kann. — Die Broschüre „Köln, eine innere Gefahr für de» Katholizismus" ist von dem Verleger Dr. Dtetzsch aus dem Buchhandel zurückgezogen worden. — Kommerzienrat Paul Cahensly begeht am Sonn abend die Feier des Silberjubiläums als Abgeordneter füp Limburg, das er seit 1885 im preußischen Abgeordneten hause vertritt. Von 1878 bis 1963 hatte er auch das Man dat für den Reichstag inne. Dieses seltene Jubiläum ehrt den Wahlkreis und den Abgeordneten, die sich so die Treue hielten. Kommerzienrat Cahensly verdient freilich auch diese Treue, denn er ist das Muster eines gewissenhaften Abgeordneten, guten Katholiken und treuen Staatsbür gers. Seine gesamte öffentliche Wirksamkeit ist unser Stolz. Was er als langjähriger Präsident deS Raphaels- Vereins für die Auswanderer getan hat. ist gar nicht aufzu, zählen; da hat er dem Reiche unermeßliche Opfer gebracht. Was wir aber heute besonders hervorheben wollen, das ist der Umstand, daß ein so tüchtiger und erfolgreicher Kauf mann dem Zentrum angehört und hier ein reiches Feld für seine politische Betätigung gefunden hat. Man brauchte nicht den Hansabund, um diesen genialen Geschäftsmann für das öffentliche Leben zu gewinnen. Möge Abgeordneter Cahensly noch viele Jahre mit alter Treue und in der bis herigen Beweglichkeit dem Zentrum erhalten bleiben; das ist der Wunsch, den alle Zentrumsanhänger, die den tüchtigen und bescheidenen Mann kennen lernten, heute zu seinem Jubiläum aussprechen. — Eine vernichtende Kritik der Blockpolitik hat sich der Abgeordnete Kopsch laut „Freis. Zeitg." in Waldshut ge leistet. Er wählte die Form des Angriffes gegen daS Zen trum und erklärte: „Seit den 90er Jayren ist das Zen trum so stark, daß es in Verbindung mit anderen Parteien im Reichstage die Mehrheit bildet. Seit eben dieser Zeit wurde geradezu gewissenlos gewirtschaftet. Zu allen Re gierungswünschen wurde „Ja" gesagt, um sich die Regie rung willfährig zu machen, für Deckung aber wurde nicht gesorgt. Seit vier bis fünf Jahren genügten die Einnah men nicht mehr, um nur die laufenden Ausgaben zu decken; es kamen aber auch Neuausgaben für Schiffe, Südwest afrikafeldzug, Erhöhung der Beamtengehälter und der gleichen mehr. Steuern sind unpopulär. Damit die Mehr heitsparteien nicht unpopulär wurden, schritt man zur An leihepolitik und machte 5 Milliarden Schulden, die mit auS der Schüssel essen." Gegenüber diesen Behauptungen, die alle für die Blockpolitik sehr zutreffend sind, seien folgende Tatsachen in die Erinnerung zurückgerufen: 1. So lange der Freisinn mit dem Zentrum ging, konnte das Reich 142 Millionen Mark Schulden tilgen. 2. Im Blockreichstage sind rund 1200 Millionen Mark Schulden gemacht worden und die vom Zentrum 1906 gesetzlich beschlossene Schulden tilgung setzte der Blockreichstag außer Kraft. 3. Der neue Etat erst ist wieder ganz in Ordnung mit erhöhter Schul dentilgung. 4. Der Blockreichstag hat das neue Flotten gesetz ohne Deckungsmittel angenommen und den Antrag des Zentrums abgelehnt. 5. Für den Südwestafrikafeldzug haben die Freisinnigen mehr Gelder bewilligt als das Zen trum; sie haben auch den Antrag desselben, die reichen Ge- sellschaften zu den Kriegskosten heranzuziehen, abgelehnt. 6. Bei der Beamtenaufbesserung wollten die Freisinnigen 17 Millionen Mark mehr ausgeben, ohne daß sie einen Pfennig an neuen Steuern genehmigten. So hat also in Wirklichkeit der Abgeordnete Kopsch die eigene Politik am schärfsten verurteilt. Wenn er dabei noch die Unwahrheit hinzufügte, daß der Abgeordnete Erzberger die Seife unv damit die Reinlichkeit besteuern wollte, so genügt die Fest stellung der Tatsache, daß bei der Parfümsteuer alle Seifen bis zu 60 Pfennig das Stück steuerfrei sein sollten. Wenn