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in irgend welchem Zusammenhang steht, vermag der Ge währsmann nicht anzugeben: jedenfalls aber ist es ein Be weis dafür, was in Südamerika alles möglich ist. Verlangen Sie die kostenlose Zusendung von Probenummern der „Sächsischen Volkszeitung". Die Wahlsrdnu-g für die Duma. Tie bisherigen Meldungen über die Wahlordnung für die Reichsduma erfahren nun ihre notwendige Ergänzung durch die von seiten der russischen Regierung veröffentlichte Wahltabelle. Diese ist nickst nur wegen ihrer staatspoliti schen Bedeutung interessant, sondern auch als die neueste Be völkerungsstatistik des Zarenreiches. Aus dieser Tabelle geht hervor, daß die erste Angabe von 412 Abgeordneten zu korrigieren ist. Soviel inan wahr- nehmen kann, hat Rußland 360 Abgeordnete für die 51 Gouvernements, 28 für die Städte zu tvählen. Es fehlt nun noch die Ausstellung für Polen, die asiatischen Herrschaften und den Kaukasus. Man muß, die Bevölkerungsdichte in Rechnung ziehend, annehmen, daß die Zahl von 412 Ver tretern für alle Gouvernements gilt und die 28 Städtedepu tierten besonders zn zählen sind, so daß man niit einer Duma von 440 Mitgliedern zu rechnen hätte. Uebrigens sind noch genaue Daten zu envartcn. Tie Wahltabelle stellt sich folgendermaßen dar: Äonvevnements. Ein- I Ein- Archangel wohner ^ . . . . 846 536 ^ 2 Ageordnete. Kurland. . . . . 672 684 Olonez . Petersburg . . . 2 112 033 Stawropvl . . . . 876 298 Estland . . . . . 418 724 ! je 3. zus. 15 Abg. Livland . . . . . 1 300 640 ! Pskvw . . . . . 1 122 817 Jaroslaw . ... 1 072 478 je 4, zus. 12 Abg. Wologda . . . . 1 341 785 Kaluga . . . . . 1 182 848 I Tula . . ... 1 482 748 ! je 5. zus. 15 Abg. Wilna . . ... 1 591 207 j Witebsk . . . . . l489 246 Wladimir . . . . 151 596 j Koivno . . ... I 549 444 Kostroma . . . 1387 015 Moskau . . . . . 2 488 356 j Nischgorod . ... 1 584 774 Nowgorod . ... 1 367 022 Pensa . . ... I 470474 Simbirsk . . . . 1 549 461 Smolensk . ... I 551 068 Tauvien. . . . . 1 443 566 je 6, zus. 72 Abg. Grodno . . . . . 1 617 859 Mohilew ... 1 686 764 ! Orenburg . . . . je 7, zur 2l Abg. Bessarabien . . . Ore! Rjäsaa Twer je 8. zn,'. .82 Abg. Jekaterinoslaw . . Minsk Kasan je 9. zus. 27 Abg. Kursk Saratow . . . . llf„ Charkow .... T'chernigow . . . je 10, zus. 50 Abg. Woronelch .... II Abgeordnete. Poltawa .... Samara Tambow .... je 12, zus. 86 Abg. Wolhynien.... Wjatka Perm Podolien .... je 18, zus. 52 Abg. Kiew 15 Abgeordnete. wohncr I 600 888 1 933 436 2 054 749 1 802 1 96 1 612 825 2 112 651 2156 >2! 2 170 665 2 396 577 2 419 884 2 196 642 2 509 811 2 297 775 2 513 253 2 794 727 2 768 478 2 715 458 2 997 902 8 082 788 8 008 208 8181513 8 576 125 Die Städte. Ein- Ein- Petersburg. . . wohner wohner . 1 264 S20 Kiew . . .... 247432 6 Abgeordnete KurSk . . .... 5389« Moskau .... 4 Abgeordnete. . 1038 59t Riga . Nischgorod Orel . . .... 282943 .... Si-053 .... 69858 Astrachan . . . 112 880 Samara . . . . . Vl072 Kischenew . . . 108 7S6 Saratow . . . . . I37 10S Wilna ... 154 532 Tula . . . . . . 111049 Woronesch . . . 80 59S Charkow . .... 174846 Rostow .... 119 88S Odessa . . . . . . 405 041 JekaterinoSlaw . 121 126 JaroSlaw. . . . . 70710 Kasan .... 129 959 je 1. zus. 18 Abgeordnete. Pslitifche Rrmvschsm. — Die südwestafrikanische Eisenbahn Lüderitzbucht— Äubub findet bereits die eifrigste Empfehlung in der Nat. Korresp., die da nieint: „Die unbedingte Notwendigkeit dieses Baues drängte sich durch die im März erschienenen amtlichen Darlegungen über den Verlauf des Aufstandes in Südwestafrika gebieterisch auf und hat sich durch die weiteren Ereignisse und durch die ungeueren Schwierigkeiten der Ver proviantierungen unserer im südlichen Teil der Kolonie unter äußersten Entbehrungen kämpfenden Truppen immer mehr als unerläßlich erwiesen." Also hier wird die Linie als eine militärische Notwendigkeit bezeichnet; will man denn die Truppen so lange im Lande lassen, bis diese Bahn erstellt ist? Einige Zeilen nachher spricht die Natl. Korresp. auch von wirtschaftlichen Gründen, ohne nur eine derselben zu nennen; ein solcher kann aber für dieses Sandmeer nicht ins Feld geführt werden. Der Bahnbau würde Millionen verschlingen, ohne daß er entsprechenden Nutzen hat. Aber trotzdem fügt die Natl. Zeitung dieser Meldung bei: „Wir können nach unserer Kenntnis der Dinge bestätigen, daß tar- sächlich die Absicht besteht, dem Reichstage im Winter eine Eisenbahnvorlage Lüderitzbucht—Kubub zu unterbreiten. Zugleich steht ja das angekündigte Projekt Windhuk-Rehoboth noch ans. lieber die dringende Notwendigkeit beider Bahnen für die Kolonie in Kriegs- und in Friedenszeiten brauchen wir kein weiteres Wort zn verlieren. Sie ist in allen Ko lonialkreisen längst anerkannt." Mehr nicht! Also immer neue Millionen in diese Sanüwüste stecken! Was aber an dieser hochmütigen Notiz empört, ist der Satz, daß „alle Kolonialkreise" für diese Bahn seien. Damit soll dem Leser wohl imponiert werden; wenn man keine Gründe mehr ins Feld führen kann, spricht man von „allen Kolonialkreisen". Wer sind nun diese? In erster Linie lauter Leute, die an den Kolonien ein persönliches Interesse haben, die durch diesen Bahnban (Held verdienen wollen; das sind „alle Ko- lonialkrcise". Und für deren egoistisches Interesse soll das ganze Reich bluten! Nun ist das aber ein sehr plumper Schwindel, daß alle Kenner des Landes für die Linie Lüderitzbucht -Knbub seien; gerade die besten Techniker haben die Erbauung dieser Linie für einen förmlichen Wahn sinn erklärt: da sie nur durch Sandhügel führt und der Sturm jeden Tag solche Sanddünen aufwirft, daß an einen Betrieb gar nicht gedacht werden kann. Wir liaben das Vertrauen zu dem Reichstage, daß er durch diese tollen Ideen einen dicken Strich macht. Der sozialdemokratische Parteivorstand beginnt eben I mit -er Publikation seines Jahresberichtes. Es macht ihm hierbei sehr viel Kummer, den Rückgang -er sozialdemokra- tischen Stimmen bei allen Reichstagsersatzwahlen konstatie ren zu müssen. Er sucht hierfür folgenden Erklärungs- grund: „Wo die Massen in Bewegung sind, machen wir Fortschritte, das beweist die eine Ausnahme: das Wahlre- sultat in Fürth-Erlangen, dort waren die Massen durch die wenige Tage voraufgegangene bayrische Landtagswahl in Bewegung gesetzt. Die zur Landtagswahl geschaffene Or- ganisation war noch in Wirksamkeit und dadurch wurde der Fortschritt erzielt. Eine Klage, die vielfach geführt wird, verdient Beachtung. Es wird darüber geklagt, daß die Geg- ner früher nie mit solcher Energie, solcher Rücksichtslosigkeit und solcher Skrupellosigkeit in der Wahl der Mittel, den Wahlkampf geführt haben, wie bei den jetzt stattgefundenen Nachwahlen." Der Parteivorstand fürchtet auch nichts so sehr, als daß die bürgerlichen Parteien gegen die Genossen immer enger zusammenstehen werden. An anderer Stelle des Berichtes liest man: „Sehr zu bedauern sind die For men, in denen oft in der Parteipresse Meinungsverschieden heiten zum Austrag gebracht tvurden. Jede sachliche Dis kussion trägt dazu bei, das Denken der Leser zu schärfen und unsere Grundsätze zu erweitern und zu vertiefen. Mehr fach haben die Genossen die sachliche Diskussion verschmäht und sind zum persönlichen Streit übergegangen. Dieser schließt jede sachliech Diskussion aus. Es war manchmal aus den Artikeln nicht mehr zu ersehen, daß die Streitenden als treue Kameraden im Kampfe für die Befreiung des Prole tariats kämpfen, sondern man konnte eher annehmen, daß sich die Genossen gegenseitig als lästige Konkurrenten be trachten, die glaubten, sich in der Achtung herabsetzen zu müssen. Bei einigen solchen Kämpfen wurde der Partei vorstand genötigt, einzugreifen." Durch diese Stelle wird der erste Ton für die Katzenmusik in Jena angesetzt, es nM ja serh hübsch daselbst werden. — „Die Zukunft Rußlands und Japans." Unter die sem Titel hat der durch mehrere nicht unbedeutende volks wirtschaftliche Veröffentlichungen bekannte Regierungsrat im Kaiserlichen Statistischen Amte Rudolf Martin im Ver lage von Karl Heymann in Berlin (Preis 4 Mark) ein Buch erscheinen lassen, das jedenfalls nicht geringes Aufsehen er regen wird. Der Verfasser glaubt feststellen zu können, daß die Lage der russischen Landwirtschaft ebenso hoffnungslos sei, wie die der russischen Finanzen. Ihm erscheint der rus sische Staatsbankerott in jedem Falle unvermeidlich (??), da er den Nachweis führen zu können glaubt, daß das Defi zit in der russischen Zahlungsbilanz in den kommenden zehn Jahren durchschnittlich 600 Millionen Mark betragen werde. Auf grund dieser seiner Ueberzeugung erhebt er mit be sonderer Emphase Einspruch gegen jede weitere russische An leihe an deutschen Börsen und rät den deutschen Kapitalisten, seine russischen Papiere im Laufe der kommenden Monate und Jahre in aller Ruhe abzustoßen. Wenn in der Einlei tung, die dem Werke beigefügt ist, hervorgehoben wird, es werde in der ganzen Welt das größte Aufsehen erregen, daß ein Mitglied des Kaiserlichen Statistischen Amtes unter sei nem Namen und voller Verwendung seines Adelstitels öffentlich gegen jede weitere russische Anleihe an deutschen Börsen Einspruch erhebt, so halten wir das auch für wahr- schcinlich. Ob dieser Einspruch innerlich gerechtfertigt sei — 58 - wohnheit getreu, spazierte sie stundenlang in dem einige hundert Morgen großen Parke und suchte besonders den waldigsten Teil desselben gern auf. Ihr Lockentopfchen auf die Brust gesenkt, schritt sie gedankenvoll dahin, manchmal eine Träne trocknend, die sich unwillkürlich in ihre Augen gestohlen hatte, deren Blick und Ausdruck dunkler und tiefer geworden war. Es war der Tag der Sonnenwende, der St. Johannistag, und der Her zog gab Befehl, diesem Feste zu Ehren die Tafel mit Blumen zu schmücken. Diese Feier rief Martha die vergangene Zeit zurück, wenigstens glaubte sie es, denn sie nahm nicht wahr, daß die früheren Ereignisse auf ihren einsamen Spaziergängen ihre beständigen und einzigen Gefährten waren. Vor einem Jahre hatte sie Sandor am Johannistage ein kleines Sträußchen gegeben. Am Ende des Weges stand ein Tisch und mehrere aus Rohr geflochtene Lehnstühle, sie ließ sich auf einen von ihnen nieder, lehnte die Arme auf den vor ihr stehenden Tisch und begrub ihren Kopf hinein. Stilles Schluchzen er schütterte ihre Glieder. Sie bemerkte nicht die Hobe, kräftige Männergcstalt, die sich vom Parkgitter her nälierte und hörte seinen leisen Schritt nicht. Er blieb neben ihr stehen und heftete seine Augen in Liebe und Teilnahme auf sie. Unter der zauberhaften Macht dieses Blickes erhob sie plötzlich ihr Haupt. „Sandor!" rief sie aufspringend und einen Augenblick alles vergessend, faßte sie des Jünglings Hand und schaute mit brennenden Blicken und zittern den Lippen ihm ins Gesicht, doch schnell ließ sie die Arme sinken, erstarrt und stumm stand sie auf ihrem Platze und schlug die Augen zu Boden. „Martha," rief mit liebendem Ausdruck Ezedy, aber die Stimme, der Name zerstörte ihrer Träume unerwartete zauberhafte Erfüllung; Martha verschwand und Herzogin Odille stand vor dem jungen Manne. „Wolier kommen Sie?" fragte sie befangen, aber mit ruhigem Lächeln, „sahen Sie schon meinen Mann? Ich hoffe, Sie sind als Gast im Schlosse hier." Sandor trat überrascht einen Schritt zurück, und sein Gesicht nahm einen schmerzlichen Ausdruck an. „Niemals," rief er leidenschaftlich aufflammend, „niemals werde ich Hugo Odilles Gast." Martha schwieg einen Augenblick. „Also kommen Sie heimlich, erlauschten, bis Sie mich ans dem abseits gelegenen Ort allein trafen," sagte sie tranig und ließ sich auf den Stuhl nieder, den Kopf in die Hand gestützt. „Martha," sagte der junge Mann, und sein Gesicht wurde flammenrot. „verzeihen Sie meine Tollkühnheit, aber ich verlasse das Land für lange Zeit und hatte nicht die Kraft abzureisen, ohne Sie noch einmal gesehen zu haben und Sie zu fragen, ob Sie glücklich sind." Mattlw richtete ihre Augen so durchdringend und forschend auf ihn, daß Ezedy verlc-gen vor ihr stand. „Verlangen Sie das wirklich zu wissen?" fragte sie mit ernster Stimme. „Und was für einen Zweck soll die Antwort haben? Gereicht es Ihnen znm Glück, wenn ich unglücklich bin, oder wollen Sie meine Ruhe verwüsten, diesen einzigen Schatz, den ich besitze?" „Martha," rief der junge Mann und fiel der jungen Frau zn Füßen. „Das Gerücht liegt also, Sie wählten Odille nicht aus Liebe, sondern der Zwang leitete ihre Schritte, und Ihr Herz gehört immer noch mir?" Martha entzog ihm leise ihre Hand. „Setzen Sie sich auf diesen Stuhl," sagte sie dumpf, und ihre Stimme zitterte so, daß Sondor sie voll Angst betrachtete. „Setzen Sie sich," wieder holte Martha, „und hören Sie. Wir beide sind für die Ewigkeit getrennt und fürs Leben für einander gestorben, aber zweifeln Sie keinen Augenblick, daß ich nur Sie geliebt habe und auf Erden niemals einen anderen lie ben werde." „Martha!" „Versuchen Sie nicht, mir auf verbotenen Wegen zu begegnen, fragen Sie mich nie mehr, ob ich Sie liebe, denn es wäre doch alles umsonst. Dies ist mein letztes Bekenntnis, und von nun an werden sich diese Lippen nur noch zu den allergleichgllltigsten Gesprächen öffnen." „Aber welche Schicksale, welche Jntriguen trieben Sie zu dem Schritte? Aus welchem Grunde wurden Sie nicht meine, sondern Odilles Frau?" sagte verzweifelt der junge Mann. „Warum ich den Schritt tat, kann ich nicht sagen, denn ich müßte Per sonen anklagen, iiber deren Fehler zu sckstveigen für uns Pflicht ist. Fügen Sie sich in das Unvermeidliche, Sandor, blicken Sie auf mich, ich habe mich beruhigt." Der junge Mann blickte teilnehmend in ihre Züge und lächelte traurig, denn ihre Stimme und bebenden Lippen zeigten das Gegenteil ihrer Behaup tung, und Ezedy sah deutlich, was sie unter der erzwungenen Ruhe litt. „Bei dieser Entscheidung beruhige ich mich nicht, Martha," rief er heftig, „und ich gehe nicht fort, bis Sie mir erlauben, wenigstens Ihr Freund zu sein." „Gut, bleiben Sie an meiner Seite, teilen Sie die guten und schlechten Stunden mit mir, aber nicht im Stillen, wie ein Aicb, nicht auf unehrenhafte Art, sondern als Gast dieses Schlosses. Erscheinen Sie in meinen Salons, so wie cs Sandor Ezedys würdig ist, über Herzogin Odilles Schwelle zu treten und auf diese Weise werden Sie immer ein mit Freuden gesehener Gast in Balkanfalva sein." Sandor strich sich mit der Hand über die Stirn. „So sei es denn — warum auch sollte ich Sie fliehen?" sprach er erregt. „Soll ich, der Mann, geringeren Tugenmut zeigen als Sie? — auf morgen also, Herzogin!" fügte er hinzu, sich tief vor Martha verneigend. Sie machte keine Bewegung, noch schaute sie dem jungen Manne nach, als er mit schnellen Schritten den Weg entlang ging und durch ein kleines Pförtchen auf die Land- sti-aße hinaustrat. Da schlug Pferdegetrapp an sein Ohr, und bald galoppier- ten Klemenze, Graf Banody, Isidora und Julius an ihm vorüber. Klemenze erwiderte seinen Gruß mit solchem Spott, daß sich das Gesicht des jungen Mannes mit dunkler Röte überzog. 18. Das Johannisfest verlief trotz der glänzenden Vorbereitungen in ernster Stimmung, denn die Herzogin hatte nicht bei Tisch erscheinen können. „Nach ihrem gewöhnlichen Spaziergange im Park kehrte sie totenblaß und zitternd zurück und hat sich sogleich niedergelegt," sagte Hugo düster auf die Fragen, „und seitdem liegt sie bewegungslos und fast ohne Bewußtsein." Am nächsten Tage war Martha noch immer angegriffen und konnte das Zimmer nicht verlassen. Bei jedem Wagengerassel fuhr sie zusammen und bedeckte das. Gesicht mit den Händen. KIM.