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2. Beilage z« Nr. ISS der „Sächsische» Volkszcitung" vom SV. August IVOS. K Gin Mesengewirru. Die Internationale Bohrgesellschaft hat ihre sämtlichen Kohlenfelder in Rheinland-Westfalen an ein Konsortium von Kohlenproduzenten verkauft, das heißt im wesentlichen an das Kohlensyndikat. Sie hat hierfür 35 Millionen er- lullten, während ihr gesamtes Aktienkapital nur eine Million Mark beträgt und hiervon sind 800 000 in den Händen des Scbafshausenschen Bankvereins, der somit einen Gewinn von über 27 Millionen in die Tasche steckt! Und wer mutz diese Riesensumme bezahlen? Niemand anders als die Allgemein- lunt! Durch höhere Kphlenpreise werden diese Gelder wieder aufgebracht. Das Nationalvermögen wird also verschleudert zu gunsten weniger Besitzenden. Gerade dieser Riesengewinn lehrt deutlich, daß das heutige Mutungsrecht gründlich revi- diert werden mutz. Schauen wir uns die Sache ein wenig näher an. Der Gewinn, der der internationalen Bohrgesellschaft und damit dem Schaffhausenschen Bankverein aus der Transaktion erwächst, hat eine seltene Höhe. Die inter nationale Bohrgesellschaft verfügte bei ihrer Gründung im Jahre !895 nur über ein Aktienkapital von 400 000 Mark, das 1896 auf 500 000 Mark und 1900 auf eine Million er höbt wurde . Das Hauptaktivum der Gesellschaft bestand je doch in den, ausschließlichen Besitze des Rakyschen Bohrver fahrens, daß in der Bilanz des Bohrvereins — ein typisches Beispiel seiner vorsichtigen Finanzpolitik — bis auf den heu tigen Lag mit ganzen zehn Mark gebucht ist. Ein zweites sehr wichtige Aktivnm war das damalige preußische Berg recht. Während zum Beispiel nach englischem Recht die Ver leihung des Grnbeneigentums an den Erwerb des Grund eigentums der betreffenden Fläche geknüpft ist, tvar nach dem in Preußen bis vor kurzem bestehenden Rechte jeder mann befugt, aus dem Grund und Boden eines anderen zu schürfen und im Falle des Erfolges Mutung einzureichen. Er tvar nur verpflichtet, dem Grundeigentümer für die aus den Bohrarbeiten entstehenden Vermögensnachteile Ent- sckiädigung zu zahlen und wurde bei Bemessung der Höhe dieser Entschädigung, sowie durch weitgehende Erpropria- tionsrechte noch obendrein durch das Oberbcrgamt geschlitzt. Als die internationale Bohrgesellschaft in richtiger Erkennt nis dieser Sachlage anfing, mehr für eigene Rechnung Boh rungen anzulegen und auf diese Weise eigene Konzessionen zu erwerben, da nurr ihr die geringe Höhe ihres Kapitals zunächst im Wege. Sie hatte Schwierigkeiten bei der Er langung der für ihren Betrieb notwendige Kredite und mutzte mehrfach Vorschüsse bei dem Vorsitzenden ihres Auf sichtsrates aufnehmen. . Mit dem Jahre 1901 jedoch war sie im stände, höhere Kredite — 1 375 547 Mark gegen 580 123 Mark im Jahre 1900 — aufzunehmen. Der Wert der Boh rungen tvar im Jahre 1904 mit 4,3 Millionen Mark in die Bilanz eingestellt. Eine ganz bedeutende Erhöhung erfuhr der Wert jedoch dadurch, daß durch die lex Gamp die wei tere Vornahme von Bohrungen auf eigene Rechnung Pri vater in Preußen unmöglich gemacht wurde. Hiermit hatte zwar die Bohrtätigkeit und der Eigenerwerb von Konzessio nen für die Gesellschaft, soweit Preußen in Betracht kam, ihr Ende erreicht. Dafür hatte aber die Gesellschaft einen Monopolbesitz von syndikatsfreien unverritzten Kohlenfeldern erhalten, dessen Wert in der soeben für einen Teil davon ge zahlten Kaufsumme 35 Millionen Mark seinen Ausdruck fin det. Den Hauptvorteil von diesem Gewinn wird der Schaff- hausensche Bankverein, der Hauptbesitzer der Aktien der Ge sellschaft, einstreichen. Er wird davon jedoch einen Anteil der Dresdner Bank gewähren müssen, da laut Vertrag über die Interessengemeinschaft beider Institute die Reingewinne im Verhältnis des Aktienkapitals beider Gesellschaften zu verteilen sind. Diese einfache Darstellung des Sachverhaltes schreit nach einer gesetzlichen Abhilfe. Der Antrag Gamp hat wenigstens verhindert, daß die internationale Bohrge sellschaft noch weit mehr Bohrungen vorenehmen konnte und dadurch fast alle Kohlenfelder in ihren Besitz erlangte. Die Mutungen sind auf zwei Jahre gesperrt. Gerade das jetzige Vorkommnis zeigt, wie notwendig diese Maßnahme war; sonst hätte diese Gesellschaft in einem Jahre ihre Felder um lOO Millionen und mehr verkauft. Aber wenn die beiden Jahre um sind, lvas dann? Diese Frage muß jetzt schon auf geworfen werden, damit die Oeffentlichkeit sich recht breit bannt befaßt. Nicht erst im letzten Moment darf sie zur Dis- kussion gelangen! Zweifelsohne dürfte feststehen, daß das bisherige freie Mutungsrecht veraltet ist-, es war anfangs geboten, uni die Privat-Initiative auf den Bergbau zu lenken, um den gesaniten Bergbau zu heben und eigentlich erst ins Leben zu rufen. In früheren Jahren war eine Bohrung immer eine riskante Sache und wir finden es begreiflich, wenn man diese seitens des Staates tunlichst frei gegeben hat. Aber heute ist es anders! Die Technik und Wissenschaft hat solche Fortschritte gemacht, daß das Risiko neuer Mutungen ein sehr geringes ist; andererseits ist der Abbau der entdeckten Kohlenfelder selbst höchst lohnend. Die Verhältnisse haben sich total verändert, also müssen auch die Gesetze aus früherer Zeit entsprechend geändert werden. Aber wie? Die Zahl der Vorschläge ist sehr groß. Wir halten für das richtigste, daß ein Reichsberggesetz geschaffen wird. Es handelt sich hier um eine Frage, die den wirt schaftlichen Lebensnerv unseres Reiches berührt. Was sind wir heute ohne Eisen und Kohlen? Kein Gas, keine Elek trizität, keine Eisenbahnen, keine Straßenbahnen, keine Ma schinen, kurzum: unsere gesamte wirtsckufttliche Kultur rühr auf diesen beiden Grundpfeilern. Gerade deshalb hat die Allgemeinheit und das Reich das denkbar größte Interesse an einem richtigen Fundamente. Deshalb muß diese Ge setzgebung aus den Einzelstaaten an das Reich übergehen, wie es das Zentrum seit 1896 fordert; dann sind auch die übrigen Maßnahmen sehr leicht zu treffen. Wir denken uns hier in erster Linie Garantie für den völligen Abbau der entwickelten Kohlenfelder; das Zechenstillcgungsgesetz ist ja leider gescheitert; zuerst muß der Gedanke desselben Ge setzes Kraft erhalten. Ferner tonnte eine Vorschrift dahin getroffen werden, daß die Mutungsscheine und das Recht auf den Abbau nur eine bestimmte Zeit gelten und dann an die Gemeinde oder den Staat fallen oder daß eine Ge winnbeteiligung derselben eintritt, ähnlich, wie es z. B. bei der Reichsbank bereits geregelt ist. Aber geschehen muß etwas und zwar sehr bald. Die Volksgüter, wie Kohle schürfen dürfen nicht an kleine Gruppen förmlich verschenkt werden. Eme Hundert-Millionr» Bvnk»ioien- FLl'chunft. Die Münchner Zeitung meldet in einem Londoner Telegramm vom 19. August das folgende: „Eine außer ordentlich sonderbare Nachricht kommt heute aus Buenos Aires. Es stellt sich nämlich heraus, daß die Regierung der Cedula-Hypothekenbank 100 Millionen schuldig ist, für wel- chen Betrag der Bank erlaubt wurde, Papiergeld auszu- geben. Diese sonderbare Manipulation wurde mitgeteilt, als vor einigen Wochen die Verhandlungen im Gange ivaren, um die Cedula-Hypothekenbank zu sanieren. Unter den Gläubigern der Bank wie unter denen der Negierung hat diese Mitteilung natürlich das außerordentlichste Auf sehen erregt." Als Ergänzung dieser merkwürdigen Mit teilung kommt aus München die sensationelle Nachricht, daß in der Tat vor zirka zlvei Jahren ein Abgesandter einer süd- amerikanischen Bank nach Europa geschickt wurde, um die Anfertigung eines riesigen Betrages südamerikanischer Banknoten in Auftrag zu geben. Derselbe wandte sich zu nächst an den Prager Vertreter eines bedeutenden Münchner Kunstverlags. Der Prager Vertreter, dem der in Aussicht gestellte riesige Verdienst offenbar sehr in die Augen ge stochen hatte, kündigte in phantasievollen Briefen an sein Münchner Haus zunächst die Ankunft eines erotischen Herrn an, mit dem ein Milliouen-Geschäft zu machen sein werde. In der Tat erschien auch nach einigen Tagen bei dem Münch ner Verlag der avisierte Besuch, ein älterer Herr mit dem Aussehen und den Manieren eines Goldgräbers, tat zunächst sehr geheimnisvoll und erkundigte sich vor allem, ob der Verlag in der Lage sei, einen großen Posten ausländischer Briefmarken-Jmitationen zu Sammlerzwecken herzustellen. Es müßte ihm aber für täuschend ähnliche Imitation garan tiert werden. Als dies zugesichert war, rückte er endlich mit der Farbe lieraus, indem er erklärte: Eine südameri- kanischc Bank sei genötigt, zu ihrer Sanierung einen Posten von vorläufig 50 Millionen in Papiergeld auszugeben; die Angelegenheit sei zwar gesetzlich vollständig in Ordnung und gehe mit Zustimmung der betreffenden Negierung vor sich. Zugleich ließ er aber durchblickcn, daß die Zustimmung der betreffenden Negierungsbeamten nur durch die intimen Beziehungen der Bank zu den Negierungsorgauen ermöglicht worden sei, weshalb auch unbedingt erforderlich wäre, daß die Anfertigung der erwähnten Neuausgabe von Bank noten in größter Diskretion vor sich gehe, dafür werde aber die anfertigende Kunstanstalt durch einen Millionenverdienst entschädigt werden. Dem erwähnten Münchner Kunstver lag erschien aber die ganze Angelegenheit doch zu bedenklich mit dem Strafgesetzbuch zu kollidieren, sie lehnte daher den „Millionen-Auftrag" rundweg ab und der Biedermann vom La Plata schüttelte schleunigst den Münchner Staub von seinen Füßen. Ob er seinen „Auftrag" daraufhin wirklich anderweitig plazieren konnte, und ob dieses Vorkommnis mit dem oben erwähnten Telegramm der Münchner Zeitung M — 60 — Hugo ging diesen Tag nicht auf die Jagd. „Meine Frau ist noch schwach," sagte er, „ich will sie nicht allein lassen," und wirklich brachte er den größten Teil des Tages bei Martha zu und war so sanft und zuvorkommend, daß die junge Frau von Zeit zu Zeit staunend und betroffen auf ihn blickte. „Er hat nur aus Laune mein Glück verwüstet," hafte sie mehr als ein- mal gedacht. „Er betrachtete die Heirat als eine Veränderung in seinem ge langweilten Leben. Ich war vielleicht das erste Mädchen, welches nicht nach' einer Herzogskrone gelüstete und nicht wünschte, seine Frau zu sein. Das arme, bescheidene Mädchen, das dem Herzog einen Korb geben wollte, das war pikant und reizte den durch irdische Güter und die Augendienerei der Menschen verwöhnten Weltmann. Das Schicksal spielte mich ihm in die Hand, und so wurde ich Herzogin Odille, die unglücklichste Frau auf Erden." Mit solchen Kombinationen hatte sie sich oft stundenlang gequält, und jetzt, da sie ihren Gatten so zart und gut gegen sich sah, wurde sie mutlos und verlegen. „Wenn er mich liebte?" dachte sie. „Wenn er mich aus wirklicher Zuneigung genom men hätte? Es gibt im Leben große Leidenschaften," fügte sie in Gedanken hinzu, „wenn nun Hugo auch einer solchen Leidenschaft fähig wäre?" Gegen Abend saß der Herzog im Zimmer seiner Frau, als der Kammer diener den Grafen Ezedy meldete. Odille war höchlichst überrascht und blickte fragend auf seine Gattin, welche vor diesen! Blick müde die Augen schloß. „Ich komme sogleich," sagte er zu dem Kammerdiener, führen Sie den Herrn Grafen in den großen Saal." Der Kammerdiener entfernte sich. „Das ist schön von Ezedy, daß er nach den vergangenen Ereignissen uns aufsucht," sagte er zu seiner Frau. „Willst du nicht bei Tisch erscheinen, viel leicht zerstreut dich seine Gesellschaft?" „Verzeihe, Hugo, aber ich bin noch so verstimmt, daß ich kein fremdes Gesicht zu sehen verlange." „Das wird für Ezedy betrübend sein," sagte der Herzog scherzend, aber auf seiner bleichen Haut erschienen zwei dunkle Flecken, das gewöhnliche Zei- chen innerer Erregung. Liebevoll drückte er Martlias Hand und verließ das Zimmer, während sie kraftlos auf das Kissen zurllckfiel. Odille empfing den Grafen Ezedy mit vornehmer Freundlichkeit und schüttelte ihm die Hand. „Ich höre zu meinem großen Bedauern, daß die Herzogin unwohl ist," sagte Sandor, Platz nehmend, „aber hoffentlich ist es ein vorübergehendes U-bel. Ich bleibe nur kurze Zeit in dieser Gegend und würde sehr bedauern, ihr meine Teilnahme über des Vaters Tod nicht ausdrücken zu können." Der Herzog dankte im Namen seiner Frau für die Teilnahme. Er hoffte, daß das Ganze nur eine kleine Erkältung sei, denn nach einem Spaziergang wurde sie unwohl. „ES ist zu verwundern, da sie in ihrer Mädchenzeit, wie wir beide wissen, doch viel weitere Spaziergänge wählte." Odille sagte dies scherzend und beide lachten und gedachten mit Entzücken des blühend frischen, jungen Mädchens, wie sie mit ihren winzigen, leichten Füßchen in der Gegend herumlief und wegen einiger Waldblumen unter Sträuchern und Dornen ihre Kleider zerriß. EzedyS Stimme klang dabei scherzhaft und unbefangen, in des Herzogs Worten mischte sich Scherz und Spott, so daß Sandor dachte. .) i Aus das Geräusch erschien der alte Hofmeister, welcher sich fast zur Erde ucigte und Martha hinaufführte, deren Gesicht bei seinem Anblick so freundlich war, wie es die ganze Nonavarer Familie noch nicht gesehen hatte. Als sie aber eintrat, war von der sonnigen Freundlichkeit, welche man während des Gespräches mit Philipp bemerkt hatte, keine Spur mehr vor handen. Bei dem Anblick der vielen Verwandten zuckte es um ihre roten Lippen und viele gute und schlechte Erinnerungen wurden wach in ihr. Mit einem lebhaften Blick ihrer großen flammenden Augen begrüßte sie die Ver sammlung. Nachdem man ihr Graf Banody vorgestellt hatte, entschuldigte Martha das Ausbleiben ihres Gemahls, Ivelcher großer Jagdgesellschaften tvcgen das Schloß nicht verlassen konnte. „Ich wundere mich, daß sich die Herzogin nicht fürchtet, ohne männliche Begleitung mit zwei solchen feurigen Pferden zu fahren," sagte Banody, wel cher die Angen nicht von ihr wendete. „Nickst im geringsten, die Pferde, mit denen ich heute kam, sind gut ein- gesahren und der Kutscher sicher, auch ist der Wagen ja so niedrig, daß man bei einer Gefahr leicht heransspringen kann." „Das ist aber ein Wagnis, meine Liebe," sagte die alte Gräfin, welcher Marthas einfache, wirklich vornehme Erscheinung und ihr natürliches, nicht affektiertes Wesen ein Dorn im Auge war. „Es hängt viel davon ab, daß man bei einem solchen Sprunge die Geistesgegenwart bewahrt," entgegnete Martha. „Gleich, wie im Leben die jenigen, welche den guten nnd bösen Ereignissen mit Ruhe ins Auge sehen, wird auch bei einem solchen Sprunge derjenige sich glücklich retten, der dem augenblicklichen Triebe folgt, wenn er das unnatürliche Dahinfliegen des Wa gens unerträglich findet." Nachdenklich, mit ruhigem Lächeln sagte Martha diese Worte, aber Ba nody schien es, als ob er in ihrer Stimme flüchtiges Zittern nnd Bitter keit bemerkte. Alle betrugen sich aufs Zuvorkommendste und Freundlichste gegen Martha, auch Klemcnzc richtete einige Fragen an sie, was seit ihrer Bekannt schaft noch niemals geschehen war. Doch Martha überraschte und berührte das nicht im geringsten. Sie antwortete ihr wie den übrigen nnd machte gegen niemand eine Ausnahme. Die Vergangenheit erwähnte sie nicht, ließ aber das Gespräch auch nickst auf einen vertraulichen Ton kommen, und als die bergebrachte halbe Stunde vorüber war, verließ sie nach kurzen! Abschied ihre Verwandten und nahm höflich den Arm ihres Oheims Julius, der sie zum Wagen geleitete. Eine Zeitlang schaute er ihr nach, bis das Gespann zum Hofe hinansflog, und dachte über die überraschenden Wendungen des Schick sals nach. i 17. Das Balkanfalvaer Schloß war voll Gäste. Der Herzog lvar ein so leidenschaftlicher Jäger geworden, seit er sich auf seinem Ahnensitze nieder gelassen hatte, daß er seine ganze Zeit zwischen seiner Gattin nnd der Jagd teilte. — Martha erschien nur bei Tisch und mied am Abend die Gesellschaft, welche ihr zu laut in der tiefen Trauer war. Ihr Mann fand dies auch ganz natürlich, wie überhaupt alles, was Martha behauptete. Ihrer alten Ge- Ä.i V'i „Martha/