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Sonnabend, 16 September 1916 Schmiede, daß er beim Beschlagen eines Pferdes bald den Hammer mit der rechten, bald mit der linken Hand führen muß. um seine Aufgabe zu erfüllen. Warum also im „gewöhnlichen Leben" der linken Hand nicht in gleicher Weise die Ausbildung zukommen lassen, wie der rechten? Ein stichhaltiger Grund dafür ist wirklich nicht vorhanden. Vielleicht führen die Lehren die man jetzt in den Verwundetenschulen erhält, dazu, der Ausbildung beider Hände gröbere Aufmerksamkeit zu widmen und die Rechte wie die Linke als gleichberechtigt zu behandeln. Nützlich können sie sich ja beide machen. Gerichtssaal A Deutsche Mädchen! Wegen verbotenen Verkehrs mit Kriegsgefangenen wurden in Bischofswerda zivei Mädchen vom Schöffengericht zu 10 Tagen Haft verurteilt. Sie batten sich vor der Kaserne ausgestellt und mit gefangenen Offizieren Unterhaltung gepflogen. Auf erstattete Anzeige bestrafte sie der Lstadtrat mit 2 Tagen Haft. Sie legte» Berufung ein und erhielten 10 Tage. z; Würdelose Weiber. Wie das Herzog!. Altenburgische Landratsamt Ronneburg öffentlich bekannt gibt, hat das dortige Schöffengericht die Arbeiterinnen Alma Buschbeck, Jda Kretzschmar und Martha verw. Ronneburger in Pölzig mit einer Woche Gefängnis bestraft, weil sie, obwohl ihre Männer vor dem Feinde stehen und einer vor dein Feinde gefallen ist, feindliche Kriegsgefangene nachts mit in die Wohnung der einen genommen und mit Schokolade be wirtet haben. Vermischtes V Wiedersehen und Sterben. In dem an der sächsischen Grenze gelegen böhmischen Orte Frühbus; kam der staatliche Erdarbeiter PH. Lehrer auf Urlaub nach Hanse, nachdem er ein Jahr lang Dienst in Albanien getan hatte. Nach herzlicher Begrüffnng feiner Familie, an der er mit ganzem Herzen hing, legte er sich todmüde ichlafen, ohne wieder zu erwachen. r Die französif ch e I a b resklasse 190 0. D - braucht nicht zu erschrecken: diese JalireSklasse vermag Mdch.crsiändlich noch nicht zu schießen, Minen zu schlendern oder sich sonst wie menschenfreundlich zu betätigen. Es modelt sich nur um eine kleine Puppe, die an einer Gnmmi- 'wm.r anfgehängt ist. Dies ist nämlich das neueste Spiel zeug für Groß und Klein, das die Straßenbändler in Paris verkaufen. Ueberall auf den Boulevards und am den Terrassen der Kaffeehäuser erblickt man diese» neuen Holzartikel, und die Händler rufen ihn mit den Worten aus: Die Jahresklasse 1900! Frankreichs Zukunft!" Und alle reute, Zivilisten und Urlauber, kaufen die kleinen, selbstver- s:ch.tlich militärisch bekleideten Puppen, um so Frankreichs Zuiunft wenigstens symbolisch auf die Beine zu bringen. 2c: Figaro, der dies mit großer Freude berichtet, fügt vor- — Sächsische Volkszeitung — sorglich liinzn, daß es dabei gar nichts zu lachen gäbe. Denn ein solches Symbol sei eine äußerst dienliche Propaganda für Frankreichs so dringliche Volksverinebrniig. Jeden falls scheint eS um Frankreichs Nachwuchs traurig genug zu stellen, wenn man den gesunkenen Mut mit an Schnüren hüpfenden Soldatenpnppen heben muß! .... r Etwas vom Hering. In der Zeitsclnnft für Fleisch- und Milchhygiene verbreitet sich der holländische Schlachthofdirektor Beel in Noermond über den Hering als menschliches Nahrungsmittel. Der Hering besitzt nach B. den größte» Nährwert unter allen Fischen, nur noch Aal und Salm stehen ihm gleich. Ein Pfund Hering hat mehr Nährwert als zwei Pfund Kabeljau oder Schellfisch, so daß der Hering unstreitig als der billigste und nahrhafteste Fisch zu bezeichnen ist. v W er do r t? Ter kommandierende General N. von kommt ins Telephonzimmer und will mit dem Schützengraben verbunden sein. Da die Ordonnanz, die ilm sonst anzumelöen pflegt, gerade nicht da ist, greift der General selbst nach dem Apparat und spricht hinein: „Hier Geueral N. von P.!" Ter Telephonist im Graben ver mutet einen Spaß seines Kameraden beim Stabe 'und prompt erfolgt die Antwort: „So siehste aus!" v W a s dieF r anzose n v on ihre » M iIitär - kritikern denken. Einer der bekanntesten fran zösischen Militärkrititern, so erzählt L'-Oeuvre, begegnete in einer Gesellscklast eine» der berühmteste» Pariser Kari- lainristeu. Nachdem die Bekanntschaft zwischen den beiden Berühmtheiten vermittelt worden war, wandte sich der Mi- litärkritiker an den Zeichner mit den liebenswürdigen Worten: „Sie habenmich durch Ihre entzückenden Zeich nungen oü zum Lachen.gebracht und hierdurch zu Dank ver pflichtet." Hierauf entgegnete der Karikatnruist ebenso liebenswürdig: „O, Sie schulden mir keinen Dank, inein Herr. Denn ich habe mich ebenso gut unterhalten wenn ich Ihre Artikel über den Krieg las." v A nS Fri tz chenS T a g e b u ch. Heute habe ich entdeckt, daß man's den großen Leuten nie recht machen kann. Neulich, wie ich so ungezogen war, sagte Mutti zum Vater: Der Fritz muß heute was Schlimmes ansgefressen haben, weil er so brav ist. r- Landwirtschaftliches // Ter Wert des Kartoffelkrautes. In der Zeit der Fntterknappheit kann insbesondere das Laub der Kartoffeln sehr schätzenswerte Dienste leisten. Von einem Hektar Kar- toffelland können etwa 190 Doppelzentner frisches Kraut gewonnen werden, entsprechend 00 Doppelzentnern Kar- toffelkranthen, welche einen Stärkewert von etwa 1000 Kilogramm enthalten. Mit der von 100 Hektar gewonnenen Kartofselkrauthenmenge könnte man bei gleichzeitiger Ver- sütternng von Wiesenben etwa 200 Rinder 100 Tage lang ernähren. Man hat berechnet, daß das ganze in Deutschland Nr. 210. Seite 7 gewonnene Kartoffelkraut nach Abzug der Ernte und Trock nungskosten einen Wert vo» rund 000 Millionen Mark be sitzen wurde, selbst wenn während des Krieges nur etwa von der Hälfte der mit Kartoffeln bebauten Fläche das Laub ge erntet würde. // Dir Wirsen in Deutschland nehmen 9,9 Millionen Hektar in Anspruch, während mit Zuckerrüben nur eine halbe Million und mit Weizen nur 2 Millionen und mit unserer wichtigsten Brotfrucht, dem Roggen. 0 Millionen Hektar be- flcllt sind. rüemAleikum > olö I chovdw.anclLkaM lüalckmunMmckt klSIZa i - 22 4 5 6« '.O -4 2 6 H lO 12 pl.cIFtÜcK. U<NN!»MMU!!>UiI,"»'N"»>>'»„MNNttst1§iff^ '4 Die Eisenbahnsahrkarte im Wandel der Zeiten Von Dr. A. Ncuburg er Nachdruck nichr gestattet Tag sür Tag geht es an den Eisenbahnschaltern vom frühesten Morgen bis in die finkende Nacht ununterbrochen in ewiger Gleichförmigkeit her: Hier Geld, hier eine Fahr karte, dann wieder eine Fahrkarte nsw. usiv. Ein nicht eben sehr unterhaltsames Geschäft, bei dem einem die Anek dote von dem Postbeamten einfällt, der auf den Vorhalt, daß das ewige Abstempeln von Briefen doch eine recht langweilige Sache sein müsse, antwortete: „Etwas Ab- wechselnngsreicheres gibt es überhaupt nicht! Heute stem peln wir den 15., morgen den 10., übermorgen den 17. und so jeden Tag ein anderes Datum!" Die Millionen Käufer aber — was haben sie getan? Nun, so allerlei! Sie haben die Karte in die Westentasche geschoben, sie haben sie knipsen lassen, sie haben sie vorge zeigt, sie haben sie abgegeben, dazwischen hat sie der eine oder andere auch wohl verloren. Ob wohl aber jemals einer von ihnen darüber nachdachte, was es denn mit diesen Karten in technischer Hinsicht für eine Verwandlnis har, wie sie entstehen, welche Grundsätze für ihre Ausgestaltung maßgebend sind und was gar die merkwürdigen Maschinen bedeuten, die man seit kurzem an verschiedenen Schaltern sieht und die mit einer Hobelbank einige Aehnlichkeit anf- weisen? Wenn wir uns den Fortschritt, der in der modernen Eisenbahnfahrkarte und vor allem in der eben erwähnten sonderbaren und geheimnisvollen Maschine liegt, so recht vor Augen halten wollen, so müssen wir den Blick etwas znrückschweifen lassen und uns vorstellen, wie es damals war, ehe die jetzigen Fahrkarten, diese kleinen Stückchen Pappe eines mit großer Umsicht ausgewählten, ganz beson- deren Formates anfkamen. Wer früher, bis über die Mitte des vorigen Jahrhunderts, eine Reise antreten wollte, der begab sich, wie jetzt auch, zunächst an den Schalter. Das ivar aber das einzige, was mit der gegenwärtigen Tätig keit beim Erwerb einer Fahrkarte übereinstimmte. Denn hinter diesem Schalter saß ein Mann, der hatte eine Feder, meist sogar noch eine Gänsefeder, hinter dem Ohre stecken und vor sich ein Tintenfaß und Streusand. Hatte man dann sein Begehren ausgesprochen, so wurde erst umständ lich eine Tabelle nachgeschlagen. Von wegen des Preises! Dann setzte sich die Gänsefeder in Bewegung und füllte einen ziemlich umfangreichen Zettel aus, der dann schön mit Streusand bestreut und dem geduldigen Reisenden ge wöhnlich mit den Worten überreicht wurde, daß er ihn noch nicht zusammensalten möge, „denn er sei noch naß". Streu sand ist nämlich etwas sehr Schönes, er löscht nur die Tinte nicht ab. Das ging solange es eben ging. d. h. bis der Verkehr ^ine derartige — gegen jetzt allerdings noch sehr beschick- ene — Größe angenommen hatte, bei des es eben o schlechterdings nicht mehr ging. In Deutschland allerdings ging es noch, aber in England, wo sich das Eisenbahn wesen besonders rasch entwickelte, setzten allerlei Reformen ein, die mit dieser Entwicklung im engsten Zusammenhang standen. Man schuf Normaluhren, ferner eine Einheitszeit, Doppelgleise, Briefmarken und schließlich auch andere Fahr karten. Der Mann, der eines schönen Tages an dem Schalter, an dem er beschäftigt war. die Geduld verlor, vielleicht weil er allerlei Bemerkungen über seine angeb liche Langsamkeit initanfören mußte, und der deshalb schließ- lich darüber nachdachte, wie man hier eine Aendernng und Verbesserung einführen könnte, hieß Edmondson und war Vorstand des kleinen Bahnhofes Millon an der Strecke Newcastle—Carlisle. Von ihm rühren die heutigen Fahr- karten her. Ihr Format hat er selbst durch vielfache Ver suche ausprobiert und zuletzt gefunden, daß sich als am handlichsten ein Pappkärtchen von 57 Millimeter Länge und 00,5 Millimeter Breite erweist. Diese Abmessungen zeigen heute die Fahrkarten fast aller Länder und auch die Deutsch lands. Das erwähnte Format gestattet, in einem Karten schrank auf engem Raum sehr viele Karten unterznbringen. Es ist verhältnismäßig klein und doch groß genug, daß man die Karte sowohl am Schalter, wie bei der Kontrolle nsw. bequem überreichen kann. d. h. daß zwei Hände daran anfassen können, ohne daß die Gefahr des Fallenlassens vorliegt. Diese Karte wird ans besonderen Maschinen gedruckt, an die sich Nnmerierungsvorrichtnng anschließt, wodurch eine fortlaufende Numerierung jeder einzelnen Kartenart statt findet. Die Pappe ist schon vorher mit einem entsprechen den Vordruck versehen worden, der je nach der Karte, die daraus hervorgehen sott, verschieden ist. So ist die Pappe erster Klasse gelb, die zweite grün, die dritte braun und die vierte grau gefärbt. Schnellzngskarten haben eine senk- rechte, rote Linie, Rückfahrkarten einen weißen Längsstrich und in diesem, wenn sie für zuschlagspflichtige Eilzüge gelten sollen, noch eine rote Linie nsw. usiv. Diese Vor bereitung der Karten geschieht gleichfalls in besonderen Maschinen und zwar entweder vor oder nach dein Zer schneiden der Pappe. In manchen Ländern wird diese ein fach mit einem in entsprechender Weise gemusterten Papier überklebt und dann — gleichfalls durch Maschinen — zer- schnitten. Das Zerschneiden erfolgt mit Hilfe von Kreis- schcren. Die. ans der oben erwähnten Druckmaschine her- vorgchenden Karten sind — jede Ar! sür sich — fortlaufend bis 10000 numeriert. Nach der zehntausendsten Karte beginnt die Numerierung wieder bei uns. So weit wäre nun das Edmondsonsche System ganz gut nub schön, aber trotzdem dürften seine Tage gezählt sein. Unser Verkehr hat sich gewaltig entwickelt und dieser Entwicklung genügt es nicht mehr. Die Kärtchen werden zwar noch beibehalten werden, aber es ist an manchen Schaltern heute schon unmöglich, ihre zahlreichen Abarten sür Hunderte und aber Hunderte von Stationen vorrätig zu halten, nach denen dort Nachfrage ist. Man hat erst von den Automaten Erleiclflerung erhofft, indem mau die am meisten begehrten Kartensorten durch solche verabreichen ließ. Hierdurch wurde aber eine nur allzu geringe Abhilfe geschaffen. Schon früher hat man deshalb versucht, Ein richtungen zu konstruieren, die es ermöglichten, vorrätig gehaltene Karten oder sonstige Formulare in kürzester Zeit so auszufüllen, daß sie für jede beliebige Station Ver wendung finden können. Der erste, der diese Vereinfachung in die Wege leitete, war M. A. Rettlcr in Wien. Sein Snstem war ein Durchschreibesystem, ähnlich ivie wir es auch jetzt noch bei den Kassenblocks der größeren Geschäfte sehen. Es hingen immer drei Blatt zusammen, zwischen denen Durchschreibepapier lag. Auf Verlangen wurden rasch die Station, die Klaffe und der Preis eingetragen. Einer der drei Zettel war dann die dem Reisenden übergebene Fahrkarte, die anderen beiden dienten zur Kontrolle. Noch heute hat fick dieses Verfahren — allerdings nur mit zwei Zetteln — sür die Gepäckscheine erhalten. Den wirtlichen Bedürfnissen des zukünftigen Verkehrs können nur Billetdrnckmaschinen genügen, die in kür zester Zeit jede Karte mit jedem notwendigen Ausdruck ver sehen. Solche Maschinen sind bereits mehrfach gebaut worden. Die preußische Eisenbahnverwattung hat sich zur Einführung eines Fahrkarten - Drnckapparates entschlossen, der von den Felten-Guillanme-Lahmeyer-Werken in Frank furt a. M. hergestellt wird. Wir sehen ihn bereits verein zelt auf den Bahnhöfen unserer großen Städte. In Bälde dürfte er in noch zahlreicheren Exemplaren eingeführt wer den. Er gewährt den Vorteil, das; inan keine gedruckten Karten vorrätig zu halten braucht Die bereits gefärbten, also gelben, grünen usiv. Karten liegen bereit und werden in dem Augenblick, ivo ein Reisender seine Fahrkarte ver langt, in den Apparat gesteckt und bedruckt. Die Einrichtung des Apparates ist eine ziemlich einfache. Ans einem Tische liegt eine große prismenförmige Walze, deren Oberfläche ans langen, dünnen Leisten bestellt. Jede dieser Leisten enthält eine große Anzahl von Aufdrucken; die alphabe tisch geordnet sind. Diese Aufdrucke entsprechen Druckplatten, sog. „Klichees", die in der gleichen Ordnung liegen. Wird inan eine Karte verlangt, sv wird ein beweglicher Schlitten an jene Stelle der Walze hingeschoben, wo der entsprechende Aufdruck sich befindet. Sobald der Zeiger hier richtig steht, steht auch der den Drnckavparat enthaltene Schlitten genau über dem entsprechenden Klichee. Nun braucht man blos die Karte einzuschieben und den Druckhebel zu betätigen, worauf die Fahrkarte fertig ist. Aber noch mehr! Gleich zeitig werden auch die verausgabten Karten nebst dem ver einnahmten Betrag ans zivei Kvntrvllscheincn registriert, von denen der eine, in einer verschlossenen Kapsel befind liche. zur Kontrolle dient, während der andere die Abrech nung ini: dem Schallelbeamten ermöglicht. Einzelne dieser Apparate enthalten Drnckeinrichtnngen für nicht iveniger als 2000 verschiedene Knrtensvrten. Welche Erleichterung des Verkcllrs sie bedeuten, bedarf wobl keiner weiteren Aus führung und es ist daher nur zu wünschen, daß ihre all gemeine Einführung recht bald weitere Fortschritte machen möge.