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Unabhängige» Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit «tt N«te»hatt»«-»VeU<r-a Via Ulrrft*i«*t« -ett Hßßtzh äi^nWt<AAOhat1<rAa Fa^aV<^ha>th Nr. 147 «eschSftrfteLe «ad «-de«»« Dr-rdea,«. LS, Holb-irstratz« L« Mttwoch den 1. Juli 1914 Fernsprecher 21866 I LS. Jahrg s77^, AX ^ ^cr/-L^7 rzcv- ^ ^ SS0/7L7L tLe/l/e/ § ^8///r/o/7/7 > ' «AL//Lc7/LL/^?s: Zur Ermordung des österreichische« Thronfolgers uud seiner Gemahlin Weitere Presiestimmen Die „Kreuzzeitung" meint: „Dem tragischen und Politischen Tode dieser mit allen Herrschertugenden ausge statteten Persönlichkeit kommt eine weitreichende politische Bedeutung zu, deren Folgen auch nicht entfernt abgesehen Mrden können. Alles wird sich in erster Linie darum drehen, daß der hochbetagte Kaiser Franz Joseph auch diesem Schicksalsschlage gegenüber standhast bleibt und dadurch die ruhige Fortführung der österreichischen Regierungsgeschäfte gewährleistet. Me Ereignisse, die einen Zusammenbruch des greisen Monarchen für Oesterreich selbst wie für das übrige Europa haben könnte, um nicht zu sagen: haben würde, sind nicht auszudenken. Jeder, den das Schicksal der Habsburger Doppelmonarchie am Herzen liegt, kann des halb nur wünschen, daß Kaiser Franz Joseph auch Liesen jüngsten schweren Schlag überwindet, und daß es ihm ver gönnt sein möge, noch so lange die Zügel der Regierung in der Hand zu behalten, bis der nunmehrige jugendliche Thronfolger Erzherzog Karl Franz Joseph in die großen und Verantwortungsvollen Aufgaben hineingewachsen ist, die einst auf seinem Wege liegen werden. Der neue Thron folger ist in politischer Hinsicht noch ein unbeschriebenes Blatt; man darf jedoch hoffen, daß er stets der wertvollen Hilfe eingedenk sein wird, die er am Deutschen Reiche, an dem deutschen Volkselement seines einstigen Reiches haben wird." Die „Post" untersucht sehr eingehend die Motive, die zu der Schreckenstat geführt haben könnten und kommt zu folgendem Resultat: „Wenn man nach der Schuld an der furchtbaren Tat forschen will, so wird man zunächst die' zügellose politische Verhetzung, wie sie den slawischen Völ kern des Balkans eigen ist, ihren wilden, ungebändigten Fa natismus, der durch keine sittlichen Grundsätze eingeschränkt wird, dafür verantwortlich machen. Andererseits aber auch ohne Unterlassung, die besonders in Oesterreich-Ungarn ver derblich gewirkt hat. Das ist jener Geist der Untätigkeit, Schlaffheit, der Versöhnlichkeit, der alle Verführungen und Verletzungen ruhig hinnimmt, solange diese nicht zu einer grausigen Tat führen. Wenn die tschechischen Regimenter meuterten, als sie gegen die serbischen Brüder in den Krieg ziehen sollten, so vertuschte man soweit als möglich diese furchtbaren Tatsachen und bestrafte jene Offiziere, die nach Pflicht und Gesetz gegen jene Meuterer aufgetreten waren. Als die serbische Presse im Jahre 1908 und im Jahre 1912 in unerhörter Weise das große Nachbarreich angriff und beschimpfte, seinen greisen Herrscher und nicht zuletzt den jetzt Ermordeten in empörendster Weise verunglimpfte, da dachte man nicht daran, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Die Friedensliebe sollte angeblich diese Untätig keit gefordert haben. In Wirklichkeit war cs Schwäche, die sich jetzt bitter gerächt hat." Die „Tägliche Rundschau" urteilt ähnlich wie die „Post" und meint, das Großserbentum werde noch zu seinem Leidwesen am eigenen Leibe erfahren, auf Kelche Abwege die großserbische Propaganda ihre Anhänger ge- führt hat. Sie schreibt: „Hieran dürfte auch der mit Sicher heit zu erwartende Versuch des Serbentums, die Mordbuben von seinen Rockschößen abzuschütteln, nichts ändern. Selbst Wenn man zugeben wollte, daß vom großserbischcn Stand- punkte aus eine gewisse Antipathie gegen die Habsburgische Monarchie nicht ganz unberechtigt sei, wird man doch unter allen Umständen die Art und Weise, wie die großserbische Propaganda getrieben worden ist, aufs schärfste verurteilen müssen. Ein solches Verfahren ist nicht nur unmenschlich, sondern auch politisch unklug, da das angestrebte Ziel mit ihm keineswegs erreicht, vielmehr weiter äbgerückt wird." Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", das Organ des Reichskanzlers, widmet dem ermordeten Erz herzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin einen warm empfundenen Nachruf, in dem er die glänzenden Herrscher tugenden des verstorbenen Erzherzog-Thronfolgers hervor hebt, und fährt dann fort: „Erzherzog Franz Ferdinand ist mit unserem Kaiser in herzlicher gegenseitiger Neigung ver- Kunden gewesen, die fest begründet war in der Gesinnung rückhaltlosester Bundestrcue. Die Herzogin erfreute sich, wie allgemein bekannt ist, am Berliner Hofe lebhafter Sym pathien und der Kaiser ist ihr stets mit der achtungsvollsten Ritterlichkeit begegnet. So wird unser Kaiserhaus von dem Heimgang des Erzherzogs und seiner Gemahlin aufs schmerzlichste getroffen. Wärmstes Mitleid wendet sich den drei Fürstenkindern zu, die so früh und so jammervoll ver- waist sind. Unaussprechlich aber ist die Teilnahme mit dem leidgeprüften Herrscher auf Oesterreich-UngarnS Thron. Mögen die höheren Mächte, die so schweres über den Kaiser Franz Joseph verhängt haben, ihm auch fernerhin die Kraft zu Tragen verleihen." Die letzte Fahrt des Erzherzogspaares Serajewo, 29. Juni. Die Leichen des Erzherzogs und seiner Gemahlin wurden nach der Einbalsamierung heute vormittag vom Erzbischof Stadler feierlich einge segnet,, worauf der Akt der Jdentitätsfeststellung folgte. Dann wurden die Särge geschlossen, versiegelt und die Schlüssel unter das Siegel gelegt. Um 6 Uhr abends wur den die Särge feierlich eingesegnet und dann von Unter offizieren und Soldaten in den Leichenwagen gehoben. Um 6^2 Uhr traf der Zug auf dem Bahnhofe ein. Die beiden Särge Wurden in die für sie bestimmten Wagen getragen, wobei ein außerhalb des Bahnhofes stehendes Bataillon Ehrensalven abgab. Nach einer abermaligen Einsegnung wurde der Leichenwagen an den Sonderzug gekuppelt, der sich um 7 Uhr abends unter den Klängen der Volkshymne und den Salven der Kanonen nach Metkowitsch in Bewe- gung setzte, wo die Särge auf Än Kriegsschiff gebracht werden. Metk 0 witsch, 30. Juni. Heute früh 6 Uhr ist hier ans Serajewo der Sonderzug mit den Leichen des Erzher zogs Franz Ferdinand und der Herzogin von Hohenberg sowie mit den Hofstaaten der Verblichenen eingetroffen. Am Bahnhof hatten sich außer der Ehrenkompanie und einer Abteilung Mannschaften der Kriegsmarine der Statthalter und viele andere eingefunden. Die Schuljugend und die gesamte Bevölkerung bildeten in tiefster Trauer Spalier. Die Särge wurden von den Geistlichen von Metkowitsch unter dem Geläut aller Kirchenglocken eingesegnet, und so dann unter gedänipsten Trommelwirbel der Ehrenkompanie auf die Kriegsjacht „Dalmat" getragen. Die Särge und die Jacht wurden mit zahllosen Blumenspenden und Krän zen bedeckt. Unter dem Abfeuern der Salven der Ehren kompanie setzte sich das Schiff langsam in Bewegung. IHM voraus ein Torpedoboot. Die Statthalterjacht folgte. In allen Ortschaften, die sämtlich reichen Trauerschmuck trugen, stand die Bevölkerung am Ufer. Männer und Frauen hiel ten brennende Kerzen. Beim Herannahen des Schiffes knieten alle nieder, während die Geistlichkeit den Lcichenzug segnete. Als die „Dalmat" an der Narentamündung an- langte, gab das dort liegende Schlachtschiff „Viribus Unitis" Nach Masuren uud Ostpreußen Relsebrtefe von Alfred Pröhl Nachdruck verboten rV. Noch vor zwei Stunden an Samlands waldreicher Küste und nun mitten im Treiben einer moderner Großstadt. Eine solche ist Königsberg ohne Frage. Wenn man gerade nicht daS Pregelgebiet auffucht und sich außerhalb des Bann kreises deS allen Schlosses befindet, könnte man glauben, im Verkehrszentrum von Leipzig zu sein. Aber Bekannte» und oft sich Wiederholendes zu sehen, ist ja nicht unser Reise zweck und so biegen wir denn auch in einer Vormittags stunde in den Torbogen des riesigen Schlosses ein und war ten dann im ersten Stockwerk mit einigen anderen auf den Augenblick, in welchem sich ein uniformierter Beamter be reiterklärt, uns durch eine Flucht von Sälen und Gemächern zu führen. Wie eine mächtige Zwingburg sieht daS ganze, nicht in einheitlichem Stile errichtete Schloß aus. Be- deutende Momente aus der Geschichte Preußen- haben sich im altersgrauen Schlosse zu Königsberg abgespielt. Glän- zende Versammlungen von Rittern und Reisigen, von Fürsten und Königen steigen vor dem geistigen Auge auf, wenn wir den riesigen Moskowitersaal betreten. Prunkvolle Feste wurden hier abgehatten, aber auch söWere Tage der Demütigung sind hier durchlebt worden. Und wie in die- sen Sälen und Zimmern, so umweht uns auch der Hauch der Geschichte, wenn wir dieSchloßkirche betreten, vor dem Altäre stehen, an dem einst Friedrich I. von Preußen die Salbung empfing, und an welchem 160 Jahre später der nachmalige erste deutsche Kaiser -um König von Preußen ge krönt Wurde. Nochmals überqueren wir den weiten Schloß- Hof, auf Welchem am 13. Oktober 1663 die preußischen Stände dem großen Kurfürsten huldigten und steigen nun hinab ins „Blutgericht", in dunkle Gewölbe, wo die Jn- quisation deS Mittelalters ihres Amtes Waltete, in düstre Hallen, deren Wände einst von den Jammer- und Schmer- zenSschreien der Gefolterten widerhallten. Heute braucht man sich vor einem Gange inS „Blutgericht" nicht zu fürch- ten, denn die Schrecknisse längst vergangener Tage sind nicht mehr vorhanden, Wohl aber da unten ein sehr reichliches Weinlager und die ehemaligen Kerker dienen jetzt der BacchuSverehrung.. Gar wohlig sitzt sichs da unten an heißen Tagen, während „oben auf der Erde" fleißig gear- bettet Wrd..... vom Schlöffe zum Dom, einem Bau- denkmal aus tausendjähriger Vergangenheit. Ein freund licher Kastellan führt uns durch die Hallen des Kirchenschiffs, auf besonders wichtiges hinweisend und angenehm erklärend, und dann betteten wir mit ihm den Altarraum des Gottes hauses mit seinen kostbaren Grabdenkmälern, die zu den schönsten zählen, was die niederländisch-deutsche Renaissance hervorbrachte. Von unschätzbarem Sach- und Kunstwert sind diese SiBMgebilde. Auch in die Grüfte tun wir einen Blick hinab, auf Sarkophage, in denen Bischöfe, Ordenshochmeister und einstmals Gekrönte zur ewigen Ruhe gebettet wurden. Bald sind wir wieder oben im Hauptschiff der Kirche, das fast auf einmal in überirdischer Lichtfülle erstrahlt. Der Kastellan hatte die Beleuchtung eingestellt, um noch einmal die ganze Pracht des Kirchenraums auf uns wirken zu lassen. — Bezüglich im Dom mutz auch des Philosophen Kant gedacht werden, dessen sterbliche Hülle in einer ange bauten Seitenkapelle beigesetzt wurde. An den grotzen Weifen erinnern noch ein erzernes Standbild und eine Ge denktafel am Schloß mit dem berühmten Satze vom „be- stirnten Himmel und dem moralischen Gesetz". — Gar vieles gäbe eS noch in der Pregelstadt zu sehen, überaus lohnend erscheint ein Gang nach der Universität mit ihren herrlichen Wandgemälden in der Aula und der berühmten Bernstein sammlung. Durch dichtbelebte elegante Stratzen wandern wir, dann durch enge Gaffen, dem Hafen zu, der mit seinem hervorragenden Spoichergebäude ein interessantes Bild ge währt. Am folgenden Tage gings per Bahn nach Elbing. Ein kurzer Aufenthalt lohnt sich, da ein Blick auf das Ge- biet der Schichauwerft, wo gewaltige Schiffskolosse in den Docks liegen und die Hämmer dröhnen, viel interessantes bietet. Auch die landschaftlichen Reize von ElbingS Um gebung werden gepriesen. Nach nur dreiviertelstllndiger Fahrt bringt unS der Dampfer zu einer Hauptsehenswür- digkeit deS Landes und Wohl auch deS Reiches, zur Ma rienburg. Eine gleichnamige Stadt, von der nur der langgestreckte Mark mit den beiderseitigen Laubengängcn bemerkenswert ist, befindet sich dicht bei der Burg. Diese wird auch noch bis in ferne Jahrhunderte einen steinernen Gruß aus der Blütezeit deS Deutschen Ritterordens dar stellen. Blutige und lange Kämpfe mit den Polen waren vorausgegangen, ehe die Ritter, denen in den Kreuzfahrern Helfer erstanden, in diesen Landen festen Fuß faßten und die errungenen Gebiete durch trutzige Burgen sicherten. Im Jahre 1309 verlegte der Hochmeister deS Ordens. auS dem Heiligen Lande kommend, seinen Sitz an das Ufer des No- gatsttomcs und nun erstand nach und nach jenes gewaltige und in edlen Formen gehaltene Bauwerk, die Marienburg. AuS den Wassern des Flusses wachsen die massigen Back steinmauern heraus. Ein Gebäude reiht sich an das andere, alle schließlich von einem sicheren Wall umgeben, zu dessen Toren Zugbrücken über schwindelnde Tiefen führen. Die ganze Anlage deS Schlosses läßt eigentlich drei Burgen er kennen: Me Vorburg, der Aufenthalt des Trosses, das Mit telschloß, den Fürstenhof des Hochmeisters bildend, und daS Hinterschloß mit den Wohnungen der Ordensbrüder, also der Ritter. Hierzu kommen noch die Kirche und die Vertei digungsanlagen. Me Einteilung der Burgräume gewahrt auch einen Einblick in das Leben der ehemaligen Bewohner. Die Ordensregeln geboten ein gemeinsames Leben der Rit ter, keiner hatte eine Einzelwohnung, sondern war ständig mit den anderen vereint, so kommen wir überall in große Räume (Speisesaal, ErholungSsaal und Schlafsaal). Hier zu kommen noch die Konventsremter für die Beratung der Ritterschaft. Nur den Hochmeistern standen eigene Gemächrr zur Verfügung. Streng getrennt waren die Ritter vom Burggesinde, dem „Volke". — Durch die Jahrhunderte hin- durch ist das mächtige Schloß der Mittel- und Ausgangs- Punkt germanischen Geistes gewesen. Von hier auS erfolgte eine Kolonisation ehemals wüsten Landes, von hier aus ge- gelangte auch daS Christentum in daS östlich gelegene Li tauen, von hier aus wurden die Ostseeküsten dem Mutsch tum gesichert. Der Blütezeit des Ritterwesens folgten un- rühmliche Perioden. M« KriegSfurie jagte oftmals durch die Lande und an den starken Mauern der Burg nagte der Zahn der Zeit. Da man denn schon vor einer Reihe von Jahren mit den Wiederherstellungsarbeiten der Burg be- gönnen und unter künstlerischer Leitung ausgebessert und erneuert und alles wieder in einen Zustand versetzt, der sicher erkennen läßt, wie es einstmals hier war. Ein Gang durch die mächtigen Räume und Säle, über gothische über einander angeordnete Kreuzgänge in Kapellen und zuletzt in die ehrwürdige Schloßkirche, der Stätte strengsten Glau- benSkultuS, läßt die Gegenwart Vergessen. Unvergänglich bleibt die Erinnerung an die gewaltige Burg, von deren Anblick drüben am jenseitigen Ufer der Nogat aus man sich nimmer kennen möchte. Solch malerische- Bild! ES war ein Gruß auS fernen, fernen Tagen!