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Sächsische Volkszeitung : 25.01.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190501255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19050125
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19050125
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-01
- Tag 1905-01-25
-
Monat
1905-01
-
Jahr
1905
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 25.01.1905
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hatten nicht nötig, von der Waffe Gebrauch zu machen, da die Menge beim Erscheinen des Militärs sich zerstreute. Im Laufe des Tages wurde ein Versuch geniacht, den Kauf- Hof anzugreifen. Der Versuch wurde jedoch abgeschlagen. Am Abend schlossen sich die Arbeiter der Elektrizitätswerke dem Ausstande an. Infolgedessen machten sich einige Volks- Haufen die Dunkelheit zu nutze und begannen, Schaufenster und Läden in verschiedenen Straßen einzuschlagen. Die Ruhe wurde jedoch überall schnell wieder hergestellt. Am 23. d. M. ist niemand getötet oder verwundet worden. Die genaue ijahl der am 22. Januar Verwundeten wird auf 333 angegeben, wovon 53 an den Ambulanzstellen verzeich net wurden. Auch in Moskau beginnt der Streik um sich zu greifen. Eine große Anzahl Fabriken stehen bereits still. Es zirku liert das Gerücht, daß sich Moskau bereits im Aufruhr befinde. In einer nachts gelxlltenen Versammlung von Redak teuren Petersburger Leitungen wurde der Beschluß gefaßt, an die Zensur der Zentralverwaltung folgende Anzeige zu richten: Die Redaktionen der St. Petersburger Zeitungen bringen zur Kenntnis, daß die Existenz der periodischen Presse nur unter der Bedingung möglich ist, wenn sie alle Ergebnisse des gesellschaftlichen Lebens mitteilen kann. In folgedessen hält es die Presse für unmöglich, sich nach dem Zensurverbote auf diesem Gebiete zu richten. Ter Unruhen wegen haben viele Behörden heute keine Sitzungen abgehalten, weshalb wohl auch in Paris Gerüchte über eine Militärdiktatur entstanden sind. Vierzig Stadtverordnete beschlossen, in der am nächsten Mittwoch stattsindenden Sitzung der Duma ein Gesuch an die Negierung um Maßnahme» zum Schutz der Bevölke rung gegen die Folgen der Unruhen zu beantragen. Nach dem zweiten Fabritsignal zum Sammeln der Ar beiter am 23. d. M. nm 7 Uhr morgens brach in verschiede nen Werkstätten der Admiralität zu Sewastopol Feuer anS. Fast gleichzeitig stand das Dach des Gebäudes in sei ner ganzen Ausdehnung in Flammen. Tie Ursache des Brandes ist nicht bekannt. Ter Schaden beträgt einige hnndeö.ttanseiid Rubel. In den Werkstätten sind gegen 1500 Arbeiter besckchstigt. Tank der vielen Vorkehrungen gegen eine Feuersgesahr gelang es, viele Hmengebände zu retten. Ter Brand war nm l Uhr nachmittags lokalisiert. Deutscher Nrichörug. «. Berlla. !25>. Litzung am 23 Januar I!>05. Die Bespreilmiig über ten N e r n arl> eiter sl reit wird fort gesetzt Nb.; Vre j skr (Pole»: Di,' Konscrvnliprn sollten nictit da« Leg6imiln»spr>ii,0p zu »ehr in den Vordergrund Hellen, mit diesem (oninu ninn hier nickt Ive-it Das .'lolNcniynditat ist mit-- vernnlworilich für den Recbtsbrucb in pnngendreer. Warum hat es Herrn slinnes nicht ausgeschlossen? Redner schildert die Be schwerden der Bergarbeiter. nanienliich der polnischen: solange letztere ihre Nationalität bewahren, wird sw das rote Meer nicht verschlingen. Die Regierung mnsi ihre Macht dein Syndikat zeigen, dann wird dem Arbeiter geholten. — Äbg Frhr. v. Hehl (Natt.): Die Mehrzahl meiner politischen Freunde ist geneigt, an die Prüfung der von den Arbeitern ansgcstelllen Forderungen heran- zuaehen und diese erso>derlichen'alls zn Gesetzen zu verdichte»: nur bedauern wi< den Nontraktbruch. Die große Mehrheit meiner politischen Freunde Ivünichl, daß das nnginckieiige Nullen beseitigt wird. (Hört!) D»e Bergarbeiter sin»en die wirmste Ly:n»>.ithie im deutschen Volke. Tie Sozialdemokratie !>at sich nicht zu be klagen. wenn die Pente ihr nicht mehr folq->n: sie untergräbt jede Aixtvrität und io still» auch die ihrer Führer zusammen. Die AcbeitSiainmer muß bald kommen, ehe man die Arbeiter ganz verhetzt. Auch könnte die preußische Regierung soiort den sanitären Marchn ilarbeitstag ein'nhren. Aber den Minimallohn können wir nicht emsnhren. Es handelt sich heute nicht mehr »m Aushebung der Souveränität der Abeitgehcr, sondern »w Eiiisiibrniig dev Souveränität der Gewerkvereine, und gegen letztere stranden wir uns ganz entschiede». In England ist das Nullen der Wagen beseitigt Sozialdemokratische Beamte in der Schweiz machten sosort beim Streik die Miliz mobil; da lobe ich mir die Ruhe und Besonnenbeil unserer Regierung (Sehr gut!) und das Ver halten der Bergleute «n der Ruhr. Die Gefahr des Kohlen syndikats ist anerkannt, Ich wünsche seit IltOO. daß die Syndikate unter Neichsaiiisicht gestellt werden, damit sie die Preise nicht zn sehr »i die Höhe treiben könnten. Bei diesem Streik handelt es sich um ein nationales Unglück, und deshalb muß alles ge- schellen, um dasselbe soiort z» beseitigen. (Bravo!) — Minister Möller: Nach dein Streik müssen die pell reu aus diesem gezogen werden inr die (Lemtzg-bung Ich bin nickt dagegen, daß Arbeiter zu Engusten berangezogen weiden. — Abgeordneter Dr. Spahn (Z-ntr.): Die große Mehrheit des deutschen Volkes sieht ans der Seite der Streikenden. (Sehr richtig!) I tzt ist der Streit müßig, ob der .Krieg durch kontratltiruck zu stände kam oder nicht: jetzt bandelt es sich darum, daß wir bald dauernden Frieden erhallen. (Sehr richtig!) Die Haltung des Handelsministers imponiert mir sehr wenig. (Sehr richtig!) jetzt muß die preußi'che Regierung ihren ganzen Macbtapparat ennctzen, um zum Frieden zn kommen. (Bravo!» Und sie hat solche Macht mittel. Seit 1.330 fordern »vir im Parlament mebr Schutz sür die Bergarbeiter aber gcscbei»en ist nichts- Die Neubildung des Shndikats hätte benutzt werden müssen zum erhöhten Ärbeiterschutz. Dann erst die .Hihernia"-Assäre und der Troy-Trust. Da sind die Banken erstmals recht in den Vordergrund getreten, das mußte die Arbeiter stutzig mach». Das Syndikat als Zusammenfassung der Unternehmer kann es garnicht nblehnen. mit den Organi'ationcn zu verhandeln. (Sehr gut!) Die Zechenstickegung bat Tausende von Arbeitern aus ihrer Arbeit gerissen. Daun die Verlängerung der Seilfahrt bei einem Unternehme:, dessen Anhäufung von Millionen sich nachrechnen läßt. (Sehr gut!) In einor Reihe deutscher Staaten sind die heutigen Forderungen der Arbeiter schon durchgesnhrt, nur Preußen ist rinkstandig. Einige Zechen haben bereits die» Forderungen angenommen, da kan» man nicht von Ruin sprechen. Die Arbeiter ruinieren sich doch nicht selbst (Sehr gutl) Der kuis-r hat l38t> schon die Bedenken der Zechenbesitzer widerlegt, was Redner verliest Diese aber haben nur ihre Macht den Bergarbeitern zeigen wollen. Warum kommt der Gesetzentwurf über die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine so lange nicht? Die Löhne sind doch etwas zurückgegangen. in den letzten Jahren insonderheit Die Dibidcnden der Zechen sind aber in derselben Zeit gestiegen. (Hört!) Gerade die hohen Ausivendungen der Zechen für Krankengeld usw. beweisen, daß die Not dort eine sehr große »st. wenn Krankheit eintritt. Der Orannisationsgedanke hat nickt versagt, nur 40 Proz. sind nicht organisiert, diese werden von den anderen 60 Proz. einfach mitgerisien. 33 Proz der Belegschaften stammen ans dem Osten. Hätten wir keine Organisation im Ruhr revier. so weiß ich nicht, was eingetreten wäre, man blicke nur nach Petersburg. Das Ansehen de» Htaates erfordert es, daß der Minister mit alle» zu Gebote strbeaden Mitteln eingrettt. Wen» StinneS sagte! .Ich kann mit meinem »apidal tun. was ich Will,' so zeigt sich, daß im Syndikat lvenig GeiT v»m Christentum herrscht. (Bravo!) Nein, «ir sind für unser vermögen in der Ewigkeit Ver antwortung schAldia. Aber dann muß gerade die Regierung alles tun, um in jener Liegend den Geist des Christentums »u stärken. Ich denke insonderheit an di« Zulassung von OrdenSgesellschoften! ! Eine parlamentarische Untersuchung'kommission halte ich für ge- i boten, selbst wenn sie nicht in d«r Verfassung steh». (Bravo!) Die christlichen Gewerkschaften sind keine Parteiorganisation; wir be grüßen sie, wir uinerstügen sie nur und wünschen deren Stärkung. Es wäre viel besser gewesen, der Reichskanzler hätte die Rechts fähigkeit der Berufsvereine angekündigt. , Bravo!) Zum Schluffe noch ein Wort: Der Staat hat das Mutungsrecht verliehen; er muß verwehren, daß es nicht mißbraucht wirb, sonst hat er dafür zu sorgen, daß andere Zustände cintreten. (Lebhaftes Bravo!) — Abg Zimmermann (Am.): Der Staatssekretär lobte so sehr die Assoziation des Kapitals: jetzt habe» wir den Salat. (Heiter keit!) Redner stellt sich ganz auf die Seile der Arbeiter. — Abg. v. Heydebrand (kam.): Wir sind nicht der Ueberzengung. daß auch die Grubenbesitzer kontraktbrüchig wurden. Wir verurteilen den Standpunkt des reinen Gewinnes, der die Arbeiter hier schädigt! Aber über Verträge darf man sich nicht Hinwegsegen. Das Recht darf nicht gebrochen werden. Wir haben ein Herz für alle Arbeiter, insonderhen sür die Bergarbeiter. Wir haben ein 'Verständnis für den vierten Stand: aber dieser muß sich sagen, daß er Verständnis für die anderen Stände hak. Ader das ver mißt inan vielfach. Eine wirkliche Konstitution im Unternehmen wünschen auch wir: aber heute hat inan schon vielfach einen Abso lutismus vonscire» der Arbeiter, der unerträglich ist. Wir und für den Ausbau der Organisation der Arbeiter, aber wir müssen hierbei Rücksicht nehmen auf die Nichtorganisierte». Eine parla mentarische Engnete würde em Mißtrauensvotum gegen den Bundcsral sein und dazu liegt keine Veranlassung vor. Ruse: doch!) Die Arbeit ist eine von Gott geordnete sittliche Pflicht! Aber das Christentum gilt »ich« nur für das Kapital, auch für die Arbeit, für alle. Nur so fördern wir den Frieden, den wir alle wolle»! — Das Hans vertagt sich auf morgen Schluß der Interpellation: Interpellation Bi'ning über die Verfassung i» Mecklenburg. Politische Nundscharr. Dresden, de» 24. Januar 1005,. — Ter Fürstbischvflichc Telegat Msgr. Karl Neuber, Propst an St. Hedwig zn Berlin, ist ain Montag mittag ge storben. Er war am 12. Oktober 1841 zn Wischte (Kreis Neiße) geboren, studierte zn Neiße Gtiinnasinni, zn Bres lau Theologie, woselbst er am 28. Juni 1860 die bl. Priester weihe empfing. Zuerst als Kaplan in Liegnitz angestellt, kam er 1868 bereits in gleicher Eigenschaft nach Berlin an die St. Sebastians irche, wo er bis zum Jahre 1897 verblieb und einen rege Tätigkeit entfaltete. Nach dem Tode des Propst Tr. Ialmcl wurde er dessen Nachfolger an der St. Hedwigskirche. Ter Herr Telegat Propst Nenber hat in den sieben Jahren, während denen er der Telegatnr Vor stand, eilten ungemein großen Aufschwung des kirchlichen Lebens in allen Berhältnissen erlebt. Nicht nur sind eine Reihe neuer Kirchen entstanden, sondern auch das schon vor her so blübende Vere-inswesen, das die Katholiken um schließt, hat eine weitere Vertiefung erfahren. Tie Vin- zentinskonferötizen und sonstigen wohltätigen Vereine schlos sen sich zn einem großen charitativen Verbände zusammen, die Dahnhofsniission entfaltete ibre segensreiche Tätigkeit, kurz allenthalben regt cs sich zu fruchtbringender Arbeit im Weinberge des Herrn. — Tic mecklenburgische Vcrfassnngsrcvisivn wird durch die Interpellation des Abgeordneten Büsing wieder anfge- rollt. Tie konservative Presse Mecklenburgs ist ob dieser Interpellation sebr erbittert, sie nennt Büsing einen „mit drei Stimmen gewäblten Znsallsabgeordneten", der nun den „labmen Versassnngsgaul" wieder in die politische Arena bringen wolle als Nachwehen der letzten Wahl. Wir sieben ans dem Standpunkt, daß auch Mecklenburg eilte Ver fassung erbalten muß gegenüber den heutigen Bedürfnissen; aber Nur müssen doch sagen, daß es nicht Sache des Reichs ist. bier einzngreisen. Allerdings bat der Bundesrat 1875 beschlossen, im Wege frenndnnchbarlicher Einwirkungen die ses Ziel zu erreichen; aber ein Erfolg war ihm nicht beschie- den. Ob es heute besser steht, ist fraglich! Imerhin freut es uns, daß gerade die nntionalliberale Fraktion diesen Anstoß geniacht hat. sie war die einzige Partei, die gegen den Tolcranzgntrag des Zentrums stimmte, da derselbe die Kompetenz des Reiches übersteige; setzt kann sie wenigstens diesen Vorwand benutzen. Tie Durchführung des Tale- ranzantrages liegt zudem ganz im Nahmen der Aufgaben der Reichsgewalt, er betrifft die Freiheit der Neligions- ühnng. die indirekt in der Verfassung des Reiches garantiert wird. Beim Iemitengesetz schien da? Reich zuständig, da bandelte cs sich nm die Sklaverei. Weshalb sollte es nicht zuständig-sein beim Toleranzantrag, wo nur die Freiheit in Betracht kommt? — Folgende Parlamentarier sind am Ordensfcste deko riert worden: Roter Adlerorden dritter Klasse mit der Scbleise: Dr. Paaiche, Gebcimcr Negicrungsrat und ordentlicher Professor an der Universität Berlin; Dr. Vorsch (Zentr.), Instizrat zu Breslau; Roter Adlerorden vierter Klasse: Tr. Bachem (Zeutr.), Rechtsanwalt zn Köln: kindlcr, Architekt zn Posen; Kirsch (Zentr.), Aints- gerichtsrat zu Düsseldorf; Mommsen, Bankdirektor zn Ber lin; Wiimmboff, Hofbesitzer zn Scbleddeban'en. Kronen- orden zweiter Klasse mit dem Stern: Tr. Nintelen (Zentr.), Geheimer Obcrjnstizrat und kammergcrichtsrnt zn Berlin; Kronenorden zweiter .Klasse: Graf von Schwerin, Präsident des deutschen Landwirtschaftsrats und Ritterguts besitzer zn Löwitz; .Kronenorden dritter Klasse: Labroise, Bürgermeister und Gutsbesitzer zu Wuisse; Lieg, Ritter gutsbesitzer zu Sieargh bei Uuislaw; Dr. Spahn (Zen trum), Neichsgerickitsrat zu Leipzig; Kronenorden vierter Klasse: Euler (Zentr.), kuusttischlermeister zu Bensberg; Pauli, Tischlermeister zu Potsdam; Sittard (Zeutr.), Lehrer zu Aachen. — Im Ruhrkohlenbeckcn ist die Lage unverändert. Die vielen Sountagsversgmmluugen sind ohne Störungen ver laufen. Während in Rußland die streikenden Arbeiter unter Fübrnng eines verblendeten Priesters die fürchter lichsten Wirren über das tiefverrottete Land heranfrnfcn, zeigt sich in Deutschland bei der weit größeren Zahl Ans- ständiger der Segen einer gewerkschaftlichen Erziehung. Wohl haben die Zeitungen des Regierungsbezirkes Düssel dorf die Anfrnhrparagraphen veröffentlicht und in Dort mund sind sie in Plakatform angeschlagen — aber eine Nötigung hierzu lag nicht vor; bisher hat sich die Arbeiter schaft als durchweg besonnen und wert eines Sieges gezeigt. Darum steht auch die ganze öffentliche Meinung — vom „Vorwärts" bis zur „Kreuzztg." — im entschiedenen Wider- sprnch gegen die Starrköpfigkeit des Syndikats. Immer mehr Stimmen treten für die zwangsweise Verstaatlichung der Kohlengruben ein. Die Gruben an der Saar haben ge wiß auch ihre Schattenseiten. Aber das muß man dem Direktor Hftgers. dein am Sonntag 10 000 Bergleute in Saarbrücken einen Fackelzug bei seinem Scheiden brachten, zur Ehre nachsagen, daß die staatliche Verwaltung auch in schlechten Zeiten die Bergleute vor Feierschichten, Förde- rungseinschränkungen und Lohnherabsetzungen bewahrt hat. Im Ruhrbecken waren nach dem „Neichsanzeiger" am >0. d. M. 204 729 Bergleute ausständig: 46 896 Mann waren angefahren. Wenn man bedenkt, daß viele der Weiter arbeitenden mit dem Füttern der Grubenpferde, mit der Förderung von Kohle für den eigenen Bedarf usw. be schäftigt sind, daß ferner mit den Willen der Organisationen auf staatlichen Gruben, auf kleinen Zechen und bei denen, die die Forderungen bewilligt haben, weiter gearbeitet wird — so wird man die Zahl der Arbeitswilligen nicht für de- drohlich halten. Die, Kohlenproduktion beträgt nur ein Fünftel des Normalen (Sonnabend 4046 Wagen). Bas Syndikat hat freilich infolge der Streikklausel weniger Schaden, als die gesamte Industrie. Der Wasserweg für ausländische Kohle wird nun auch durch den Frost verlegt; Der Rhein ist voll von Treibeis. Die Händler treiben die Kohlenpreise schnell in die Höhe; vergebens warnt das Syn dikat, dessen Kontor mit Telegrammen nm Kohlen über schüttet wird. Neben den Sozialdemokraten und freien Ge werkschaften, die am Dienstag 27 Demonstrationsversamm- lnngen veranstalten, nehmen nicht nur die Gewerkvereinler und christlichsozialen, sondern auch die katholischen Arbeiter zn dem Streit öffentlich Stellung. — Gegen Kolvnialdirektor Stübel macht die liberale „Köln. Ztg." in einem Artikel Front, der viele falsche Dar stellungen enthält; sie meint, daß die Summe von 200 000 Mark für die Linie Windhuk-Rehobath nur deshalb in der Budgetkommission abgelehnt worden sei, weil Dr. Stü bel ungeschickt ausgetreten sei. Nein, das ist falsch! Die Mehrheit der Kommission war entschlossen, hier ein Exem pel zn statuieren, man wollte das Budgetrecht wahren. Ob bei einer späteren Vorlage, falls die Linie sich als not wendig herausstellt, die Summe genehmigt wird, wurde noch gar nicht entschieden. Das Kölner liberale Blatt scheint ans den Sturz des Kolonialdirektors hinzuarbeiten; aller dings ist dessen Stellung nicht mehr sehr fest. Aber unge recht darf mail doch nicht Vorgehen. — Das preußische Abgeordnetenhaus hat am Montag in dritter Lesung die Hibernia-Vorlage angenom men; dabei wurde auch der Streik gestreift. Der Zcntrnms- abgeordnete Brust erhoffte von dem Eintritt des Staates in das Syndikat eine Besserung der Arbeiterverhältnisse und vorerst eine Statistik über diese selbst; der nationallibe rale Abgeordnete Hirsch hielt es wieder für angezeigt, das Verhalten der Zechenbesitzer zu verteidigen. Der Minister betonte, daß er nun allein Vorgehen werde, wenn die Zechen besitzer nicht geileigt seien, in Verhandlungen einzutreten. In der Schlnßabstimmnng wurde der Gesetzentwurf mit sehr großer Mehrheit angenommen. Dann folgte die zweite Lesung des Etats mit dem landwirtschaftlichen Teil; sämt liche Führer der großeil Fraktionen erklärten sich bereit, für Fertigstellung des Etats bis 18. März Sorge tragen zu wollen. Für die Freilassung der Hausschlachtnngen von der Trichinenschau traten sodann die Abgeordneten KcchenSly und Wallenborn (Zentr.) sehr entschieden ein. Landwirt- schaftsminister von Podbielski entwickelte ein ganzes Pro gramm und kündigte hierbei eine Vorlage über die Ent schuldigung ail, versprach, sich der inneren Kolonisation noch mehr allznnehmen und das landwirtschaftliche Schulwesen zu heben. Graf Praschma (Zentr.) freute sich dieser Zu sagen, wünschte aber noch ein Gesetz über die Verunreini gung der Flnßlänfe, Erleichterung des Kalibezuges und be- tonte, daß das Zentrum alle berechtigten Interessen vertrete, das beweise seine Arbeit für die Zölle und in der Kanal kommission. Morgen findet Fortsetzung statt. — Im „Deutschen AdclSblatt" (Nr. 4) sagt Herr Heinrich v. W e d e l in einem beachtenswerten Artikel über „Friedlosigkeit unserer Tage" sehr schön: „Der moderne Theologe hat anfgehört, sich als den berufenen Tempel- hnter des göttlichen Heiligtums zu betrachten; sein kritischer Tatendrang treibt ihn zn einer verhängnisvollen Minier arbeit, die zur Erschütterung der Fundamente unserer christlichen Glaubenssatznngen und zur Negierung der gött lichen Persönlichkeit Christi führt. Und doch sind die für Katheder und Kanzel bestellter: Theologen zweifellos in erster Reihe Beamte eines christlichen Staates mit der bindenden Verpflichtung, durch Lehre und Predigt der christlichen Kirche zn dienen und deren Heilswahrheilen zu vertreten. Gestaltet ibncn ihr Gewissen nicht, dieses Man dat zn erfüllen, so dürfen sie keinen Augenblick zögern, von ihrem staatlichen Amte zn scheiden. Dann mögen sie ungestört ihrem Forschertriebe folgen." Wie kam es aber, daß bisher die meisten Kirchenbshördcn darüber hinweg gesehen haben, wenn ein Geistlicher die Gottheit Christi leugnete? Warum ist denn nun ans einmal der Streit so heftig wegen dem Pfarrer Fischer entbrannt? Die Ur sache ist sehr einfach. Bislang haben die modernen Theo logen ihren Unglauben an Christi Gottheit unter ver schwommenen Redewendungen und Formeln versteckt, indem dann jeder denken konnte, was er wollte. Ein Laie, der diese Herren hört, muß unzweifelhaft deuten, daß sie den Heiland als wahren Gstt anbeten, denn sie bedienen sich aller jener Ausdrücke, welche die christliche Theologie seit 1900 Jahren zur Schilderung der Eigenschaften des Heilandes gebraucht, und eS wird nur die Kleinigkeit dabei verschwiegen, daß sie dafür eine PcivatanSlegung besitzen, welche ihnen z. B. erlaubt, auf einen angeblich „Nichts-alS-Menschen" die Bezeichnung „GotteS Sohn" an- znwenden. Nun kam aber Fischer und sagte mit dürren Worten gerade heraus, waö man bisher nicht zu sagen den Mut fand. Jetzt gilt es für die Kirchenbehörden Farbe zu bekennen. DaL ist ihnen unangenehm, aber e» ist notwendig geworden. — Was die Gegner wünschen. Ein päpstliches verbot an die katholischen Pfarrer, sich an der aktiven Politik zu be teiligen, soll nach der Münchner „Allg. Ztg." ergangen sein. Dem Blatt wird aus angeblich bester Quelle mitgeteilt, daß der Verzicht des Zentrnmsabgeordneten Kohl auf sein bayrisches Landtagsmandat zurückzuführen sei auf „ein von Rom ausgehendes Allgemeinverbot, daß sich Geistliche, die einer Seelsorge vorstehen, weiter aktiv an der Politik
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