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Zweites Blatt sächsische Boikszettung vom 31. Dezember l8«>< Nr. 298 Der Tod Lord Kelvins, ver «« 17. Dezember au» dem Leben schied, lenkt noch ein mal di« Aufmerksamkeit der ganzen gebildeten Welt auf -Hefen Größten unter den Physikern. Geboren 1824 zu Belfast, hat dieser Mann, ein Natur- ßorfcher von Gotte» Gnaden, wie ihn nicht jedes Jahrhun dert zu besitzen da» Glück hat, ein Alter von 83 Jahren er reicht. Seine Studien hat er in Cambridge und Paris Gemacht und schon im Alter von 22 Jahren die Professur der Physik in Glasgow übernommen. Ueber seine Bedeutung für die Naturforschung geben Aufschluß ltachfolgende Worte aus der Adresse der Berliner Akademie der Wissenschaften an Lord Kelvin zu seinem 50- Mrigen Jubiläum am 15. Juni 1896: „Höchst inl>altreich für die Physik tvaren die vergange ner! 50 Jahre: unter den großen Errungenichaften treten besonder- hervor, die Begründung und Ausbildung der mechanischen Wärmetheorie und der gewaltige Ausbau der tKektrizitätSlehre mit dem großartigen Aufschwung ihrer Airiwendungen. An allen diesen Erfolgen sind Sie in her vorragendem Maße beteiligt ... In hervorragendem Maße sind Sie ein Lehrer der heutigen Generation gewor den und unter den lebenden Physikern dürfte es tvenige geben, welche Ihnen nicht als Schüler zum größten Tanke verpflichtet sind." Dem größeren Publikum wurde Lord Kelvin (mit sei- nem Familiennamen Sir William Thomson) bekannt durch di« erfolgreiche Legung des transatlantischen Kabels im Jahre 1866, mit dem, nachdem das erste Kabel vom Jahre 18tz8 nach kurzer Zeit gestreikt hatte, die transatlantische TÄlegraphie ihren eigentlichen Anfang und Aufschwung nahm. Gleichzeitig mit Clausius wies er der Entropie nach, da- heißt daß die im Weltall vorhandene und tätige Ener gie einer gleichmäßigen Verteilung zustrebt mit dem End ergebnis, daß alle mechanische Bewegung zum Stillstand IvZiint, daß die ganze Weltenuhr stillsteht. Nun, dieser als Allergrößter unter den Naturforschern «tlhemein anerkannte Manu stand auf dem Boden der gott- Staubigen Weltanschauung und hat aus diesem seinen Glauben an einen Gott und Schöpfer kein Hehl gemacht, sondern ihn in seinen Schriften offen vor aller Welt aus- »esprochen. Thomson? Gedanken befaßten sich gern mit der Ent wickelung des Planetensystems. Aber er bekennt von all diesen Gedankengängen und Schlüssen über den Uranfang der Welten: „Alle solche Schlüsse sind gewissen Schranken unter worfen, da wir nicht wissen, in welchem Augenblicke eine Erschaffung der Materie oder der Energie den Anfang fetzte, über Neichen hinaus alle auf Grund der mechanischen Tesche beru landen Spekulationen uns nicht führen können. Wenn wir in der reinen Mathematik je geneigt wären, diese Schr flen zu vergessen, müßten wir wieder daran erinnert krexdei, durch die Erwägung, daß ein Denken, das aus schließlich auf die Gesetze der Mechanik sich stützt, uns eine Heit zeigt, in der die Erde unbewohnt sein mußte, und außerdem uns lehrt, daß unsere eigenen Körper gerade so wie alle lebenden Pflanzen und Tiere und alle Fossilien organisierte Formen der Materie sind, für welche die Wissenschaft keinen anderen Grund angeben kann, als den Willen eines Schöpfers, eine Wahrheit, für welcl>e die geo logische Geschichte der Erde ein reiches Beweismaterial bie tet" (bei Kneller, „Das Christentum und die Vertreter der neueren Naturwissenschaft", Freiburg 1903, S. 25 f.). Ein andermal wird ihm die Zweckmäßigkeit in der Natur ein Hinweis auf den Willen deS Schöpfers: „Ueberwältigend kräftige Beweise einer weise und gütig tvaltenden Zweckmäßigkeit umgeben uns überall-, und wenn je Schwierigkeiten, seien sie nun metaphysischer oder naturwissenschaftlicher Art, uns für eine Zeitlang sie ver- kenn lassen, so drängt sie trotzdem mit unwiderstehlicher Ge walt sich uns wieder auf, indem sie uns in der Natur den Einfluß eines freien Willens zeigt und uns lehrt, daß alle lebenden Wesen von einem beständig tätigen Schöpfer und Gesetzgeber abhängen" (a. a. O. 27). Es wird in der nächsten Zeit an Nachrufen für den großen Gelehrten nicht fehlen; ob dabei auch seines theisti- schen Standpunktes Erwähnung geschieht? Hat sich ja in gar vielen Köpfen das Märlein eingenistet, daß die Natur- forschung zum Unglauben, zur Vertverfung eines Gottes und Schöpfers führe. Die seien daran erinnert, daß Lord Kelvins wissenschaftliche Größe lebendiges Zeugnis ablegt von der Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft. VereinSrrachrichteir. 8 Radrberg. Am 6. Januar, nachm. 1 Uhr, findet bei Nasser, Chrtstbaumseier des Kathol. Arbeuerocreiiw und seiner Familienangehörigen, verbunden mit Theater und Verlosung, statt. z Leipzig. Katholisches Kasino. Montag, den 6. Jonuar Uhr Chrtstbaumseier im Saale de» kathol. Gesellenhauses. Die Ansprache hat Herr Kaplan WttkowSki gütigst übernommen. — Donnerstag, den 2. Januar Männerversammlung iin V.-r,ir.slokal. — Sonntag, den 19. Januar. Familienabend im Nrslaiuni-.t Brückner. Vortrag von Herrn Kaplan Klesse. — ssnntag. den 9. Februar, Großes FaschingSfest in den oberen Sälen dcS Zentraltheaters. Nähere Mitteilungen hierüber in den Veranstaltungen und durch den Vorstand. Mit- arbeiter v»m Festausschuß erwünscht. Z Chemnitz. Am zweiten Feiertage hielt der kathol. Jünglmgsvecein eine wohlgelungene Weihnachtsfeier ab. Herr Präses Kaplan Joseph Just begrüßte die überaus zahl reich erschienenen Gäste und begeisterte in kurzen Wollen die Mitglieder und alle Anwesenden für die ernsten Ziele und Ideale deS Jüngliugsvereiues. Flott gespielte Theater- stücke wechselten mit musikalischen Darbietungen, die unge teilten Beifall fanden und heredteS Zeugnis galun von dem jugendfrischen Geist, der den JünglingLvercin durch- weht. Die Feier krönte ein Vortrag de? Herrn Schieß- kaplan Joseph Müh» aus Wechselburg, der in markige, Zügen die hohe religiöse Bedeutung des WeihnachtSfeuec und dessen einzigartige Stellung im HeilLplaue Gottes schilderte und für seine höchst interessant und lekirreichen Worte stürmischen Beifall erntete. Da- reichhaltige Pr«- Gramm hielt alle Feftteilnehmer bi- zur zwölften Stunde t > fröhlicher KeihnachtSktimmung beisammen — der ver gnügte Abend wird sicherlich alle Freunde und Gönner de» Jüngling-vereinS in wachsendem Interesse für diesen er halten. Ik. -lu- der christlichen Kirche. tr B»» eine« gr»ße» „Kl»ßersk»»b«l" tn Graz wußten im vorigen Sommer viele Zeitungen zu berichten. Die barmherzigen Schwestern MechthtldiS Perk mit Klothilde Z »remdovic vom Institut „Schutzhaus für verwahrloste Mädchen" sollen mehrere der ihnen anoertrauten Kinder mißhandelt haben. Der sozialdemokratische „Grazer" Volks wille" erging sich lang und breit in den au» den franzb- si'chen Kiotterikandalberichten bekannten grauenhaften Schil derungen I Dir beiden Ordensschwestern wurde« am 8». Sr»p mber 1907 durch den Emzelrtchter Dr. Goriupp zu 20 resp. 10 Kronen verurteilt, während eine dritte eben falls anxeklagre Schwester sosort freigesprocheu wurde Jetzt ha; da» Berufungsgericht von Graz die Schwestern „von Schuld und Strafe" freigesprochen! Wird nun die Presse ibr Unrecht gegen die Ordensschwestern wieder gut machen? Thearer und Musik. ! Tre-den. Wucher, spielplav der köuigl. Hoftbeater Ove'ndauS. Man ag: Götter! ärnmerung (S Uh ). DienStog: De> von Secilla (6>. Mittwoch: Der fliegende Holländer (V-8). Donnersiaq: Die Bobine Hreiiag: N-idtne ('/-»)- Lorvabend: Tiefland 0/^8) Sonnka,: Ntt-a ('?8). Montag: Die fli-dermvus. — Schauspielhaus. MlNttag: Dcr Lebemann l('jk8). Dien-tag: «schenbrödel (4). Mttlw ch nachm.: «ich«, biösel abends: «in idealer La te. Donnerstag, für die H'.enStag Anonnrmen des 3l. i ezember Wilhelm TeU (7>. Freitag: Die Nabenfteincrin Sonnabend: Der grotze Tag fl/,»). Sonalag nachm.: Aschenbrödel (>/^3 , abends: Die Rabenstetnecin Montag nachm.: ttschenbiödcl abends: ktn idealer iLarie ('/z8i. Kirchlicher LV»cher»ka1ender. Afarrätrcke oer Hlki-Sndl mwerrplatz 2s: (Fernlpr.: Neujahr: / Atz» hl Messe, 9 Uhr Prrd'st'. und tzocha I r. '/.II, Uhr Schvt- '»rwsdieafl, abe.tds 6 Uhr Segens, dacht. An Werktage« u« 7 »tzr heil. Messe. Freitag abends » Uhr Krruzwegandacvt. AreiScrg: (Aernipr. Mg). S ilvester: «bends 8 Uyr Predigt und Tedeum. Neujahr: Früh 6 Uhr scrrrUche» Hochamt, abend» 8 Uhr Andacht. tptrna, ^»»rrkirche: (Fernsor.: 2MI.) »iloester: SbendS 6 Uhr Predlgt, Dankxottesdiensl und Tedeum. Neujahr: Früh ".7 Um heit Berchre, °/.8 Uhr Kommunion. V,v Uhr Predigt und feierliches Hocham», /.üUhr stille hl. Messe. Nachmittags 2 Uhr WeibriachlSoudachi Uno heil. Segen, an den Werktagen früh '/.7 Uhr hl. Messe. Aadeberg. Silvester: Abend« 7 Uh- Iahrerschlußandacht. (Predigt, Tedeum, Segen). Ncojatzr: 6 Uhr Psairgottesdicusl, '/.F Uhr Segen San dacht Mtlde O«be«. Beim il »erzcichnclen gingen ein: Für die Kirche in L.-Plag- lvist: 2 ^ 7 : H auö der Lparbüchse, üO ^ eine Mchiiz>chluug, l .kk- Dt. ^.olrbuer, 2 .E Ar. Wanke — Für di- pjrche tn GovliS: t eine Uroerzahlung, 5>0 H Hc. H D:. Hoiib.ier, bt) H Fr- U—r—m—. — Für tue Boniiattu.-iNiche in Werda«: l Hr. Sir. — Für die Ki.che in Riesa: 2 I. — Für »te Kirche in ttö-iall-in: 2 .« d ^ — 48 — Nun ist bereits die Equipage in Sicht — gefolgt von einer Masse ande rer Wagen, die jedoch niemand beachtet. In der tveißausgeschlagenen Equipage sitzen Graf Amadeo und Dereflta — beide heiter lächelnd und nach allen Seiten hin grüßend. Amandeos frisches Aussehen überrascht allgemein. Man war seit lan gem gewohnt, den jungen Grafen als kranken Mann zu betrachten. Jetzt sitzt er aufrecht da; seine vornehmen Züge sind leicht gerötet; die Augen blicken frei und fröhlich; die grüßenden Bewegungen seiner Hand sind lebhaft und voll Verve. „Evviva! Evvival" Der Wagen fährt langsamer. Fast streift er Bernardo und seine Frau. Amadeos Augen treffen eine Sekunde lang Graziellas Blick, in dem eine stumme, angstvolle Frage brennt. Nur eine Sekunde lang. Aber das fröhliche Lachen erstirbt auf Amadeos Lippen. Seine Stirn umwölkt sich. Und auch Graziella ist bleich geworden. Dcr eine Mick l>at ihr gesagt, daß Graf Amadeo nicht mehr unbefangen ist, daß er alles weiß — alles Und noch einer lxit das Erschrecken der beiden gemerkt — Bernardo. Sein Argwohn ist geweckt. — Wieder, wie schon oft, vereinigt der Abend die Dorfbewohnerschaft im Parke des Palazzo Varena. Bernardo läßt Graziella den ganzen Abend nicht von seiner Seite. Eifersüchtig beobachtet er jeden Blick, jedes Wort seii.es jungen Weibes. Endlich gelingt es ihr, dcr strengen Ueberwachung für einige Minuten zu entrinnen. Ihr Mann spricht mit einigen Freunden. Sie benutzt die Heit, um sich zwischen die Meuqe zu mischen und ein wenig Umschau zu halten. Unwillkürlich strebt sie in die Nähe des Palazzo. Vielleicht, daß sic dort noch einen Blick des Grafen Amadeo und seiner Gemahlin erhaschen kann. — Auf der Terrasse, ganz vorn an der breiten Freitreppe, steht hochauf- gerichtet Amadeo inmitten seiner Gäste, die ihn und Teresita von Rom herbe- gleitet lxrben. Er scheint soeben ein Bonmot in die kleine Gesellschaft geworfen zu haben. Alles lacht hell auf. Graziellas leuchtender Blick hängt an der lachenden Gesellschaft dort oben auf der Terrasse. Mehr und mehr nähert sie sich dem Palazzo — ohne zu wissen — N>cshalb. WaS hat sie gemein mit der vornehmen Gesellschaft dort oben — sie, die arme Bauersfrau? Nichts. ^ Nichts?? O doch. Sie l>at sogar etwas voraus vor all den hochgeborenen Damen da oben: sie teilt ein Geheimnis mit dem Grafen Amadeo; sie hat etwas ge tan. n>oS niemand anderes für ihn tun würde, vielleicht nicht einmal seine e>q ne F'-an, die so stolz und hoheitsvoll dort oben die Wirtin rnocht. Sie hat ihre Seelenruhe für ibn geopfert, hat ihr Gewissen mit einem der schwär- testen Verbrechen beladen. Jetzt steht sie unten an der Treppe. Ihr suchender Blick schweift hinauf. — 45 — 11. Wieder ist mebr denn ein Jabr vergangen. Der Frühling hält Einzug in Rom und in die römische Campagna — der lachende, südliche Frühling. In ihrem kleinen Häuschen an der Landstraße von Frascati hantiert Graziella in der Küche herum. Sie l)«t die Aermel ihres blaubedruckten .flattunkleides aufgekrempelt und wäscht Geschirr. Nicht mehr so verdüstert und bleich wie noch vor ettunn Jahre, ähnelt sie jetzt wieder der früheren Graziella Ruffoni, die in Feld und Wald herunr- sprang, Heckenrosen ins dunkle Haar flocht und alle Augenblicke den Spiegel fragte, ob sic das sck>ö»ste aller Mädchen sei in Frascati. Munter wäscht sie drauflos, indes der rote Mund ein schwermütige- Liebeslied trällert. Plötzlich erstirbt der Gesang auf ihren Lippen. Draußen vor dem Hänsckx'n Vorbeistampfen schwerer Tritte. Ein gedrungener, vierschrötiger Mann im beschmutzten Anzug eines äandmannes, der von der Arbeit kommt, tritt ein. Eine Weile sieht er schmunzelnd zu, wie die kräftigen Arme seiner Frau hernniwirtschaften. Dann sagt er mit breitem, derbem Akzent, indem er ihr unter daS Kinn faßt: „Hab 'ne feine Neuigkeit, Graziella — 'ne ganz feine." Gleichgültig trocknet sie einen irdenen Teller ab. „So — ?" „Willst du nicht wissen, was, kleine Frau?" „Du tveißt, ich bin nicht neugierig, Bernardo. Deine Neuigkeiten inter- ksfieren mich auch nicht besonders." „Diesmal vielleicht doch," erwidert er etwas ärgerlich, indem er sich an seiner Pfeife zu schaffen macht. „Der Herr Graf und die Frau Gräfin kom men nämlich inorgen für längere Zeit nach Frascati. Die Dienstboten machen den Palazzo schon von unten bis oben rein . . . Zum Kuckuck auch. waS bist d» bleich geworden, Graziella! Ob der Graf hier wohnt oder in Rom — un» kann's doch gleich sein!" Graziella sclstveigt; aber ihre Hand greift nach dem Herzen und ihr Atem geht rasch und unregelmäßig. Er bemerkt die hastige Betvegnng und ist sofort an ihrer Seite. „Wieder Schnrerzen, Graziella?" Sie schüttelt den Kopf und will weiter arbeiten. Doch er faßt sie am Kinn und hebt ihren Kopf empor. „Na, Kleine, wann bekomm ich wieder mal 'neu Kuß?" Mit ersichtlichem Widerstreben bietet sie ihm die Lippen. „Nee —" knurrt er, während die Röte deö Unmutes ihm zu Kopfe steigt — „für den Kuß danke ich. . . Du hast mir zuxir. bevor du meine Fiau wurdest, ehrlich herausgcsagt: „Ich liebe dich nicht. Bernardo, aber ich will dir eine gute, treue Frau sein!" Ich kann dir also keinen Vorwurf machen. Aber ich denke, einchißchen Liebe verdiene ich schon. Du weißt, ich Hab dich so schrecklich lieb; manchmal mein ich, es passiert noch mal ein Unglück, wenn du immer so kalt bist und so —" Er schweigt und beginnt, erregt im Zimmer auf und ab zu laufen.