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Der kaufmännische Mittelstand hat im necigewählten Reichstage anscheinend recht viele Freunde gewonnen. Tie bürgerlichen Parteien haben sch mit sozialpolitischen Anträgen geradezu gegenseitig übe» boten, um den Berreis zu erbringen, daß bei ihnen die Interessen sowohl des selbständigen kaufmännischen Mittel standes, wie der tausmännisä-en Angestellten bestens auf gehoben sind. Eine allgemeinere Beachtung verdient daher die ani 23. und 24. d. M. in Essen stattgefundene Tagung der Sozialen Kommission des Verbandes katholischer kauf männischer Vereinigungen Deutschlands, auf welcher zu den schwebenden Standes'ragcn Stellung genonnnen wurde. Die Kundgebungen des Verbandes lxcben stets eine be- sondere Beriicksicht:gung gefunden, da Prinzipale und An gestellte in der Organisation vertreten sind, das Prinzip vuSgleichender (Gerechtigkeit daher den Forderungen Mast und Richtung verleiht und den gesetzgebenden Körperschaften Grundlinien gegeben werden, auf denen sie erfolgreich zu arbeiten vermögen. In melirftiindiger Derl-andlung wurde die Frage der Konkurrenzklausel erörtert. Tie Kommission erkannte an, bah die Annxmdung drr 88 74. 75 des Handelsgesetzbuches zu schweren, die kaufmännischen Angestellten drückenden Mistständen geführt lxibc und bezeichnest' eine Abänderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen als dringend not wendig. Für die Abänderung des Handelsgesetzbuches rvurden folgende Grundsätze aufgestellt: 1. Kont'urrenzklaufeln mit Angestellten, ivelche ein Ge halt bis zu 2400 Mart bestellen, sind nichtig. 2. Die vereinbarte Konventionalstrafe darf die Hälfte des Jahresgehaltes nicht übersteigen. 3. Die Beschränkung soll die Tauer eines Jahres nicht überschreiten. Im Anschlust an die Verliandlungen über die Kon kurrenzklausel wurde das Vorgehen der sogenannten 1>-Banken <Deutsch>e Bank, Dresdner Bank, Tarmstädter Bank und Diskonto-Gei'ellsckxcft) sowie eine Anzahl Berliner Samt' und Seidenwareii-Grosthändler, welches das Fort- konmien der Angestelllen zu unterbinden drohte, entschieden mißbilligt. Zur Hebung des Lehrlingsivesens stellte die Kom mission einen Musterst hi vertrag für kanfmännisch>e Lehr linge auf, der von der Zentrale des Verbandes in Essen- Ruhr bezogen werden kann. Ein vorliegender Antrag, sich mit einer Aenderung der 88 811 und 350 der Zivilprozeßordnung dahingehend zu befassen, daß die nnp'ändbaren Gegenstände auf das „Not" dürftige" beschränkt werden, wurde abgelehnt. Die Forderung der Pricxctangcstelltcn nach Schaffung eines einheitlich>en Pi inatbeamtenrechtes wurde als begrün det erklärt. Zu erstr.ben seien möglichst einheitliche Rechts- Grundsätze für alle Gruppen des Privatangestelltenstandes. Es wurde eine besondere Kommission eingesetzt, welche die dahingehende Bestrebung verfolgen und für eine spätere Beschlußfassung konkret.' Vorschläge vorbereiten soll. Die vom Verbände im November 1005 dem Reichstage unterbreitete Petition betr. Abänderung des 8 00 des .Han delsgesetzbuches (Gehaltszahlung in Krankheitsfällen) ist infolge der Neichstagsauflösung nicht im Plenum zur Be ratung gekommen. Die Soziale Kommission beauftragte deshalb die Verbandsleitung, erneut beim Reichstag dahin vorstellig zu werden, aast sowohl Absatz 1 wie Absatz 2 des 8 63 des Handelsgesetzbuches zwingendes Recht werde. Zur Frage der Handelsinspektion wird die Verbands leitung dem Reichstag demnächst eine Eingabe unterbreiten, in der die Schaffung einer Handelsinspektion verlangt wird: dem Handelsinspektor soll die Aufsicht Uber die Durchführung der gesamten, zum Schutze der selbständigen Kaufmannschaft und der kaufmännischen Angestellten er gangenen sozialen Gesetze übertragen tverdcn. Außerdem wurden die Mitglieder der Sozialen Kommission beauftragt, in ihren Gauverbändcn die Frage der Handelsinspektion dahin zu erörtern, ob bis zur reichsgesetzlichen Regelung dieser Angelegenheit die einzelnen Bundesstaaten ersucht werden sollen, nach dem Vorgänge des Grosthcrzogtums Baden und Sachsen Meiningen die Aufsicht im Handels gewerbe den Gewerbeinspektoren zu übertragen, lieber etwaige dahin zielende Anträge der Gauverbände wird di? diesjährige Generalversammlung des Verbandes ent scheiden, ivelche im August in Danzig stattfindet. Einer eingehenden Besprechung wurden die Aus dehnung der Reichs - Unfallversicherung auf das gesamte .Handelsgewerbe und die Frage, ob eine besondere Klün- Handels-Verufsgenossenschaft oder Einbeziehung der Detail- gesckstifte in die Lagerecberufsgenossensckxcft gefordert wer- den soll, die Reform des Weckstelprotestes, die Einführung des Postscheckverkehrs. die Abänderung des 8 23 des preu- ßischen Einkommensteuergesetzes vom 19. Juli 1906, sowie die Forderung des gerichtlichen Zwangsvergleiches außer halb des Konkurses unterzogen. Aich diese Fragen sollen in den demnächstigen Jahresversammlungen der Gauvor stände zur Erörterung gebracht werden, um dem Tanziger Kongreß zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegt zu werden. Zur Frage der Sonntagsruhe wurde die bisherige Stellungnahme des Verbandes als beizubehalten bezeichnet: Grundsätzlich: Forderung selbständiger Sonntagsruhe mit nur geringen Ausnahmen für diejenigen Geschäftszweige, für welche das Interesse der Gesamtheit diese notwendig er scheinen läßt; daS zur Zeit erstrebenswerte und erreichbare Ziel: völlige Sonntagsruhe in Kontoren und im Groß handel, ein nur einmaliges ununterbrochenes Osfenhalten der Verkaufsstellen des Kleinhandels von höchstens 2s/o Stunden. Tie Verbandsvereinigungen sollen ersucht wer den, in eine energische Agitation für diese Forderungen ein- zutreten. In gleicher Weise sollen die Vereinigungen für Verlängerung der Ladenschlußzeit (8-Uhr-Ladenschluß) tätig sein. Bezüglich der vom Zentrum im Reichstag eingebrachtcn sozialpolitischen Anträge, betr. unlauteren Wettbewerb, Ausverkaufswesen und Abzahlungsgeschäfte, sowie der Forderung von Erhebungen über die Lage des kauf männischen Mittelstandes wurde begrüßt, daß damit alte Wünsche und Forderungen des Verbandes an der maß gebenden Stelle zum Ausdruck gebracht worden seien. Der im Reichstag von der Wirtschaftlichen Vereini gung Angebrachte Anirag, betr. Abänderung des Patent gesetzes zum besseren Schuhe der Interessen der technischen Angestellten, sowie der Antrag der Neichspartei, betr. die Diskontopolitik der Neichsbank wurden den Gauver bänden zur Stellungnahme überwiesen: desgleichen ver schiedene Anregungen bezüglich Bestechung der Angestellten in Handel und Jrcduslrie, Errichtung einer Auskunftei für Privatangestellte, kostenlose Beglaubigung von Dienst- zeugnissen durch die deutschen Konsuln im Auslande, Aus- breitung des VerbandcS usw. Zu begrüßen ist, daß dem- nächst eine Zusammenstellung -er gesamten bisl-erigen sozialpolitischen Tätigkeit des Varbandes in Broschürenform erscheinen soll. Es isr zu wünschen, daß die Beschlüsse und Anregungen der Sozialen Kommission reckst bald in die Tat umgesetzt werden zun: Besten des gesamten kaufmännischen Mittelstandes. A«- Stadt arrd Land. (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Major Fischer. In der Abendausgabe des „Leipziger Tageblattes" vom 27. d. M. ist folgender Artikel zu lesen: „Wir hatten die Nachricht der „Augsb. Abend zeitung", nach der in der Verhandlung gegen den in der Tippelskirch-Affär? vülgenannten Major Fischer „auf schlichte Entlassung" erkannt worden sei, von vornherein als wenig glaubwürdig bezeichnet. Dies wird jetzt offiziös bestätigt und dazu bemerkt: „Die Nackwicht trägt übrigens für jeden, der eiingennaßen mit den Vorschriften über das ehrengerichtliche Verfahren vertraut ist. den Stempel der Unrichtigkeit an der Stirn. Ein Ehrengericht erkennt nicht auf Strafe, und ein ehrengerichtliches Urteil wird nicht dein Kaiser zur Bestätigung unterbreitet. Das Ehrengericht gibt vielmehr nur ein Guiachtenab. Die Entscheidung, das Urteil, steht allein dem jlontingentsherrn, in diesem Falle. I dem Kaiser, zu." Hierzu geht uns aus Offizierskreisen folgende Zuschrift zu: Ich kann mich mit diesen vorstehenden Ausführungen nickst einverstanden erklären, da ich den Spruch eines Ehrengerichtes doch für ctlvas mehr halte, als für ein bloßes Gutacksten. Es dürfte dies aus nachstehenden Bestimmungen über die Ehrengerichte hervorgehen: In der Allerhöchsten Einführungsordre über die Ehrengerichte der Offiziere im preußisch'« Heere vom 2. Mai 1874 lreißt es u. a.: „Die Ehrengerichte aber haben die doppelte Aufgabe, sowohl durch ihren Spruch die Ehre des einzelnen von un begründeten Verdächtigungen, insoweit ihm andere standes gemäße Wege hierzu nicht offen stehen, zu reinigen, als auch zur Wahrung der Ehre des Standes gegen diejenigen Mit glieder desselben, deren Benehmen dein richtigen Ehr- gesühl und den Verhältnissen des Offizierstaudes nicht ent- spricht, eiuzuschreiten." Fenier wird sogleich am Anfänge der Verordnung als Zweck der Ehrengerichte angegeben: „Gegen diejenigen Offiziere, deren Benehmen dem richtigen Ehrgefühl oder den Verhältnissen des Offizierstandes nicht entspricht, auf dem durch gegenwärtige Verordnung be- zeichneten Wege einzuschreiten und, wo es zur Erhaltung der Reinheit der Ehre des Offizierstandes nötig, auf die Entfernung unwürdiger Mitglieder aus der Genossenschaft anzntragcn: sowie d> Offiziere von unbegründeten Ver dächtigungen ihrer Ehrenhaftigkeit zu reinigen, insofern andere standesgemäße Wege hierzu nicht vorhanden sind." Weiterhin heißt es in dieser Verordnung, daß der Spruch des Ehrengerichtes lauten kann auf Unzuständigkeit, auf Vervollständigung der Untersuchung, auf Freisprechung, sowie auf schuldig. Der letztere Spruch kann nach § 51 — 170 — indem sie die Reiter nmdrängten und mit Messern und DolckM nach den Pferden stachen, Nx'lck-e nun wild aufschlugen und ihren Herren nicht mehr gehorchten. Mnrfu, der mit seinem Vater beschäftigt Nxcr, gelvahrte nichts von der drohenden Gefahr, bis er sah, wie die Feinde zahlreich auf ihn eindrangen und «ncch seinen Vater bedrohten. Sobald sich das Gefecht zugunsten der Fahrenden gu wenden drohte, sprengte Dalja trotz des Verbotes auf den Kampfplatz: eine Unzahl kräftiger Dirnen folgte ihr. Aber mit den kurzen Dolchen, die sie bei sich trugen, konnten sie nickst viel ausrickstcn. Doch gelang es ihnen, Mursn »rnd den Vater schützend einzuschließen und ihn von dem Kampfplatze weg unter eine mächtige Eiche zu tragen, an deren Stamm er mit dem Oberkörper «ngelehnt wurde. Dalja schickte eine der Dirnen nach dein nickst weit ent fernten Lagerplatz, die alte Ahne zu holen, die in der Heilung schverer Wunden Wunderbares leistete. Doch hier war jede Hilfe unmöglich: kaum mehr eine Stunde lxstte der Verwundete zu leben. Ein kühler Trunk verschaffte ihm etwas Linderung. Unterdessen Nnirden die Zigeuner, die den Fahrenden an Zahl weil nachstanden, so heftig angegriffen, daß sie zurückwichm. Murfu sammelte feine Leute und wehrte sich wie ein junger Löwe gegen die Ueberzahl, doch es half nichts. In dicksten Hausen drängten Männer und Weiber heran und Eberschiitteten die Zigeuner niit Steinwürfen, daß diese abermals wichen. Plötzlich tönte lauter Hornruf von der Heerstraße her und ein schmucker Weiter erschien am Eingang des Tales, Nxuidte, nackidem er dem Kampf einen Uugenblick zugesckxuit hatte, sein Roß und kehrte nach wenigen Augenblicken mit einem Dutzend Reiter zurück, welche drohend den Eingang des Tales besetzten. Vom Waldrande her tönte ein lauter Schrei: „Walter!" Auch der Ritter mit der blauwcißcn Sckstirpe hatte das Mädchen erkannt. „Dalja!" rief er laut. „Zu Hilfe!" gab diese zurück. „Los!" gebot Walter und stürmte mit eingelegter Lanze gegen die Haufen der Männer und Weiber, die schreiend auseinanderstoben. Nach wenigen Augenblicken ivar der Kampfplatz von den Feinden der Zigeuner geleert; fluchend und schreiend sprangen die Scharen der Männer und Weiber zur .Heerstraße, wo sic sich rasch sammelten und in den Wald schlugen oder durch den seichten Fluß wateten, um das schützende Ufer zu er reichen. Die Zigeuner jagten ihnen aus den flinken Pferden nach und bald »var das Tal von ihnen gesäubert; nur ihre Verwünschungen tönten noch aus dem dunklen Hock^vald ins Tal hernieder, erstarken aber nach kurzer Zeit. Walter stieg vom Rosse und befahl seinen Begleitern, ihn zu erwarten. Dann begab er sich zu dem Verwundeten, der ihm die Hand reichte und matt lächelte. „Es geht zu Ende," sprach er und schaute suchend umher. „.Holt mir Murfu!" Der Gerufene erschien bald und kniete bei dem Vater nieder. Lautlos mit gesenkten Häuptern umstanden die Zigeuner den Sterbenden. „Ich muß schnell nieine letzten Anordnungen geben," sprach dieser, „denn ich fühle, es geht bald zu Ende." Dalja setzte eine kleine Flasche an seinen Mund, ouS der er begierig trank. — 171 - „Mttrsll," fuhr er fort, „du bist als mein Sohn der rechtmäßige Fürst des Stammes. Hört, meine Brüder! Wollt ihr Mnrfu, meinen Sohn, als Acren Fürsten anerkennen?" Alle Hände erhoben sich und alle Stimmen riefen: „Ja, wir ivollen es!' „So schwört ihm Treue und Gehorsam bis in den Tod!" „Wir schwören ihm Treue und Gehorsam bis in den Tod!" riefen alle, legten die Hände ans die Brust und verneigten sich vor ihrem neuen Herrn. „Nun, noch eines," sprach der alte Zigennerfürst, „das wichtigste. Gib mir deine Hand, Dalja, und verzeihe, daß ich dir ein Geheimnis verschwi'gen. Du bist nicht mein Kind. Sei ruhig," sprach er leise, als Dalja erschrocken zusammenzuckte, „ich habe dich lieb gehabt wie meine eigene Tochter und alle -eine Wünsche erfüllt. Du wirst dich nicht beklagen können. Aber mein Kind bist du trotzdem nickst; das muß ich dir jetzt sagen. Ein Freund, ein anderer Fürst unseres großen Volkes, übergab dich nur, als er sterbend im Zelte lag. Die Ahne wird es dir bezeugen." Diese nickte mit dem grauen Haccpte und fuhr, da das Sprechen dem Verwundeten schwer ging, fort zu erzählen: „Wir zogen dich wie unsere eigene Tochter und liebten dich wie eine solche. D r ganze Stamm verehrt dich als feine junge Herrin. Ist es so?" Ein beifälliges Gemurmel ging durch die Reihen der Zigeuner. „Und nun höre, was du zu tun hast. Fern in Egypten lebt heilte noch der Stamm deines Vaters; dorthin ziehen wir. Es ist zu kalt in diesen: Lande, das uns niemals Heimat werden kann. Zu heiß rollt unser Blut durch die Adern und in diesem eisigen Lande geht es wie Frösteln durch den Körper. Du bist die reckstncäßige Königin deines Volkes, das du beherrschen sollst. Var einigt mit uns bilden wir znsaimnen einen kräftigen Stamm, dem es viel leicht gelingt, sich in dem sonnigen Lande festzusetzen, ein eigenes Reich zu gründen und so den Fluch zu lösen, der über unseren Häuptern schwebt. So ist es geschehen!" Der Zigennerfürst nickte zur Bestätigung mit dem Haupt und sprach, nachdem er abermals getrunken hatte: „Ich weiß, Dalja, daß du Monde lang eine stille Liebe im Herzen trugst." Bei diesen Worten erröteten Walter und Dalja, und diese blickten scheu zu dein stattlichen Manne auf. „Aber," fuhr der Verwundete so leise fort, Laß es nur die Zunächst- stehenden hören konnten, „ihr hättet nimmer zusammen gepaßt. Allzu der- schieden ist euer beider Wesen, eure ganze Art. Der Adler soll sich nicht urit der wilden Taube paaren. Gedenket einander in stiller, lvarmcr Freund schaft und scheidet in Frieden. Tic aber, Dalja, hast in letzter Zeit dich mit besonderer Liebe deinem vermeintlichen Bruder Murfu zugeneigt. Wie wäre es, uxmn du ihn zum Manne nehmen würdest? Es wäre mein letzter Wunsch auf Erden." Murfu sprang auf Dalja zu und blickte ihr in die dunklen Augen. „Dalja, meine süße Dalja," rief er mit zitternder Stimme, „willst du deS Vaters Wunsch erfüllen?" Dalja warf noch einen scharen Blick arrf Walter, der ihr lächelnd zuickte. „Ich will!" sprach sie dann mit fester Stimme und warf sich in Mnrfus Arme.