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Während in Berlin der Bürgerkrieg tobt »nd wir nicht wissen, was uns der morgige Tag an Revolu- ^ onsfreuden bringt, wird in München ein Mann zu Grabe getragen, dessen Bedeutung heute noch gar nicht in vollem "Umfange gewürdigt werden kann. Uns steht er am nächsten als langjähriger Führer der Zentrumspartrei. Er hat sich schon in jungen Jahren dem Zentrum angeschlossen und er hat da- mals es kosten müssen, was es hieß, mitten im Kultur kämpfe sich zum Zentrum zu bekennen. Er, der hervor- ragende Gelehrt«, war und blieb von 1867 bis 1882 Privat dozent in Bonn und konnte nicht vorwärt kommen, bis ihn dann 1882 die Universität München als ordentlichen Pro- fefsor -er Philosophie berief. Schon 1876 wurde er in den Reichstag gewählt. Hier hat er vor allem auf dem Gebiete der Sozialpolitik Großes geleistet. 1909 wurde er Vor- sitzender der Zentrumsfraktion des Reichstages. Seine Be deutung im politischen Leben wurde auch von den Gegnern der Zentrumspartei zumeist rückhaltlos anerkannt. Wenn er im Reichstage im letzten Jahrzehnt seiner Tätigkeit über die äußere Politik sprach, so fand er die aufmerksamste Zu hörerschaft im ganzen Hause. Wer öfter die Verhandlungen de-? Reichstages von der Tribüne aus beobachtet hat, wird verftehen, was das bedeutete. Nach der Auflösung des bayrischen Landtages wurde Hertling 1912 bayrischer Ministerpräsident. In den sechs Jahren seiner Ministerschaft hat er für das Bayernland unendlich Großes geleistet. Schon als Bethmann im Juli 1917 ging, sollte er an seine Stelle treten. Der 74jährige lehnte ab. Es kam die unglückliche Kanzlerschaft Michaelis. Als dann im November 1917 erneut der Ruf an ihn erging, glaubt« Hertling im Interesse des Vaterlandes die schwere Bürde auf sich nehmen zu müssen. Es war wirklich keine angenehme Erbschäft, die er antrat. Weder nach außen, noch nach innen. Ein Gesamturteil über seine Tätigkeit als Kanzler des Deutschen Reiches läßt sich heute noch nicht fällen. Aber jedenfalls steht soviel fest, daß er das Beste für sein heiß geliebtes Vaterland gewollt und zu retten versucht hat, was zu retten war. Als er sein Amt antrat, war er getragen von dem Vertrauen aller Parteien. Die Ansicht, daß ihn das Zentrum verlassen, gehört in das Bereich der politischen Märchen. Hertling hat alles getan, um den Zusammen- bruch zu vermeiden. Aber er stieß auf Widerstände, die nicht -u überwinden'waren. Es war kein Wunder, daß der Ausbruch der Revolution einig« Wochen später ihm seelisch und körperlich sehr nahe ging. Er war Monarchist durch und durch und hielt daran fest bis zu seinem letzten Atemzuge. Das kann ihn nur ehren Denn wenn wir uns auch nun mit Tatsachen abfinden müssen, so kann doch niemand im Ernste verlangen, daß wir von heute auf morgen unser« Anschauung über Mon archie und Republik ändern. Auch Hertling hat den Stand. Punkt eingenommen, daß eine gesunde Demokratie sich auch auf dem Boden der Monarchie hätte durchführen lassen. Und was wir jetzt in Berlin erleben, bestätigt diese Ansicht in -ollen, Maße. Trauernd steht vor allem das katholische Volk, steht die Zentrumspartei an der Bahre dieses hervorragenden ManneS und Führers. Sein Leben soll uns anspornen, weiter tätig zu sein. Das Zentrum wird trotz aller schweren Kämpfe weiter bestehen. Es liegt kein Grund zum Verzagen vor. Tie Wahlen zur badischen Nationalversammlung beweisen daS. Das Zentrum geht daraus als stärkste Partei hervor. Das Ergebnis ist: 41 Zentrum, 36 Sozialdemokraten, 24 Demokraten und 7 Deutsch-Nationale. Graf Hertling hat dieses glänzende Wahlresultat leider nicht mehr hören kön nen. Aber es ist gewissermaßen doch auch ein Dank an den jahrzehntelangen Führer. Wir wollen gerade jetzt im Sinne Hertlings arbeiten, damit das Zentrum auch aus den brutschen Nationalwahlrn siegreich hervorgeht. dsl. Aufruf des Reichsausschusses der Deutschen Zentrumspartei. Durch gewaltsamen Umsturz iist die alte Ordnung Deutschlands zerstört, sind die bisherigen Träger der Staats- gewallt teils beseitigt, teils lahmgelegt worden. Eine neue Ordnung ist auf dem Boden der gegebenen Tatsachen zu schaffen: diese Ordnung darf nach dem Sturz der Monarchie nicht die Form der sozialistischen Republik erhalten, sondern muß eine demokratische Republik werden. An der großen und schweren Aufgabe mitzuarbeiten ist in erster Linie die deutsche Zentrumspartei berufen und bereit. Ihre alten, sturmerprobten Grundsätze bestimmen auch für die neuen Arbeitsziele Richtung und Maß. Gerade in diesen furchtbaren Stürmen soll das deutsche Volk mehr als je erfüllt sein von dem Geist der christ lichen Wahrheit, der das öffentlick)« wie das private Leben durchdringen muß, wenn das Glück des Ganzen wie des Einzelnen erhofft werden will. Es gilt, ein soziales Recht der Allgemeinheit auf zurichten, das jedem Staatsbürger für seine pflichtmäßige Arbeit und sein Eigentum einen gerechten und zuverlässigen Schutz gewährt. Es gilt, in dem Rahmen der christlichen Grundsätze und des gemeinen Rechts der bürgerlichen Freiheit Raum zu geben, die allein das Leben würdig zu gestalten kvsloklsn« voll unroositwöllix srvvrdvns iMUmiuM« Irr «Um»« s» liMr »li liss üvstivlisil Himm. Kslvllms»ss1iii>ii8,s>«. 8,kill, V s, fllsiIllelisIlM 88. vermag, indem sie jede Bevormundung und Willkür von seiten einer Bureaukratie, Klassen- oder Parteiherrschaft aus schließt. Um diese Ziele zu erreichen, bedarf die Zentrums- Partei der eifrigen Mitarbeit aller Parteiangehörigen. Diese Zugehörigkeit zur Zentrumspartei als einer christlichen Volkspartei, wird nicht begrenzt durch ein Religionsbekenntnis. Alle Staatsbürger' christ licher Religion haben diese Grundlage politischer Arbeit ge meinsam. Zum ersten Male treten diesmal auch die Frauen auf den politischen Kampfplatz: sie sind uns im Kampf für eine heilige Sache willkommen. Mögen auch sie an der Seite der Männer mit all ihrer Kraft eintreten für Wahr heit, Recht und FreiheitI Frankfurt a. M-. Len 30. Dezember 1918. Der Reichdausschuß der Deutschen Zentrumspartei: Gröber. Das Programm der Zentrumspartei. Der Neichsausschuß der Zentrumspartei hat auf seiner Tagung am 30. Dezember 1918 in Frankfurt am Mein nachstehende Leitsätze aufgestellt: 1. Verfassung. 1. Schleunige Schaffung einer neuen Verfassung für Reich und Bundesstaaten auf demokratischer, alle politischen Bevorzugungen ausschließenden Grundlage. Schutz der deutichen Nationalversammlung, die nicht in Berlin tagen kann, und Schutz der Durchführung ihrer Beschlüsse durch Truppen Freiwilliger. 2. Wahrung der Reichseinheit, Stärkung des Reichs- gedankens. Erhaltung des bundesstaatlichen Charakters des Reichs zum Schutz der Eigenart der deutschen Stämme. Dem Reich ist die ausschließliche Regelung der wehrpolitischen und außenpolitischen Fragen, den Bundesstaaten die ausschließ liche Regelung der kirchen- und schulpolitischen Fragen vor- behalten. Reichseinheit und Zusammenschluß mit allen an schlußbereiten Stämmen. 3. Gleiches Wahlrecht mit Verhältniswahl, Frauen- wahlrecht und Wahlpflicht in Reich, Bundesstaaten und Gemeinden. 4. DolkSregierungen, die deS Vertrauens der Dokks- Vertretung für ihre Amtsführung bedürfen, mit starker Voll- zugSgewalt in Reich und Bundesstaaten. 6. Ausbau der Selbstverwaltung und Schulung deS Volkes für die gleichberechtigte Teilnahme aller Volksschichten an den öffentlichen Aemtern in Staat und Gemeinden ohne Kastengeist und Klassenbevorzugung. 6. Erhaltung eines selbständigen Berufsbeaintentuius, das durch eine den Bedürfnissen der Familie Rechnung tra gende, gerechte Besoldungspolitik in seiner Lebensstellung gesichert und durch selbstgewählte Ausschüsse und Kammern an der würdigen Ordnung seiner Dienstverhältnisse be- teiligt ist. 7. Grundrechte, welche allen Staatsbürgern ohne Unter schied des politischen und religiösen Bekenntnisses auf dem Boden des gemeinen Rechts und im Geist hochsinniz er faßter Freiheit den ungehinderten Ausdruck ihrer lieber- Zeugung in Wort und Schrift, sowie deren unbeschränkte Be- tätigung in Versammlungen, Vereinen und Genossenschaften aller Art gewährleisten. 2. Außenpolitik. 8. Sofortige Herbeiführung eines Präliminarfriedens und baldigster Abschluß des Weltfriedens der Verständigung und Versöhnung der Völker. 9. Feststellung und Durchführung eines den christlichen Grundsätzen entsprechenden Völkerrechts; für die Regelung der Beziehungen der Staaten zueinander soll das ewige Recht, wcht die Gewalt, maßgebend sein. Vollkommene, durch Völker- rechtliche Bürgschaften gesicherte Unabhängigkeit des Heiligen Stuhles. 10. Schaffung eines Völkerbundes gleichberechtigter großer und kleiner Staaten unter Ausbau der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit, Ausführung weitgehender gleich zeitiger Abrüstung und Abschaffung der Geheiinverträge. 11. Schutz der nationalen und religiösen Minderheiten in allen Staaten. 12. Wirtschaftliche Eutwicklungsfreiheit und Gleich berechtigung im Weltverkehr für alle Völker. Freiheit der Meere, insbesonders durch Abschaffung des Seebeuterechts und Gewährung ungehinderten Verkehrs der neutralen .Handelsschiffe zwischen neutralen Staaten. 13. Internationale Regelung des Arbeiterrechts, des Arbeiterschutzes und der Urbeiterversicherung. Gleiche Maß nahmen für die Angestellten. 14. Erziehung des Volkes zu besserem Verständnis der außenpolitischen Fragen. Völlige Erneuerung des auswär- tigen Dienstes in Persönlicher und sachlicher Hinsicht. 16. Herstellung eines den deutschen Bedürfnissen ge- nügenden Kolonialgebietes. Förderung der Erziehung und Christianisierung der Eingeborenen: Beseitigung jeder Form der Sklaverei. 3. Innenpolitik. Kulturpolitik. 16. Erhaltung und Kräftigung des christlichen Kultur- und Erziehungsideals im Volksleven. 17. Gewissensfreiheit und Freiheit der Religionsübung. Freiheit der Religionsgesellschaften, ihrer Vereinigungen und Genossenschaften. Verständnisvolles Zusammenarbeiten von Kirche und Staat; keine gewaltsame Aenderung der staatlichkirchlichen Rechtsverhältnisse unter Verletzung der Ueberzeugung und der berechtigten Ansprüche der kirchlich gesinnten Volkskreise. 18. Gleichmäßige Berücksichtigung der Angehörigen und Anstalten der verschiedenen Glaubensbekenntnisse auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, insbesondere bei Ver leihung öffentlicher Aemter und Zuwendung öffentlicher Mittel. 19. Freiheit der christlichen Liebestätigkeit und pari tätische Förderung ihrer Einrichtungen. 20. Schutz und Stärkung der Ehe und Familie. Tat kräftige Fürsorge für kinderreiche Familien. Schuh des Kindes, der Heranwachsenden Jugend und der Frau gegen Ausbeutung. Kampf gegen sittliche Verwilderung im Volk, insbesondere auch gegen eine entartete Kunst und eine ver kommene Literatur. 21. Wahrung des Rechts der Eltern und der Rcligions- gescllschaften auf die Erziehung der Kinder. Erhaltung der konfessionellen Volksschule. Sicherung eines genügenden Religionsunterrichts an allen Schulen. Freiheit des Unter- richts und der Wissenschaft. 22. Freie Bahn zum Aufstieg der Tüchtigen aus allen Volksschichten: Beseitigung eines überlebten Berechtigungs- Wesens und des Kastengeistes im Schulwesen. 23. Freie Entfaltung der Mitarbeit der Frauen bei dem Wiederaufbau und der Pflege des deutschen Volks lebens unter voller Auswertung der weiblichen Eigenart.