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Beilage zu Rr. ^6 der „Sächsischen Volldzeitung vom 1 -rebrunr ir-OÄ. Die neuen H«ndelsvertiä,,r - (Schluß.» Auf dem Gebiete der Papierindustrie hat die Erhöhung des deutschen Halbzeug- und Pappezolls eine Steigerung des österreichisch-ungarischen Zolles für ordi näre Pappendeckel und für feine Kartons zur Folge gebabt. Unbedeutend ist die Erhöhung für Pack-, Druck- und Schreibpapier. Die meisten anderen Papiersorten haben allerdings stärkere Erhöhungen erfahren. Für die Massen erzeugnisse der Bilddruckmanufaktur konnte die Zollfreiheit, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, nicht wieder erreicht werden, im übrigen sind die Zölle für die Papiertvaren nicht übermäßig erhöht, teilweise sogar, wie für Papierwäsche und für Spielzeug, annähernd unverändert geblieben. Unsere Spielwarenindustrie erfährt insofern eine nicht unwesentliche Vergünstigung, als für Spielzeug jeder Art in Verbindung nnt gewissen Stoffen und Mate rialien (Textilien usw.) einheitliche Sätze im ganzen Tarif durchgesührt sind und als ferner bestimmt ist, das; geringere Zutaten aus zollerhöhten Stoffen bei Spielwareu außer Betracht bleiben. Mit stärkeren Erhöhungen hat dagegen unsere Leder- industrie zu rechnen. Indessen wird selbst Kalbleder auch durch die neuen Sätze immerhin nnr mit etwa 5 bis 6 Prozent vom Werte belastet und es kann auch ferner wohl angenommen werden, daß die deutsche Lederindustrie in folge der höher gehaltenen deutschen Schutzzölle einen stär keren Inlandsabsatz finden wird. Unser Erport von Holzwarcn und insbesondere von Möbeln dürfte durch die tarifarische Neugestaltung kaum erhebliche Einbuße erleiden, auch kommt in Betracht, daß die Erhöhungen des deutschen Tarifes, abgesehen von Bugholzmöbeln, wenigslens teilweise aufrecht erhalteil sind. Für unsere G l a s i n d u st r i e sind die derzeitigen Absatzbedingungen! nahezu ausnahmslos die gleichen ge blieben. Für Zement ist eine Herabmiiiderung des bisheri gen Satzes von 1,19 Kronen aus eine Krone ausgewirkt. Auf dem Gebiete der T o n w a r e n i n d u st r i e bat Oesterreich-Ungarn für Maurer- und Dachziegel einen er höhten Schutz beibehalten, aber auch wir haben nunmehr einen Ziegelzoll-, für Porzellan und Steingut sind dagegen die Sätze unverändert geblieben. Unsere E i s c n i n d u st r i e konnte schon jetzt Rolier- zeugnisse lind Halbfabrikate nach Oesterreich-Ungarn wegen der sehr hohen Zölle nnr in verschwindendem Umfange aus führen. Tie Wiedereinsetzung in den Vertrag in im wesent lichen unveränderter Höbe wurde von Oesterreich-Ungarn als Vorbedingung für Konzessionen für Fcrtigfabrikate ge fordert. Unter den voll uns nach Oesterreich-Ungarn aus geführten Fertigfabrikaten aus Eisen ragen an Bedeutung hervor die Erzeugnisse der Kleineiscnindnstrie; sie wird in Zukunst mit teilweise erhöhten Sätzen zu rechnen haben, aber diese Erhöhungen erscheinen nicht erheblich genug, um den Absatz nachhaltig zu sckxidigcn. Die Waren aus anderen unedlen Metallen, wie Blei, Zinn, Zink, Kupfer, Nickel, Aluminium und aus Metallegierungen haben im neuen österreichisch-ungarischen , Tarifentwurfe eine weitgehende Umtarifierung erfahren. Ein besonders heiß umstrittenes Gebiet war dasjenige der österreichischen M a s ch i n e n z ö l l e. Oesterreich-Un- garn, das schon bisher recht hohe Maschinenzölle hatte, hat diese im Tarifcntwurf noch wesentlich gesteigert. Indessen dürfte doch gerade bei den für uns wichtigsten Maschinen- gruppen weniger Anlaß zu Besorgnissen vorliegen-, für die schweren Holzbearbeitungsmaschinen ist der Satz von 11,90 Kronen auf nur 13.50 Kronen erhöht; für die Wirkmaschi- nen ist der Satz mit 10 Kronen unverändert geblieben, für die Webstühle ist er allerdings auf 14 Kronen erhöht, aber in diesen Maschinen ist auch unsere sächsische Industrie wegen des bedeutenden Inlandabsatzes außerordentlich leistungs fähig; für. die Nähmaschinenköpfe ist der bisherige Satz mit 00 Kronen im wesentlichen unverändert geblieben, und die wichtige Position der nicht besonders benannten Maschi nen, die nunmehr nach dem Stückgewicht der Maschinen ge staffelt ist. weist allerdings für die leichten und mittelschwc- ren Maschinen erhöhte Sätze auf, für die Maschinen von 50 bis lOO Doppelzentner aber den derzeitigen Zoll von 18 Kronen und für die schweren Maschinen von über 100 Doppelzentner Stückgewicht einen ermäßigten Satz auf 10 Kronen. Mit sehr erheblichen Zollerhöhungen hat der neue öster reichisch ungarische Tarifentwurf die Erzeugnisse der elek trotechnischen Industrie bedacht. Auch hier sind die Sätze im Vcrtragswege wesentlich herabgemindert worden. So Dynamomaschinen, ferner Telephone nnd Mikrophone im Stückgewicht unter fünf .Kilogramm von 210 ans 140 Kronen und für die Starkstromapparate in Tosen nnd dergleichen von 180 auf 150 Kronen. Tie deutsche Edel m e t a I l i n d u st r i e wird mit erheblich erböhten Sätzen zu rechnen haben. Für die Gold- n-aren dürste der erhöhte Vertragssatz von 24 Kronen für das Kilogramm nicht allzu beschwerlich sein; sür die Silber waren aber werden die Erhöhungen schwerer ins Gewicht fallen: für Tonblewaren auf 10 Kronen, für platte Schüs seln, Teller nnd andere derartige platte Gegenstände auf 12 Kronen nnd für den Rest der Silberarbeiten in einer Staffe lung nach dem Stückgewicht auf 12 bis 10 Kronen. Für medizinische, mathematische und physikalische I n- st i ii mente sind teilweise etwas erhöhte Sätze eingestellt. Auch sür Klaviere und Harmoniums konnte der erhöhte autonome Satz nicht wieder auf die bisherige ver tragsmäßige Höhe, sondern nur bis auf 70 Kronen herab gebracht werden. — Die Uhren und Ubrrurnitu- ren werden gleichfalls höhere Zölle als bisher zu tragen haben, die Schwarzwälder Uhren 12.0 Krr.ien, die anderen Uhren 200 Kronen und die Furnituren gleichfalls 130 Kronen. Auf dem Gebiete der ch e m ischen Ind u st r i e sind erhebliche Aenderungen bei zwei, allerdings besonders wich tigen Positionen eingetreten: für die nicht besonders be nannten chemischen Hilfsstoffe ist an Stelle des bisherigen spezifischen Zolles von 23,81 Kronen ein Wertzoll von 15 Prozent mit einer Höchstzollgrenze von 40 Kronen, bei Teer farbstoffen anstatt des fixen Satzes von 3,57 Kronen ein Wertzoll von 12 Prozent mit einer Höchstgrenze von 45 Kronen getreten. Für Bücher, auch gebundene, ist die Zollfreiheit im bis- herigen Umfange wieder ausgewirkt. Es ist gelungen, den Wünschen der deutsclren Landwirt schaft insofern Geltung zu verschaffen, als Oesterreich- Ungarn ganz allgemein die Präventivsperre bei der Vete- rinärkonventiou zugestanden hat. Dadurch ist, namentlich für den freien Viehverkehr, bezüglich dessen die bisherige, örtlich unbeschränkte, nötigenfalls sich über ganz Oesterreich- ! Ungarn erstreckende Sperrbefugnis aufrecht erhalten uwrden j ist, der im Interesse der deutschen Viehzucht unentbehrliche Seuchenschutz gewährleistet. Was den Schlachtviehverkehr anlangt, so ergab sich infolge der Einführung der Präventiv- sperre manche Einschränkung, wobei aber nicht unberück sichtigt bleiben darf, daß in den letzten 12 Jahren die Schlachwieheinsuhr aus Oesterreich-Ungarn tatsächlich fast unbeschränkt zugelassen worden ist. Ein Rückblick auf die im Vorhergehenden bezeichneteu Vereinbarungen des neuen Vertrages für eine größere Reibe besonders wichtiger deutscher Ausfuhrartikel dürfte zu der Ueberzcugnng führen, daß unser Erport zwar teil weise von nicht unerheblichen Zollerhöhungen getroffen wer den wird, daß er aber im großen nnd ganzen und nament lich auch mit Rücksicht auf die große Anpassungsfähigkeit unserer Erportindustrien an veränderte Zoll- nnd Absatz verhältnisse eine wesentliche Einbuße wohl nicht zu be sorgen hat. Die übrigen Verträge wollen wir heute in kurzem skizzieren. In dem Vertrage mit Italien ist zunächst ein Uebereinkommen mit Deutschland bezüglich der Arbeiterver- snchsgesetze angebabnt. Für unsere Industrie scheint dieser Vertrag am günstigsten ausgefallen zu sein; alle seitherigen Vergünstigungen sind wieder ansgenommen. Ausfallend aber ist, daß über die Landwirtschaft nichts gesagt wird. Der deutsche Gartenbau und Weinbau klagt doch sehr über die italienische Konkurrenz; über den Schutz des ersteren er fährt man gar nichts; bezüglich der Einfuhr italienischer Weine sind eine Anzahl Vorschriften getroffen worden. Ter belgische Vertrag sichert den Angehörigen beider Länder die Befreiung vom Militärdienst, im anderen Lande, die seither Nicht immer den Deutschen in Belgien ge wöhn wurde. Belgien bat »ns nicht unerhebliche Zollherab- setznngen nnd Zollbedingungen sür die Dauer des Vertrages eingeränmt; unsere denticlie Konfektionsindustrie muß aller dings geringe höhere Zölle bei der Einfuhr in Belgien sich gefallen lassen. Was bezüglich der Einfuhr belgischer Pferde nach Deutschland bestimmt wurde, ist nicht mitgeteilt. Der Vertrag mit R n ß la » d bedeutet einen wesent- licben Fortschritt gegenüber dem seitherigen; es sind nament lich für die deutschen Reisenden in Rußland und die in Ruß land sich aushaltenden Deutschen wesentliche Vergünstigungen erzielt worden. Die Zahl der nach Oberschlesien einzu- führenden Schweine ist auf 2500 Stück pro Woche erhöht worden, wodurch auch den dortigen Schmerzen entgegenge- kommen ist. Daß die deutschen Minimalzölle für Getreide — 80 — sie, die jetzt die Zecke zu bezahlen hatten, konnten daher am wenigsten verant wortlich gemacht werden für ihr eigenes Elend. Tie volle Rechtfertigung war von jenen zu verlangen, welche die Ver hältnisse vor Ausbruch des Streikes genau gekannt und dennoch einer Zu spitzung der Situation nicht widerraten hatten. Freilich, ein solches Abratcn und eine Prolongation der ganzen Bewegung lag, wie in anderen Fällen, nicht im Interesse der revolutionären Bestrebungen. Tenn nur aus der Unruhe guillt der Segen sür die sozialdemokratischen Organisationen. Kassen und Führer. Es ist überflüssig, die Stimmung der Arbeiter im Verlause des Streiks zu schildern. Tie ersten acht Tage hindurch tvar alles eitel Wonne. Jeden Tag gab es eine Versammlung und am Sonnabend die Auszahlung kleiner Unterstützungen. In der sicheren Erwartung, daß die Firnia Elsner in der zweiten Woche klein bcigcbcn werde, ließ man bei der Verteilung der eingelangten Gelder leim besondere Oekonomie walten. Man beschränkte sich nicht darauf, Familien- rät.'r, Greise und Kranke zu unterstützen, sondern gab auch jungen, rüstigen Streikenden den auf sie entfallenden Betrag. In der zweiten Woche jedoch zeigten die Firma-Inhaber eine unge brochene feste Entschlossenheit, und als es wieder Sonnabend war und mau neuerlich zur Verteilung der Unterstützungen kam, da zeigte sich bereits ein anderes Bild. Es war weniger Geld da, aber auch weit weniger Begeisterung Die ledigen Arbeiter und diejenigen verheirateten Genossen, die nicht zugleich auch Väter waren, wurden jetzt sofort von der Unterstützung ausgeschlossen, was fir natürlich nicht heiter stimmte. Die Familienväter aber bekamen die Hälfte der Beträge von der Vorwoche. Finstere Mienen und geheimes Murren waren die Folge. Einige Unzu friedene erhoben auch schon laut ihren Protest. Beim Beginn und im Verlause der dritten Woche war die Stimmung bereits eine sehr bedenkliche und nickt wenige Arbeiter dachten angesichts der fortgesetzt ablehnenden Haltung der Firma an eine Beendigung des Streiks. Tie Führer des Streiks hingegen sagten: „Mitten in der Sache kann nickt ansgcbört werden, jetzt heißt es: Entweder — Oder!" Der Ausstand dauerte fort, obgleich schon alle künstlichen Mittel ange wendet werden mußten, ihn aufrecht zu erhalten. Jeder Arbeitswillige wurde in Ackt und Bann getan. In der Umgebung der Fabrik wurden Posten aufgestellt, welche die Auf gabe hatten, die zur Fabrik kommenden von der Wiederaufnahme der Arbeit abzubalten. Die sozialdemokratischen Blätter arbeiteten mit Hochdruck für die Fortsetzung der Bewegung. Noch einmal gehorchten die Massen dem Diktate der Führer, so daß auch die vierte Woche keinen Frieden und keinen Waffen stillstand brachte. Aber als der Streikmonat voll war, da riß die Geduld der Arbeiter. Die Unterstützungen batten fast vollständig aufgehört. Die besser situierten Ar beiter waren in Karawanen zum Leihhause gezogen, die ärmeren hungerten bei trockenem Brote. Die Führer des Streiks schoben alle Schuld auf die „prc fitgierigen, ausbeutungslüsterncn und unbarmherzigen" Kapitalisten, die sie aber schon vor Ausbruch des Streiks profitgierig, ausbeutungslüstern und unbarmherzig genannt batten und von denen sie daher logischerweise unmög lich Beweise des Gegenteiles von Profitgier, Ausbeutungslust und Unbarm herzigkeit hatten erwarten können. Dorneck erhob sich vom Sitze, um seine ganz offenkundige Verlegenheit zu bemänteln. Er sagte fick, daß bei nnr einiger Ueberlegung er diese Ent wicklung des Gesprächs mit Fritz hätte voransseben können. Er wußte augen blicklich auf die launige Anklage des Freundes nichts zu erwidern, als wie ein: „Lächerlich, was dir nicht einfällt!" wobei er mit großen Schritten im Zimmer herumging. Wenn es noch eines Momentes bedurft hätte, sich selbst Lügen zu strafen, so war er durch diese äußere Pose gegeben. Wäre der Vorhalt Fritzens falsch gewesen, so wäre der andere ruhig sitzen geblieben, hätte unter übermütigem Lachen seine» Tee geschlürft und seine Zigarre weitergeschmaucbt und die Ver mutung des Freundes noch scherzhaft hinansgeschroben. So aber verriet er sich vollends. Und Friß ließ es ihn fühlen. „Lieber Edi," sagte er, „sträube dich dock nicht so verzweifelt gegen die Konstatierung einer Tatsache. Ich bin ja nie indiskret gewesen nnd werde dich keinesfalls nach dem Namen deiner Anserwählten fragen, wenn du ilm mir nicht freiwillig sagen willst. Aber daß eine solche Anserwählte vorhanden ist. das stellt unanfechtbar fest und bereitet mir ein namenloses Vergnügen; denn in dem Moment, wo du mir jetzt diese Ueberzengnng beigebracht hast, stehen wir. Gott sei Dank, ans dem Standpunkte, ans dem ick dich haben wollte. Wir bereiten deinem Pessimismus, mit dem du wieder in die Heimat gekommen bist, ein Leichenbegängnis erster Klasse, bei dem es nnr lachende Erben gibt. Im ersten Trauerwagen sitze ick, das bitte ick mir ans und null dafür gerne sür alle Kosten auskommen. Statt des Trnnermarsches hoffe ich aber Hock zeitsfanfaren zu hören. Das sage ich dir aber gleich beute: Wenn du einen anderen damit betraust, Brautführer zu sein bei deiner Trauung, niit dem Menschen werde ich ein Hühnchen pflücken . Für diele Funktion bleibe ich primo loco vorgemerkt." Fritz war jetzt so lustig wie noch nie aufgesprungen nnd tanzte förmlich vor Vergnügen im Zimmer umher. Tornecks Verlegenheit hatte den höchsten Grad erreicht. Je mehr der Freund sich in den im Grunde genommenen so richtigen Gedanken hineinlebte und ihn bis zu seiner Konseguenz fortsübrte und in allen Details ausschmückte, desto mehr beschlich de» anderen ein Gefühl der Belcilämung. Diesen treuen, redlichen Freund, der an seinem Schicksale so aufrichtigen Anteil nahm und den die Herzensangelegenheit des Ingendge- nossen noch viel näher anging, als er eS ahnte, diese goldene Seele batte er bisher sib''öde a»^aesckNoss«-n >-r ki'ii-<«k!i>'nn»iss>'s. Während Dorneck auf diese Art von Gewissensbissen geplagt wurde und noch immer hier und da in die Freude Bernhardts ein mattes Wort des Pro testes hinstreute, läutete der junge Hausherr den guten Balthasar herbei und fragte diesen: „Ist noch Champagner im Keller?" „O, jawohl, gnädiger Herr, wir haben noch genügend." sagte der Alte.- indem er in etwas verdächtiger Weise das persönliche Fürwort der Mehr zahl gebrauchte. „Also, dann bringe rasch zwei Flaschen heraus, alte? Haus." befahl der Doktor, der sonst seinen Diener niemals duzte. „Aber nimm die Beine zur Hand, denn es bat Eile." Der Alte schlürfte hurtig hinaus. Doktor Bernhardt steckte sich eine neue Zigarre an. — cv.. ..2.0 " LO