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Sächsische DolksMum Erscheint täglich uachm. mit Ausnahme der So««, o. Festtage. Bezugspreis r BierteljShrl. 1 Mk. 80 Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 08L8. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-PreiSliste. Etnzelnunlmer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. VEncllerei. X«e»iai«n un» üercdMrr»«»«- Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit IS Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. ISO«. 1^8. Katholiken: «ajctan. den 7. Anguss 1003. Protestanten: Donatus. S. Jahrgang. Christliche nud „neutrale" Gewerkschaften. Wohl noch niemals, solange die christlichen nnd sogen, „neutralen" oder „freien" Gewerkschaften nebeneinader be stehen, ist ihr Gegensatz so scharf hervorgetreten wie gerade gegenwärtig: mit anderen Worten: Die Abneigung der „Neutralen" gegen die „Christlichen" hat gegenwärtig Formen.angenommen, die sich an Schärfe kaum mehr über- bieten lassen. Zwar war das Verhalten der „freien" Ge werkschaften gegenüber den christlichen von Anfang an nichts weniger als liebenswürdig. Trennten die beiden Organi sationen doch fnnoamental verschiedene Anschauungen; ja diese gegensätzlichen Grnndanschannngen waren es gerade gewesen, welche die christlichen Arbeiter dazu veranlaßten, den „neutralen" Rummel nicht mitznmachen. Einsichtige christliche Arbeiter hatten vor Jahren längst erkannt, das; die „neutralen" Gewerkschaften die Neutralität nur als Aushängeschild nnd Lockmittel benutzten, in Wirklichkeit aber cnif gut sozialdemokratischem Boden standen. Den Arbeitern, die die christliche Weltanschauung noch als die Richtschnur ihres Handelns anerkannten, blieb daher garnichts anderes übrig, als eine Organisation zu schaffen, die den christlichen Arbeitern eine energische Vertretung ihrer Interessen ermög lichte, ohne das; die Gefahr bestand, das; ihre religiösen nnd vaterländischen Interessen dabei verletzt würden. Es entsprach ganz der bisherigen Unehrlichkeit der sozialdemokratischen Gewerkschaften, wenn sie durch das Hineintragen ihrer gehässigen Parteipolitik in die Gewerk schäften die Arbeiter zersplitterten nnd trotzdem die christ lichen Arbeiter als die Verräter hinznstellen versuchten. Dem jüngsten Kampfe bei der Reichstagswahl blieb es in der Hauptsache Vorbehalten, den Schleier von diesen Treibereien völlig zu lüften und so auch dem Gutgläubigsten die Angen zu öffnen. In diesen kritischen Zeiten war es schwer, länger an sich zu halten: Man rollte die rote Fahne offen auf nnd erklärte die Gewerkschaften Plattweg der Wahrheit entsprechend für Rekrutenschnlen der Sozial demokratie. Weis; man, wie maßlos nnd unglaublich in sozialdemokratischen Rekrutenschnlen gegen alles, was sich christlich nennt, gehetzt wird, dann hat man auch einen ungefähren Anhaltspunkt für den unerhörten und den heraus fordernden Terrorismus, wie er seitens der sozialdemo kratischen Gewerkschaften gegenüber den christlichen Arbeits kollegen in der letzten Zeit verübt worden ist. Wir wollen nur einige der Vorgänge, die im letzten halben Jahre durch die Presse gegangen sind, erwähnen, um das Gesagte kurz zu illustrieren. Der Vorsitzende des sozialdemokratischen Mnnrerverbandes, „Genosse" Bömel- bnrg, hatte schon auf dem vorjährigen Gewerkschaftskongreß zu Stuttgart erklärt: „Sozialdemokratie nnd Gewerkschaften sind eins." Auf der Elberfelder Gewerkschaftskonferenz erklärte dieses Frühjahr der Gewerkschaftsführer Hnö, der eine große Broschüre über die Neutralität geschrieben hat, die Gewerkschaften als „die Schule des Sozialismus". In Düsseldorf sahen sich die „freien" Gewerkschaften veranlaßt, wiederholt ans der Gewerkschaftskasse Beiträge bis zu 300 Mark als Unterstützung für das sozialdemokratische Parteiorgan, die „Volks-Zeitnng", zu bewilligen. Ein „Genosse" gab dazu in einer Versammlung die Erklärung: „Wir alle," so meinte er, „sind Parteigenossen; die Gewerk schaftler sind so gute Sozialdemokraten wie diejenigen von der Partei." Die dortige Sektion der Stellmacher leistete einen Beitrag znm Wahlfonds nnd ein Parteigenosse forderte darob alle gewerkschaftlichen Organisationen auf, sich von den Stellmachern nicht beschämen zu lassen. In Leipzig beschlossen die organisierten Maurer, 3000 Mark lü!) ans ihren Mitteln an die sozialdemokratische Partei abzuführen. Weitere 100 Mark stellten die dortigen Bäcker zur Verfügung. Alls dem Verbandstage der Maurer lsozialdem.) sprachen die Delegierten aus Essen nnd Bochum bezüglich des Verbandsorgans, des „Grundstein", den Wunsch ans, „daß die Festartikel, welche von Führern der christlichen Gewerkschaften gegen den Verband ansgenntzt und die Agita tion besonders im Rnhrrevier nnd im Rheinland sehr er schweren, in dieser Form unterblieben." Der Delegierte von Nürnberg nnd andere „wandten sich aber entschieden gegen eine derartige Rücksichtnahme ans die „Christlichen" nnd erklärten sich mit der Schreibweise des „Grundstein", die eher noch schärfer sein könnte, im allgemeinen einver standen." Bedeutungsvoll war dann folgender Akt: Bei der Beratung des Statntenentlvnrfs wurde in dem von den Zwecken des Verbandes handelnden H 3 die bisherige Bestimmung, daß politische und religiöse Fragen ans- geschlossen sind, gestrichen! Dann noch einige Fälle des krassesten Terrorismus. Der christliche Manrcrverband berichtete ans seiner letzten Generalversammlung von 13 Fällen allein aus Berlin, wo die christlichen Arbeiter unter dem Terrorismus der sozial demokratischen Gewerkschaftler zu leiden hatten. Bei diesen l>3 Fällen wurden 23 Arbeiter, znm Teil Familienväter, von den „Freiorganisierten" brotlos gemacht. Nach dem Berichte des christlichen Textilarbeiterverbandes «Westdeutsch landl wurden bei gemeinsamen Lohnbewegungen die christ lichen Arbeiter, wenn sie in der Minderheit waren, gar nicht gefragt nnd hatten „nichts zu sagen". Man ging einfach mir nichts dir nichts über sie hinweg. In Berlin legten in einer Tischlerei die in den: sozialdemokratischen Holzarbeiterverband Organisierten die Arbeit nieder mit dem ausdrücklichen Vorwand gegenüber den christlichen Kollegen und den Arbeitgebern: weil einige christliche Kollegen auf ihr Verlangen nicht entlassen wurden <!!> In Brannschweig wurde jüngst der Vorsitzende des dortigen Bezirksvereins der Ziegler in einer Wirtschaft von „freien" Gewerkschaftlern gefragt, welcher Partei die christlichen Gewerkschaften angehörten. Als der Vorsitzende erwiderte, daß die christlichen Gewerkschaften politische Neutralität be obachteten, wurde er weiter nach seiner persönlichen Partei zugehörigkeit gefragt. Als der christliche Arbeiter sich als Anhänger des Zentrums bekannte, wurde ein Genosse wild, packte den christlichen Arbeiter, warf ihn vor das Buffet nnd traktierte ihn obendrein mit Fanstschlägen. Der nichts würdige Arbeiterverrat der sozialdemokratischen Gewerk schaften bei der jüngsten Banarbeiterbewegung in Köln ist ja allgemein bekannt. Sozialdemokratische Gewerkschaftler weigern sich, zusammen mit den christlichen Verbandsver tretern einen Einignngsvertrag mit den Unternehmern zu unterschreiben, obwohl der Vorsitzende des sozialdemokra tischen Verbandes. Bömelbnrg, zngeben mußte, daß der ab- znschließende Vertrag einer der besten Verträge in Deutsch land sei nnd lehnen es ab, das; in der zu bildenden Acht zehnerkommission zwei Vertreter des christlichen Verbandes vertreten sein sollten. Die hier kurz skizzierten Vorgänge dürften den wahren Geist und Charakter der sogenannten „freien" oder „neu tralen" Gewerkschaften schon zur Genüge kennzeichnen. Man weiß in der Tat nicht, was man zu all dem sagen soll: ob man sich mehr wundern soll über die jahrelange, viel fach nicht ohne Geschick getriebene Heuchelei oder über die maßlose, bis ans Unglaubliche grenzende Anmaßung nnd Thrannei der sozialdemokratischen Gewerkschaften gegenüber den christlichen Berufskollegen. Kann eine demokratische Gesellschaft das von ihr proklamierte Prinzip der freien Menschenrechte etwa ärger verleugnen, als durch eine so rohe nnd gewaltmäßige Zertretnng dieser Rechte bei anders denkenden Arbeitern? Gewiß nicht! Wo der Fanatismus wütet, feiert die Menschlichkeit doch wohl nicht die höchsten Triumphe! Ehre den christlichen Arbeitern, die angesichts dieser Drangsalierungen mutig ihren Standpunkt bekennen Tag für Tag, auf der Werkstatt, bei der Mahlzeit, auf dem Heimwege! Es müßte dann aber auch sonderbar sein, wenn diese fortgesetzten Quälereien nnd Verfolgungen, wie sie den christlichen Arbeitern seitens der „Genossen" zngedacht werden, in jedem christlichen Arbeiter nicht die letzte Faser anspannen sollten im Kampf und Streit für seine Sache. Sind die christlichen, organisierten Arbeiter auch noch nicht so stark an Zahl, wie die sozialdemokratischen, — haben sie Herz nnd Sinn noch auf dem rechteil Fleck, so kann es doch nicht ansbleiben, das; sich die einzelnen Streiter zn gemeinsamer Abwehr nnd gemeinsamen Vorangehen eng aneinander schließen, die Kräfte znsammenschweißen. Die Sozialdemokraten nennen die christlichen Gewerk schaften eine verlorene Sache, eine verfehlte und unberechtigte Absplitterung der Kräfte. Das heißt die Dinge auf den Kopf stelle». Tie christlichen Gewerkschaften stehen ans der Basis der christlichen Gesellschaftsordnung, halten streng alle Politischen und religiösen Erörterungen ferne nnd haben darum nach menschlichem Ermessen eine gesunde Grundlage. Nach geschiedener Ehe. Ein Sittenbild aus dem heutigen Frankreich. Von Comtesse de Beaurepaire. — Deutsch von Helene Krcmbs (45. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Dennoch konnte inan nicht voranssehen, ob nicht ein böser Zufall selbst in diese Einsiedelei drang. Am Tage, von dein wir eben erzählen, war Miß Kate nach Tours gefahren, um verschiedene Einkäufe zn machen. Bei ihrer Rückkehr sollte sie die Briefe nnd Zeitungen von der Post holen, die mit den: Mittagsznge anlangten, und welche sonst erst am folgenden Morgen vom Boten aufs Schloß gebracht wurden. Dies geschah regelmäßig, wenn jemand ans la Bordeue in die Stadt ging. Wie wir wissen, war Frau Bertinet aus eine große Anzahl Tagesblätter der verschiedensten Richtungen abonniert, um über alle Handlungen Marzels genaue Kenntnis zn erhalten. In jüngster Zeit wurde Letzterer besonders heftig und von allen Seiten angegriffen. Aolande wartete darum mit Ungeduld auf die Post sachen, und Miß Kate, die dieses wußte, beschleunigte nach Möglichkeit ihre Wiederkunft. Mit zitternder Hand ergriff Frau Bertinct das umfangreiche Paket. Obenauf lagen mehrere Briefe, darunter einer, der die Handschrift ihrer guten Freundin trug. Diesen öffnete sie zuerst nnd legte die Zeitungen einst weilen auf den Tisch. Die Erzieherin entfernte sich, um die Neisehüllen abzulegen, nicht ohne dem kleinen Johann anznbcfehlen, recht ruhig nnd brav zn sein. Nolande los nnd wurde bei jeder Linie um einen Schein bleicher. Hermine, welche die Mutter aufmerksam und ängstlich betrachtete, fürchtete ein neues Unglück. Weder die eine noch die andere bemerkte, wie der Knabe mit wichtiger Miene eines der TageSblätter vom Kreuzband befreit und vor sich ansgebreitet hatte. Plötzlich erscholl ein Jammerruf Marguerites, bei dem die Mutter sich schnell umwandte. Vor ihr lag das offene Blatt, und auf der ersten Seite standen in Sperrdruck die schrecklichen Worte: Zweikampf Bertinct-Colin nnd Tod Colins. Wahrscheinlich Festnahme des Mörders Bertinet." Eben diese traurige Neuigkeit berichtete Frau Marande mit möglichster Schonung der armen geprüften Frau, indem sie besonders hervorhob, das; eine Inhaftnahme Bertinets höchst zweifelhaft sei, nnd dies nur eine Erfindung skandal süchtiger Blätter wäre. Aber Margnerite hatte nichts als die fürchterlichen zwei Zeilen gelesen. Sie wußte, das; die Religion das Duell verbietet, nnd sah, daß man ihren Vater einen Mörder nannte. Sie stellte sich ihn vor im Gefängnisse znm Schaffet schreitend. Dieser plötzliche Schlag war zn heftig für die ohnehin rege, krankhafte Phantasie des Kindes. Als die Mutter, erschreckt durch den Schrei, nach ihr sah, lag Margnerite mit geschlossenen Angen ohnmächtig auf dem Stuhle. Mit einem Sprung war Nolande neben ihr und hob sie in die Arme. Hermine rief die Dienstboten herbei und holte schnell Niechsalzc nnd kölnisches Wasser. Aber alle Bemühungen, die Kleine wieder zn sich zn bringen, scheiterten. Sic blieb unbeweglich nnd gab kein Lebenszeichen. F-ran Bertinet war in größter Bestürzung, sie trug das Kind ans sein Bett nnd ließ in Eile den Dorfarzt holen. Als dieser erschien, fühlten Marguerites Glieder sich wohl nicht mehr so steif nnd schwer an, aber das Bewnßsein war doch noch nicht znrückgekehrt. Der Doktor sprach von Blutandrang zn den Lungen bei gleichzeitiger Gehirnerschütterung, verordnete die schärfsten Ableitnngsmittel nnd versprach am nächsten Tage wieder- znkonnnen. Hermine wollte bei der Mutter bleibe», um ihr in der Pflege zn helfen, aber diese erlaubte es nicht. Sic schickte das der Ruhe bedürftige junge Mädchen zn Bett. Dafür nahm sie das Anerbieten der treuen Miß Kate dank bar an. Sie selbst wich die ganze Nacht nicht vom Lager der Kranken nnd hielt die Augen ohne Unterlaß auf das blasse Gesichtchen geheftet. Aber ach. kein Zeichen des Verständ nisses machte sich bemerkbar! Als der Morgen kalt nnd trübe ins Zimmer schien. Hatto Marguerites Zustand sich »m nichts gebessert. Während dieser Schreckensnacht war das ergraute Haar der unglücklichen Frau vollständig gebleicht. XVI. Was wurde »'ährend dieser Zeit ans Herrn Bertinet? Als die Kammer wieder ihre Tätigkeit anfnahm, ging der Sturm gegen die in der Hafensache bevorzugte Gesell schaft nnd gegen Bertinet aufs neue nnd heftiger los, als vorher. Die Uebergabe des fraglichen Gebietes an eine ausländische Genossenschaft war schon eine vollzogene Tat sache. die man aber einstweilen noch geheim hielt, bis die Aufmerksamkeit des Publikums durch wichtigere Tages fragen abgelenkt sein würde. Aber wie es gewöhnlich kommt: was man gerne ver bergen möchte, wird um so eher bekannt. Die Tages- schreilwr erhielten Wind von der Sache nnd schlugen nun gewaltigen Lärm zn dem Zwecke, die politischen Machthaber noch rechtzeitig auf diese anlipatriotischen Pläne aufmerksam zn machen. Dies kam den Verbündeten arg in die Quere, um so mehr, als es verlautete, das; von verschiedenen Seiten Interpellationen eingebracht werden sollten. Um jeden Preis mußte diese Gefahr beseitigt werden. Wenn man versuchte, den Angreifern durch ein Paar Zweikämpfe den Mund zn stopfen? Da war Bertinet der am meisten Beleidigte: ihn hatte man Persönlich beschimpft in seiner Rechtlichkeit »nd in seinem Familienleben, an ihm war es also, die erste Forderung zn stellen. Um ihm dieses klar zn machen, wurde der alte Boivin zn ihm gesandt. Der schlaue Patron verfügte sich in Bertinets Wohnung zn einer Stunde, wo er Frau Regina allein anzntrcffen sicher war. Er setzte ihr den Zweck seines Besuches nnd die Gründe, welche ein Duell unumgänglich machten, auseinander. (Fortsetzung folgt.)