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Nr. « S. Jahrgang Sonntag, den 9. Januar 1V1V Erlchi-titt täglich nachm. mit ilusnahmc der Sonn- und Festtage. iNuSgabe -t.r Mit .Tie Fett in Wort und Bild" vierteljährlich- L.1V In Dresden durch Loten S.tv In ganz Deutichiand ftei Haus 8,52 .V. «ukaabe ».! Ohne illustrierte Beilage biert-lj, 1.80 I» Dresden d. Boten 8,11» .V. In ganz Deutschland frei HauS S.LS — Einzel-Nr. 10 — ZeitungSpreist. Nr. S8S8. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Ngelvaltene Petitzeile oder deren Raum mit iS Nellamcn mit SO -s die Zeile ierechnci, bei Wiederholungen entsprechenden Rad.it!. Buchdrmkercl, Redaktion »nd Geschäftsstelle! Dresden, Pillnihcr Slrastc itt. — Fernsbrccher ISS« JürNttikgabe nnverlangt. Schrislftinkc keinc Verbindlichkeit StedatlionS-Sprechstunde: 11-18 Utir. soeben erscstjenrn: /urüetz rur heiligen isiresie kriebniLse unck ^rl<enntni55e eine; flonvertiten von ^kose5L0k l)r. 51. von kuviiie. Vorrätig in der l^ZÜiolizclien Vticszsiancsiung 5c>im>clt, iitiszaber l^. Lecß. Di-esejeri-^itsiaesj, ViktoriastrZlZe 12 Lssts Lorux-8gusIIo! ,^o VnrLÜxlielio nous uott gsdrauedto. all« klolr- uittl Ltilurtsn 80W1S oacl» 2sielinur»k til ^ N I tl Hvo» NO lilnrk an Rissig« ^.us^vatrl, ^Un8t.ixo ^r^trlvövise, t»okoi Ln«8onrndr»t.t.! SÜot-INano«! ^odallll-livorxvll-FUov Rebellische Bischöfe. Dresden, den 8. Januar 1910. Das ist ein Tosen und Lärmen in der akatholischen Presse, daß es für die Wahrheit schwer wird, sich ver ständlich zu machen. Alles schreit und läuft, die Feuer wehren rücken auS, von der großen Berliner Dampfspritze, genannt „Berliner Tageblatt", bis zur Vorstadtspritze, die sich in den „Lsipz. N. N." so wundervoll repräsentiert; selbst die Pflichtfeuerwehr, tzoie der „Dresdner Anzeiger", kommt angerasselt, um den Brand löschen zu helfen, der da in dem äußersten Winkel des deutschen Reiches, in den Reichslanden, ausgebrochen ist. Das schönste ist, zur Stunde weiß noch keiner der VaterlandSrrtter, wo es eigentlich brennt. In dem Qualm und Staub, den die Preßdampsspritzen mit ihren Ackervfcrden aufgewirbelt haben, wird die Brandstätte verwechselt. Wir haben gestern bereits die ganze Vorgeschichte erzählt, die den Staats sekretär Freiherrn Zorn von Bulach veranlaßte, die Feuer- allarmglocke zu läuten. Nach ihm sind die beiden Landes bischöfe von Metz und Straßburg die Uebeltäter, welche Feuer anlegten an das Eigentum des Staates. Und da es gegen Bischöfe geht, brüllt alles: „Feuer! Rettet die Staatsautorität!" Wir haben gestern den Tatbestand objektiv dargestellt. Wir haben gezeigt, daß die Bischöfe durch Ueber- sendung des „Schulfreundes" an die katholischen Lehrer zur Kenntnisnahme eines darin enthaltenen Artikels des Seminar direktors Prälaten Nigetiet, keineswegs die Staatsgerechtsame verletzt haben. Er hat sich nur an die katholischen Lehrer ge wandt. woraus zur Genüge erhellt, daß er nur ihre Eigen schaft als Katholiken, nicht aber ihre Eigenschaft als Lehrer ins Auge gefaßt hat. Die Amtstätigkeit der Lehrer wurde weder im Artikel des Schulfreundes, noch in seinem Begleitschreiben berührt. Den einzigen Gegenstand des Artikels bildete der Anschluß an eine» rein privaten Verein, dem Allgemeinen deutschen Lehrerverein, dessen antireligiöse Tendenzen der Bischof vom religiösen Standpunkte aus verurteilen muß. So der wahre Tat bestand. wie er aus der Publikation beider Bischöfe hervor- geht. Jedermann bekommt Drucksachen, Zeitungsartikel usw. gugesandt mit der Aufforderung, diesem oder jenem Verein Seizutreten, hier oder dort seine Zigarren zu kaufen usw. Aber noch niemand hat darin eine Einschränkung der staats bürgerlichen Rechte gesehen; nur wenn eine solche Zusendung religiösen Inhaltes ist und von einem Bischof ausgeht, soll verboten sein, was sonst erlaubt ist. So dachte man wohl in der Statthalterei zu Straß- bürg, eingeschüchtect durch das Geschrei in der liberalen Presse. Und der katholische Staatssekretär setzte sich hin und schrieb eine lange Epistel an beide Bischöfe und — fiel herein. Er hatte es nämlich nicht einmal für der Mühe wert erachtet, sich über den Tatbestand zu orientieren, sondern berief sich auf die „öffentlichen Blätter", die den ganzen Sachverhalt falsch darstellten. Der Staatssekretär protestierte gegen die Maßnahmen der beiden Bischöfe und hielt daran fest, „daß die mir Nachgeordneten Beamten und Lehrer hinsichtlich ihres Verhaltens lediglich von ihren Vor gesetzten Weisungen erhalten". Prompt antwortete der hoch». Bischof von Metz: „Eine Erteilung von Verhaltung?- maßregeln an die Lehrer lag selbstverständlich fern und noch mehr ein Eingriff in die staatlichen Befugnisse." Bischof Dr. Fritzen von Straßburg aber legte folgenden Protest gegen den Uebergriff des Staatssekretärs ein: „Die Frage, um die eS sich hier handelt, ist in erster Linie eine Gewissensfrage für einen Teil meiner Diözesanen. Dem Bischof als dem ordentlichen Träger der kirchlichen Hirten- und Lehrgewalt liegt die Pflicht ob und steht das Recht zu. seine Diözesanen auf die Verpflichtungen des christlichen Sittengesetzes hinzuweisen, die sich aus den Verhältnissen deS Lebens für sie ergeben können. Durch den Umstand, daß diese Diözesanangehörige als Beamte oder Lehrer einer staatlichen Behörde unterstellt sind, kann das Verhältnis nicht abgeschwächt werden, indem sie in bezug auf Glaubens- und Gewissensfragen zur kirchlichen Hirten- und Lehrgewalt stehen Außer den staatlichen Gesetzen haben die katholischen Beamten und Lehrer Glaubens- und Gewissens- Pflichten zu erfüllen, in bezug auf welche sie nächst Gott ihren kirchlichen Vorgesetzten unterstehen. Wie ich eine diese Gew'.ssenSpflichten betreffende Mitteilung auf dem Dienst wege und durch staatliche Vorgesetzte an die Lehrer ge- langen lassen könnte, ist mir nicht verständlich, um so weniger, als der kaiserliche Oberschulrat selbst erklärt, daß der Anschluß an den Allgemeinen deutschen Lehrerverein, um den eS sich hier handelt, durch die staatliche Gesetz- gebung dem freien Ermessen der Lehrer anheim gestellt bleibe." Der Bischof schließt: „Diesen Ausführungen ent sprechend sehe ich mich veranlaßt, den gegen mich erhobenen Vorwurf eines Eingriffes in den Bereich der staatlichen Befugnisse zurückzuweisen." AIS der Staatssekretär diese Briefe las, mag er sich wohl klar geworden sein, daß nicht die Bischöfe an dem Gebäude der Staatsautorität Feuer angelegt haben, sondern er selbst war daran, in die Rechte der kirchlichen Autorität einzugreifen. Das mußte ihm die Einmütigkeit sagen, mit welcher Klerus und katholisches Volk sich hinter ihre Ober- Hirten stellten. Bereits sind mehrere Gruppen von Geist- lichen mit Erklärungen an die Oeffentlichkeit getreten. In einer derselben heißt es: „Wir Katholiken sind angegriffen mit unserm Bischof! Wir stehen offen zu ihm! Die gesamte katho lische Geistlichkeit ist bereit, in einer öffentlichen Adresse Treue und Vertrauen zu unserem Oberhirten gegen dergleichen staatliche Uebcrgriffe in seinen heiligsten Aufgaben zu bekunden." Auch das Straßburger Domkapitel hat sich einmütig hinter seinen Bischof gestellt und diesem in einer Dankesadresse bekundet, daß es in allen Teilen seine Darlegungen über die Freiheit und Selbständigkeit des bischöflichen Hirtenamtes billige. Die Adresse wurde vom Weihbischos Freiherrn Zorn v. Bulach überreicht; derselbe ist bekanntlich ein Bruder des Staatssekretärs, der den Uebergriff in kirchliche Angelegenheiten vollzog. Wenn der Bruder Staatssekretär sich bei seinem geistlichen Bruder erkundigt hätte, dann wäre ihm die Bloßstellung, die unter allen Umständen in seinem Rundschreiben liegt, erspart geblieben. Allerdings sehen die »katholischen Zeitungen diesen Standpunkt nicht ein. So schreibt der „Dr. Anzeiger" in der heutigen Nummer: „Und der Staatssekretär Zorn von Bulach hat vollkommen recht, Protest dagegen zu erheben, daß die Bischöfe sich unterfingen, den Lehrern Verhaltungsmaß regeln zu geben." Das nationalliberale „Leipz. Tagebl." macht bereits eine Staatsaffäre daraus und schreibt: „Das ist eine Herausforderung des Staates, wie sie ärger nicht gedacht werden kann, wie sie eben nur möglich ist, weil sich das Zentrum und seine Assistierten wieder als Herren der Situation fühlen. Hier darf die Negierung, die lange genug gezaudert hat, die Bischöfe in ihre Schranken zurückznweisen, um keinen Preis schweigen, wenn sie sich nicht die schlimmsten Borwürfe wegen unverzeihlicher Nachgiebigkeit zuziehen will. Es tut bitter not, daß diese Verhöhnung der Staatsautorität durch hohe Kirchenfürsten auss schärfste geahndet wird, wenn wir nicht weitere, ärgere Uebcrgriffe von dieser Seite erwarten sollen. Es scheint uns aber auch sehr an der Zeit, der Frage nachzusinnen, welche Mittel an zuwenden sind, damit der Staat in der Schule wirklich der selbständige, unumschränkte Herr wird, nicht aber der demütige Diener der Kirche bleibt, der er bisher gewesen ist. Voraussichtlich werden wir uns mit der reichsländischen Angelegenheit und mit dem durch sie zur spräche gebrachten Problem noch öfter zu beschäftigen haben. Das eine sei aber jedenfalls schon heute fest gestellt: Nicht der Staat, sondern der Klerus hat die Fehde begonnen." In diese bramarbasierende Rede stimmen die „Leipz. N. Nachr." ein. indem sie schreiben: „Hiermit aber ist der große Prinzipienkampf, der Kampf zwischen der Anmaßung des Papsttums, über die Grenzen des staatlichen Willens hinaus die Herrschaft zu führen, wieder eröffnet, und nicht vom Staate aus, nicht von den Kulturkämpfern her. sondern vom Klerus aus, der seine Zeit von neuem gekommen sieht. Noch schlagen die Flammen von den Reichslanden nicht her über, aber wie lange wird es dauern, dann wird auch der Reichstagssaal vom Kampseslärm widerhallen! Und dann wird hoffentlich Herr von Bethmann-Hollweg nicht aus schwächlichen Rücksichten der Taktik das vor nehmste staatliche Hoüeitsrecht preisgeben." Die Löschwut der Siebenlehner Feuerwehr spricht aus jedem Worte heraus, gemäß dcnr Dresdner Gassenhauer: „Die Elbe brennt, die Elbe brennt, die Bauern kommen mit Stroh gereimt, die Feuerwehr ist auch nicht dumm, die löschet mit Petroleum." Es ist geradezu lächerlich, wenn aus jeder Mücke ein Elefant gemacht wird. Der ruhige Leser muß die Redak tionen solcher Zeitungen, die den Unterschied in der Natur geschichte noch n'cht gelernt haben, für recht einfältig halten. Allerdings, nur die vernünftigen und nicht einseitigen ge bildeten Leser. Für die Mehrzahl ist die Sturmglocke ein Wehen der Kulturkampsluft und der gerötete Himmel im Westen die Hoffnung, daß man endlich wieder die ver rosteten Waffen aus der Rumpelkammer der siebziger Jahre herausholen kann, zum — Kulturkampf. Die Stimmung des Volkes in Elsaß-Lothringen kennen diese Zeitungen allerdings gar nicht. Der „Elsässer" schreibt dazu: „Ter Staatssekretär konnte dieser Presse mitteilen. daß die Massen, die hinter der überwiegenden Mehrheit der Reichstagsabgeordneten stehen, sein Schreiben aufs tiefste bedauern und daß wohl diesem Verhältnis auch die Majorität im L a n d e s a n s s ch u ß entsprechen wird." Ter zentrnmsfeindliche „Lothringer" ist ebenfalls gegen die Negierung und schreibt: „Eine große Zahl der Lehrer Lothringens hat es mit der Idee eines neutrale n Landesverbandes ernst und ehrlich gemeint. Viele derselben hielten deshalb den Anschluß bis zum letzten Augenblicke immer noch für un möglich und sind geradezu verblüfft von dem Schauspiel, das sich in der letzten Zeit vor ihren Augen abgespielt und nunmehr mit dem Schlußakte in Straßburg geendigt hat. Dieselben müssen jetzt zu ihrem Bedauern einsehen, daß die Gründung des Landesverbandes, für den man sich so sehr zu begeistern suchte, nur ein trügerisches Mittel war, die Lehrerschaft dem Allge meinen Deutschen Lchrerverein in die Arme zu führe», und daß die hochfeierlichcn Ver sicherungen und Beteuerungen: „ein Anschluß sei nicht zu befürchten", nur eitel Taus ch u n g waren. Mau war nicht berechtigt, so schreibt man uns aus Lehrer- kreiseu, in dieser Weise unser Vertrauen zu miß brauchen. Wir erheben Protest gegen eine solche Handlungsweise und haben für dieselbe nur ein „Pfui" übrig. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht", und deshalb werden auch wir den jetzt in Straßburg gefallenen Wortschwall in seinem richtigen Werte einzuschätzen wissen. Wir werden uns durch der gleichen Reden nicht mehr irre leiten lassen. Die Führer der Bewegung haben unser Ver trauen verloren. Wir verzichten auf jede Auf klärung und Belehrung ihrerseits über Wesen, Nutzen und Bedeutung des Allgemeinen Deutschen Lehrervereins. Wir wollen keinem „Landesverband" angehören, der auf solche Weise zustande gekommen ist, und treten aus demselben aus." Ter Herr Staatssekretär ist in keiner angenehmen Lage. Nur die Radikalen loben ihn, die Katholikenfeinde und Ferrerorgane. Die gesamten deutschen Katholiken sind leiden Bischöfen dankbar, daß sie die Eingriffe der Staats- regiernng in das rein innerkirchliche Leben mit solcher Entschiedenheit abgewehrt haben und das bischöfliche Lehr- und .Hirtenamt verteidigten. Wenn die Bischöfe die ihnen anvertrauten Arbeiter vor der glaubensfeindlichen Sozialdemokratie warnen, dann ist die Negierung immer zufrieden und hat sogar noch Lobsprüche für diesen Eifer. Wenn aber derselbe Bischof die ihm anvertrauten Lehrer — auch sie sind Glieder der Kirche — vor einem kirchen - feindlichen Lchrerverein warnt, so wird er zur Rede gestellt. Wie will man einen solchen Unterschied recht- fertigen? Es ist französischer P o l i z e i g e i st. der aus dem Schreiben des Staatssekretärs spricht, aber eS ist nicht der Geist der freien Neligionsübung, der hier zutage tritt. Wenn man heute den Bischöfen verbietet, sich an die katholischen Lehrer zu wenden — sei es in Ansprachen oder Rundschreiben oder Zusendungen — so kann man morgen dieses Verbot erstrecken auf den Verkehr mit den Katholiken überhaupt: denn beide sind Staatsbürger. Der Stand- Punkt deS Straßburger Staatssekretärs ist so vollkommen unhaltbar, daß er sicher schnell aufgegcben wird. Der ganze Vorfall aber rechtfertigt unsere Anschauung, daß wir be reits mitten im neuen Kulturkampf steheu. Wer heute für Religion und Ordnung eintritt, soll gemaßregelt wer den. Tie reichsländischen Bischöfe und die katholischen Be amten in Oberschlesien können ein Lied davon singen. Wer aber für den Mordbnben Ferrer sich begeistert und der mternationalen Freimaurerei angehört, der ist eine „Staatsstütze", lebt ungeniert im Deutschen Reiche, erhält Orden und Titel und den warmen Dank von Minister händen. Wo stehen wir denn? Politische Rundschau. Dresden, den 8. Januar 1910. — Reichskanzler von Bethmann-Hollweg wird in den parlamentarischen Osterferien seinen schon angekündigten Besuch in Nom abstatten. Ein Empfang beim Papste, sowie ein Besuch beim Kardinalstaatssekretär ist in Aussicht ge nommen. — Tic Rkichspvstkonserenz hat am Freitag in Berlin unter dem Vorsitze des Staatssekretärs Krätke ihren An fang genommen. Auf der Tagesordnung stehen eine Reihe von Neorganisationsfragen. — Wie das Deutsche Reich spart. Seit Jahren werden im ReichshauShaltSetat jährlich vier Millionen Mark zur Unterstützung wirklich gemeinnütziger Baugenossenschaften