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Mittwoch de« 4. Mai LVLV 2.1« In Dresden durch Boten 2,4« In gan, Deutschland frei Hau« 8.52 SlnSaabe ».: Ohne illustrierte Beilage Viertels. 1,8V Ft. I» Dresden d. Boten 2,1V In ganz Deutschland frei Hau» 2,22 - «inzel-Nr. I« 4 - ZcitungrpreiSI. Nr. «8L8. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die 8,espaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 ^.Reklamen mit 8V 4 die sjeile dercchnct, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Buchdruikerel, Redaktion n»d Geschäftsstelle, Dresden, Ptlluttzer Strafte 4!t. — Ferniprecher 1SSS Für Rückgabe unverlangt. Schriftstücke keine Verbindlichkeit RcdaltionS-Sprechstunde: II —12 Uhr. Die Stellung des Zentrums zu den Ve- schlüssen des preußischen Herrenhauses. Dre.Sdea, den 3. Mai 1910. War schon seit Monaten das Schicksal der preußischen Wahlrechtsvorlage im höchsten Grade ungewiß, so kann man heute sagen, daß sie zu 90 Prozent gescheitert ist, dank der Zentrumsscheu von Bethmann Hollweg und des rheini schen Oberpräsidenten v. Schorlemer-Alst, der durch seinen Antrag dem Zentrum ein Dutzend Mandate abnehmen will, um sie seinen liberalen Günstlingen zuschanzen zu können. Nun soll das Abgeordnetenhaus entscheiden, ob es die Be schlüsse des Herrenhauses annimmt: mit dieser Entscheidung fällt aber auch die zweite, ob das Zentrum noch mitmachen kann. Wir halten es für ganz ausgeschlossen, daß das Zentrum noch weiter nachgeben kann-, lieber möge dis ganze Vorlage scheitern, als daß solche Verschlechterungen bcrauskommen. Man red? setzt nicht von „staatsmännischem Sinne" des Zentrums, um dieses zu weiteren! Nachgeben zu bewegen. Gerade die Staatsklngheit gebietet, nur bis zu einem gewissen Rnbicon zu gehen: wenn das Zentrum eiwa diesen überschreiten wollte, würde es alles Vertrauen unter seinen Wählern verlieren. In diesem Sinne schreibt die „Germania" unter der llcberschrift: „Nochmals unannehmbar!": „Als am Freitag im Plenum des Herrenhauses die erste Entscheidung über die Wahlrechtsvorlage gefallen war, haben wir sogleich erklärt, die Wahlrechtsvorlage sei in der Fassung, wie sie im Herrenhause angenommen wurde, für die Zentrnmsfraktion des Abgeordnetenhauses unannehm bar. Heute sehen wir uns genötigt, dieses „Unannehmbar" zu wiederholen, da in einer Reihe von Blättern verschiede ner Parteirichtungen Zweifel gesetzt werden, ob die „Ger mania" mit ihrem „Unannehmbar", wie es auch die „Köln. Volkszeitg." und die „Schles. Volkszeitg." ebenso klar und entschieden zum Ansdrucke gebracht haben, die Anschauun gen der Zentrumsfraktion des Abgeordnetenhauses richtig wiedergab. Die Fraktion des Zentrums im Abgeordneten hause hat als solche freilich zu dem Beschlüsse des Herren hauses noch keine Stellung genommen, aber wir sind nicht einen Augenblick zweifelhaft darüber, welcher Beschluß in der Zentrnmsfraktion des Abgeordnetenhauses gefaßt werden wird. Wir haben bis heute noch kein Mitglied der Zcntrumsfraktion angetroffen, das nicht der allgemeinen Auffassung „Unannehmbar" Ausdruck gegeben hätte." Die eingenommene Stellung des Reichskanzlers in dieser Frage ist bedeutungsvoll nicht nur für Preußen, son dern für das Reich. Sic bezweckt die Ausschaltung des Zen trums, muß also auf die Haltung der Reichstagsfraktion zur Negierung von bestimmendem Einflüsse sein. Ein Blick in das gegnerische Lager zeigt deutlich den Weg, den das Zentrum gehen muß. Betrachten wir die Haltung der Mittelparteien, der Freikonservativen und Nationalliberalen. Die Frcikonser- vativcn frohlocken. Die „Freikonservative Korrespondenz" schroibt: Das Herrenhaus hat in vollem Maße das ihm ent- gcgcngetragene Vertrauen gerechtfertigt. Die Annahme des Antrages v. Schorlemer gegen wenige Zentrumsstim men übertrifft sogar die kühnsten Erwartungen. Die Zu sammensetzung der Opposition gegen die Wahlvorlage in ihrer jetzigen Gestalt und die Tatsache, daß die konservative Fraktion des Herrenhauses geschlossen für den Antrag v. Schorlemer gestimmt hat, berechtigen zu der Hoffnung, Zum silbernen Jubiläum des katholischen Vürgervereins zu Dresden. Die immer mehr wachsende Zahl der Katholiken der Haupt- und Residenzstadt Dresden machte im Gemeinde- lebcn den Mangel einer Korporation fühlbar, die einer seits die Interessen der Katholiken nach außen hin. anderer seits die besonderen Interessen der katholischen Gemeinde in Dresden zu vertreten sich zur Aufgabe stellte. Aus dieser Erkenntnis heraus vereinigte sich am 24. Februar 1886 eine kleine Schar katholischer Männer zur Gründung eines Vereins unter dem Namen „Katholischer Bürgcrverein zu Dresden". Dieser Verein sollte den Zweck verfolgen, „neben der Pflege geselliger Unterhaltung und gegenseitiger Be- lehrnng alle Fragen, die die staatsbürgerlichen, bürger lichen, städtischen und volkswirtschaftlichen Interessen der Katholiken Dresdens berühren, zu besprechen und dazu Stellung zu nehmen". So die Worte des Aufrufes, von dessen acht Unterzeichnern noch die Herren Andcrsch, Nebe und Sprick am Leben sind. Waren es zunächst nur 21 Männer, die den Verein bil deten, so schlossen sich schon in den nächsten Wochen weitere 25 an, so daß das erste Vcreinsjahr mit 46 Mitgliedern ab schloß. Von diesen gehören heute noch dem Vereine an: Andersch, Ganasinski, Göbel, Haustein, Nebe, Rößler, Sprick und Szymkowiak. Im Laufe des Bestandes des Bürger- Vereins ist die Ehrenmitgliedschaft fünf um Len Verein hervorragend verdienten Männern zuteil geworden, und zwar dem langjährigen Vorsitzenden Weber ß, dem Kö- daß die Beschlüsse des Herrenhauses auch die Zustimmung I des Abgeordnetenhauses und zwar mit einer Mehrheit fin den werden, die eine ausreichende und sichere Grundlage für eine Neuordnung des Wahlrechtes bildet. Das Herren haus hat bei der Behandlung der Wahlvorlage sich zweifel los ein großes Verdienst um die weitere inncrpolitische Ent wickelung Preußens erworben und aufs neue den Beweis geliefert, daß es wirklich staatserhaltende Politik, frei von Partei- und Wahlrücksichten, zu treiben vermag." Die eigentliche Partei, der zu Liebe die Drittelung in den Urwahlbezirken aufgegeben werden soll, sind die Nationalliberalen. Diese scheinen in ihrer Hal tung noch unentschlossen zu sein. Die „Nat.-Zeitg." be gnügt sich mit folgenden diplomatischen Worten: „Die Spannung ist auch im jetzigen Stadium der Wahl reform noch nicht gewichen, denn niemand wird ernsthaft glauben, daß die nationalliberale Fraktion nunmehr mit Pauken und Trompeten den veränderten Gesetzentwurf be grüßt. Ter zweite Teil des Kampfes steht erst bevor." Tie „Nationalliberale Korresp." schreibt ebenfalls ab weichend : „Der Antrag des rheinischen Oberpräsidenten Frei herrn v. Schorlemer zur Frage der Drittelung, der sichtlich die Tendenz verfolgt, den nationalen Mittelparteien ent- gegenzukommen, wurde fast einstimmig angenommen. Es läßt sich ja nun noch nicht übersehen, welche Haltung die schwarz-blaue Mehrheit des Abgeordnetenhauses zu dieser nicht unbeträchtlichen Aendernng und schließlich zu dem so umgestalteten Gesanrtgesetze einnehmen wird, so daß sich für uns in diesem Augenblicke eine materielle Würdigung der neuen Situation noch erübrigt. Nur das eine Moment soll hervorgehoben werden, daß es Herrn v. Bethmann Hollweg, der seine ganze Persönlichkeit für diese erhebliche Annäherung an den liberalen Standpunkt einsetzte, zu danken ist, wenn die Vorlage im Herrenhause nicht schei terte, sondern in einer immerhin diskutableren Fassung an die Zweite Kammer zurückgeht." Der Abmarsch der beiden Mittelparteien zu den Kon servativen hat also begannen. Tie Führung hat hierbei der Reichskanzler übernommen, was ihm Freiherr v. Zed litz in folgenden Worten konstatiert: „Für Herrn v. Bethmann bedeutet, nachdem er von dem Wägen zu dem Wagen vorgeschritten, die damit er zielte Wirkung einen großen Erfolg: er hat mit einem Schlage die bisher nahezu ganz ansgeschaltete Negierung wieder in die ihn gebührende Stellung eingeschaltet. Die Zügel, die bisher ganz am Boden zu schleifen schienen, wer den wieder fest mit sicherer Hand geführt. Das noch von der Reichsfinanzreform her erschütterte Ansehen der Regierung beginnt sich wieder in erwünschter Weise zu heben nnd wird, wenn die jetzt betätigte entschlossene Kraft dauernde Sig natur des Ministeriums Bethmann wird, sehr bald wieder auf voller Höhe stehen. Wer Herrn v. Bethmann näher kennt, weiß auch, daß cs ihm voller Ernst niit dem Ans- sprnche ist. sein Verhalten sei allein von sachlichen Rück sichten und nicht von solchen auf die verschiedenen Parteien geleitet, insbesondere liege ihm die Absicht fern, eine oder die andere Partei anszuschalten. Dieser Standpunkt über den Parteien nimmt dem entschlossenen Eingreifen des Mi nisterpräsidenten viel von der Schärfe, die das Eingreifen des Fürsten Bülow im Jabre 1906 hervorrief: seine nach drückliche Betonung ist geeignet, der Verständigung über die Wahlreform im Abgeordnetenhause die Wege zu ebnen." Man möge sich diese Zeilen im Zentrum stets vor Augen halten, denn ein Intimus des Reichskanzlers spricht niglichen Hofprediger Potthof f nnd dem Hofprediger Konsistorialratrat Brcndlor f, sowie den noch dem Ver eine ungehörigen Herren Pfarrer Franz Bodenbnrg in Meißen und Oberpostsckretär Karl Becker in Zabrze. Schon im zweiten Vereinsjahre griff der Bürgerverein in die Wahlen znm Stadtverordneteukollegium und in die Scptcnnatswahlen znm Reichstage ein. In einer Adresse dankte der Verein dem Führer des Zentrums Neichstags- abgeordneten Windthorst, „für das mannhafte Eintreten und die rücksichtslose Verteidigung der Volksrechte". Das Antwortschreiben lautete: Berlin, den 30. Januar 1887. Dem katholischen Bürgcrverein sage ich für den Aus druck des Einverständnisses mit meiner politischen Hai- tung meinen verbindlichsten Dank. Einigkeit macht stark! Ergebenst Windthorst. Diese erstmalige politische Betätigung des Bürgerver eins brachte ihm von der Dresdner Presse den Vorwurf einer undeutschen Gesinnung ein, das „Treiben" nannte man „gehässig" und ein „klägliches Schauspiel". Trotz dem empfahl der Bürger-Verein in einer großen Versamm lung den Zentrumswähler.r das einmütige Eintreten für einen bürgerlichen Kandidaten der Mehrheitsparteien, nach dem vorher der Handelsschuldirektor Rittnagl (gestorben am 5. Juni 1887) die gegen den Verein gerichteten Airgriffe energisch znrttckgewiesen hatte. Lebhaft begrüßt und unterstützt wurde die 1890 von Windthorst für Dresden angeregte Bildung eines Zwcia- vereins des alle Stände umfassenden Volksvereins für das katholische Deutschland. . > , hier davon, daß die neue Aktion von Bethmann Hollweg der von Bülow im Jahre 1906 gleiche: das Endziel ist das selbe: Ausschaltung des Zentrums! Noch deutlicher sagt dies das „Berl. Tagebl.": „Herr v. Bethmann fängt erst an zu leben! Die Kon servativen also behandelt er fortgesetzt mit größter Scho nung, dem Zentrum aber, dem wollte er eS schon zeigen, daß man die Regierung nicht ungestraft ausschaltet. Herr v. Bethmann machte die einfache Rechnung auf, was bei einer Ausschaltung des Zentrums zu riskieren sei: 104 Stimmen gingen der Mehrheit äußersten Falles ab. Vor der Tür dagegen standen 60 Freikonservative und 65 Natio nalliberale und warteten schon lange auf Einlaß. Mit diesen 125 Stimmen in Reserve ließ sich schon etwas unter- nehmen! Der Preis war die Drittelung in größeren als den Urwahlbezirken. Auf den drückte Herr v. Bethmann mit aller Energie und er drückte ihn im Herrenhanse rich tig durch und wiegt sich nun in dem beseligenden Gefühle, gewonnenes Spiel zu haben. Er rechnete offenbar so: Wenn die Schwarzen erst sehen, daß es auch ohne sie geht, werden sie um jeden Preis dabei sein wollen, schon um die Nationalliberalen nicht allein an die Krippe zu lassen. Hätte Herr v. Bethmann als sicher angenommen, daß das Zentrum nicht mehr mittun werde, er hätte sich die Sache mit der Drittelung Wohl noch einige Male überlegt." Wir sehen also, daß die ganze neueste Taktik nur gegen das Zentrum gerichtet ist: es soll ausgeschaltet werden. Der neueste Kurs ist nun bekannt, das Zentrum weiß, woran es ist. Von einem Blockstaatssekretär konnten aber auch nur ganz naive Gemüter etwas anderes erwarten. Man darf im Zentrum die Lehren der Jahre 1906/1909 doch nicht gar zu schnell vergessen und nicht sofort bei jedem Lächeln eines Ministers eine „verliebte Beinstellung" annehmen. Mail sollte aber noch weniger jene Zentrumsabgeordneten tadeln, die aus guten Gründen warnen, den Weg der Re gierungsfreundlichkeit im Auto zu durchrasen. Deutscher Reichstag. Im Reichstage standen am Montag kleine Vorlagen zur Beratung und zwar Posttargesetz und Stellenvermitt- lungsgesetz. Ersteres Gesetz wurde in erster und zweiter Lesung genehmigt. Das Stellenvermittelungsgesetz wurde in zweiter Lesung nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. Ic. Berlin. Sitzung vom 2. Mai 19tO. Auf der Tagesordnung steht das Posttaxgesetz. Staatssekretär Krätke: lieber die der ReichSpostvcrwaltung zur Beförderung übergebenen gewöhnlichen Pakete wird nach den gegenwärtig geltenden Bestimmungen eine Einlieferungsbescheintgung nicht ei teilt. Um eine solche zu erhalten, mus; der Sbsent cr den Wert der Pakete angeben oder sie eingeschrieben versenden. Ton Exportfirmen in Hamburg, im rheinisch-westjälischen Industriegebiet, in Sachsen, Thüringen und Bayern ist bei der Reichspostverwaltung wiederholt der Antrag gestellt worden, über die L nlieferung ge wöhnlicher Pakete nach überseeischen Ländern eine Bescheinigung der Ausgabe-Postanstalt zu erhalten. Die Notwendigkeit einer dermtigen Ausnahme ist mit den besonderen Verhältnissen des über seeischen Geschäftsverkehrs begründet worden Die Erteilung einer Einlieferungsbescheinigung über gewöhnliche Pakete bedeutet fü: die Psstanstalten eine Mehrarbeit, die unentgeltlich die Reichspost verwaltung nicht übernehmen kann. Der Erhebung einer Gebühr dafür stebt aber die Bestimmung im Z 8 des Gesetzes über das Posttoxwescn im Gebiete des Deutschen Reiches vom 28. Oktober 1871 entgegen, wonach Gebühren für Postscheine über die Ein- lieferung von Sendungen zur Post nicht zur E.hebung kommen dürfen. Die Mehrarbeit, die mit der Erteilung der gewünschten Bescheinigung verbunden und die oft genug in den schon jetzt über aus stark belasteten Abendstunden vorzunebmen sein wird, erfordert nach den von der ReichSpostverwaltnng in Gemeinschaft mit den In der nächsten Zeit bot sich dem Vereine selten Ver anlassung zn öffentlichem Auftreten. Seine Wirksamkeit beschränkte sich mehr ans das Gcmeindeleben. Sein beson deres Angenmerk wendete der Verein den Dresdner S ch n l v o r st a n d s w n h l e n zn. Diese Frage wurde durch einen Vortrag des damaligen Militärpfarrers Maaz am 2. Oktober 1889 in Fluß gebracht. In der nächsten Versammlung wurde die Frage: „Haben die Katholiken Sachsens ein Recht auf eine katholische Schnlinspektion?" erörtert und in einer niit 754 Unterschriften versehenen Petition an das Königliche Kultus- und Unterrichtsmini sterium eingereicht. Leider war dieser Petition kein Erfolg beschicken. So oft seit dem Bestehen des Vereins die Schulvorstandswahlcn wiederkehrten, schlug der Bürger- Verein gut katholische Männer vor, die eine Gewähr boten, an der Lösung der mehr und mehr wachsenden Aufgaben und Bedürfnisse der katholischen Schulgemeinde mit Ver ständnis zu arbeiten. Zu seiner Genugtuung wurde diese Liste stets mit großer Mehrheit von den Gemeindewählern angenommen. Nach sechsjähriger Tätigkeit legte der erste Vorsitzende Matthias Stein (gestorben am 6. Dezember 1908) sein Amt nieder. An seine Stelle wurde Kaufmann I. Erdtel gewählt. Der Verein zählte damals 87 ordent liche Mitglieder. Besonderes Augenmerk richtete der Vor stand auf die Vermehrung der Bibliothek. Auch veran staltete der Verein aus Anlaß der Vermählung des da maligen Prinzen Friedrich August einen Festabend. Unter Erdtel wurden auch die Ziele deS Vereins in den Satzun gen festgelegt, , . > .