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Nr. 7L. Dienstag, den LS. März 1V04. 3. Jahrgang. Redaktions-Sprechstunde: II Inserate werden die «gespaltene Petiizetle oder deren Raum mit llnabl>a«gigerrageblsttMlvaMeit.becdtu.?reweii. Betrachtungen über die Wrotestversammtuirgen des Evangelischen Wundes gegen die Aushebung des tz 2 des Zesuilengesetzes. Nun werden gottlob die Protestvcrsmmiiluiigen gegen die Aufhebung des oben genannten Paragraphen bald ihre Endschaft erreicht haben, und die Welt wird darüber zur Tagesordnung übergehen können. Einen großen Nutzen haben diese Protestversammlungen gehabt: sie stellen die eminente staatSmännische Begabung des Reichskanzlers in- hellste Licht. Wenn schon den Herrn Reichskanzler das Empfinden eines wahren EdelinanneS, daß die im § 2 enthaltenen Bestimmungen für Millionen deutscher Katholiken kränkend und ehrenrührig sein mutzten, zur Beseitigung dieses Para- graphen veranlaßt haben mag. so kommt dieses Moment zur Betrachtung seiner Tat erst in zweiter Linie. Denn für die Jesuiten selbst hat der Herr Reichskanzler gar keine Liebe, was er zu wiederholten Malen ganz bestimmt aus gesprochen hat. Nein, bei der Aufhebung des vielmnstrittenen Paragraphen dürfte es dem Reichskanzler daraus augekoininen sein, der Welt zu zeigen, wo die wahren Patrioten zu finden sind, und den Pseudo-Patrioten die Maske vom Gesicht zu reißen. Weil der Herr Reichskanzler mit Zustimmung des Kaiser? einen Millionen seiner Untertanen kränkenden, in der Hitze des Knlürrkampfes verfaßten Gesetzesparagraphen. der nicht zu den Grundgesetzen der deutschen Verfassung gebärt, abschafft, ergehen sich Männer, die sonst vor Deutschtum, Treue für Kaiser und Meich triefen und sich als die Stützen der Religion und staatlichen Ordnung aufipielen. in den wüstesten Agitationen offen gegen die Person des Reichskanzlers und versteckt gegen den Kaiser selbst. Und weswegenV Weil ein Gesetzesparagraph, der ihnen für ihre Quertreibereien zu bequem lag, zum Falle gekommen ist. Diese Männer haben sich nun entpuppt als solche Patrioten, die die Devise ans ihr Schild geschrieben haben: „Und der König absolut, Wenn er unfern Willen tut!" Beim Lesen sämtlicher Resolutionen, die ihm hoffentlich zugegangen sein werden, wird sich der Herr Reichskanzler die bange Frage gestellt haben: Und mit solchen Elementen soll der Kamps gegen den drohenden Umsturz geführt werden? Mit solchen Männern, die offen erklären: Lieber mit der Sozialdemokratie als mit den: Ultramontanisnms, der nichts anderes als der Katholizismus ist! — Sehen diese vom Glaubensfanatismus ergriffenen Männer garnicht ein. daß alle diese gefaßten Resolutionen zur Untergrabung der staatlichen Autorität, mithin zur Unter stützung der Sozialdemokratie dienen? Wir wollen ans der großen Zahl der Resolutionen nur jene heransnehmen, welche am verflossenen Freitag der Evangelische Arbeiterverein Dresden - Ost unter dem Vorsitze des Herrn Exreichstagskandidaten Pastor Reichel gefaßt hat; sie lautet: «Die Hauptversammlung der Evangelischen Arbeitervereins Dresden-Ost gibt ihrer tiefsten Entrüstung Ausdruck, dag die Auf hebung von 8 2 des JesuilengescfleS trog des schärfsten Protester der evangelischen Deutschen durchgesegt worden ist. Der Herr Reichskanzler hat durch diese Tal auch in der evangelisch- und national-gesinnten Arbciterwelt alles und jedes Vertrauen ver loren, weil die Jesuiten die ausgesprochenen Totengräber unseres Volkes und die Vertreter der verwerflichsten, der christlichen Religion hohnsprechenden Moral sind. Die Hauptversammlung erklärt auch, dag sie, gleichwie der Evangelische Bund, unter Anwendung der kräftigsten Mittel an der Austreibung der Jesuiten aus deutschen Landen Mitarbeiten wird." So viel Sätze, so viel Unwahrheiten sind darin ent halten. Es wird von einem schärfsten Protest der evan gelischen Deutschen gesprochen, statt von einem solchen eines geringen Teiles der Protestanten: unverantwortlich ist die Behauptung, daß nunmehr der Reichskanzler in der evan gelischen Arbeiterschaft alles und jedes Vertrauen ver- loren habe. So wird der Haß gegen die Reichsregiernng durch unbegründete Beschuldigungen dort wachgernsen, wo die Autorität gestärkt werden sollte. Der Reichskanzler hm. so behauptet die Resolution, die „ausgesprochenen Toten- gröber unseres Volkes" unterstützt. WaS mag der Arbeiter von der Wahrheit für einen Begriff bekommen, wenn mm die Sozialdemokraten auch so genannt werden? Wahre Waisen knaben müssen die Sozialisten gegen die Jesuiten bei dieser Totengräberei sein. Und doch kann inan letzteren nicht das geringste Vergehen gegen ein Staatsgesetz Nachweisen; ist nicht jeder einzelne ein Ehrenmann? Wenn nun gegen diese Ausnahmegesetze verlangt werden, was müssen dann die Sozialdemokraten für Muster der Tugend sein, weil man sie ruhig gewähren läßt? Die Resolution sagt weiter, daß die Jesuiten die Ver treter der „verwerflichste», der christlichen Religion hohn- sprechenden Moral" seien. Wo sind die Beweise dafür, Herr Pastor Reichel? Wer solche Behauptungen anfstellt, ohne Beweise in der Hand zu haben, spricht ehrlose Verleumdungen ans. Wir Katholiken fordern die Beweise für einen solchen unsere bestige Kirche ans das schwerste kompromittierenden Satz einer Resolution, die unter Ihrem Vorsitze beschlossen wurde. Sie sind dafür moralisch verantwortlich zu machen, denn Sie erhoben keinen Widerspruch. Der Jesuitenorden ist eine von der Kirche in ihren Grundsätzen als gut anerkannte Institution. Der Jesuitenorden hat keine andere Moral als jene der katholischen Kirche selbst. Wenn Sie. Herr Pastor Reichel, also den Jesuitenorden als den „Vertreter der verwerflichsten, der christlichen Moral hohnsprechenden Morast bezeichnen lassen, so wird damit die katholische Kirche selbst bezichtet, diese „verwerflichste, der christlichen Moral hohn sprechende Moral" nicht nur zu protektionieren, sondern auch zu besitzen und zu lehren. Da möchten wir denn doch in der Tat wissen, ob die katholische Kirche im Königreich Sachsen in einer öffent lichen Versammlung ungestraft geschmäht werden darf, und das noch dazu unter dem Vorsitze eines Pastors. Wir möchten wissen, ob das Reichs-Strafgesetz buch an den weißgrünen Grenzpfählen außer Kraft tritt und der 8 IG! von der Staatsanwaltschaft an der Wiege der Reformation nicht gesungen zu werden Pflegt. In derselben Versammlung wurde jedoch auch eine zweite Resolution gefaßt; sie lautet: „Wir halten für dringend nötig, das; der Evangelische Bund und der Gustav Adolf-Verein nunmehr baldigst beginnen, unter der römisch-katholischen Bevölkerung Deutschlands Mission zu treiben und derselben den wahren christlichen Glauben zu verkündigen. Wir geloben gleichzeitig, dieses mehr als alle Proteste wirkende Missions« werk durch Vorträge für die nach Wahrheit suchende römisch-katho lische Arbeilerwelt nach allen Kräften unterstützen zu wollen." Hier ist die direkte Aufforderung zur Proselhteninacherei ausgesprochen. Eine solche Resolution wird unter dem Vorsitze eines Geistlichen beschlossen, wiewohl es durch das Landesgesetz der Geistlichkeit unter Androhung der Entfernung vom Amte streng verboten ist, Propaganda unter Andersgläubigen in Sachsen zu machen. Das Gelöbnis, welches hier abgelegt wird, das Missionswerk durch Vorträge zu fördern, kann nur ihm und einigen wenigen, aber nicht dem ge wöhnlichen Arbeiter zngeschoben werden. Wir erlauben uns, an Se. Exzellenz den Herrn Kultusminister von Seydewitz die bescheidene Frage zu richten: ob l. durch derartige Resolutionen der von ihm ge wünschte konfessionelle Friede gefördert wird und ob es sich 2. mit der Stellung und Würde eines evangelisch-lutherischen Pastors verträgt, den Vorsitz in einer Vestrininlung zn führen, die die von Gott gegebene Obrigkeit — die Reichsregiernng — herabwürdigt, eine staatlich anerkannte Religions gesellschaft in ihren Einrichtnugen beschimpft und die Fackel der konfessionellen Zwietracht inS Volk zu werfe» sich vornimmt. Wenn ein katholischer Geistlicher eine solche Versamm lung geleitet hätte, der wäre schon, und zwar von rechtS- wegen, in hochnotpeinlicher Untersuchung. Und solche Männer wollen die Sozialdemo kratie der Umstmzbestrebuugen anklagen! - Wenn man bei solcher Propaganda wenigstens noch ehrlich sein wollte. - - Man erklärt den Ullramontanismus d.h. Katho lizismus ffir staatsgefährlich; als Ehrenmänner hätten sie sich nicht in wüsten Agitationen zn ergehen, sondern offen auf Ab änderung der Verfassung des Deutschen Reiches hinznwirken. Solange man das nicht tut. wird man stets zur Schädigung der katholischen Kirche durch Demagogenkniffe die Zuflucht nehu eu müssen. Wstr leben in Deutschland z. Z. in einem paritätischen Reiche, in welchem daher von den aueckaunten Religionsgesellschaften keine einen Vorzug vor der anderen genießt. Verfassungsmäßig steht also der katholischen Kirche das Recht zu, ihre inneren Einrichtungen selbst z» regeln. So lange also die Verfassung noch nicht geändert ist, ist jedes Ausnahmegesetz, das die katholische Kirche in ihrer Freiheit beschränkt, ein Unrecht. Wenn der kalholiichen Kirche gegenüber die Verfassung voll und ganz gewahrt würde, bestände sogar der 8 > des Jesuitengesetzes sjzn Enzyklika Pins X. zur Zentenarfeier Gregors des Groszen.*) An die ehrwürdigen Brüder Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und Ordinarien, welche in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle leben. Pins X. Ehrwürdige Brüder Gruß und Apostolischen Segen. Ueberaus angenehm, ehrwürdige Brüder, ist Uns die Erinnerung an jenen großen und unvergleichlichen Mann, Gregor I.. dessen Zentenarfeier Wir zu begehe» im Begriffe stehen. In den unzähligen Sorgen des Apostolischen Amtes, in der Besorgnis Unseres Herzens ob der vielen und schweren Pflichten, welche die Negierung der gesamten Kirche Uns anferlegt, in der» Bestreben, das Uns beseelt, Euch, ehrwürdige Brüder, sowie die Uns anvertranten Gläubigen aufs beste zu befriedigen, glauben Wir es als eine besondere Gnade der Vorsehung betrachten zu dürfen, daß Unser Blick zu Beginn Unseres Pontifikates sich auf jenen heiligen und allsgezeichneten Vorgänger, diese Zierde der Kirche richtet. Durch seine Fürbitte bei Gott werden Wir in der Tat mit großem Vertrauen erfüllt, und die Erinnerung an die erhabene Lehre, welche er kraft seines Amtes vortrug, wie au sein reiches Tugendlcben, gibt Uns großen Mut. Hat er durch die Kraft seiner Lehre lind die Fruchtbarkeit seiner Tugenden in der Kirche Gottes so tiefe Spuren hinterlassen, daß seine Zeitgenossen und die spätereil Generationen ihm den Beinamen der Große gegeben haben, und daß auch heute noch seine Grabschrist volle Wahrheit besitzt: Immer und überall lebt er durch das unzählige Gute, das er geschaffen. So muß cS auch denen, die feinem bewundernswerten Beispiele Nachfolgen, mit dem Beistände der göttlichen Gnade verliehen sein, die eigenen Pflichten so gut zu erfüllen, als cs die menschliche Schwäche gestattet. DerPaPst erinnert dann an dteZnstände beim Regierungs antritt Gregors des Große», an die Verhältnisse Italiens, das, von den byzantinischen Kaisern verlasse», eine Beute der Langobarden gewordenwar. andieLageNoms. dasvomFeinde bedroht, von Pest. Uebcrfchwemmungen und Hunger heimgc- sucht war. Gregor selbst vergleicht die Kirche Roms mit *) Uebersetzung der »Kölnischen Volkszeitung". einem alten Wrack, in welches die Wellen überall ein- draiigen und dessen vom Sturme hin und her gerüttelte Planken krachend den Schiffbrnch ankündigten. Und eS ist in der Tal beivimdernsivert, was Gregor in der kurzen Zeit der dreizehn Jahre seiner Regierung erreichte: ec reformierte das gesamte christliche Leben, weckle die Frömmigkeit der Gläubigen, stellte die Disziplin der Mönche und des Klerus wieder her und schärfte den Bischöfen die Sorge für die ihnen anverlrante Herde wieder ein. Wie ein kluger Vater der Familie Christi erhielt und ver- meyrte er die Güter der Kirche und kam den Bedürftigen, dem Volke, der gesamten christlichen Gesellschaft, den einzelnen Kirchen, nach .Kräften zn Hille. Wahrhaft ein .Konsul Gottes, dehnte er seine Wirksamkeit über die Mauern Roms hinaus ! ans und war überall auf das Wohl der bürgerlichen Gesell schaft bedacht. Er leistete den ungerechten Forderungen der byzantinischen Kaiser energischen Widerstand, wies die Unverschämtheit der Exarchen und .Kaiserl. Beamten zurück und wurde so der öffentliche Verteidiger der sozialen Ge- rcchtigkeu. Er brach die Roheit der Longobarden und trug kein Bedenken, in eigener Pwson Agilnll bis zn den Toren Roms cntgegenzngehen. um ihn zn bewegen, die Belagerung der Stadt anfzngebei', wie schon Papst Leo der Große Attila gegennbergetreten war; und er ließ nicht ab zn bitten und zu überreden bis er dies gefürchtete Volk beruhigt und geordnet und für den katholischen Glauben gewonnen sah, wobei ihm die Königin Theodolinda wesent liche Dienste leistete. Daher kann Gregor mit Recht der Erretter und Befreier Italiens genannt werden, seines Landes, wie er es nennt. Durch seinen unermüdlichen Eifer verschwinden auch die Ueberbleibsel der Häresie in Italien und Afrika, werden die kirchlichen Angelegenheiten in Frankreich geordnet, wird die Bekehrung der Westgoten in Spanien vollendet und nimmt das englische Volk den wahren Glauben Christi an. Das Herz Gregor- frohlockte hierüber wie ein Pater, der den geliebten Sohn in seine Arme schließt. Und die englische Nation war dem heiligen Papste so dankbar, daß sie ihn stets nannte ihren Lehrer, ihren Papst, ihren Gregor. Ueberhanpt war seine Wirk samkeit so heilsam, daß die Erinnerung an seine Taten sich tief den kommenden Geschlechtern einprägte, namentlich während des Mittelalters, da« nach seinem Geiste lebte, von seinen Worten sich nährte, nach seinem Beispiel das ganze Leben einrichtete, wodurch die christlich-soziale Gesell schaftsordnung sich einbürgerte in; Gegensatz zur römischen der früheren Jahrhunderte. Gregor aber war fest davon überzeugt, daß die Hand Gottes so große Dinge wirke. In diesem Sinne schreibt ! er an den Mönch Angnstiuns über die Bekehrung der j Engländer, und das gilt von seiner gesamten apostolischen Wirksamkeit. Uns aber ist bekannt seine .Klugheit, Wach samkeit und ununterbrochene Sorgfalt. Wie aber ebenso feststeht, ist er nicht wie die Fürsten dieser Welt mit Macht und Gewalt vorgegangen, sondern wollte der Knecht der Knechte Gottes genannt werden; auch bereitete er sich den Weg nicht nur mit profaner Wissenschaft, nicht nnt poli tischen Erwägungen, ebensowenig mit Slfftemen der sozialen Umgestaltung noch endlich, was am meiste» zu bewundern ist. indem er ein großes Aktionsprogramm ansstellle, das ,l er Punkt für Punkt an-r-führte. Vielmehr war er erfüllt mit dem Gedanken des nahen Wellendes und daher dcr kurzen Zeit, die zn großen Taten übrig blieb. Schwach und krank war er doch von unglaublicher Energie, die durch das Vertrauen ans die Verheißungen Ehriüi immer neu gestärkt wurde. Auch nährte er stets unbegrenztes Vertrauen ans die übernatürliche Hilfe GolleS. Daher war er entschlossen, alle übernatürlichen Mittel zum Heile der Menschheit anzmvenden, die unfehlbaren geoffenbarten Wahrheiten, die Predigt in der ganzen Welt, die Sakramente und das Gebet im Namen Christi, das uns des himmlischen Beistandes versichert. Diese Erinnernngen, ehrwürdige Brüder, gereichen Und zum größten Droste. Wenn Wir von der Höhe des Vatikans Umschau halten, so haben Wir ebensoviel oder noch mehr zn fürchten als Gregor der Große: Ungewitter drohen überall, wohlgeordnete Feindesliaufen bedrohen Uns. groß ist überhaupt die Verlassenheit, in der Wir Uns befinden, ohne menichliche Mittel, um die Feinde zn bekämpfen und den Sturm abznschlagen. Aber wenn Wir bedenken, wo Unsere Füße stehe», fühlen Wir Uns sicher ans dein Felsen der heil. Kirche. Die übernatürliche Kraft der Kirche bat niemals versagt, niemals versagten die Verheißungen Christi, und wie sie schon das Herz Gregors mit Trost erfüllten, so bestehen sie auch heute noch, ja für Uns gewimien sie noch größere Bedcntnng. da sie durch so viele Jahrhunderte hindurch erprobt sind im Laufe der Zeiten. (Fortsetzung folgt-!