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Nr. »18 — U. Jahrgang Sonnabend de« »4. September 1V10 KchfislheUolksMUng Irlcheinl tSgltch »ach«. mU «usnatzme der Sonn- und Festtage. Uniaabe L.: Mit -Die Zeit in Wort und B»d- viertelsithriti- i»,10 In Dresden durch Boten »40 -». In gang Deutschland^e« Hau, »,8» Unabhängiges Tageblatt fiir Wahrheit, Recht und Freiheit 'Ä, werden die kaesdaltenk Peiiiztile oder deren Raum Ml« ?^5«-llame^t. So'Z'die Zetl. beregnet, bet Wiederholung«, entsprechenden Rabatt Litte pi'obiel'eli 5ie imseieti liocttfeinen Emilien-l^fsee pei- k'ftmcj 1.35. Helling 8, stocßsiroti, Oresäen. kilscisi'IaLbN In s»vn 8ts6ttoII«n. Nld kinladung rum Abonnement. Der Quartalwechsel steht bevor. Unsere geehrten Leser werden gebeten, nicht nur selbst rechtzeitig das Abonnement auf die Sächsische Vslkszeitung zu erneuern, sondern auch in ihren Bekanntenkreisen skr die weitere Ausbreitung dieser Tageszeitung tätig zu sein. In religiöser Hinsicht steht sie aus dem Boden der kath. Kirche, ohne Andersgläubige zu verletzen; in Politiker Hinsicht vertritt sie das Programm der Zentrumspartei Hervorragende Männer des In- und Auslandes zählt sie zu ihren Mitarbeitern. Ein täglich laufender spannen der Roman trägt der Unterhaltung Rechnung. Außerdem erscheint am Sonntag die Unterhaltungsbeilage „Feierabend", der viel interessanten Lesestoff, aber auch eine kurze Be trachtung über das jeweilige Evangelium bringt. Den vielfachen Wünschen unserer Frauen tragen wir Rechnung durch eine monatlich zweimal gratis erscheinende erstklassige Mode- und Frauenseite unter dem Titel: „Mode für Alle". Sie bringt illustriert die neuesten Schöpfungen der Mode aus den ersten Ateliers von Paris, London. Wien. Berlin und ebenfalls illustrierte Artikel über Handarbeiten. Wäsche, Hüte, Kindermoden und Haartrachten usw. — Fertige Schnittmuster von den Abbildungen liefert unser Verlag gegen Voreinsendung des Betrages von 30 Pf. und 6 Pf. Porto. ES sei noch hingewiesen auf die illustrierte wöchentliche Unterhaltungsbeilage „Die Zeit in Wort und Bild", welche unsere Abonnenten zu dem billigen Preise von monatlich 10 Pf. mit der Ausgabe geliefert bekommen. Probenummern stehen auf geschätzten Wunsch jederzeit gratis zur Verfügung. Inserate finden bei der weiten Verbreitung unseres Blattes in kaufkräftigen Kreisen in Sachsen und den an grenzenden Staaten eingehendste Beachtung. Bei Wieder- Holungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Redaktion and Geschäftsstelle der Sächsische« Volksjtitong. Das „motu proprio" Pius X. und die liberale Presse. Darin stimmen die Liberalen mit den Sozialisten über ein: Sie kehren gern vor fremden Türen. Augenblicklich macht ihnen das neue „motu proprio" großen Kummer. Man muß sie gehört haben, vorige. Woche die „Münchner Neueste Nachrichten", diese Woche die „Leipziger Neueste Nachrichten", um ihr Interesse würdigen zu können. Die „Münchner Neueste Nachrichten" sind so glücklich, mit einer Zuschrift aus „streng katholischen Kreisen", ja mit dem Briefe eines „katholischen Geistlichen" paradieren zu können. Wie „streng katholisch" jedoch die Autoren die ser Briefe sind, geht daraus hervor, daß der eine die „magisch-zauberhafte", will sagen übernatürliche Wirkung der hl. Kommunion für eine „längst überwundene Sache" hält, während der andere den heiligen Vater mit Noboam, seine Maßregeln gegen den Modernisinus mit Ruten und Skorpionen zu vergleichen sich erkühnt und, treu und tapfer, wie er ist, die Meinung hegt, es könne dem Klerus, zu dessen Sprecher er sich dreist aufspiclt, nicht verwehrt werden, passiv zur Seite zu stehen und Gewehr bei Fuß zu warten, bis ein Sturm die Macht Roms und seiner Helfershelfer weggefcgt habe. — Par mobile kratrum! Die „Leipz. N. Nachr." dürfen selbstverständlich auch nicht fehlen. Sie reden von dem „letzten Streich des Papstes Pius X." und versuchen die Menschenheit mit dem „furcht- baren Eid", den die katholischen Priester schwören müssen, gruseln zu machen. Wieder geht das tausendmal traktierte Stückchen von der Inquisition über die Bretter, wieder brennen Scheiterhaufen, stöhnen Gequälte, sitzen Dunkel- Männer um die große Schmorpfanne der AutodaföS, spricht der Großinquisitor mit Grabesstimme: „Lieber die Ver wesung, als die Freiheit." — Pius X. tut seine Pflicht. Er geht seinen Weg mit unerbittlicher Strenge. Das ist gut, heilsam und durchaus notwendig. Was dieser Mann der Praxis und des werten, klaren Blickes will, was alle seine Kriegsartikeln im Grunde besagen, ist dieses: NichtsHalbes und Verwässer tes! Nicht diplomatisieren, paktieren und liebäugeln mit der Welt! Geradeaus und geradedurch! Entweder — oder! Biegen oder brechen! Er will uns wiedergeben, was uns jahrelang gefehlt, worunter wir, vielleicht ohne es zu wissen, gelitten und weshalb wir weniger glücklich ge stritten haben — die stahl harte katholische Energie. Wenn unsere Gegner dagegen opponieren, lamentieren und über Rückständigkeit, Anmaßung und Intoleranz fabu lieren, so fühlen sie instinktiv die große Gefahr, die ihnen aus den päpstlichen Reformen erwächst, Reformen, die so ganz und gar geeignet sind, der Kirche jene Stoßkraft zu geben, die sie unbedingt braucht im Geisterkampf der modernen Zeit. Es ist nicht wahr, daß Pius X. seine Geistlichen knechten und knebeln will. Kein Stand hat so viel Freiheit wie der des katholischen Geistlichen. Man sollte nur die Stände miteinander vergleichen. Darin wird auch in Zukunft nichts geändert werden. Kein katholischer Geistlicher wird „Ketten" fühlen, so lange er katholischer Geist licher bleibt. Wenn man die Anordnungen Pius X. mit allen In strumenten eines Gefängnisses zu charakterisieren beliebt, wäre dann nicht jeder Eid eines Beamten, jeder Fahnen- fchwur eines Soldaten, jeder Pflichtenkreis eines Gelehrten Fessel und Geistestyrannei? Die Sozialdemokraten freilich haben das rundweg bejaht, aber immer mrter dem lautesten Proteste derer, die nun nicht Worte genug finden, das Gegenteil von dem zu behaupten, was sic früher bewie sen haben. Sind Hauptleute, Generäle, Präsidenten und Exzellen zen unersetzbar? Würden es Harnack, Ritsche! oder gar Meier-Zwickau sein, wenn sie anfingen, katholische Theo logie zu dozieren? „Freiheit ist nicht Zügellosigkeit!" — sagte nicht so der Liberalismus? „Aus deinem Munde richte ich dich." Wer katholisch ist, soll katholisch, wer Priester ist, soll es ganz sein, soll nichts anders sein. Das will Pius. Das sind Fesseln, wenn man will, aber Fesseln, wie sie Mutter und Kind, Kind und Vater umschließen, wie sie sind und sein müssen überall, in allen Organisationen, Gemein den und Parteien^ Wer dagegen streitet, kämpft gegen die Vernunft. Wer sich davon losmacht, ist allerdings frei — „frei, wie der frei ist, dem das Seil riß, das ihn an den Führer band." Doppelt ist das Recht, nach dem die Liberalen reden und handeln. Kurzsichtig der Katholik, der ihren Worten Glauben schenkt. Wer sähe dielen Leuten nicht auf den Grund? Es ist so leicht, ihnen auf den Grund zu sehen. Die Gegenwart verlangt von uns tiefe Einsicht in das große Thema: Welt und Kirche, Christ und Antichrist, jenes Thema, das Ignatius von Loyola „Die beiden Fahnen" überschrieben hat. Wir sehen immer noch zu viel mit den Augen der Zeit, zu wenig mit den Blicken der Ewigkeit. Mehr Klarheit! Klarheit ist Licht. Dieses Licht öffnet jene weite Perspektive, die uns Ziel und Ende, Palme und Krone schauen läßt, die uns große Gedanken, Begeiste rung und rückhaltlose Hingabe verleiht an den Führer un serer Legionen. Es muß einem jeden von uns gelten, was für Ludwig Venillot geschrieben ist: „Er liebte die Klarheit. Er hatte e i n Prinzip, die katholische Wahrheit. Mit ihrem Lichte beleuchtete er alles. Während der Kampf um ihm tobte, war er innerlich vollständig ruhig." Es ist möglich, daß uns von oben Kommandos kom- men, die wir nicht gleich verstehen, vielleicht auch mißver- stehen, die wir aber immer später begreifen und segnen werden. Schlechte Soldaten werfen alsbald Degen und Fahne hin, wenn nicht alles nach ihren, Willen geht. Nicht so wir Streiter Jesu Christi! „Wird die Kirche fähig sein, sich in dem zukünftigen Umschwung der Dinge zu behaupten . . .?" hat einmal Harnack gefragt — Die Geister trennen sich. Wir stehen am Vorabende einer großen Entscheidung, vielleicht der größten, welche die Kirchcngeschichte kennt. Sie finde unS einig und gerüstet, fest im Glauben, stark in der Liebe, groß in jener ewigen, stolzen und doch demütigen Felsenhoffnung der katholischen Kirche. ' 8. Sozialdemokratischer Parteitag. (Nachdruck derdoten.» Magdeburg, den 22. September 1810. Am Donnerstagvormittag wurde auf dem Parteitage der Parlamentarische Bericht erstattet. Der Re ferent Noske hatte eine schwere Aufgabe. Der Krach von, Mittwochabend bildete Las allgemeine Gespräch und auf das Referat achtete niemand. Bei Beginn der Verhandlung sind die Badenser nicht erschienen. Trotz des „Sieges", den die Radikalen vermeintlich gewonnen haben, lastet eine Schwüle auf der Versammlung. Die Einsicht, daß man sich sich der gröbsten Vergewaltigung schuldig gemacht und eine übereilte Dummheit begangen hat, ist auch bei den Radi kalen teilweise eingekehrt. Die einsichtigeren Radikalen standen scl>on an, Mittwochabend unter diesen, Eindrücke. Den radikalen Heißsporn spielte Haase-Königsberg. Er fühlte sich — allerdings mit Recht — durch das Schlußwort Frankes vor aller Welt persönlich, namentlich als Jurist, schwer blamiert, und dieses Gefühl der persönlichen Krän kung führte den Bruch herbei. Haase konferierte lange mit Bebel wegen Neueinbringung des Antrages Zubeil, aber Bebel wollte nicht. Müller-Berlin, ebenfalls Mitglied des Parteivorstandes, rief Haase zu: Wir bekommen ja keinen Menschen zun, Parteitage mehr, wenn wir mit fertigen Re solutionen zum Parteitage kommen. Dieses Wort recht fertigt glänzend die Auffassung der Süddeutsck-en. wie sie durch Frank zum Ausdrucke gekommen war. Dieselben Leute, die stets über Klassenjustiz zetern, verstehen die pro- letarische Freiheit dahin, daß sie Angeklagte nicht erst zu Worte kommen lassen, sondern daß sie das Urteil in der Tasche fertig zun, Gerichtshöfe mitbringen. Das sollte ein mal an einen, bürgerlichen Gerichtshöfe Vorkommen! Die Arbeiter, die das billigen, haben kein Recht mehr, über die angebliche Rechtsbeugung der bürgerlichen Gerichte zu kla gen. Aber leider erfahren die sozialdenwkratischen Arbeiter die volle Wahrheit nicht. Der „Vorwärts", der eben im Saale des Luisenparkes verteilt wird, strotzt geradezu von Unwahrheiten und tendenziösen Entstellungen. Wer den Bericht liest muß allerdings zu der Auffassung gelangen, daß die Radikalen im Rechte seien. Denjenigen Arbeitern, die noch ein Gefühl für Recht und Wahrheit haben, emp fehlen wir daher, sich auch einmal aus bürgerlichen Blättern über die Vorgänge zu orientieren. Sie werden dann sehen, daß nur der persönliche Ehrgeiz und die Machtsucht der Ber liner Richtung die Revisionisten aus dem Saale getrieben hat und mit ihnen Recht und Gerechtigkeit. Es war geradezu ein ergreifender Moment, als man Bebel im kritischen Moment den Saal verlassen sah. Die Geister, die er gerufen, wurde der Meister nicht mehr los. Man hörte nicht mehr auf seine eiirdringlichen Mahnungen und er mußte es an seinem Lebensabende erfahren, daß sein früherer uneingeschränkter Einfluß für alle Zeiten gebrochen war. Er schied fast unbeachtet aus dem Saale. Er, dem sonst die Menge zujubelte, wenn er von dem Parteitage schied, dieses Mal schied er, ohne daß sich jemand um ihn kümmerte. Mit den Radikalen hatte er es verdorben, mit den Revisionisten ist er längst zerfallen. Das ist der Dank des Proletariates für ein Lebenswerk, aber das ist auch dis Folge seiner verkehrten radikalen Taktik. Zu einer dauern den Sezession wird es vorläufig wohl nicht kommen, aber nach Errichtung der automatischen Guillotine für Budget- lewilliger und bei der Entschlossenheit der Süddeutschen, eventuell auch künftig für das Budget zu stimmen, scheint der dauernde Bruch für die Zukunft unvermeidlich — vor* ausgesetzt allerdings, daß man es mit Menschen von Cha- rakter zu tun hat. Das Referat Noskes.und die daran anschließende Dis kussion bot nicht viel des Interessanten. Im großen und ganzen war es ein Schimpfen auf den Kaiser, die Negie rung, den Reichstag und das Zentrum. Zugleich ober war es eine beabsichtigte Täuschung der Arbeiter und eine be wußte Geschichtsfälschnng. Dem Bekenntnis zum Gottes- gnadentum setzte Referent entgegen das Bekenntnis zur Republik. Es soll der nächste Wahlkampf unter der Parole geführt werden, daß der Wille des Volkes das höchste Gesetz ist. Als z,veite Wahlparole gab Redner aus: Nieder mit den Wucherzöllen. (Lebhafter Beifall.) In der Diskussion befürwortet Bremine-Lübeck einen Antrag, die Regierung wegen der russischen Grenzübergriffe zu interpellieren. Dittmann-Solingen fordert eine gründliche Kritik der Wahlrechts- und Streikjnstiz. Klara Zetkin wünscht die Ausarbeitung eines Gesetzes zum Schutze der Jugend vor dem Alkohol. Engler-Fxeibnrg will Mittel gegen die Absintheinsiihr aus der Schweiz. Olion-Aachcn behauptet, in Aachen seien in einem katholischen Jünglingsverein 6 Liter Schnaps zur Verlosung ansgeboten worden und als die Sozialdemokratie öffentlich darauf hingewiesen habe, seien diese 6 Liter unter den Mitgliedern eines katho lischen Vereins von St. Peter verlost worden. (Hört, hört!) Katzenstein-Berlin rügt, daß man auf die Durchführung deSl Schnapsverbotes nicht so achte, wie auf die Budgetverweige* ning. Die „Nene Zeit" und die „Bremer Bürgcrzeitg." hätten sich Unterlassungssünden in dieser Beziehung zuteil! werden lassen. Frank ruft: Ja, Schnaps, das ist was an deres! Henke-Bremen meint, es handle sich um Uebertrei« bringen. (Zurufe von dem Nevisionistentisch: Na, dann sauft's weiter. Die Verhandlung schließt bereits um 11 Uhr, da um Mittag ein Ausflug des Parteitages nach Thal« stattfindet. Im Verlaufe der Verhandlungen hatten sich die Badenser wieder eingefunden. Politische Rundschau. Dre « den. den 23. September 1910. — Der Kaiser wohnte gestern in Sigmaringen der Ent-