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mit deni niemand mehr Verkehr haben will. Die Berliner Presse darf sich also nicht aufs hohe Rotz setzen, sie mutz der Oeffentlichkeit in dieser Frage Rede und Antwort stehen! Nun kommt noch ein anderer Prozeß dazu, den der Herausgeber der Wochenschrift „Plutus", der Sozialist Bernhard, zu führen hat. Er erhob gegen einen Ber liner Redakteur auch die Beschuldigung, daß er im Dienste der Pommernbank gestanden habe, und 2000 Mk. Gehalt von dieser bezogen habe, aber trotzdem als Mitarbeiter von Blättern für den Handelsteil Reklame für die Pommern bank gemacht habe, ohne das; die betreffenden Zeitungen wußten, daß dieser Mitarbeiter im Dienste der Bank stand. Der Prozeß ist noch nicht beendet. Aber wir dürfen trotzdem behaupten, daß sich tiefe Korruption dabei breit gemacht hat. Sind wir da von russischen oder türkischen Zuständen noch weit entfernt? Wir werden nicht ruhen, bis volles Licht in die Sache gebracht ist; von den Berliner Blättern aber fordern nur: Reinigt euch, wenn ihr es könnt, von dieser ebrenrührigen Anschuldigungdas Volk will und muß wissen, wie es mit der Ehrlichkeit der Berliner Presse steht! Reichstag. o. Berlin. !») Sipuiig am 11. Juni I!>04. Der Reichstag war heule infolge der Ferien am kommenden Montag schwach besetzt: Wahiprüfungen und Petitionen standen ans der Tagesordnung. Soweit das Zentrum in Betracht kommt, wurde bei den Wahlen der Abg. Fuchs, Boltz und KocfanN; Beweis erhebung beschlossen. Todann wurden Petitionen beraten. Tie erste derselben forderte eine Abänderung des Fleisch besch a ugese tz es. Ter sozialdemokratische Redner Fi > che r- Sachsen sprach hierbei die Forderung aus, die HanSschlachtungcu auch unter die Fleischbeschau zu stellen und polemisierte hieraus gegen die lR'treidezölle. Aber er siel sehr stark damit herein. Der Zentrumsabgeordnele Erzberger betonte demgegenüber, daß die Einführung der Fleischbeschau für die HauSschlachtunaen überflüssig und unmöglich sei, auch wirke sie sehr verteuernd. Tie Ausführungen des Abg. Fischer gegen die Eeirridezölle mag der selbe crit gegen den "Abg. Schippe! richten, nicht gegen die Mehrheit dieses Hauses. (Sehr gut!) So stark wie schippet in der Ehemnitzer „Bolksstimme" die Zölle verteidigt, kann es kaum ei» Agrarier tun! (Sehr gut!) "Belachen Sie also erst Schivpel, ehe Sie das bei uuS versuchen! (Sehr gut!) — Thiele (Soz.) ver teidigt Schipvel, der nur unter Umständen für Eetreivezölle sei. — Erzbcrger (Zentr.): (Zs freut mich, das; Schippet nun eine Verteidigung gefunden hat: er hat so schon schwer in dcr"Reihe seiner Freunde zu leiden. Derselbe spricht such unter Umständen für Getreide,zolle aus Auch auswärtige Sozialdemokraten (Greulich usiv.) haben sich für Getreidezölle ausgesprochen: andere sind Schutz zöllner. (Sehr gut.) Tie Mehrheit dieses Hauses war ebenso IW2 schon so klug, als wie einige jetzt bei Ihnen werden. (Sehr gut!) "Auch wir haben das Fleischbeschaugesetz in erster Linie aus Ge sundheitsrücksichten geschaffen und sind deshalb gegen die Einfuhr fremden Fleisches, weil hier keine .Kontrolle möglich ist. Wir könnten doch nicht deshalb gegen das Gesetz stimmen, weil eS der Lnndwirtschaft nützt. "Auf "Antrag Dr. Müller Sagau wird die Petition von der Tagesordnung abgesetzt, ebenso weitere. Eine Reihe von Petitionen wird ohne Debatte angenommen. — Nächste Sitzung Dienstag 2 Uhr. - Münzgesetz, Uolonialbahnen, Scrvistarif. Politische Nilndschau. Deutschland. — Der Zönig von Württemberg hat an den Kultus minister Dr. v. Weizsäcker ein Handschreiben gerichtet, worin er sein lebhaftes Bedauern auSdrückt, daß der mit der SchulgesetznoveUe unternommene Versuch, eine Ausgleichung der Gegensätze auf dein Gebiete des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche zur Schule herbeizuführen, borlänfig ins Stocken geraten sei; gleichzeitig spricht der König dem Munster seinen Dank für seine vielfachen Bemühungen in dieser Angelegenheit, sowie sein volles Vertrauen ans. — Die Hvfbank der Kaiserin. Man war gespannt darauf, welche Anträge die Verteidigung in dem Prozeß gegen die Pommernbank ans die Enthüllungen des Geh. Rat Budde stellen werde, sie hätte nämlich diese sofort nach dessen Allssagen angetnndigt. Am l<>. Juni ging jedoch die Sache ans, wie das Hornberger Schießen. Jnstizrat Dr. Sello gab lediglich folgende Erklärung na.nenS der Angeklagten ab: „Ans den Scheck von 3.70000 Mk. hat der Oberhofnieister der Kaiserin, Freiherr v. Mirbach, für Wo hl tätig keil s- ni'd andere Zwecke überhaupt nur 2.7000 Mark abgehoben, und zwar ans die Versicherung der An geklagten Schultz und Romeick hin. daß das Geld nicht an-s der Bank, sondern ans ihren Mitteln flösse, lieber die diskrete Verwendung des Restes der obigen :'.70 000 Mk. wird nach wie vor von den Angeklagten das Prinzip der Diskretion respektiert. Frhr. v. Mirbach hat privat oder Persönlich weder von de» Angeklagten noch von den ihnen ausschließlich ans den Bezug ans Italien angewiesen ist, leichtsinnig aufs Spiel setze». Sie brauchen die Schweiz als Absatzgebiet viel notwendiger als die Schweiz Italien als BezngSgnelle braucht. Mißlich würde ein Zollkrieg ja auch snr die Schweiz werden, hauptsächlich wegen des Be zugs der Rohseide, den größte» Nachteil aber hätte Italien. Daher glaube ich nicht an einen Zollkrieg. ES wäre auch traurig, wenn zwei Nachbarstaaten sich in Zollfragen nicht einigen könnten. Ein Zollkrieg schädigt stets beide — den Sieger und den Besiegten. Er ist zwar nnblntig und doch kostet er viele Opfer. Zn einem solchen Kriege werden auch keine fremdländischen Offiziere ans de» Kriegsschauplatz ge schickt, wie jetzt nach Japan »nd Rußland. Auch die Schweiz hat ja zwei Offiziere zu den beiden Kriegführenden ans den Kriegsschauplatz entsendet. Die japanische Regierung hält die fremden Offiziere in Tokio zurück, damit sie weit weg vom Kugelregen hübsch in Sicher heit bleiben. Von einem der bei den Russen befindlichen Offiziere veröffentlicht jetzt eine Lansgnner Zeitung Aus züge ans einem Privatbrief. Eine Stelle verdient Erwäh nung: „Alles ist überzeugt, daß die Japaner schließlich die verdienten Prügel empfangen werden." Wie kann ein Offizier eines neutralen Landes einen solchen Ansdruck gebrauchen? Der Betreffende scheint sich seiner Stellung und der Rücksichten, die sie ibin anferlegt, nicht bewußt zu sein. Er mußte doch annehmen, daß sein Brief in die Oeffentlichkeit gelangt. Charakteristisch für den Kriegs- Helden ans der französischen Schweiz ist folgende Stelle ans seinem Briefe: „Hier bekommt man alles, was man nötig bat, Bcnediktine wie Karlsbader Wasser. Was man nötig hat. Benediktiner wie Karlsbader Wasser. Was ist — Zahnpulver." Das genügt! nahestehenden Banken einen Pfennig erhalten. Der Auge klagte Schultz teilte noch mit. daß er damals 1*/z Millionen an Vermögen gehabt habe; aber dann gibt ein Bankdirektor nicht aus eigenen Mitteln fast 700000 Mk. für Wohltätig keitSzwecke aus! Die Sache soll nun für den Prozeß selbst erledigt sein! — Die Budgetkommission des Reichstags befaßte sich am lO. d. M. mit der Resolution Gröber (Zentrum), be treffend die Erhöhung der Onartierkostengelder. Erzberger, Bachem und Hug lZentrum) begründeten die Resolution eingehend und führten insonderheit ins Feld, wie in Württemberg, der Eifel und Baden darüber geklagt werde, daß die Entschädigungssätze zu gering seien. ES sei nicht nobel und anständig, daß der Bürger selbst, namentlich in den ärmeren Gegenden, die Gemeinden und Kreise die Lasten tragen, die das Reich aufbringen müsse. Von den Vertretern der verbündeten Regierungen wurde ausgefllhrt, daß Erwägungen schwebten; eine Erhöhung um 20 Pfennig pro Mann und Tag gebe eine Mehrausgabe von 2 Milli- onen. Von alten Seiten wurde betont, daß eine solche ber- bältnismäßig geringe Mehrbelastung nicht entscheidend sein könne. Am Schlüsse wurde einstimmig eine Resolution an genommen, die eine zeitgemäße Revision des Gesetzes von 1377 fordert und bierbei insonderbeit jene Gemeinden, die sel>r oft mit Eingnartiernng belegt werden, neben den er höhten Entschädigungssätzen Zuschläge erhalten. ^Nament lich die Landwirte werden dem Zentrum für sein entschiede nes Eintreten sehr dankbar sein. — Das Servisklasseiigcseh wurde heute in der Bndget- koniinission des Reichstages erledigt. Nach dem Anträge des Zentlniiis ivnrde das Servisklasscngesetz dem Inhalte nach unverändert genehmigt, aber nicht bis 1013, sondern nur, nach einem Anträge der Sozialdemokraten, bis 1006. Das Zentrum wollte 1003 setzen. Das Gesetz erhält Rück- wirtnng ans den l. April 1004. Ferner fanden die Resolu tionen des Zentrums Annahme, die mit der nächsten Revi sion des Servistlassengesetzes ein besonderes W o h n n n g s- geldgesetz fordert und die die 267 eingelanfenen Reso lutionen de» verbündeten Regierungen als Material über weisen. In der Debatte wurde allseitig betont, besonders auch von den ZentrnniSabgeordneten B a ch e in und Erz- b e r ger, daß ein eigenes Wvhnnngsgeldgesetz im Inter esse der Beamten absolut nötig sei und daß die Sätze für die Unterbeamteii in erster Linie zu erböhen seien. Die Ver treter der verbündeten Negierungen erklärten, daß sie bis 1006 die Vorarbeiten für ein Wohnnngsgeldgesetz nicht be endigen tönte». Das Gesetz wird noch vor der Vertagung beraten werden. Man hofft, am Mittwoch vertagen zu tonnen. — Opposition gegen die Fusion der Banken. Der chassbausensche Bankverein will die Westdeutsche Bank anf- kanfen; ans der vorgestrigen Generalversammlnng der letzte ren bat sich aber bcftige Opposition hiergegen erhoben. Ans der Mitte der Versammlung wurde das Angebot des Schaff- bansenschen Bankvereins als zu niedrig bezeichnet, und selbst der stellvertretende Vorsitzende des Anfsichtsrates, Herr Oskar Simon, gab die Erklärung ab, daß das Angebot viel zu niedrig sei. Da die Generalversammlnng nicht beschluß fähig war, wurde ein neuer Termin für eine zweite ange setzt. Beim A. Schasfhansenschen Bankverein fand henke übrigens eine Konferenz statt, die sich mit der Angelegenheit der Westdeutschen Bank beschäftigte. Schaffhansen wird keinesfalls sein Angebot erhöhen, beabsichtigt aber auch nicht durch die Opposition sich zu einem Znrückziehen der Offerte bestimmen zu lassen. Sollte in der Generalver sammlung ein Protest gegen die Fusion eingelegt werden, so würde dies nur dann von Bedentnng werden tonnen, wenn sich die für einen bestimmten Termin vorgesehene Eintragung der Fusion ins Handelsregister verzögern würde. Indes seien solche Proteste vorläufig nicht ange- knüpst worden. Die Opposition wird also anscheinend in dem vorliegenden Falle das Projekt nicht znm Scheitern bringen. Professor Dhroff in München hat einen Aufsatz erscheinen lassen, worin cr sich für die Beendigung der Regentschaft noch zu Lebzeiten König Ottos ansspricht. Die Schrift hatte deshalb aktuellen Charakter, weil Bayern in Kürze die Feier des lOOjährigen Bestandes als Königreich begehen wird. Die Münchener „Allgemeine Zeitung" teilt in der Sonutagsansgabe mit, daß Ministerpräsident Frei herr v. Podewils am l t. d. M. dem Prinzregenten Vor trag darüber gehalten hat, und schreibt: „Eine Ncgentschaftssrage besteht, ivie wir hören, für die in Betracht kvimiicnben maßgebenden Stellen nicht. Die Allerhöchste Auffassung ist die bekannte, die twn dem früheren Ministerpräsidenten Grafen Crailsheim seinerzeit dahin umschrieben worden ist, daß Prinzregcnt Luitpold au den bestehenden Verhältnissen nichts ge ändert wissen wolle. Prof. Dhroff hat in seiner Schrift seine Aus legung ausdrücklich als eine durchaus private bezcichnct. Das ist sie in der Tat. Ein Anlaß zu irgend einer neuen Bekundung wird daher in der Schrift nickt erblickt." — Eine neue Mas;- und Gcivichtsordnnng ist den Bnndeöstaaten zur Begutachtung vom Reiche zngestellt wo» den. Es handelt sich mit die Frage, ob einmalige Eichung oder Periodische Nacheichnng wie in Sächselt. In Preußen wurde Maß und Gewicht bisher einmal geeicht, dann er folgten die polizeilichen Revisionen, mit dem Ergebnis, daß jährlich durchschnittlich der vierte, in einzelnen preußischen Provinzen etwa jeder revidierte dritte Gewerbetreibende unter Emziebnng der beanstandeten Maße und Gewichte bestraft werden muß. Sachsen hat die periodische Nach- eichnng. Innerhalb drei Jahren werden Maße und Ge wichte nachgecicht, die gerügten Fehler bleiben straflos. Das preußische Shstem hatte im Anslandsverkehr große Mängel wegen der Ungenanigkeit der Meßgeräte. Nun will das Reich die sächsische Einrichtung nachahnien und die Periodische Nacheichnng emfnhren. so daß auch in den ande ren Bundesstaaten der Gewerbetreibende nicht mehr der Gefahr einer Bestrafung ausgeseht ist. wenn seine Maße, Gewichte oder Wagen nicht mehr stimmen. Eine Folge der Einführung der Nacheichnng ist die Verstaatlichung der gemeindlichen Eichämter, wie solche in einzelnen Bundes staaten noch bestehen, was besonders Bayern empfindlich berühren dürfte. Die Eichmeister sind dort Gemeindebe- amte und auf die Gebühren angewiesen. In Sachsen sind sie bereits Staatsbeamte und es fallen die Eichgebühren den; Staate zu. Um den bayrischen Verhältnissen Rech nung zu tragen, sollen die Landesregierungen befugt sein, im Einverständnis mit dem Reichskanzler ausnahmsweise einzelnen Gemeinden die Beibehaltung von Eichämtern zu gestatten. Von dieser Befugnis soll in der Regel nur zur Erleichterung der Eichung von Fässern Gebrauch gemacht werden. Die Ausrüstung und Unterhaltung der Eichämter sowie die Besoldung der Beamten liegt alsdann den Ge meinden ob. welche die Gebühren vereinnahmen. — Das preußische Abgeordnetenhaus hielt am Sonn abend die erste Beratung des Entwurfes über die Erhöhung des Kapitels der Seehandlung ab. wobei Finanzminister Freiherr von Rhein baben versicherte, daß diese nicht gegen andere Institute gerichtet sei. Richter (fr. Vg.) zeigte wieder seine alte Gegnerschaft. Der Zentrumsabgeordnele Gram wünschte eine Abgrenzung der Lärigkeitsgebiete der Seehandlung. Nach längerer Debatte ging die Vorlage an eine Kommission. Oesterreich - Ungarn. — Die Revision des WehrgesetzeS ist Gegenstand von Verhandlungen zwischen dem Reichskriegsminisler und der ungarischen Regierung. Nach einer Meldung der „Zeit" gedenke die Militärverwaltung bei dieser Revision vorläufig die zweijährige Dienstzeit noch nicht in den Rahmen einzu beziehen. und zwar wegen der großen finanziellen Kosten; es würde also iin Wesen nur die Erhöhung des Rekruten- kontingentes nberbleiben. welche bekanntlich vom öster reichischen Abgeordnetcnhanse im vorigen Jahre schon be willigt war. Nun soll auch Ungarn für tue Erhöhung ge- ivonncn werden. Wird man Ungarn die Zustimmung durch neue Opfer abkanfen wollen? Die Uuabhängigleitspartei hat bekanntlich angelnndigt, bei der Revision ües-LKh» gesetzes ihre allen Forderungen erneuern zu wollen. Frankreich. — Tie französische Kammer ist das Forum für Skan dale. ivie inan sie anderwärts kaum ahnt, geschweige denn erlebt. Tie Freitags-Sitzung brachte nichts geringeres als ein Rededuell ans die schärfsten Waffen zwischen dem Mini sterpräsidenten und dein Sozialisten Millerand, der im Kabinett Waldeck-Noussean als Handelsministcr saß. Die heftige Kontroverse zwischen dein Kabinettschef und dem Erniinister führte zur „Anfdecknng" einer sehr zweifelhaften Bestechniigsaffäre. in welche die Mönche der Grande Ehartrense bei Grenoble den Ministerpräsidenten Combes angeblich zu verwickeln suchten. Herr Eoinbes behauptet, diese Affäre im „höheren politischen Interesse" geheiml,alten zu müssen, ohne aber anziidenten. welche Tatsachen und wessen Interesse den von ihm gebrauchten Phrasen zu grunde liegen. Man ist ganz berechtigt, den Vorwurf, die Kartäuser hätten Combes mit Millionen zu bestechen ge sucht, unbedingt zu mißtrauen, denn es liegt kein einziger Beweis hierfür vor. Vielmehr ist die gewundene an biedernde Haltung des Ministerpräsidenten sehr geeignet, glauben zu lassen, daß es sich nin eine mißlungene I u t r i g u e der Negierung und ibr nahestehender Agenten gegen die Mönche handelt. Millerand wandte sich gegen die Regierung, deren Politik sich iin Kamps gegen die Kon gregationen erschöpfe, und erklärte, alle Reformen der Ne gierung seien Angciitänschnng. Ministerpräsident Combes erwiderte mit ziemlich starken Ausdrücken ans die Angriffe Milleiands, dem die gegenwärtige Negierung schon zu lange dauert. Der Gedanke an die .Kongregationen beschäftige die Regierung nicht ausschließlich: jedenfalls suche sie sich nicht an deren Ueberiestcii zu bereichern. Diese Anspielung galt der Stellung Millerands als Liquidator einiger Kongrega tionen. Sofort fiel der Zwischenruf: „Und was ist's mit den Millionen der Kartäuser?" Der Ministerpräsident fuhr fort, es sei seine Absicht, nach Annahme des Gesetzes wegen Abschaffung des kongregationistischen Unterrichts freiwillig zu resigniere». Man habe ihn und seinen Sohn beschuldigt, von den Kartäusern bestochen zu sein. In Wahr heit seien iln» zwei Millionen geboten worden, wenn er für die Kartäuser günstige Gesetzentwürfe einreiche. Die Per son, welche den genannten Schritt getan hatte, lehnte es ab, den Vermittler zu nemicn, für den sie gehandelt hatte. Diese Person — es ist der Generalkoimmssär der Ausstellung in St. Louis — gab ihren Namen an, aber Millerand bat ihn, den Namen iin höheren Interesse des Landes nicht bekannt zu geben. — Deputierter R e n a n l t - M o r l i d r e gibt seinem Erstaunen darüber Ausdruck, daß Combes den Namen des Bestechers nicht genannt habe. Combes er widert, es sei Sache desjenigen, der diese Erinnerungen her- ansbeschworen habe, jenen Namen zu nennen. Mille rand erklärt, er werde nicht dazu beitragen, das Geheim nis zu »erraten, welches mit seiner früheren Tätigkeit als Minister zusaimnenhänge. Pichat erklärt, wenn Combes die zwei Millionen nicht erhielt, so wollten sie ihm die Kartäuser nur nicht geben. Man hat 300000 Frank iin vorhinein und zwei Millionen im Falle eines Erfolges angeboten. (Ein Ruf links: Wer?) Pichat weigert sich, den Namen zu nennen. Der Ministerpräsident nennt dies eine unverschämte Verlenindnng. Schließlich wird eine Untersiichnngskoimnission von 33 Mitgliedern eingesetzt. Italien. — Trotz des Dreibundes wird die Spannung zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien immer größer. Nun ver öffentlicht General Nicciotti Garibaldi ein Schreiben über die Möglichkeit eines Krieges zwischen Italien und Oester- reich-Ungarn. Er sagte darin: Um gegen Oesterreich-Ungarn Krieg zu führen, braucht man Millionen, wenn der Krieg durch die Negierung gemacht werden sollte, aber welches waren die Geldmittel der französischen Revolution, der Expedition der Tausend und jene von romanns? Eine populäre revolutionäre und aufständische Be wegung von Trient bis Prag und Triest bis zum Balkan würde weder einer regulären Armee noch einer Kriegskaffe bedürfen. Der General erklärte weiter, er sei nicht für die Befestigung der Grenzen und sagt, wenn schon Geld verausgabt werden soll, so sei cS besser, dieses zur Organisierung einer guten Armee zu verwenden. Serbien. — Am 11. d. M., dem Jahrestage der Ermordung des Königs Alexander «ud der .Königin Draga, fand ein von den Schwestern der Königin Draga in der Markus- ttrche auf dem alten Friedhofe veranstaltetes, von 11 Geist- lichen zelebriertes Requiem für den König, die Königin,