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Sächsische Volkszeitung : 26.11.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190411264
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19041126
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19041126
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-11
- Tag 1904-11-26
-
Monat
1904-11
-
Jahr
1904
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 26.11.1904
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war um Uhr beendet . Hierauf fuhr Se. Majestät der Kaiser nach dem Schloß zurück, wo ein Gabelfrühstück zu 28 Gedecken stattfand. Um -1 Uhr erfolgte sodann die Ab fahrt nach Groß-Moschen. Auf dem Wege zum Bahnhose hatten wiederum Schulen und Vereine Spalier gebildet. Dem Grafen Tschirschkli-Reuard wurde der Kronenorden 1. Klasse verliehen. Ter Bundesrat stimmte gestern den Gesetzentwürfen über die Friedenspräienzßärke des Heeres und über Aende- rungen der Wehrpflicht zu. Hu de» Handelsvertragsverhandlungen schreibt die „Reichspoß": Tie 'Verbandlungeu nehmen nicht jenen rafckx'n Fortgang, der für die Sache zu wünschen wäre, so daß Be deuten auftauchen, ob überhaupt ein baldiges Ende zu ge wärtigen ist. Tvuuerstag uachmittags fand eine gemein same Konferenz der dentsck>en, österreichischen und unga rischen Referenten statt. Es sollen in dieser .Konferenz an <>00 Tarispositionen neuerdings dnrchberaten werden. Es ist sehr wohl möglich, daß sich auch diesmal Differenzen er gebe» werden, über welche eine Einigkeit nicht erzielt wird. Tiefe Posten will man ansscheiden, worauf diesbezüglich einerseits die österreichisch ungarischen, andererseits die deutschen Unterhändler in getrennten Beratungen zur For mulierung der endgültigen Propositionen gelangen sollen. Tan» erst wird eine neuerliche Plenarlonferenz stattnnden. Dem Miinßerrate bleibt es dann anheimgegeben, ein Macht wort. bezüglich jener Punkte zu sprechen, hinsichtlich welcher die Referenten zur Entscheidung sich nicht als befugt er achten. Ter Zeitvnnll des Minislerrates wird von der lebten Plenai'sil'nng der Referenten bestimmt werden, ist aber auch davon abhängig, wann Ministerpräsident Gras Tisza in der Lage sein wird, sich mit seinen Fachministern ins Einvernehmen zu sehen und mit diesen bierber- zukoinmen. Frühestens wird der Minislerral Sonnabend stattnnden. wahrscheinlich aber erst Montag. Das preußische Abgeordnetenhaus, welches seit einem Monat versammelt in. findet bisher leine begeisterten Lobredner. In der Preise aller Schattierungen kommt viel mehr die .Klage znm Ausdrnet, daß es doch ein verschwin dend Heines Ding sei. nir das seit vier Wochen Diäten be zahlt würden. Jedenfalls ist der Porwnrs begründet, nicht aber, wenn man ihn gegen das 'Abgeordneten!,aus erhebt. Dieses trink nicht die Schuld, daß es statt eines reich be fehlen Ti'cbes seht nur die Knochen vom lebten Frühjahr vorsindet. Tie Regierung ist die Ursache dieses mangelnden Arbeitspensums: sie tun den, Abgeordnetenbanse keine we sentlichen Vorlagen unterbreitet: bis jeht ist nur die Hibernianovelle eingelansen. Wesbalb bat man sich im Knltnsmiinnerinm nicht derart beeilt, daß das Schnlnnter- haltnngsgeseb im Oktober fertig wurde? Tann batte dieses noch vor Weibnachten erledigt werden können. Das preußische Abgeordnetenhaus nahm am TI. d. M. i i dritter L.nmg den Gesehentwnrf übe: die Ge- Währung van Wahnnngsaeldznschnüen zu. Daran: enolgke die B'ranmg d s Antrages des Tr. Gras Tong.as ans Errichlnng eine: Landestoinmissftni nir Peltswaal'ahrt. der von: Antragsteller sehr eingehend begründt wurde. Dieser Kommission sollen ziemlich all' Gebftte der Wohlfahrts pflege überwiesen werden. Alle Pmteien äußerten sich zn- stimmend zu dem Antrag. Von den Naftonalliberalen Freiherr von Sch mkendors. dann Pa.nor v. Bodel'chivingb; vom .-ft'nlnmi 'hneaenbe!g: von den Freisinnigen Gold- schmid und Mmnnn berg, von den Konservative:! Heckenroth. Der Antrag von.de an eine .g'mminion von 2l Mit- glieder» v nnvi.n'en. Hierin! winde ohne wesentliche Debatte der G.nehenlnnirs üb leren und de,- gbe'en Freite. .. Drr badisciie d'ationallibcrateii mit >' die Hoänvgsserverhälnlisse der mitt- Ober angenonnnen. A'äü'üe Sihimg Wahttampf nürd bereits von de>: einer Erbitterung geführt, die an die Zeiten des beißeßen Knllurtanipses erinnert: nun sieb das Zentrnin wehrt, nimm! man es ibm übel. Jetzt bat die liberale Preist' etwas Schrecllift-.es entdeckt. Tas Zentrei!- tomitee der badische» Zentriimspgrtei bat sich an sämtliche talliolsschen Pfarrämter des Landes gewendet mit der Bitte, für die 'Verbreitung der latboiiüben Presse besorgt zn sein: es bat aber noel, eigens beigenigt: ..Tas Z,entra!lomitee iit weit davon entfernt, den boebw'ürdigen Pfarrämter» etwa Weisungen geben zu wollen. Es bittet Sie. Hochwürdiger Herr, aber gelegentlich, in der nächste» Feil die Schritte ins Ange zu fassen und zn lim, die Jbnen nach den obwaltenden Verhältnissen in Jbrer Piarrei angemessen erscheinen, um ans dem Gebiete derselben die Verbreitung der gegnerischen Presse möglich» zn verringern und die 'Verbreitung der Zentrnmsvrene möglichst zn vergrößern . . ." Tb dieses Schrittes wird nun der Geiill. Bat. Wacker in der liberalen Presse der „schamlowsten" Wablbeesnslnsning geziehen. Aber in dem ganzen Zirkulär findet sich lein Wort, das ans die Wanten Bezug nimmt. Wir unsererseits sind dein badischen Zentraltomitee der Zentrnmsparlei dankbar, daß es so die Wicbtigleit der Presse anerkennt, daß es alles tut für Ausbreitung derselben. Papst. Bi schäm und .Nalbolitenlaae baben ininier wieder ans die Bedeutung der tgtbolischen Presse bingewieien. Tie Entrüstung der Liberalen ist um so unverständlicher, als kein Ton in ibrer Preise vernommen wurde, da iw 'Vorjahr ücb der 'Verlag der ..Wartburg" mit der beleidigenden Zusendung seiner Zeitschrift gn den katho lischen Klerus wandte. Tas seit wobl dem Gegner gestattet sein: aber eine Organisation katholischer Männer soll sich nicht mehr in einem Zirkular an den Klerus wende» dürfen! Wie lies ist doch der Liberalismus gefallen! Faß sämtliche Flnschcnsnhrii,urten Deiitschlniids mit einer Jabrcsvrodnltion von mebr als 500 Vl'illionen Flaschen, vereinbarlen in einer Versaminlnng im Savoy- Hotel einen Verband, der die Regelung der Prodnttioii und der Preise bezweckt. Ten wenigen ausstebendeii, etwa 5, Prozent der deutschen Gcsaintprodiiltion darstellenden Fabriken iß der Eintritt in den 'Verband bis 15. Dezember vssengel,alten. Der 'Verband beschloß eine maßvolle Preis politik. Der „National Zritnng" Ende. Da?- alte Knltnr- kampssbla<t sucht sich das Sterben zu erleichtern-, es führt seine» Lesern vor. was all die Gegner über sein Eingehen geschrieben haben: darunter findet sich auch »usere Bemer kung wieder. Die „N ftional-Zeitnng" scheint diese für so zutreffend zu halten, daß sie nur beifügt: .Der Hatz der Ultramontanen kann und nur ehren." Darin täuscht sich das Blatt, wenn es bei uns .Haß^ vermutet; der liegt uns gänzlich fern, zumal es auch ein recht unchristliches Verhalten sein würde. Wir können doch das Abscheiden der „Nat.-Ztg." nicht bedauern nach ihren Leistungen in den letzten 35 Jahren. Was sich sonst die .Nat. Zeitung" von nahezu der gesamten Presse ins Stammbuch schreiben lassen muß, ist wenig rühmlich. Das Blatt der Berliner Großbanken hat eben gerade in den letzten Jahren sehr an Ansehen verloren! Eine neue nativnalliberale Zeitung soll nach der ..Schlesischen Volkszeitnng" vom 15. Dezember ab in Bres lau unter dem Titel „Ostdeutsche Allgemeine Zeitung" in der Größe der „Kölnischen Zeitung" erscheinen — vielleicht als Ersatz für die demnächst eingehende „Berliner National- zeitnng" ? — Von der akademischen Freiheit. Die Beschlüsse einer Stiidierendenversainmlnng der Technischen Hochschule zn Berlin am 22. November sind derartig toll, daß sie wörtliche Wiedergabe verdienen: I Tie zurzeit an anderen Hochschulen Teulschlands enl- ßandene Bewegung gegen die konfessionellen Studenten- torporaliüiieii hat die Studentenschaft der König!. Technischen Hochschule zu Berlin veranlaßt, zn dieser Frage Stellung zu nehmen. Ter Grundgedanke alles akademischen Wesens ist die akademische Freiheit. Nach Auffassung der Studenten schaft soll die akademische Freiheit jedem Studenten Gelegenheit geben, ans alle» Gebiete» des Genleswesens unbeeinflußt sich aus zubilde». Diese Möglichkeit iß den Mitgliedern der katholischen Sludeinenkorporaiionen genommen. Tenn diese hindern die freie wissenschaftliche Forschung, indem ne die Wissenschaft »nd Reli- gionsvhilosophie auf den Standpunkt des kirchlichen TogmaS zn Nelle» suche» und ihre Mitglieder z» einer einseitigen Auffassung von Neligion und Wissenschaft erziehe». Während uns die atade- »nsche Freiheit das Recht verleihr. uns eine freie Meinung zu Pftecn auf dein Gebiere der Politik, so widersprechen die katho lochen Sliidenlenkorvoralioiieii dem Grundgedanken des studentischen Wesens, denn sie stehen im Zusammenhang mit einer polnischen Parlei inid verpflichten ihre Mitglieder aus den Slaiidpuiikr der selben. Indem ne nur Angehörige einer Konfession alisnehiilen, verschärfe» sie die Gegensätze und rufen in diesem Sinne eine Spaltung in der Studentenschaft hervor. Tiefe Tatsache hat die Tllldeiireinchaft der Königs Technischen Hochschule einmütig zu der Erkenntnis gebracht, daß dreien Korvoralionen die Erinenz- berechligung abgesp rochen werden muß. da ihre Erisicuz eine G efah r s ü r d a s cr k a d e in i s ch e Lebe n und die geistige Kultur bildet: 2. eine Eingabe an Rektor und Senat zn machen, die beiden bestehenden katholischen Korvorarionen Bur ginidia und Borinso-Saronia ausznheben und in ZiNnnst die Gründung jeder konfessionellen Korporation nicht zu ge stalten: ?>. au den Verband der Technische:! Hochschule den Ana trag zn richten, einen Verbandstcig zu berufen, der üch mit de- Frage beschäftige» und au: die anderen Hochschulen einwirkeir soll, eine derartige Bewegung hervorzuruseii „Freiheit, die i ch meine," ober Unterdrückung der Andersdenkenden, Privilegierung des verfolgiingssüchtigen „Freisinns" — das ist des Pudels Kern. — Ein eigenartiges Zirkular aus Haildwcrkcrtrciscn inackt die Runde durch die Presse. Ter Vorstand des Jnnnngsverbandes für den Regierimgsbezirt Oppeln hatte an die Vorstände der einzelnen Innungen ein Zirkular er gehen laßen, durch welches er sie znm festen Znsammen- schlnß gegen die Einrichtung der Handwerkskammern ans- iordert. Ein solches Vorgehen iß um io befremdlicher, als es die Handwerker selbst gewesen sind, die seit 1873 im Reichstage um die Errichtung von Handwerkskammern petitionierten. Nun gelang cs dem jahrelangen Triftigen des Zentrums, im Jabrc 1^07 endlich solche zn erreichen. lOOO wurden sie errichtet und setzt will der Jnnnngsverband zn 'Tvveln schon konstatieren, daß sie nichts wert seien, das ist inindeßens ein sehr voreiliges Urteil. In den betreffen den Kreisen bat inan auch die Unttiigbeit dieses Schrittes bereits teilweise eingesebcn. Tiefes Zirkular des oberichle- sjschen Jnnnngsverbandes wird setzt, wie der „Schlcs. Volks- zeftg." mitgeteilt wird, von einigen Vorstandsmitgliedern desavouiert. Tie Vorstandsmitglieder des Jnnungsvcr- bandes. ausschließlich des Vorsitzenden Job», erklären näm lich, daß die Adscndnng des Schriftstücks erfolgt sei, olme daß üe von dem Inhalte Kenntnis gehabt hätten. Plan bat cs also nur mit dein persönlichen Schritt des Vorsitzen den zn tun! Aber schlimm genug bleibt die Sache doch. Tie Gegner des Handwerks werden das Zirkular in den Parlamenten ansnütze» und die Freunde des Handwerkes werden sich fragen: Was soll inan denn für das Hand werk tun? Ersnllen wir seine Wünsche, so sagt inan, ebe noch die JnNilntion sich cingelebt hat, sie sei nichts wert. Wir halten es deshalb für angezeigt, daß die anders deu tenden Handwerker gegen solche iintlngen Schritte entschie den protestieren! — Erwerb und Verlink deutscher Ttnatsaiigehörigtcit. Unter den im Auslände lebenden Dent-chcn werden überall Unterschriften gesammelt für eine Massenbittschrift an den Reichskanzler und den Reichstag, betreffend eine Abände rung des Gesetzes über Erwerb und Verlust der Neichsan- gebörigteft. Jedem im Auslände lebenden Deutschen soll die Sicherheit gegeben werden, daß er seine Eigenschaft und Rechte als Reichsangeböriger niemals gegen seinen Willen verlieren tan». Tie Wiedererwerbnng der verlorenen Reichsangebörigteit soll erleichtert, die Gebühren für die' Konftilatsciiftragnngen sollen abgeickiasst oder dock' vermin dert und das Fremdwort „Matrikel" durch „KonsnlatSlißc der deutschen Reichsangebörigen" ersetzt werden. Tie Bitt schrift. die bereits viele taiftend Unterschriften trägt, bat in erster Linie die ganze Anzabl derjenigen Deutschen im Auge, die ans Unkenntnis oder Fahrlässigkeit die Eintragnng in die „Matrikel" verabsäume». Im österreichischen Abgeordnetenhaus wurde auch am 2l. d. M. die Ertlärnngsdebatte fortge'etzt. Tr. Katbrein bat unermüdlich die Verbandlniigen zwischen Regierung und Parteien sortgespoiinen und als Mittelweg beiden Teilen vorgeschlagen. die italienische Fakultät mit Ausgang dieses Semesters zn schließen und dann in eine andere Stadt zn verlegen. Die Regierung will diesen Vorschlag erwägen, aber die deutschen Parteien beharren indessen noch ans der sofortigen Schließung. Ein Erfolg der Intervention Doktor Katbreins ist nicht ausgeschlossen. In einer Ansprache ari den Präsidenten erhob sodann Abgeordneter Graf Palsg »aiiiens des feudalen Großgrundbesitzes, de? Pokenklnbs, des Zeiitrnms und der slavischen Parteien feierlich Einspruch gegen den Mißbrauch der Redefreiheit, mit dein die Dynastie empörender Weise in die Debatte gezogen würde. Abge ordneter Freiherr v. Ludwigstorff richtete unter unaufhör lichem Lärm und Unterbrechungen seitens der Sozialisten und Alldeutschen eine gleiche Anfrage an den Präsidenten und verurteilte in schärfster Weise die die heiligsten Gefühle verletzenden, unerhörten Angriffe auf das Kaiserhaus. Der Präsident erklärt in Erwiderung beider Anfragen, niemand bedauere tiefer als er die in den letzten Tagen im Hause gefallenen Aeußerungen. Leider hätte er infolge der akustischen Verhältnisse des Hauses nicht sofort die geschästs- ordnungsgemäße Zensur ausüben können, weshalb er sich darauf beschränken müsse, nachträglich seine schärfste Miß billigung znm Ansdruck zn bringen. Tie Rede des Präsi denten wird mit allgemeinem und lebhaftem, die Protestrufe der Sozialdemokraten und Alldeutschen übertönendem Bei- fall ausgenommen. Arankreicki — Eine Prophezeiung Gambettas. „Warum wollen Sie die Trennung nicht?" wurde Gambetta eines Tages von dem abgefallenen Priester Hyacinthe Loyson gefragt. „Das wäre das Ende der Welt," antwortete Gambetia. „Ter .Klerus würde alle Mächte der Reaktion um sich sammeln und wäre stärker als wir." Es wird sich jetzt, da Eoinbes wagt, was Gambetta sich nicht traute, zeigen müssen, ob Gambetta richtig prophezeit hat. Rußland. — Die loustitntionklle Idee hat in Rußland einen scheinbaren Erfolg zu verzeichnen. Seitdem an die Stelle des ermordeten Ministers des Innern P l e h w e der Fürst Swiatopolk-Mirskij getreten ist. machen sich Anzeichen gellend, welche eine freiheitlichere Negierung verkündigen. Ein russischer Gewährsmarin meldet, daß diese Richtung des Ministers nicht ohne Widerspruch hingenommen wird. So soll vor etwa -1 Wochen der alte Generalproknrator des heiligen Shnods, Pobedonoszew. beim Zaren dahin vorstellig geworden sein, daß. wenn man Swiatopolk- Mirskij forlfahrcn lasse, wie bisher, das den Untergang des russischen Reiches und der Kirche zur Folge haben müsse. Der Kaiser sei sehr beßnrzl gewesen; er soll Swiatopolk Mirskij zn sich beschieden und mit ihm von den Gefahren seines Synems gesprochen haben, was zur konstitutionellen Beschränkung des Selvsrherrscbernims führen könnte. Da soll aber Swiatopolk Mirskij sich ganz tap'er gehalten und die Notwendigkeit solcher Beschrän kungen dargelegt haben, wenn man es nicht zu einer Re volution kommen lassen wolle. Ter Kaiser habe sich schließlich schriftliche Darlegung ausgebeten. Danach habe der Minister l t Tage an einer Denkschrift gearbeitet und sich inzwischen unsichtbar gemacht. Tie Denkschrift sei jetzt dem Zaren übergeben worden, eine Entscheidung bisher aber nicht erfolgt. „Ich fürchte," so schloß der Gewährs mann, „die Pobedonoszewsche Richtung trägt den Lieg davon." Inzwischen iß es von Bedeutung, daß von einer Art Snftideverlrelmig, dein Semßwos, ein politisches Pro gramm beraten und dem Zaren iinierbreitet werden darf. Dieser Scmnwos besteht ans den Kleis- und Gonveine- iirentsvc'riretnngei,. die gewählt werde». De: liberal ge sinnte russische Adel hat die Führung. Bis jetzt war es dieser politischen Körperschaft verboten, sich mit etwas anderem als mit ökonomischen Fragen ihres Bezirkes zn beschäftigen. Auch durften die einzelnen Semßwos nicht miteinander in Verbindung treten. Der neue Minister hat einen inoffiziellen Semßwo-Kongreß in Petersburg geduldet. Hierbei wurden nach einem Privattelegre.mm des Berliner Lokal Anzeiger folgende neue Grundsätze für eine Verfasßmgsänderimg angenommen: 1. J-as unnormale oeslchende Regime, die getrennten AnsütNcn von Gesellschaft und Negierung lassen kein vertrauen zwischen beiden einßehen. 2. Tie Mschließung der Gesellschaft von der Tcü'nalsme an den inneren Angelegenheiten der Slaalsvertraliung und die Be vormundung des allgemeinen Levens sind zu verwerfen. N. Das biircaukraiische Regime, welches die oberste Gewalt vom Volke trennt, schasst den Boden für administrative Williür. 4. Eine regelrechte Eni Wickelung de-:- Siaawc- und Gcsamt- lcbens ist nur möglich, wenn die Gesellschaft an der Verwaltung pariizipiercn dein. '>. Zur Beseitigung der Möglichkeit adiiinnslraiiver Willkür ist unbedingt erforderl-ch die Fenstcllung und Eünübrung von Lebens rinzipien. welche die IliiaiNaübarlcil der Persönlichkeit wie des Privatlebens sichern. Niemand soll befugl sein, ohne die Ge nehmigung der unabhängigen GerichisgcwaN jemand zur Veranl- wortuiig zu ziehen oder eine Beschräntui-g seiner Rechte vorzrmehmen. Dazu in unumgänglich nörig die Feststellung eines gesetzlichen Weges, der zur zivilen mid kriminellen Veraniwcriiiiig jener Periönliel,teilen führt, drc das Geien übertreten. N»r aus diese Weile ist ge seht iw es Hände!» seirens- der Verwaliungsbehördeu zu sichern. N. Zur vollen Entwickelung der Geißesträsre des Volkes, zur allieiliaeii Behelmng seiner Nor und znm ansiaiidslosen Ausdruck der allgemeinen Äeiuung ist unbedingt das freie Wort, Preßfreiheit, Vcrsgmmlungs- und Verbindniigsrechi nörig. 7. Tie pcriönüchen, bürgerlichen wie politischen Rechte aller Bürger müssen gleich sein. Tic Selbsitärigkeit der Gesellschaft iß Hauptbedingung einer regelmäßigen, erlvlgreichen Eulwickeiimg des polnischen wie ökonomischen Leb nS des Tiaaies. Ta die Me bezahl der Be wohner dem Bauernstände angchört. muß dieser io gestellt werden, daß die Selbüräligkcit und Energie enrwickclt werde. Dos ist aber nur möglich durch eine ftmdamenlale Acndcruug der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit. !v Zur Sicherstellung einer regelrechten Entwickelung des Staats- wie GeieÜschaftslehenS ist unbedingt eine aktive Anteil nahme von Volksvertrciern bei der Gesetzgebung notwendig, ebenso für die Bestätigung des Reichsbudgets. Ferner iß eine Kontrolle der aussührendeir Organe der Regierung notwendig. Ju dreiein Programm liegt der Ausbau eines kon stitutionellen Regierinigsmßems. Der Wille des Zaren aber wird entscheiden, ob Rußland mit dem Absolutismus bricht. — Zu den Krawallen in Warschau wird der Katto- witzer Zeitung" noch gemeldet: Unter den Opfern befindet sich auch der bochbctagte Arzt Dr. Frankcnßein, der von einer Kugel getroffen wurde, als cr sein Hans betreten wollte: dann der Ebirnrg Tr. Fraenkcl, dessen Schädcldcckc zertrümmert wurde, sowie die Baronin Hirsch, die in einem Wagen vorübersnbr. Für den kommenden Sonntag wird ein neuer .Krawall angekündigt: die Arbeiter sollen sich im Besitz von 0000 Revolvern befinden. Tic Polizei nimmt fortwäbrcnd Verhaftungen vor. muß aber, da alle Gefäng nisse überfüllt sind, die Häftlinge wieder freilasscn. Die Be wegung wird von unbekannten Anstiftern geschürt. Man vermutet, daß russische Spitzel die Bevölkerung aufreizeu, um diese zu unüberlegten Schritten fortznreißcn. Die pol-
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