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gräflich Lippe-Biesterfelder Linie zur Thronfolge im Für stentum Lippe berufen sind. Tie Entscheidung des Schieds gerichts soll unanfechtbar und für beide Teile auf immer bindend sein, so daß damit eine etwaige spätere Wiederauf nahme bestrittener Rechtsansprüche unbedingt ausgeschlossen wird. Nachdem die Vollziehung des Schiedsvertages unter Gegenzeichnung der Landesminister von dem Fürsten Georg und dem Grafen Leopold erfolgt und der Antrag der beiden Landesregierungen beim Bundesrate eingegangen ist, wird der Reichskanzler die Entschließung des Bundcsrates herbei- sühren und. sosern der Bundesrat zustimmt, unverweilt das Reichsgericht mit der Eröfsnung des schiedsgerichtlichen Ver fahrens beauftragen. Ter konservativr Führer Freiherr von Zedlitz ist nicht zufrieden mit unserer sehr scharfen Absage, die wir wegen des Kuhhandels in der Frage der Anwesenheitsgel der an ihn richteten. In ein Tementi der „Germania" glaubt er Hineinlesen zu dürfen, daß er doch recht habe. Tie „Germania" spreche nur von dem „verfassungsmäßigen Reichstagswahlrecht". „Einführung einer ständigen Wahl liste und das Erfordernis eines längeren Aufenthaltes am Orte der Liste für die Eintragung berühre eben daS reichs- verfassnngsmäßige Wahlrecht nicht, sie können dnrchgefülirt werden ohne die geringste Aenderung der Bestimmungen der Reichsvenassung über das Wahlrecht." Das ist ja rich tig. weil diese beiden Punkte im Wahlgesetz des deutschen Reiches geregelt sind-, aber sie sind die notwendige Konse- cmenz des bestehenden Reichstagswahlrechts. Auch würde die Erfordernis eines längeren Aufenthaltes die Ver fassung vertragen: diese gibt jedem männlichen Reichsangehörigen über 25 Jahre das Wahlrecht und sie stellt genau diejenigen Personen fest, die es nicht ausüben dürfen. Es ist daher eine Aushebung der Verfassung, wenn udrch das Wahlgesetz irgendwelche andere Personen des Wahlrechts beraubt würden. Freiherr von Zedlitz, der für seine Darstellung keine Duelle gibt, treibt eben hier wieder seine bekannte Politik, die in andere Parteien „hinein- regieren" will. Beim Zentrum wird es ihm nie gelingen. Wir können heute wiederum ans das bestimmteste erklären, daß die Zentrnmsfraktion deS Reichstages in keiner Weise in dieser Richtnng beraten hat. daß auch niemand in ihr ge sonnen ist, die Anwesenheitsgelder durch solche .Konzession zu erkaufen. Lieber keine Diäten, als mit dieser Bescherung! Ist nun Freiherr von Zedlitz befriedigt? Wiewohl auch ..onliiickruinoiil.'.no" Blätter die berühmte „Ansprache" des Kaisers an den Bischof von Metz wreils preis gegeben und sie als Erfiuinmg oder Satire bezeichnet haben, welche sich die „Deutsche Wacht" einem leichtgläubigen Publikum gegenüber erlaubt hatte, mag der wahrheitsliebende „NeichSbote" auf die kostbare Mäuscheugeschichte noch immer nicht verzichten. Jehl möchte er von der „ultramon- tauen Presse" den Wortlaut der Ansprache hören, falls der initgelellte nicht richtig sein sollte. Wenn diese ihn nämlich nicht a igeben kann, so würde er behaupte», sein Tert sei im Grunde doch richtig gewesen. Aber woher sollen wir den Wortlaut nehmen? Der „Reichtzbote" meint. Bischof Benzler müsse doch wissen, was der Kaiser zu ihm gesagt habe. Gewiß: der Bischof hat aber auch bereits erklären lassen, von der dem Kaiser unterschobenen Ansprache sei k e in Wort gesagt worden. Das genügt doch wohl. Den Wortlaut mitznteilen. wird niemand imstande sein. Glaubt der ..Reichsbote" vielleicht, der 'Bischof habe die Unterredung gleich stenographisch ausgenommen, wie ein Interviewer des „Berliner Lokal-Anzeiger"? — Die Kontrgktbrttchsgcsctzvorlage in in der Koni- Mission mit Stimmengleichheit abgelehnt worden: wir wünschen nur. daß das Plenum denselben Weg beß'breitet. Nachdem Staatssekretär Niebecding selb» im Reichstage zngestanden hat. daß die Vorlage sehr viele Bedenken er rege. iü diese Lösung die einfachste. Zuvor war in der Kommission noch der Antrag gestellt worden, daß die ge samte Frage des Kontrakt braches auf reichsgesehlichem Wege geregelt werde. Aber d is ist schon ldt?:', versucht worden und führte nicht zum Ziele. D iS Gesep hätte der Land wirtschaft nicht nur nichts aenüttt. s^ndorn nur g-'sch'ds-t. sunden AltmannS bedauerte, begann Marchion: „Na. nur nicht verzweifeln, Kollege, zum Tode gebt eS nicht gleich. Tn hast ja Geld genug zu einer Kur: natürlich mußt du Urlaub zu einer .Kur nehmen." „Und die Gage und die Stellung verlieren," stammelte zitternd der „eingebildete .Kranke". - „Nimmermehr! Herr Doktor helfen Sie." Dieser sagte zu: der Woltenwirt mußte den Kronlenchter anzünden und nun wurde 'Altmann ans den Tisch gelegt, all- wo ihn der Tierarzt bedenklich untersuchte und alsdann ein Rezept ansschrieb, das sofort zur Apotheke geschickt wurde. 5 Tage lang schluckte würgend der gesunde Kranke die bittere Mirtiir, die den armen Einnehmenden sehr, sehr oft nach einem Site ries, den im Leben selbst Kaiser und Könige per sönlich besuchen müssen. Am sechsten Tage war die Tafelrunde in der „Wolke" wieder vollzählig versammelt und mit lautem FreundeSgrnß wurde der „Rekonvaleszent" Altmann begrüßt. Der Arme sah ans, wie eine durch eine Weinflasche gezogene Melone, aber alle versicherte», er sähe vortrefflich aus, worauf Alt- mann gestand: „Dieser Doktor Weber ist wirtlich ein aus gezeichneter Arzt. Ich säble mich wie neugeboren." Eine kräftige Bowle verscheuchte die Dualen AltmannS »nd stärkte die SiegeSsreude der „Wolkenschieber". Plötzlich kam ein Bote an Altmann, der vom Tierarzt die Rechnung über brachte für seine „ärztlichen Bemühungen". Altmann kannte feinen solchen, worauf Marchion bat, Altmann solle ihm doch daS Rezept zeigen, daß der Dr. Weber ihm ver schrieben habe, da stehe ja Name und Adresse des Doktors daraus. Altmann cntgegnete, daS habe der Apotheker, der anwesend sei. Dieser schickte nach Haus und ließ daS Rezept des Tierarztes holen. In der Angst vor Krankheit bei dem plötzliche» Ausdreben der Lampen nach der Untersuchung des Tierarztes damals in der „Wolke", batte Altmann über leben. daß Marchion damals das Wort „Bezirkstierarzt" mit dem Finger bedeckte. Altmann zahlte lachend mit den Worten: „Dieser Viehdoktor bat mir mehr genützt, als ein Medizinal rat: er bat mich innerlich gereinigt und äußerlich von meiner Wut aus Doktoren kuriert. ES lebe die Wissen schaft, die Mensch und Tier von Vornrlcilen befrei!." indem eS neue Unzufriedenheit in die Reihen der Land- arbeiter getragen hätte. Die Sozialdemokratie hätte so einen billigen und bequemen AgitationSstoff erhallen, und das ist nicht nötig. — Der „Evangelische vnnd" ist fast jedem gläubigen Protestanten ein Stein des Anstoßes geworden. Es liegt das in dein Umstande, daß der Evangelische Bund weiter nichts iit, als eine „Organisation des kirchlichen und Poli tischen Liberalismus", wie das „Deutsche Adelsblatt" an läßlich seiner jüngsten Generalversammlung in Dresden schrieb; sehr richtig wurde das in die Worte gekleidet: «Toleranz gegen alles, was irgendwie dem Liberalismus nahe steht, sonst aber scharfes und rücksichtsloses Vorgehen, zumal gegen alle die. denen die Pflege der einigenden Momente in den verschiedenen Bekennt- nissen am Herzen liegt." In Nc. 525 der „Kreuz zeitung" richtet nun der Generalleutnant v. Hertzberg einen scharfen Angriff gegen den Evangelischen Bund, worin es heißt: Wir glauben, daß durch die Worte und Taten des Evange lischen Bundes dem mächtigen, streng disziplinierten Katholizismus auch nicht ein Haar gekrümmt, wohl aber dem allein rechten Evan gelischen Bunde, nämlich unserer teueren evangelischen Kirche, die schon durch andere Abzweigungen und peripherische Bestrebungen, vor allem durch die falschen Propheten und den modernen Un glauben genug zu leiden hat. wesentlicher Schaden zugefügt wird. Für ganz unrichtig und gefährlich halten wir es, wenn in unseren Kirchen die Feier des Reformationssestes mit einer evangelischen Bundesfeier verquickt wird, und wenn am Schlüsse des Gottes dienstes Flugblätter, die zum Beitritte zum Evangelischen Bunde auffordern, verteilt werden. Will der Evangelische Bund etwas Anderes, als das uns durch die Reformation Geschenlte, so ist dieses Andere falsch und gehört dann nicht in die evangelische Kirche. Identifizieren sich aber sein Glaubensstand und seine Zwecke mit dem Inhalte der Reformation, so ist ein besonderes Hervortrelen des Evangelischen Bundes bei der kirchlichen Feier des Reformationsfestes mindestens überflüssig. Ganz abgesehen von dem Bekenntniöslande des Evangelischen Bundes ist für seine Agitation schon deshalb kein Platz in der evangelischen Kirche, weil Politik von dieser ferngehalien werden muß. der Evangelische Bund sich aber als eine polnische Partei gekennzeichnet hat . . . Mit „2oS von Nom!" und mit Hervorhebung seiner Ungerechtigkeit gegen uns ist nichts getan: unsere allein wirk same Waffe gegen Nom ist unser evangelisches Bekenntnis, von dem wir nicht lassen wollen bis in alle Ewigkeit. Worin besteht ober das evangelische Bekenntnis? Wo ist der gemeinschaftliche Boden, auf dem sich die gläubige und liberale Richtung der protestantischen Kirche treffen? Dem einen ist Christus der Mittelpunkt, die anderen tadeln, daß er den ersteren Mittelpunkt ist. Die letzteren können, wie der „NeichSbote" sagt, nicht mehr auf den Namen eines evangelischen Christen Anspruch erheben. Die streng gläubige Richtung muß also zunächst gegen die eigenen Genossen ihr evangelisches Bekenntnis verteidigen, wie kann dieses dann ei,e gemeinschaftliche Waffe gegen Rom sein? — Die wiirttcmbrrgischc Zentrnmsfraktion ist in dem neue-öffneten Landtage bereits kräftig an die Arbeit ge gangen: sie hat schon vier Initiativanträge eingebracht. Zunächst fordert sie Ausdehnung der Unfallversicherung auf Gemeindebeamte und Gemeindebedienstcte, ferner die Auf hebung der Arreststrafen für die Untcrbeamten und endlich für die mittleren und unteren Postbeamten die Dauer der Dienstzeit in der Werse herabznsetzen. daß sie in der Woche die Gesamtdaner von 50 Stunden tunlichst nicht über steigt. Ueberall zeigt es sich, wie das Zentrum der sozialen Reform eine Gasse bereitet. Paul Graf von Hornsbrocch hat den ersten Band seines „Werkes" über „Das Popsttmn" in einer Volks ausgabe znm Preise von 1 Mk. bei Breitkopf n. Härtel erscheinen lassen. Graf Hoensbrocch ist also an der Arbeit, das zu tun. was man fälschlich dem Herausgeber des Werkes über Luther. Pater Denifle, zum Vorwurf gewacht hat: eine Brandschrift unter das Volk zu schlendern. In einem hombastischen Prospekt, den man der angesehenen Firma Breikopf n. Härtel nicht zugelrant hätte, wird sein Werk „als der schwerste Schlag, der seit Luther gegen das Papsttum geführt worden ist," bezeichnet. Demgegenüber sei doch hingewiesen, daß die Methode Hoonsbroechsin p r o t e st a n t i s ch e n Zeitschrift e n durch ab- solnt kompetente Beurteiler als durch aus unwissenschaftlich und tendentiös ge- brandmarkt ist. Man darf neugierig sein, was die pro testantische Presse zu dem neuesten Hoensbroechschen Pam phlet sagen wird. Sie hat sich über Berlichingens Vorträge so sehr entrüstet, daß sie nunmehr gegen Hoens- broech dieselben Töne finden sollte. Und gegen HoenS- broech ist Berlichinqen noch ein Waisenknabe! Fortschritt in der Durchführung der Sonntagsruhe. Zn Beginn der neuen Legislaturperiode bat die Zentrums- iraktion den Initiativantrag eingebracht, der mehr Ein heitlichkeit in der Dnrchsiihrung der Sonntagsruhe im Han- delSgewerbe wünscht und ferner ans eine Verringerung der Ansnalniietage liinzielt, aber er hat bereits sehr viele heil same Folgen gehabt. Durch das Einbringen dieses An trages haben nicht nur die Einzelregiernngen strenger auf die Durchführung der Sonntagsruhe gesehen, sondern es ist auch den Gemeinden das Gewissen geweckt worden. Wir könnten eine ganze An,zahl von Gemeinden aufzählen, (wie Frankfurt a. M. und Berlin), die seither die Sonntagsruhe neu regelten und allesamt die Arbeitszeit an diesen Tagen verkürzten, auch die Ausnahmetage verringerten. Prinzipal und Angestellte sind darüber gleich froh, da sie auch die Sonntagsruhe gern nehmen, sie wollten nur gleichmäßige Regelung. Niemand kommt heute mehr mit dem Einwand, daß das Publikum gesclzädigt werde. Eben kzaben wir auch in der Rcichsbaiiptstadt ein Vorkommnis, das deutlich zeigt, was es hiermit auf sich hat. Seit Jahr und Tag herrschte hier der Unfug, daß Conntagsschlächtereien in großem Um fange vor sich gingen: die Flcischcrmeister erklärten diese für absolut nötig. Die Gehilfenorganisationen haben seit ungefähr vier Sonntagen erreicht, daß das aufhört, und kein Mensch klagte, niemand ist deshalb in der Zwei- Millionenstadt verhungert. Am vorletzten Sonntag wur den, wie die „Allg. Fleischerztg." meldet, im ganzen nur noch 14 Schweine geschlachtet, während am entsprechenden Sonntage des Vorjahres 1103 Schweine, 360 Rinder, 200 Kälber und 518 Schafe geschlachtet worden sind. Auch die Aufhebung des Fleischgroßmarktcs an Sonn- und Festtagen ist in kurzem zu erwarten; es bedarf nur noch einer Ab änderung der bezüglichen Polizeiverordnung. So zeigt es sich, wie die strengste Durchführung der Sonntagsruhe keine Nachteile bringt, wohl aber Vorteile, zumal sie auch die Vorbedingung für die Sonntagsheiligung ist. Die heilige Schrift vergleicht die Sonntagsarbeit sehr zutreffend mit einem Sammeln in einem Sack ohne Boden und der Fluch der Sonntagsarbeit zeigt sich auch in Frankreich erschreckend deutlich. — Der Beirat für Arbeiterstatistik hielt am Montag eine Sitzung ab. der der freikonservative Abgeordnete Bauer meister. der seit 6 Jahren dein Beirat angehört, erfttnals anwohnte! Die Frage der Regelung der Arbeitszeit ini Transportgewerbc wurde dem Ausschuß überwiesen, der die weiteren Erhebungen über die Arbeitszeit im Fuhrwerks- betriebe vorzubereiten hat. In einer Eingabe verlangt der Zentralverein zur Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt, daß die Erhebungen über die Arbeitszeit der Binnenschiffer durch Tagebücher und nicht durch Fragebogen gemacht würden. Die weiteren Erhebungen über die Arbeitszeit der Fleischer sollen durch Umfrage bei den Organisationen fort gesetzt werden. Bei diesen Erhebungen sollen die Organi- sationen auch angeben, welche Beschränkung der Arbeits zeit und welche Vorschriften der Mindestruhezeit sie für er- wünscht und durchführbar halten. Der Beirat hatte sich so dann erstmals mit der Arbeitszeit der in Plättanstalten be schäftigten Personen zu befassen: daß hier überlange Ar beitszeit herrschte, sieht man nirgends besser als in Berlin. Tie Frauen und Mädchen sind hier oft bis nachts 11 Uhr und von früh 6 Uhr ab schon wieder beschäftigt und dies in der ungesunden Luft der Plättstuben. Vorläufig wurde ein Ausschuß gewählt, der einen Plan entwerfen soll, wie die Erhebungen einznleiten sind. Zu den Ausschußsitzungen werden Auskunftspersonen aus den Kreisen der Unter nehmer und der Arbeiter hinzugezogen werden. Neue Er hebungen sollen veranstaltet werden über das Lohnbuch in der.Kleider- und Wäschekonfektion: die Unternehmer klagen über die viele Schreibarbeit. Aber die großen Mißstände gerade dieses Gewerbes machen eine genaue Kontrolle nötig. — Aus dem katholischen Leben der Reichshauptstadt. Jede Woche findet derzeit mindestens eine Versanunlung des Volksvereins für das katholische Deutschland in Berlin statt und sie erfreuen sich alle höchst zahlreichen Besuches. Am Montag abend tvaren über 1000 Personen ans dem Norden Berlins in den Germaniasälen versammelt. Kaplan Licbtenberg behandelte die Schulfrage und legte dar, wie absolut notwendig die Konfessionsschule sei, da es eine Moral ohne Religion und Konfession nicht gebe. Sehr packend tvaren seine Schlußworte über die Elternpflichten in der Kindererziehung. So gibt der Schulkampf derzeit ganz er wünschte Gelegenheit, um den Katholiken Berlins die ka tholischen Prinzipien in der Erziehungsfrage vorzuführen. Neichstagsabgeordneter Erzbcrger gab ein Bild der inneren politischen Lage und wies besonders hin, wie nur größte Sparsamkeit Deutschland vor neuen Steuern schütze. Seine Ausführungen über den Toleranzantrag fanden sehr begeisterte Aufnahme: znm Schlüsse behandelte er die sozial politischen Aufgaben des Reichstages in diesem Winter. Der Volksverein hat »nieder eine große Anzahl neuer Mitglieder gewonnen. Oesterreich-Ungarn. — I» der gestrigen Sitzung des Landtags ergriff Landmarscholl Schmolk vor Eintritt in die Tagesordnung das Wort und sprach den unschuldigen Opfern der tief be dauerlichen Vorgänge in Innsbruck die wänuste Sympathie ans; er sei überzeugt, daß sämtliche Mitglieder des Hauses alle Bestrebungen niitersliitzen werden, um den deuti'ckieii Eharaklec Innsbrucks für immer zu sichern. In dieser Beziehung seien sie mit sämtlichen Volksgenossen einig. iLebhafler Beifall.) — Der Rektor der Universität Wien hat eine Kund- gebnng an die Studenten gerichtet, in der er und die Dekane ihr tiefstes Bedauern über die Teilnahme von Wiener Studenten italienischer Nationalität an den Vor gängen in Innsbruck aiiS'prechen. — Gestern abend fand in Wie» wegen der Vorfälle in Innsbruck eine Protcstvrrsammlnng der Alldeutschen statt. Nach rubigem Verlaus der Versammlung versuchte ein großer Teil der Teilnehmer vor das Ministerium des Innern zu ziehen. Die meiste» ivnrden von der Polizei zurückgehalten, nur ein kleiner Teil der M^nge gelangte vor das Ministerin,n und veranstaltete Kundgebungen gegen den Ministerpräsidenten, wurde aber auch bald von der Polizei ansemandergetrieben. Tie Deutsche Volkspartei beginnt in der italienischen Universitätsfrage bereits zu retirieren. Während in den letzten Tagen der Regierung Tod und Verderben seitens der Deutschen Volkspartei angeknndigt wurde und Abgeordneter Dr. Erler sogar die Zeit für gekommen erachtete, sich An- standslebrcn im Ministerpräsidium erteilen zu lassen, schreibt beute das Wiener Organ der Deutschen Volkspartei, eigent lich sei an den Innsbrucker Ereignissen jene Clique schuldig, die bei uns unter der Aegide des Klerikalismus kämpfe. Die Deutschnationalen dürften sich nun nicht von ihrer politischen Richtlinie abdrängen lassen und sich „in unfruchtbarer Oppo- sition" betätigen, mit Schlagworten allein würden ja doch keine Erfolge errungen. „An dieser Erkenntnis habe Gott sei Tank die Anwesenheit der Abgeordneten Schalk und Stein in der .Hauptstadt Tirols nichts ändern können. Das Blut, das in Innsbruck geflossen, wäre schlecht gesühnt, wenn die Deutschen eine Haltung einnähmen, die sie mit jahre langer Ohnmacht bezahlen müßten." — Es wird also mit der Ministcrstürzerei der Deutschen Volkspartei nicht gefähr- sich werden. — In bürgerlichen Kreisen Innsbrucks hat die Demonstrationslust ruhigeren wirtscbaftlickzcren Erwägungen Platz gemacht. Man fühlt die Notwendigkeit, seinem Er- nvrbe nachzugehen, und die Peinlichkeit, sich schließlich doch mit sehr zweifelhaften Elementen — wie Stein und Berger, gegen welche die Strafanzeige erstattet wurde — eingelasicn zu habe«. So ist man weitaus geneigter, den Berufs- Politikern die Wetterführung der Sache anzuvertrauen, als man so knapp nach derart intensiven Demonstrationen an- nehmen würde. Man glaubt, daß die Fakultät verlegt werden wird und daß dies nur deshalb nicht gleich geschieht, weil die Autorität der Regierung nicht beeinträchtigt werden