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Sächsische Volkszeitung : 08.08.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192208089
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220808
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220808
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-08
- Tag 1922-08-08
-
Monat
1922-08
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.08.1922
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« Die im Gange befindliche Ausführung des in Baden- Baden geschlossenen Abkommens über die Wiedererstattung von Mobiliar, das von deutschen Eigentümern in Elsaß und Lothrin- gen znrnckgelassen worden ist, wird suspendiert. 5. Falls diese verschiedenen Maßnahmen zur prompten Re gelung der Frage nicht ausreichen sollten, werden sie durch wei tere progressive Bestimmungen ergänzt werden. Deutsches Reich Die Berha«dlunge« mit Bayer» Der Streit zwischen Reich und Bayern ist in das Stadium der Verhandlungen eingctreten. Die Reichsregierung, insbesondere der Reichspräsident haben eine Einladung an den bayrischen Ministerpräsidenten ergehen lassen, der sich bereit erklärt hat, in den nächsten Tagen nach Berlin zu kommen, um durch münd liche Aussprache eine Klärung herbeiznführen. Es ist traurig, daß die Scharfmacher sowohl in Bayern als auch im übrigen Deutschland auch hier wieder Zwietracht zu säen suchen und ver suchen, die Einladung des Reichspräsidenten als ans der Luft gegriffen darzustellen. Dieses Verfahren muß man im gegen wärtigen Augenblick, wo so schwere außenpolitische Fragen zur Behandlung und zur Klärung stehen, als ein Verbrechen -am Volke bezeichnen. Jene Kreise, die da noch weiter Zwietracht zn säen suchen, handeln ganz im Sinne unserer Erbfeinde, der Franzosen. Es klingt wie Hohn, daß die nationalistischen Kreise Deutschlands, die den maßlosen Haß gegen Frankreich predige», gerade das tu», was die Erbfeinde wünschen. Was die Verhand lungen mit Bayern selbst angeht, so muß man wohl betone», daß d ie ReichSrcgieruiig unter allen Umständen in der Sache fest bleiben muß,, und daß nur in der Form und in der Art und Weise Entgegenkommen gezeigt werden kann. Die Reichs- regicrung kan» und dar,' ja bei den Verhandlungen keine Rechte der Verfassung Preisgaben, da sie in diesem Falle nicht nur de» Eid verletze» würbe, den ihre Mitglieder ans die Verfassung geleistet haben, sondern auch in bedenklicher Weise die Reichs einheit gefährden, die durch da-Z tagelange Hinziehcn schon etwas an ihren« Ansehen in einzelnen Bundesstaaten gelitten zn haben scheint. Das muß auch Bayern trotz der Eigenart seiner Bevölkerung anerkennen. Wenn das bayrische Volk durch seine Zugehörigkeit zum geeinten Deutschen Reiche großen materiellen und Ideellen Ruhen hat, und das ist nicht abzulengne», dann muß es auch im Interesse der Reichseinhsit wenigstens soviel Opfer bringen, wie es die anderen Einzelstaaten tun müssen und gerne tun. Graf Lerchenfeld in Berlin Ter bayerische Ministerpräsident ist nun doch nach Berlin gereist, wenn auch die „Bayerische Staatszeitung" i» einem nach Unsprnng und Tendenz noch nicht ganz aufgeklärten Artikelchcn berichten zn müssen glaubte, daß der Ministerpräsident so lange nicht nach Berlin gehen werde, bis man ihtr besonders einlade. Fa, man sprach sogar von einer mitteldeutschen Stadt, in der die Besprechung staiifindcn sollte. Diese Nachrichten erschienen dem einigermaßen Ilnlerrichleten anch sehr unwahrscheinlich. Man kan» doch wirklich von der Rcichsregierung, die ihren Sitz in Berlin hat. nicht verlangen, daß sie sich irgend wo anders hin lcgibt, um zn Verhandlungen zn führen, in denen sie Neichsrccht und die Reich-Verfassung zn verteidigen hat. Zu solchen Aus einandersetzungen gibt cs nur zwei zuständige Orte. Der eine ist eben die Reichs-Hauptstadt, der andere ist der Sitz des Reichs gerichtes, ist Leipzig, wo im Streitfälle die Entscheidungen über die Auslegung der Verfassung zu treffen sind. Dem nach Berlin gereisten bayerische» Ministerpräsidenten wollen wir heute keine Vorwürfe darüber machen, daß er sich vielleicht zu sehr von den Interessen einiger Leute hinter dem bayerische» Kabinett leiten ließ, als er durch eine „Noibcrordnnng" Landesrecht vor daS Ncichsrecht setzen wollte. Wir sehen vielmehr in seiner Reise die Geneigtheit zu einer gütlichen Anseiiiniidcrsetznng, die sicherlich im Interesse beider Teile gelegen ist. Schon in kurzer Zeit muß sich zeigen, wie stark die von Bayern, vor allem von dem amt lichen Bayern gerühmte und verherrlichte Neichstreue ist, Kein Devisenhandelsverbot In Berliner Bank- und Böisenkreisen war daS Gerücht ver breitet. wonach auck bei uns nach dem Vorbild von Wien und Buda pest ein Devisenhandelsverbot bevorstehen soll. Wie uns auf Anfrage im NelchSiinannnii iklerium erklärt wird, schenkt die Regierung den unerfreulichen Vorgängen am Devisenmarkt selbstverständlich ernsteste Beachtung unk »ersticht, Maßnahmen »u erwägen, die die unliebsamen Zustände am Devisenmärkte beseitigen könnten. Zu diesen Erwägungen gebärt aber nicht die Maßnahme eine« Devisenhandclrvcrbotes, da man eine solche Maßnahme für unzweckmäßig erachtet. Ankauf von Gold für das Reich Ter Ankauf von Gold für da« Reich durch die Reichsbank und die Post erfolgt in der Woche vom 7. bis 13 August d. I. zum Preise von 2500 für ein Zmanzigmarkstück, 1250 für ein Zehnmark stück. Für die ausländischen Goldmünzen werden entsprechende Preise gezahlt. Dtt Ankauf von Reichssilbermüuzen durch di« Reichsbank und Post erfolgt vom 7. d. M. bis auf weitere» zum 60 fachen Betrage des Nennwerte«. Verhandlungen über da« Arbeitvzeitgesetz der Eisenbahn Nach der ablehnenden Haltung der Eiseirbahnerorgauisationen zu dem Arbeitrzeitgesetz der Eisenbahn werden sich jetzt auch die Spitzen- Organisationen mit der Frage beschält-gen. Ein gleiclckallr ablehnender Beschluß würde die Regelung der Frage auf dem G-sitzgebungSwege notwendig machen. Reichsdarlehen an die Beamte» zur Beschaffung von Heizmaterial Zwischen dem Reich und der Deutschen BeamIen-GeiioffenschaktS« bank ist ein Vertrag über Gewährung von Darlehen an verheiratete plan» und oußervlanmäßige Relchrbeamte uud Soldaten der Wehr macht zur Beschaffung von Heizmaterial abgeschlossen worden, durch de» sich da« Reich verpfl chtet, der Gcnosserischastsbairk Mittel bis zu 50 Millionen Mark zinrloS zur Weitergabe an ihre Genossenschaften und Vereine zur Verfügung zu stellen. Die Rückzahlung soll zu gleichen Teilen am Beginn des Vierteljahre«, bei auberpkanmäßroen Beamten am Beginn jede« Mongt» so erfolgen, daß sie im April 192» beendet ist. Der Umfang de« Nonnenschadens ln Sachse« Die Entwicklung der Ronntnplage hat auch in Sachsen stellen weise zu verhängnisvollen Schäden geführt. In den Waldungen der Stadt Ziltau lind Holzbestände in einem Umfange kahlgefressen worden, der zwischen 700—1000 Hektar geschäht wird. Im Staatswalde be tragen die kahlgefresscnen Flächen etwa 200 Hektar. Am schlimmsten ist das Hinterlrermsdorfer Revier betroffen worden- Im benachbarten Böhmen ist, so weit das Auge reicht, der Wald rot und tot. In Sachsen hat man das Auftreten der Wivselkrankheii unter den Nonnen- ranpcn zwar hier und da bemerkt, die Krankheit hat aber zn spät be gonnen. Der Raripcnsraß war nahezu beendet und der Schaden ge schehen- Hoffentlich irrtt die Kränkelt, denen die Raupen zum Opfer falle», im Jahre 1923 früher ans. Andernfalls ist mit einer verhäng nisvollen Ausbreiiung de« Schaden« zu rechnen. Die Staatsforst, verwaliung hat diese Möglichkeit auch bereits im Auge und bereitet die Anlage von Leimringe» im Jahre 1923 im große» vor. Hundstagstratsch Ans dem Umwege über, die Londoner „Daily Mail" ist eine von dem römischen Sensationsblatt „Epoca" in die Welt gesetzte Ente auch in deutsche Blätter übergegangerr. Auch die Erfurter „Freie Presse" bietet diese fette Ente seil. Sie schreibt am 1. August: „Der Kampf gegen das Zölibat. Es ist be kannt, daß wir Sozialdemokraien stets für die Abschaffung des Zölibats gewesen sind. Es ist auch bekannt, daß wir gerade von der katholischen Geistlichkeit in unserem Kampfe am we nigsten unterstützt wurden. In Italien scheint aber unser von reinstem Menschlichkeitscmpfinderr getragener Kampf für die katholischen Pfarrer bei diesem Anklang gefunden zu haben, denn eine große Anzahl italienischer Geistlicher hat sich an den Papst mit einer Denkschrift gewandt, in der sie inständig um Aufhebung des Zölibats bitten. Wie die „Epoca" zu melden weiß, ist die Eingabe auch von Kirdinälen und Bischöfen un- terzcichnek, die sich dem Ersuchen der Bittsteller anschließen. „Reinheit des Lebens", heißt es in der Denkschrift, „die höchste sittliche Forderung der Kirche, kann nur bei dem freien Aus- lebcn der Natur des Mannes als wertvolle moralische Errun genschaft gelten, nicht aber unter Beibehaltung des Zwanges und der Beugung unter das Joch eines Gesetzes, das gegen die Naiur ist." In der Denkschrift bezeichnen sich die Verfasser als Opfer im VcrzweiflurrgSkampf gegen ein grausames Mär tyrertum, das schlimmer als der Tod ist. Die Denkschrift schließt nrit der an den Papst gerichteten Bitte, sich ihrer Not zu erbarmen und sich ihrer Lage anzunehmen. — Wir begrü ßen das Vorgehen der italienischen Geistlichkeit und hoffen, daß ihr gutes Beispiel auch in Deutschland Schule machen wird." Es ist wahrhaftig nicht nötig, das offizielle Dementi des „Osservatore Romano", das die obige Meldurrg als «Hundstags tratsch" bezeichnet, abzuwarten. Ergötzlich ist es zu lesen, wie die Sozialdemokratie ihre Liebe auf einmal den sonst von ihr ge schmähten „Zentrirmskaplänen" zuwendet. Leider wollen diese von der angebotencn Befreiung aus einem „grausamen Mar tyrium" nichts wissen, sie sind eben reaktionär, und Hopsen und Malz ist an ihnen verloren! Ein treffliches Wort Der Berliner UniversitätSrrktor zum Nathcnau-Mord Die Berliner Universität beging am Donnerstag rrutta, das Gedächtnis ihres Stifters Friedrich Wilhelm Hk. mit eine besonderen Feier, die durch eine bedeutsame Rede des Rektor! Professor Walter Nernst ihr besonderes Gepräge erhielt. Nerns gilt als konservativer Mann. Nie wird, so betonte der Gelehrt, einleitend, in weiteren Kreisen des preußischen Volkes die Er innerung an Herrscher wie den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I., Friedrich U. und Kaiser Wilhelm l. erlöschen. Aber ebenso wenig dürfe verschwiegen werden, daß nach den trüben Novembertagen manches besser geworden ist, als viele beküm merte Bürger damals sich vorstcllten. insbesondere die Fortent wicklung der Wissenschaftspflege. Den ersten Teil seiner Rede widmete Nernst dem Gedächtnis Rathenaus. Denn, so sagte er, die Universität darf nicht schweigen, wenn sie den innersten Kern ihrer Bestrebungen bedroht sieht, wenn Meuchelmord eingreift. Alle milderen Umstände entfallen, wenn rein politische Mei nungsverschiedenheiten auf dem Wege heimtückischen Ueberfalls auSgefochten werden sollen. Nicht nur an der Menschlichkeit, auch am akademischen Geiste versündige man sich, wenn man einen geistvollen Forscher und einen der größten sozialpolitischen Schriftsteller unserer Tage gewaltsam aus dem Wege räumt. Und er fuhr fort: Unser Zeitalter wird kaum einen zweiten Mann neben Rathenau zu nennen wissen, der die Kultur seiner Zeit so vielseitig und dabei so gründlich aufgenonrnren hat. Der Gelehrte schloß seinen Nachruf mit dem Satze: „Nicht rohe Ge» Walt, nicht die Macht des Reichtums, nur des Geistes Zepter währen ewig." Ausgleichsverfahren «nd Privalschulduer Gegenüber einigen Blättcrmeldinigcn ist ans Grund der Mit teilungen von zuständiger Seite fesizirstellen, daß in der gestern vor mittag flattgehabten Kabinettssitzung die Frage der stärkeren Heran ziehung der deutschen Privatschrildiier z» de» Lasten des Ausgleichs verfahrens nicht erörtert worden ist. Aus dem Ausland Französische Angestellte für österreichische Betriebe Unter diesem Stichwort veröffentlicht das Gremium der Wiener Kaufmannschaft eine Mitteilung, in der es heißt, die französische Negierung habe ein Interesse daran, junge französische Kaufleute und Techniker in österreichischen Betrieben unterzu- bringen. Begründet wird dieses Interesse der französischen Negie rung damit, es solle dadurch ein festes Bindeglied für den Han delsverkehr zwischen Oesterreich und Frankreich hergestellt wer den. Diese französischen Angestellten und Techniker wären orts üblich zu entlohnen und würden von der französischen Negierung für die Tauer ihrer Beschäftigung außerdem noch einen Zuschuß erhalten. Der „Wiener Mittag" wendet sich gegen das franzö sische Vorhaben und erblickt darin den Beginn einer Propaganda, die bezweckt, Dcntschöstcrreich an Frankreich zn fesseln. Zu die sem Zwecke soll Frankreich u. a. auch beabsichtigen, eine deutsch- französisch geschriebene Wirtschaftszeitrmg heranszugebcn, öster reichische Schulen und Bibliotheken mit französischen Büchern zn versehen, den Unterricht der französischen Sprache zu fördern und Gastspiele französischer Künstler zu veranstalten. Poineare in London London, 7. Juli. Polncare wurde bei seiner Ankunft von Lloyd George auf dem Bahnhof empfangen. Die Besprechungen lm Auswärtigen Amt werden am Montag vormittag um 11 Uhr offiziell beginnen. Man nimmt an, datz den ersten Gegenstand der Tagesordnung die Be sprechungen über die deutschen Ausgleichszahlungen bil den werden. Auffällige französtsche Truppentransporte Paris, 6. August. Nack, Meldunaen einer Nachrichtenagentur aus Grenoble werden seit zwei Tagen zahlreiche Artillcrielirippe» mit Material und Pionierabteilungen mit Booten auf dem dortigen Bahn« Hof mit unbekanntem Bestimmungsort verladen. Ruhe in Italien Das Ministerium des Innern meldet, in Mailand, Genna und Ancona herrsche wieder völlige Ruhe. Das Sozialiffenorgan „Avanti" ist von Mailand nach Turin übcrgcsicdelt. Die Leitung der Fascisten- partci verfügt, daß die bereits halb durchgcsührte Demobilisierung unterbrochen und alle Fasclsten neuerdings inobilgemacht werden. Es scheint, daß der FascikmvS cine sozialistisch-kommunistische Gegen, offensive fürchtet. Eine neue Friedensmahnung des Papstes Rom, 5. August. In vatikanischen Kreisen wird eine päpst liche Enzyklika qngekiindlgt, die am Monatsende erscheine» wird. Die Enzyklika richtet die inständige Mahnung an die Vöker, doch endlich zum wahren Friedens-erste zurückzukchren, um die völlige Verelendung Europas zn verhindern. Rom und Venedig Bon Dr. Adrian, Erfurt (Schluß.) Gegen 3 Uhr fuhr ich nach Venedig zurück und stieg am St. Markueplatz ans. Ta wimmelte cs von diesen berühmten Tau ben, die immer reichliches Futter finden. In der Äarkuskirche fand ich es wieder sehr anheimelnd. Den Markusdom zu besehe» ist immer »ach der Mühe wert, auch wenn man die römischen Kirchen genossen hat. Auffallend war der wellige Fußboden. Der »ins; nrit der Zeit wohl sehr schadhaft geworden sein. Vene dig ist übersät mit prachtvollen Kirchen. Wenn man auf dem Binnensee fährt, beherrschen sie überall das Bild: Neben Sa» Marko die gegenüberliegende Maria dclla Salute, auf einer an deren Insel S. Gregorio Maggiore, S. Pietro, Giuseppe Gio vanni c Paolo. Nachdem ich necli die Scufzerbrückc hinier dem Dogerrpalast angesehen, beschloß ich, mitten durch die Stadt zn Fnß zum Bahn hof zn gehen. Das- ist nämlich keine Kleinigkeit, durch dieses Gewirr von Sträßchen, Brücken und Kanälen zu gehen. Sträß chen gibt es 2091, Brücken 390, fahrbare Kanäle 190. Aber nur so lernt man Venedig inwendig kennen, wie es in Wirklichkeit ist. Ich bin auch ohne besonderes Abenteuer hindnrchgekommen. Mindestens 20 Kirchen habe ich unterwegs noch besucht: San Salvatore, .die schönste Gewölbetirche Venedigs", Santa Maria Formosa, San Giovanni et Sa» Paolo, so groß wie der MarkuS- doi». Canla Maria der Miracoli, Apostoli, Safia, und endlich am Bahnhof die andächtige Kirche Santa Maria di Scalzi, wo die Mönche gerade ihr Chorgebct verrichtete», llnmiltclbar vor dein Bahnhofsgebäude steht ein schönes MnttergotieSbild in Erz. Nach dor. Kirchen z» urteilen, muß Venedig ein« sehr fromme Stadt sein. An Nachtruhe konnte ich nicht denken, da der Zug Mitter nacht abfnhr. Vorher habe ich mir am Bahnhof noch einmal recht gütlich getan, eS war die letzte Mahlzeit in Italien rind in Geldverlegenheiten konnte ich nicht mehr kommen und erst nach zwei Tagen sohlte ich zn Hanse in Erfurt sei». Mir dein Wetter Halle ich in Venedig viel Glück gehabt, den» rvie es gewöhnlich »ach ganz klaren Tagen geschieht, schon t» der Nackst sing es- an zn regnen. Der Zug ging über Mestre, Treviso. dann über den Piave, wo im Kriege der Vormarsch das Deutsche» und Oesterreicher zum Stehen gekommen war, dann über de» Tagliamenio, wo 250 000 Italiener gefangen wur den, »ach Ildine, wo das deutsche Hauptquartier in Italien war. Von da ging i»r Morgengrauen der Zug nach Norde» in die Jrrli- 'cherr Alpen hinein, immer entlang am wilden Tagliamenio mit seinem unregelmäßigen Flußbett. Die Kalkalpen bilden die man nigfaltigsten Gebirgsgcstaltnngen. Die Sonne schien wieder in voller Klarheit. Bei Pantebba-Pontasel ging es über die Wasser scheide in das österreichische Gebiet oer Drau hinein. Aber ob wohl die Italiener das Gebirge angeblich nur bis zur Wasser scheide haben wollten, das schöne TarviS (Tarvisio) hoch oben in den Bergen, von leuchtenden Schneebergen umgeben, haben sie als Zugabe genommen — ans strategischen Gründen —. In Tarvis freute man sich, bei oen Leuten und den öster reichischen Beamten wieder deutsch zu hören. „Dort oben auf dem spitzen Schneeberge hat während dcS ganzen Krieges eine Abteilung Artillerie ausgehalten trotz Winter, Frost und Wet ter." „Haben Sie da unten das Dorf gesehen? Es war ein Wallfahrtsort. Die Italiener haben eS erbarmungslos in Grund und Boden geschossen." In Tarvis, Verzeihung, Tarvisio wurden die Züge und daS übrige Geld gewechselt. Für einen Lire bekam ich 100 Kronen. Tann ging eS nach Villach in Kärnten hinein, rechts hoch oben ans den Karawabeken lag die höchste Wetterstation Oesterreichs. In Villach am Bahnhof kostete der Kaffee 250 Kronen, ein Röll chen Pfeffermünz 60 Kronen. Das kam einem alles sehr billig vor, wenn man dachte, wieviel italienische Centesimi das sind. Von Villach fuhr der Zug —leider kein Schnellzug — die Drau entlang, dann das malerische Mölltal empor und in 1219 Meter Höhe durch den über 8 Kilometer langen Tauerntnnirel. Es ist die einzige Straße, die durch die Tauern führt. Wege und Pässe gibt es hier nicht. Der höchste Berg in den Tauern ist der Groß- glockncr, 3798 Meter hoch. An der anderen Seite des Gebirgs- wallcs berührt man Bad Geistern, St. Johann, Bischofshausen, Hallcin, Salzburg. Von der ganzen Herrlichkeit sah ich aber nichts, weil sich die Nacht inzwischen herabgesenkt hatte. Bis durch den Tunnel fuhr ein junger österreichischer Kauf, »rann mit. Ich fragte ihn, wie es in Oesterreich geht. „O gut!" „Bei diesen Preisen?" „Das gleicht sich aus." Im wirtschaftlichen Leben mag das stimmen. Aber wer von festen Einkünften zn leben hat, wie Geistliche und Rentner, sind übel dran. Aber auckr diese wissen sich zu helfen. Das Leben ist stärker als alle Befürcht urigen. Gott verläßt die Seinen nicht. Kurz vor 12 Uhr liefen wir in Salzburg ein. Nach 6 Uhr sollte der Schnellzug nach München weiterfahrcn. Eine Nacht rnr Gasthof kostet 3900 Kro nen. Da blieb man lieber am Bahnhof und machte cs sich im Plüschsessel so gemütlich wie eS gehen wollte. DaS war allerdings schon die zweite Nacht außer dem Bett »nd das in Padua war auch nichts wert gewesen. Mut geschlafen zuletzt in Florenz. Aber da hilft alles nichts. Die Feldgrauen haben es im Kriege noch viel schlechter gebabt. In Salzburg wurde eS allerdings ge gen Morgen recht ungemütlich, da es zn schneien anfing. DaS war ein frostiger Empfang nach dem rvarmen sonnigen Italien. Wenn man sich nur nicht erkältet! Leider konrrie ich die hl.. Messe nicht lesen, obwohl mein Erstkommuniontag war. Dafür hatte ich aber einen schönen Kommuniontraum gehabt. In München benutzte ich den Aufenthalt von zwei Stunden, uin Einkäufe zu »rache» für die Reise und im Hofbrärrhaus mich gründlich vorzrrsehcn. Die Preise waren seit vier Wochen schon wieder um 30 Prozent gestiegen. Statt Wein ließ ich mir Bier in meine Neiseflasche geben. Mein übriges italienisches und österreichisches Geld wurde eiirgclöst, und es kamen noch gerade 100 Mark heraus. Das war verhältnismäßig gut abgezirkelt, unterwegs kamen mir die deutschen Berge sehr abgcflacht vor. In der Tat, Deutschlands Boden ist geologisch viel älter als der von Italien. Dafür haben wir aber die auch endlosen Wälder. Da versteht »ran, wenn der Römer Julius Cäsar und später der Geschichtsschreiber Tacitns über die Nicscnwäldcr Deutschlands staunen. Auch die Aeckcr und Gärten Deutschlands erscheinen alle sehr Wohl gepflegt. So weit ausgedehnte Felder sicht man da nicht. Kein Wunder, das; die Ausländer immer von unserem Reichtum reden. Aber eins ist mir durchweg airfgcfalleii: Die Menschen, namentlich aber die Kinder, wie sind die schmal, hager »md dünnbeinig, wenn »narr sic mit den römischen vergleicht, lins fällt das gar nicht mehr auf, weil wir uns nun schon so rnanch-r Jahre daran gewöhnt haben. , Von Saatfeld an fuhr ich mit einem jüdischen Kaufmann aus Erfurt. Wir haben uns über internationale Politik unter halten. Die Menschen als solche, auch aus den verschiedensten Völkern, sind sich niemals feind. Im Gegenteil, der HrlfSbedürf- tigkeit im fremden Lande entsprickit in der Regel eine gleich große Hilfsbereitschaft. Nationale Verhetzung, Feindschaft und Krieg sind rnchr künstliche Mache, eine Folge von künstlich gezüchtetem Dünkel, von Habgier und Herrschsucht. Reisen im Ausland haben den großen Nutzen, daß sie u»S fremde Völker verstehen und das eigene aus der Vogelschau sehen lehren. „Du sollst deinen Näch sten lieben wie dich selbst." „Was du dir wünschest, daß andere dir tun, das tu du ihnen auch." „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu." Diese Sähe ans dem Evangelium sollten nicht bloß von Mensch zu Mensch, sondern auch von Volk zu Volk Geltung haben. Dann wäre der Dölker- friede als Frucht dcS Christentums und des Evangeliums von selbst gegeben. Nirgend aber wird »ran mehr zu dieser „Völkcr- nächstenliebe aedrängt und genötigt, als in der katholischen Kirche Gottes und Christi, wo „ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller" gilt und dieser GemeinschaftSglairbe'arich in einem sichtbaren Oberhaupts zutage tritt und gewährleistet wird.
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