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Nr. 31. Zahlst. Fernsprecher: «edaktivn 32723 - Geschäftsstelle 32722 Postscheckkonto: Dresden Nr. 14797 Freitag, 4. Anglist 1923 Redaktion und Geschäftsstelle: Dresden-A. 1«» Holbeinstrabe 48 Be,uo»vrelS! Monat Juli 18 Slnzelnnnimer L DI» Slckülck- BoNSzeltiiiig »rickeint wSckenUIch l-chsmal. « vorsckrtft auf obige Prelle S6 Prozent Uuscklaa. Ofkertenqobsihr: Mc Selbltabholer 2 bei U-b-r!c»s»ug durch MnLetgeupretSr Dte eingeipaltene PettizeUk S für Famitten« und LerelnSan-etgen, Stellen-und Mielgetuche 5 I die Post autzerdem Ponozuschlag. Im Falle höherer Gewalt oder beim Ausbleiben der Pal'ierllesernn§en u>w. erlilcht .Die PeiU.viellamezetle nn redatuonellen Teil. 8S mm breit, 85 Für Inserate mit besonderer Plazierungs- j rede Lerpflichtung aus ikrsüllung von Anzelgen-Austrügen rmd Leistung voll Echadeneriaf). Sprechstunde der Redaktion: 5—Ü Uhr nachm. 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Ein furchtbares Eistiibahnunglück, dem LonrdeS-Pilger In großer Zahl zum Opfer sielen, ereignete sich am 1. August um 3 Nhr nachts zwischen den zwei Stationen Mirande und Villccom- tat. Der Zug hotte eine Höhe zu erklimmen. Mehrere Pilgcrzüge solsttcn hintereinander in vorgeschriebcnen Abstäirden. Der erste Zug konnte die Höhe nicht nehmen. Die Bremsen versagten uied er siel auf den zweiten Zug. Fünf bis sechs Wagen entgleisten. Bisher zählte man ly Tote und mehr als 50 Verwundete. In dem großen Tegeler Werk der Firma Borsig ist ein Streik der Maschinisten und Heizer wegen Lohnsordcrungen ausge- brochen. Die Direktion hat sich deshalb gezwungen gesehen, daö Werk mit seinen 6VÜ0 Arbeitern zu schließen. Es handelt sich um keine Aussperrung. Der Bankieransschuß soll für die nächste Woche einbcrnfen werden, um die Bedingungen für eine deutsche Wiedcraufbau- anleihe erneut zu prüfen. Berlin ist von einem neue» Verkehrsstreik der Hoch-- und Straßenbahner bedroht. Der italienische Landesstreik ist zusammengebrochcn. Faszisten schützten die Arbeitswillige». Vor dem Schlußakt! Von Paul Holstein, Mitglied des Sächsischen Landtags Nun sind wir also bald so weit, daß nicht nur theoretisch sondern auch praktisch die Frage gestellt werden muß: folgt die Sächsische Volkszeitung dem Schicksal an derer Zeitungen oder gelingt es dem treuen Zusammenwirken aller Kräfte, das Fortbe stehen der Zeitung zu sichern. Ist das nicht traurig, daß man diese Frage, die keine Doktorfrage ist, überhaupt auf. werfen muß angesichts der Tatsache, daß soviel Arbeit, Mühe und Schweiß an das Presseunternehmen gewandt worden ist? Mächtige Einflüsse sind es, die diese Frage notwendig machen. Wir sind ein besiegtes und znsammengebrocheneS Volk, das auf lange Zeit hinaus auf viele kulturelle Güter verzichten muß. Weite Kreise unseres Volkes haben sich schon in ganz außerordentlichem Maße einschränken müssen. Weite Kreise unseres Volkes, und wahrhaftig nicht die schlechtesten, müssen seit Jahr und Tag auf Besuch von Theater und Konzerten ver zichten. Das sind Veranstaltungen, die sich heute nur valuta starke Ausländer und Inländer leisten können. Die Katastrophe der letzten Zeit im allgemeinen wird noch weitere Einschränkun gen bedingen.. Es ist ganz begreiflich, daß viele auch unserer Anhänger ein Opfer bringen, wenn sie heute noch die Tages zeitung halten, die auch ihren politischen und kul turellen Interessen Rechnung trägt. Aber auf der anderen Seite darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß es überhaupt ein Opferleben ist, das die meisten von uns heute führen. Und darum muß nun weiter die Frage aufgeworfen wer ben: Sollen, können und dürfen wir auf unsere Zeitung verzichten? Salle», können und dürfen wir un sere Zeitung dem Untergange preisgeben? Diese Fragen stellen, heißt sie beantworten: Wir dürfen es nicht! Die Verantwor tung, die wir auf uns laden würden, wenn wir aus mangelnder Opferliebe unsere Sächsische Volkszeitung preisgeben würden, wäre eine geradezu ungeheuerliche.. Wir würden nichts mehr und nichts weniger als wie mit unserer Presse einen Kultur» faktor ersten Ranges preisgeben. Einen Kulturfaktor, aus den wir gerade heute nicht verzichten dürfen und können. ES ist über die Pr esse not wahrhaftig genug geschrie ben worden. Die Ursachen, die zu der jetzigen Katastrophe ge führt haben, müssen als bekannt vorausgesetzt werden. Männer der Presse, Männer, die die Verhältnisse kennen, haben immer wieder ihre Stimmen mahnend erhoben. Wie oft habe ich selbst im Sächsischen Landtage doch das Presscproblcm angeschnittenI Alle diejenigen, die sich mit dieser Frage eingehend befaßt haben, müssen heute gestehen: Wir haben auf Granit gebissen. Ter Industriezweig, der, um einmal einen vul gären Ausdruck z» gebrauchen, sich erst während des Krieges — und wahrhaftig nicht zu knapp — gesund gemacht hat, hat kein Verständnis für die Lage. Die Papierindustrie ist heute eine der ertragreichsten Industrien; aber irgendwelches Ver ständnis dafür, daß es sich bei der Katastrophe der Deutschen Presse um etwas ganz anderes handelt, als um den Nieder rnch irgend eines Industriezweiges, ist nicht vorhanden. Selbst wenn es sich um den Niederbruch eines beliebigen Geschäftszweiges handeln würde, mußte wenigstens nach unserer Auffassung, nach unseren sozialen und ivirtschaftlichen Anschauungen, eins so Dev Aotensegen Die Antwort Poineares Berlin, 2. August. Aus Paris berichtet die Vossische Zei- tung: In Beantwortung auf die gestern mittag überreichte deutsche Note hat Poincarä dein deutschen Geschäftsträger in Paris Boischaftsrat v. Hoesch folgende Antwort überreicht: Poris, den 1. August 1922 Herr Geschäststrügerl Ich habe die Ehre, Ihnen den Empfang Ihres Briefes bon heute anzuzeigen, in dem Sie aus meine Mitteilung vom 26. Juli antworten. Ich stelle mit Bedauern fest, daß diese Antwort nicht die in meinem Brief erbetenen Zusicherungen enthält. Das Abkommen vom 10. Juni 1921 wurde zwischen Deutschland und den verschiedenen verbündeten Mächten ge schlossen, seine Mänderung kann daher in der Tat nur auf Grund eines gemeinsamen Uebereinkommens der Unterzeichne ten Mächte erfolgen. Die Regierung der Republik hat Ihnen bereits mitgeteilt, daß sie nicht die Absicht habe, die in der deut schen Note vom 14. Juli angeregten Aenderungen eintreten zu lassen. Die Negierung der Republik hat daher ein Recht, zu verlangen, daß innerhalb der in meiner Note vom 26. Juli an gegebenen Frist, das heißt vor dem 5. August mittags, die Ver sicherung gegeben wird, daß, bis die unumgänglich nötige Ein- stimmigkeit jener Abänderung erlangt sein wird, das Abkommen vom 10. Juni 1921 zur Ausführung gelangt, und besonders, daß die Pauschalsumme von 2 Millionen Pfund Sterling am 15. August gezahlt wird. Wenn diese Zusicherung nicht gegeben wird, wird die fran zösische Regierung das Recht haben, um die Ausführung !seS bestehenden Abkommens zu sichern, die Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, die sie im Interesse sowohl der eigenen Slaatsange- hörigen als auch der Untertanen der übrigen Verbündeten Staa ten für nötig erachtet. Diese Maßnahmen werden ab 5. August zur Ausführung gebracht, so wie ich es bereits mitgeteilt habe, und die Negie rung der Republik glaubt nicht, daß sie es nötig hat, bereits heute den vollständigen Plan bekanntzugeben, den sie hierfür ausgcarbeitct hat. Indem diese Vorbehalte über den Inhalt der Note vom 1. August gemacht werden, bemerkt die Negierung der Republik lediglich, das; die deutsche Regierung keinerlei Anstrengung macht, um die Zahlungen zu sichern, die seitens wirklicher Schuldner, das heißt seitens deutscher Privatleute, an die ver bündeten Ausgleichsämter abzuführen sind, wobei bemerkt wird, daß diese Privatleute »ach allen Auskünften, die uns zugekom men sind, durch ihre Einkäufe von Auslandsdevisen zum gegen wärtigen Sturz der Mark beigetragen haben. gez. Poincarö. starke Industrie darauf Rücksicht nehme». Das ist ja eines der tief bedauerlichsten Zeichen, daß nicht nur außenpolitisch, son dern auch im Wirtschaftsleben des deutschen Volkes die Ellen- Logen Politik noch niemals einen solchen Grad erreicht hat, wie das jetzt in der Gegenwart der Fall ist. Bei der deutschen Presse handelt es sich aber um einen politischen und einen kultu rellen Faktor, dessen Zusammenbruch politisch, kulturell und wirtschaftlich für das gesamte Volk und Vaterland von den elementarsten Folgen begleitet sein muß. Im Geiste sehe ich vor mir einen der größten Papier- industriellen des Deutschen Reiches und des Freistaates Sachse», wie er bei der Lektüre dieser Darlegungen überlegen mit den Achseln zuckt und ausruft: Nebertreibungen! Nein, es handelt sich hier nicht um Nebertreibungen, es handelt sich u m nackte Tatsachen. Man kann doch wirklich, und muß eS auch, von einer Katastrophe im wahrsten Sinne des Wortes sprechen, wenn man sich die Tatsache vor Augen führt, daß nicht weniger als 4000 Zeitungen — in Worten viertausend — bis jetzt eingegangen sind. Ei» Wagen Druckpapier, der iin Frieden 2000 M. kostete, kostet sei dem 1. August 280 000 M. Also das 140fache des Friedenspreises. Arme notleidende Pa pierindustrie?!? Es ist wirklich schwer, keine Satire zu schreiben. Aber wir wollen gerecht sein, denn der Hauptschuldige an der Katastrophe der deutschen Presse ist die Papierindustrie. Aber nicht der einzige Hauptschuldige. Alle Klagen über die Lage der Presse haben keinen praktischen Erfolg gehabt. Der Gesetzentwurf, der jetzt im Reichstage verabschiedet worden ist, steht auf dem Papier. Praktisch hat er keine Wir- kungen. Das Neichsparlamcnt ist machtlos. Machtlos gegenüber den Gewaltigen der Papierindu strie und — machtlos gegenüber den Forstver walt un gen der einzelnen Länder. Der ForstfiskuS, ganz gleich, ob er in Bayern» Preußen oder Sachsen seinen Sitz Die Pariser Presse zur Antwort PoincAiLs Paris, 3. August. Der Petit Parisien bemerkt zu vor Aul- wort PoincaröS ans die deutsche Note, e-s sei bedauerlich, daß Belgien eine für Frankreich ganz entgegengesetzte Haltung ein genommen habe. Nach der Besprechung, die der belgische Ge sandte gestern im französischen Außenamt geführt habe, würde sich hoffentlich eine VcrständigungSgrundlagc finden. TaS Echo de Paris sagt, Belgien werde erfahren, daß es durch seine jetzige Haltung nicht weiter kommt. Man würde Denlschlaud schlecht kennen, wenn man da? Gegenteil behaupten würde. Vergebliche Hoffnung aus Frankreichs Vernunft Berlin, 2. August. Nach einer Meldung aus Paris berich tet die Daily Mail ans Neuyork, daß der Neuyorker Bankier Paul Marburg in einer Rede über die Frage der Kriegsschulden sprach, und daß er sich dahin äußerte, daß es bedauerlich wäre, wenn die gegenwärtige Haltung Amerikas einen Abschluß be deuten solle von der Nolle, die die Vereinigten Staaten im Weltkriege gespielt haben. Andererseits müsse aber betont wer den, daß Amerika solange nichts tu» könne, als zwischen Frank reich und Deutschland nicht ein modns vivendi zustande gekom men sei, und man nicht die Reparationen auf eine vernünftige Grundlage gestellt habe. Irgendwelche Abordnungen »ach Amerika zur Erledigung dieser Fragen seien hoffnungslos. Ter amerikanische MeinungSnmschwung könne an dem Tage er folgen, wenn Frankreich sich zu einer weitsichtigen Großmut in der Reparations-Politik gegenüber Deutschland entschließe. Paris, 2. August. Die gestrige Note Potncarvs hat selbst im hiesigen Ministerium des Auswärtigen überrascht. Alle Blätter sind darüber einig, daß die von Poincarö anwdrohte Vergeltungsmaßnahmen nur wirtschaftlicher Natur sein könnten und das; es sich keinesfalls um militärische Sankt-onen bandele. Der Ganlois wirst die Frage der Beschlagnabme ventschen Pri vateigentums in Frankreich auf, die er jedoch für unzulässig hält. Andere Blätter rechnen damit, daß Frankreich versuchen werde, im besetzten Rheinland Geldmittel flüssig zu machen. Die Neichsreaieruna und die französische Antwortnote Berlin, 2. August. Bevor die Reichsregierung zu dem neuen Dokument Poinearc'-s Stellung nimmt, werde» die zu nächst beteiligten Ressorts, da? Finanzministerium zur Prüfung der durch die Drohung und Forderungen Frankreichs enistau- denen Lage zusammentrelcn. Ein Kabinettsrak ist vis zur Stunde noch nicht anheranint, da zunächst die Aeußeru-ig der einzelnen Aemter abgewartet werden soll. Stellungnahme der deutschen Negierung Berlin. 3. August. Die ReichSregicriing will nach den ganzen bisherigen Verhandlungen von ihrer in der Note vom Montag eingenommenen Haltung nicht abgehen. In Berliner diplo- malnchen Kreiien verlautet, daß die Maßnahmen, die Voineare im besetzten Gebiet plant, darin bestehe» werde», baß Fraiikreich die Staatseinnahmen deS deutsche» Reiches, also die Steuer», Zölle n»d die Einnahme» der Post, Eisenbahu und des Tele graphen beschlagnahme» wird. hat, ist der andere Hauptschuldige, Er bat treu und brav die Preistreibereien mitgemacht. Er wehrt sich heule noch, irgend wie abznbaucn oder abzustoppen. Da kann man eS verstehen, daß gegenüber den Widerständen der einzelnen Länber, vertre ten durch den ForstsiSkus, NeichSregierung und Neichsparlament ohnmächtig sind. Was hat cs für einen großen Zweck, noch weiter darüber zu jammern und zu klage». Tie Papierindustrie schiebt die Schuld auf den ForstfiskuS. der aber die Schuld ans die Pavier- industrie. Nach unserer Ansicht tragen üc beide m gleicher Weise schuld. Wir haben also vom Staate in dieser Hinsicht nichts mehr zu erwarten. Es bleibt infolgedessen nur eines noch übrig, die Selbsthilfe, und das bedeutet Opfer. Wir haben neulich schon nn dieser Stelle anSoen'chrt, daß Partei und Parte ip resse in ganz anderem Maße wie bisher unterstützt werde» müssen. Ich will mich noch ein mal ganz offen auSsvrecken, weil alle? andere vollständig zweck los ist. Wenn unsere Presse von jetzt ab in nicht stärkerem Maße unterstützt wird wie bisher, dann muß sie in kür-cster Zeit ihr Erscheinen cinstctlen. Dasselbe gilt »a'iirlllki a»t> ftir die Partei. Eine Partei bat nur dann Lebenskraft, wenn sie die Mittel hat, »m in ständiger Fühlung mit der Wätzlers-.dast zu bleibe». Dazu gebraucht sie eine Presse. Z» diesem Z - ecke müssen Flugblätter und Broschüre» verteilt werden. Von der Abhaltung von Versammlungen und sonstiger Agitation ganz zu schweige». Jedenfalls muß ein großer Teil der Lebenskraft auch der Partei dadurch in die Praxis nmgcsetzt werden, daß Presse und Flugschriften verbreitet werden. D«S bangt nalür- lich wieder gegenwärtig mit dem Vapierprcis zusammen. Warum soll man es verschweigen, daß der Aufruf znn> Barte i- notopfer, der seit Wochen in diesen Spalten erschienen ist, bis jetzt nicht den Widerhall gefunden hat, den selbst Pessimisten erhofften. Und das will doch schon viel heißen. Wir wollen hoffen, daß der Ernst der Situation, durch den die Katastrophe der Presse gekennzeichnet ist, auch in dieser Hinsicht *»d!ich