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Sächsische Volkszeitung : 21.11.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192311216
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19231121
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19231121
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-11
- Tag 1923-11-21
-
Monat
1923-11
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 21.11.1923
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HntSrlialturiA uns !per Verrä er Eine russische Geschichte. „Und wie viel, sagten Sie, sind Eure Mitglieder an der Zahl?" „Zeinndzwanzig. Erzellenz, mit mir selbst, doch ich —" „Sie brauchen darüber keine Worte zn verlieren, es wird an Ihnen sein, sich unseres Vertrauens und der Gnade des Zaren würdig zu zeigen." ,,Ich versichere, dass wir keine politischen Zwecke verfolgten." „Ich kann daraus nicht achten, haben Sie die Liste der Mit glieder gebracht?" „Hier ist sie, Exzellenz." Ter Chef der geheimen Polizei nahm daS Papier, das ihn, gereicht wurde, und verglich de sen Inhalt schweigend mit «inem Aktenstücke ans seinem Pulte. „Bclinski," las cr und blickte scharf auf den Mann vor ihm: „ist er auch einer der Enern?" „Er gehört zu unserer Gesellschaft, aber ich versichere, wir kamen nur zusammen, um Fourier und Prondhon zn lesen." „Ich kann all' dem kein Gehör schenken, wie ich Ihnen bereits sagte. Schweigen Sie deshalb und antworten Sie ans meine Fragen." , hieraus prüfte der General nochmals die Liste und murmelte vor sich hin: „Bardin, Lubanow, Sobotin — von diesen letzteren war mir nichts bekannt." Tann fuhr er fort: „Sie haben recht gehandelt, Nadowitsch, und Sie werden sich überzeugen, das, die Regierung des Zaren nicht undankbar ist gegen diejenigen, die ihr dienen. Ihre letzte Tat wird nicht Ihre früheren Fehler sühnen, sondern Ihnen auch reichen Lohn ein tragen." „Dürfte ich noch eine Bemerkung wagen. Eure Exzellenz?" „Sprechen Sie ungeschcnt, was ängstigt Sie noch? Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie nichts zn befürchten haben, und ich bin woh, in der Lage, meinem Worte Geltung zn verschaffen." „Das ist richtig, und doch, und doch — „Nun?" „Mein Leben ist keinen Rubel mehr wert, wenn :s bekannt wird, dass ich es war, welcher diese Angaben gemacht hat." „TaS hätten Sie bedeuten sollen, bevor Sie in sen: Ge- ellschakt ein traten, Doch was soll nun geschehen, um Sie zn ch ätzen?" D „Wenn die Verhaftungen vorgenommen werden, soll man keinen Unterschied zwischen mir und de» anderen machen." „Sie wollen also mit denselben verhaftet werden?" — „Und angeklagt." „Ja, und auch verurteilt, wenn Sie es wünschen. Und dann?" „Dann möchte ich mit den minder Schuldigen gleichzeitig begnadigt werden, um somit jeden Verdacht von mir abzu lenken." „Ab, ich verstehe Sie wohl. Nun, Sie können beruhigt sein, es soll alles so geschehen und Sie brauchen keine Furcht mehr zu hegen." „Ich danke, Ew. Exzellenz.! Haben Sie keine weiteren Ordres?" Ne!», Sie können geben." Ter Po'izeichcf lächelte, als der Spion sich entfern'e. „Wirklich schlau ausgedacht," murmelte er vor sich hin. „Er will ebenso behandelt werden, wie seine Mitgefangenem, damit jene, die etwa « >twi'chen. ihm nicht an den Kragen gehen. Nun, sein Wille geschehe, er soll haben, was er sich gewünscht." Am se'ben Abend fanden die Verhaftungen statt. Ueber- rascht und keinen Be-rat ahnend, wurden die vollzählig ver« s'.nimeltcn Mitglieder der aus Studenten, Künstlern und jungen Doktoren bestehenden Ge'ellschast festgenominan. Sir leugnete!» an, ...? Entschiedenste, gegen die Negierung konspiriert »nd be haupteten, nur soziale, aber nicht politische Erörterungen ge- psloge» zu haben. Die Schergen des Generals Mladimirowitsch zuckten nur ungläubig die Schultern. Unter den 22 befand si,./ auch Nadowitsch, der am lautesten seine Unschuld beteuerte. Ngz^ einem Monat fand die Verurteil,mg statt. Nadowitsch war niMctwa als Zeuge berufen worden, sondern »ahm »:n Plaü ans der Anklagebank ein: alle 2t wurden schuldig gesprochen. Zwölf wurden nach Sibirien verbannt. Nadowitsch schrak nnwillkürlich zusammen, als er sich mit de» übrigen 2 zum Tode verurteilen hörte, obgleich es ihm bewußt war, daß ja damit nur dem mit General Mladimirowitsch getroffenen Abkommen entsprechend ge handelt werde. — „Zinn Tode mit Pulver »nd Blei!" sagte er intt klapvernden Zähnen, die Sentenz des Urteils nachsprechend, das am nächsten Morgen ans dem Glaris vor den Festungsmauern vollstreckt werde» sollte. Dabei wiederholte er sich stets im Geiste, daß >n diese Worte keinen Bezug ans ihn hätten, weil der Zar selbst Verrätern Wart halten müsse, da sich sonst in Zukunft nie- »lmid mehr staden würde, der ihm In dieser Weise dient». Vciciisii und die übrigen beruhigten sich Kalo und nach einem eiligen Lebrnwohl an ihre glücklicheren Gefährten wurden sie in ihre Zellen znrückgesührt. Einige der Gefangenen schliefen so ruhig, als ob sie die furchtbare Tragödie, die sich am nächsten Morgen abspielen sollte, gar nichts anginge. Nicht so Nadowitsch. Er ging gleich einem wilden Tiere im Käfig unablässig hln und her, von Zeit z» Zeit ängstlich nach 'K'r Tür horchend, ob er nicht die Schritte eines Befreiers vernähme, welcher kommen sollte, um ihn der Freibeit und de» Freuden des Lebens zncückzuaeben. Dir lange Nackt verrann nur allzu rasch für ihn. dessen Befreiung sich so u. begreiflich verzögerte Er hatte General Wladimirowitsch >m Gerichtshöfe während de-Z Prozesses täglich gesehen, »nd es hatte ihm geschienen, als ob Vieler ihm durch Blick: Zeichen gegeben, daß alles in Ordnung sei. Die zwei Nnsscher, welckp: Nadowitsch zu bewachen hatten, bemühten sich vergebens, ihn zu veranlassen, daß er sein Lager ai.fsuche. , Ec kan» setzen Augenblick kommen," murmelte er vor such hin „und es ist besser, wenn ich wach bin, dämit kein Mißverständnis cinlrete." Seile Kehle war ausgeirocknct, seine Zunge klebte an» Gaumen, doch wies er jede Erfrischung zurück unc> trank weder Wasser noch Wrin. Ter Angstschweiß trat ihn» aus die Stirn, er zitterte vor der drohenden Vernichtung. Endlich begann ein fahler Lichtschein durch oie erblindeten Fensterscheiben der Zelle zu dringen. Es waren die erüen Strahlen des Tages, der das Lebe» der Verurteilten beenden sollte. Und nun begann Nadowitsch in wilder Hast seinrn Wäch tern zu erzählen, daß seine Verurteilung nur zum Scheine ge schehen sei. Die beiden Männer warfen sich bcdeuisanie Blicke, zn, die zugleich Mitleid mit oem armen Gesungenen aussprachen, sagten aber nicht ein Wort. ein stiller öarkcn t; gibt einen schönen starken, rNlgriin rn jeller Seit, Vrin dliihn üie vlumen, ciie rarlen, 0d grausten e; stürmt uml schneit, er ließt im Herren verborgen, Unri pflegst üu mit Sorgfalt lein, Llratilt bell an jeliem Morgen Sones warme Lonne hinein. s. w. weder. Nach Ablauf einiger Minuten waren alle zehn, deren Todesstunde geschlagen, im Hofraum des Gefängnisses versam melt. Neun von ihnen waren ruhig und gefaßt: für sic war die Bitterkeit des Todes vorbei, der Zehnte war jedoch die Beute der schreck.ichen Todesangst, dis sich in seinem aschfahlen Gesicht init den zitternden Lippen nur allzu deutlich ausprägte. Es war Nadowitsch, an den sich die anderen mit aufmuniernden Neben wendeten. „Komm, Timitri," rief einer, „w>r alle schulden der Natur unser Leben: besser, wir zahlen die Schulden jetzt als später." „Kopf enivor, Kamerad," sdgte ein anderer, „mach: Viesen Söldlingen nicht die Freude, Dich betrübt zn sehen!" „Es ist mir ein Mißverständnis, es kann nicht sein," mur- melte stieren Blickes der Unglückliche. „Wo ist General Wladi mirowitsch?" „Er ist nie bei Exekutionen zugegen," antwortete der Soldat, an den sich Nadowitsch mit dieser Frage gewendet. „Er hat seine Ordres bereits letzte Nacht erteilt." Hierauf setzte sich der traurige Zug der Todeskandidaien nach dem Glaris in Bewegung. Ein Priester mit dem Krnzisir ging voran, die Verurteilten folgten einer nach dem andern in ihrem Totenkleide einem Kittel aus w.nßem Lriuen. Tie Sonne war noch nicht völlig ansgegangen, als der Zug lang sam dem Orte der Exekution znschritt. Das Leben der Ver urteilten zählte nur nach Minuten und näherte sich mit furcht barer Raschheit mit jedem Schritte, den sic taten, inehr seinen, Ende. Endlich erreichten sie den bestimmten Platz. Man Halle zehn Pfähle in di« Erde eingerammt, an welche die Verurteil e» gefesselt wurden. Vor ihnen maschierte eine Kompagnie Sol daten auf, deren gegen sie gerichtete Flinienlänse ttn ersten Glanze der ausgehenden Sonne funkelten. An der Spitze der Truppe stand ein Offizier der das Zeichen für dir Füsttlade geben sollte. Und min wurden die letzten TodeSvorber.'it»nge» gelrossen. DaS Kreuz wurde den Vcrnrtei'len zum Kusse gereicht, hieraus von einem Abgesandten des Gerichts nochmals daS Urteil ver lese», sodann der Stab gebrochen und den Teliguente» zn Füßen geworfen. Tiefe Ruhe herschte in diesem Momente, man hätte das Summen einer Fliege hören können. Ta geschah etwas ganz Nnerwarteles. Ter Ossizier, welcher da? Zeichen zur Vollstreckung des Urteils geben sollte, lein- »laudierte Kehrt und zog mit seiner Truppe ab. Ten Vernrle.ttrn wurde sodann mitgetettt, daß der Zar sie begnadigt habe. Sie wurden von den Pfählen losgebnuden. Es war ihnen, als ob sie aus einem bösen Traume erwachten, und sie schien-» die Wendung Ihres Schicksals anfangs gar nicht zn verstehen. Tann umann'ci und beglückwünschten sie sich, daß sie dem Leben wieder gegeben waren. Nur einer verhielt sich simmn nnv ruhig. Als man ihn loSüand, siel er nach vorwärts auf sein Angesicht. „Er ist ohnmächtig geworden," sagt ein Soldat, „rasch Wasser her!" — Ein Arzt trat hinzu »nd unlersuchte de» Mann. „Es ist nichts mehr nötig," sagle er bann ruhig, der Schreck hat ihn getötet." Ter Tote war — Nadowitsch. Vom Sy!e* mit dem Tode Mürtprer des Films. Von Vera Bern. Man spricht von der Bertini von Asta Nielsen, von Chap lin. Von all denen, die besondere Schönheit, besonderes Talent oder auch nur eine eigene Note zu internationalen Lcinwand- berühmtbrilen prädestiniere». Kaum von jene» hinter der Lein wand. deren Einsatz weder Schönheit ist noch Talent, noch eine besondere Note. Nur Mut. Von den Märtyrern des Films, die den sogenannte» Publikums-, Geschäfts- oder SensationSsilmen erst ibr bestimmtes Gepräge gebe». Von Zeit zu Zeit eine Notiz in der Fachpresse. Etwa: „Nahe dein Ostbahnhot in Frankfurt a. M. sprang der bei Film aufnahmen mitwirkende Artist P. auf einen unter der Brücke fahrenden Personenzug. Er schlug ans das VentilaiionLrohr aus und . . . ." Und! l TaS ist es eben. Die Zuschauer in den Lichtspiel theatern lassen — mit an Grausamkeit streikendem Gleichmut — sich di? nngebeuerlichstcn Dinge abspiclen. Dieselben Zuschauer ZcntraienrooaS. die es vermutlich entrüstet ablehnen würde», einem Stierkainps brizmrohnen. Gerade Filme, die statt literari scher Feinh ttrn sportliche Rekordleistungen bringen, stehen am döchstcn im Kurs. NcneS Menschenmatcrial mns; ständig haran- oeschajst werden zur Ausführung der magckaljzgcn Kunststücke, di: ein Regisseur der die verborgensten Wünsche des Publikums errät, ansNügclt. Wohl geht »n besonders aufregenden Augenblicken ein Flü stern durch die Stiikiireihen: „Ist das echt, was der da oben auf der Leinwand macht?" Dann klärt vielleicht ein anderer, drr irgendwann einmal von weitem an einem Glashaus vor- iibergeganaen ist, den Naiven ans: „Ach. dummes Zeug! WaS da zwischen Himmel und Erde hängt — das ist ja eine Puppe. Eine Puppe aus Holz und Watte, die im letzten Angenbtick ir. gendwie über dem Abgrund autgchängt und bewegt wird." DaS anfgestörtc G-ew'ssen beruhigt sich, spielt nur im Brr- borgcnen mir drr -ttambeklemmcnden Vorstellung, wie es wäre, wenn die Puppe ein wirklicher Mensch wäre, wenn er ab stürzt' . . . Z» gleicher Zeit jedoch b'ühcn vickleicbt schon die ersten Blumen an? dein Grabe der „Puppe", die ihr Spiel mii dem Tode, mit dem Leben bezahlte. Denn die Puppen» irtichatt der ersten Kinosrhre ist aus der Mode ge'ommen. DaS kritische Publikum erkannte sehr bald die Täuschung und liebt es nicht, d'rülli'sioniert zu werden. Die Industrie mußte die Pappen über Bord werfen. Nach Menschen suchen. Nach Menschen, denen zn viel am Leben lag, um es ohne weiteres wegzuwerjeii — und zu wenig, um sich selbst zu hoch einzuschätzen. Es war vor dem Krieg, als eS noch etwa? bedeutete, guter Bruder zn sein mit dem Tode, nicht immer leicht, solche Men schen zn finden. Heute braucht die Industrie nicht mehr lange hernmz»- snchcn, um Mensch-n z» finden, die passiven oder auch aktiven M»t ausbring n. Mut ist ein billiger Artikel geworden. Vor einigen Monaten fanden in Breslau die Ausnahmen zu dem Fi'mwcrk „Zwei Brüder" statt. Ein Individuum sollte eine der hohen Turmspitzen der Elisabctbkirche erklettern n d sich dann von der l'5-M'eter-Höhe in die Tiefe hinabstoßen lasten. Scheint es glaublich, das; sich jemand zn einer solchen Tat be- reit fand? . . . Und doch lief bei der „Rock-ns Giiese-Ailin" in BreSlan folgendes Schreiben ein: . da sich bisher niemand gemeldet hat, der das gewagte Sprnngstllck von dem 6ö-M tcr- Kirchlnrm lat unternehme» wolle», hoben wir uns entschlossen, das- Wagstück zn vollbringen. Wir bitten daher um Zuschicknng der B.dingnngen. Hochachtungsvoll F. D " — „Falls Sie noch einen ivriugrn lassen wollen, stehe auch ich zu Ihrer Ver fügung. Für de» Film tue ich alles. Bitte schnell Antwort, P. G," Für den Film tun solche F. D.'s und P. G.'s wirklich t alles. Für Len Film und für das Geld, daS dabei zu verdienen Peter Dö'sler Ein Umriß von Tr. HaA Herbart. Peter Dörflers Werk steht im Zeichen des Kreisens um die beiden Picke von naturwüchsiger Kraft und überlegen gestalten dem, daö Stoffliche durchdringendem Geist. Die Fülle seiner Ge. dichte, der Strom seines Fabulierend und Erzählend hat etwas von der Kraft der Berge, die hercinschantcn in des Dichters Iuaend'and, sie ist etwa» Urtümliche? Die schönhritSdurstige, weltosfene Seele des Jungen hat diesen Reichtum in sich gesogen, dieses ewige Ineinander und Widerklingen des Rhythmus von Landschaft und Bansormen. Mit einer aninntig romantischen Jngendgelchichte „Als Mutter noch lebte" begann er. Weiter führte der Weg über die Grsta'twcrdnng seines Italien- und NomerlebnisseS in dem glut- farbigen. verschlungenen Eanrpagna-Noman „Die Verderberin", Uber die KriegSidvlle „Der Weltkrieg im schwäbischen Himmel reich" zu einem historischen und psychologischen Gemälde großen Wurfes in „Judith Finsterwalderin". Ebenfalls im Historischen wurzelt die schöne Erzählung „Der Roßbub , auf die historische Miniaturen-Novellen „Erwachte Steine" folgen. Und dann kommt ein großes Werk, wieder im Bereich des Historischen, aber durchaus im Historisch-Philosophischen: „Neue Götter", das Ge mälde einer W-ltenwendc, der Entscheidung zwischen sterbender Antike und jungem Christentum auf kleinasiatischem und griechischem Arven. In Verfeinerung und Steigerung ferner formalen Kraft schreitet der Dichter zur Gestaltung eines rein >m Geistigen und Psychologischen sich -chspielenden Prozesse? in »Stumme Sünde", der Geschichte einer ungesüünten und nnge- beichteten. lebenvergiftenden Schuld, um die straffen Zügel seiner Komposiüon wieder zu lcrkcrn im „Ungerechten Heller", einem breiten Lebens- und Landschaftsbild des oberen LechtaleS und seines Bauerntums, voll heiterer Ruhe nnd sinnlicher Anschaulich keit, um der alten Fabulierlust wieder freien Lauf zu laßen in der „Paiistfahrt durch Schwaben, der poetischen Gestaltung der Reise PiuS' VIl. auf der Rückfahrt von Wien über München and Augsburg durch Schwabe» nach Füssen und südwärts über die Alpen. Gerade die „Papstfahrt durch Schwaben", eine» der anmu. tigsten und liebenswürdigsten Kinder der Dörflerschen Muse, offenbart den Formreichtum de« Dichters. Mtt verändertem Stoff ein neuer Stil; keines seiner Werke gleicht in Aufbau und Stil dem anderen. Aus dem Staff ergibt sich stets des Dichters Stilkolorit. Seine Kunst verkörpert da? Naturhafte und Urtüm liche, Volkstümliche. Vollstnm und Heimattnm ist ihr LebenS- element und gefühlsmäßig erlebter Wert dem man nicht erst auf dem Umweg sozialogisch-pragmatistischer Betrachtung nahe kommt oder gar auf der Suche nach neuen Reizen für die durch intellektualisi!jche Spielereien und Abstraktionen zerfaserten und crinattcten Nerven. In Dörflers Werken tummeln sich Gestalten' in allen Lebensaltern. auS allen Ständen, aus allen LebeiiSkrcisrii: der spätnntike Literat und Rhetor neben dem schwäbisch:» Bauern, der Allgäuer Sinnierer und Sektierer Kaspar Boncnbrrger anö der „Papsisahrt" neben dem Schwarmgeist und Religionkgrün- der Pcregrinnö Proteus der „Neuen Götter", die seine weiche Mutter ans „Als Mutter noch lebte", neben der derben, haß fähigen Wascnmeisterin des „Ungerechten Heller". Dörflers künstlerisches Kernproblem ist ein sozusagen sozio logisch-moralisches: das Verhältnis von Individuum und Ge meinschaft. DaS klingt überall durch, das wechselt öfters seine Stoffkreise: die Heimat in „Als Mutter noch lebte", Italien und sein Bannkreis in der „Verderber!»", barockes Leben und Francncntwicklung verschlungen in „Judith Finsterwalderin", h-'llenislische Spätantike in „Neue Götter", die heimische Land schaft und drr heimische Stamm im „Ungerechten Heller", Rokoko, Aufi ärung und Schwabenheimat in der „Papstfahrt". Aber im ganzen findet Dörfler immer wieder zurück zur Heimaterde und Heiinatstamm. Und was Wunder, wenn den Sohn des bayeri schen Schwaben immer wieder daS Historische anziehtl Denn einmal lebt ja in ihm die Tradition höchster StammeSknlttir und zum andern, der Gegenpol zu des Lichters überreichem Fabulier, trieb, der Formtrieb, findet im Hisloriichen den Ansatz, den An- sah zur Bändigung der Fülle der Geschichte durch das Historisch- Sachliche und Lebendige. Ueber der Suche nach psychologischer Analyse, über^hcm Entwerfen von Seelengemälden, über einer überfeinerten Form kultur hat man der Kunst des Erzählen- fast ganz vergessen. Und je mehr die Literatur eine Sache und Angelegenhctt der ästhetischen Salons und Klubs, der Schulen und Literaten wurde, je mehr sie sich vom nationalen Leben abtrennte und in eine Sphäre der reinen „Innerlichkeit" und Geistigkeit sich znrrückzog, je mehr sie in ein Ghettodasein versank, darin jeder, kaum vom andern verstanden, dahinlebte, um so enger wurde der Kreis derer, die die Kunst des Erzählens wirklich beherrschten. Helmatkunst und völkisch« Kunst sind heute zu Schlagwor ten geworden. Viel Stümperei u»- »Miere Wertlosigkeit hüllt sich in diesen Mantel und wird gangbare literarische Ware. Dörf lers Kunst ist völkische Kamt, echt deutsch: Kunst, denn sic wächst lebendig heran« anS einer deutschen Persönlichkeit, geschissen ahne Absichttichkcit und ohne Tendenz, ohne Prononzicrung deS Völkischen, die daS Künstlerische trübt. Denn jedes K^ujt v:rk wird nur dann reine Verkörperung nationalen Dasein?, wenn e» hcrnnSwächst auk den unbewussten Tiefen einer im Volk ver wurzelten Periöniichkcit. ohne bewußte Tendenz ausS Völkische. Ilnd in diesem Sinne ist crnch nnS Jungen von heul- Dörfler ein Programm, Hoffnung und Erfüllung! K. u. P. Bitchertisch Die Einöde von Olai Aslagsson übersetzt von Erwin Mag nus, Biichichmilck von Erik Nichier. Franz Schneider Verlag, Berlin, Leipzig, Wien und Ver». Es ist ein eigenartiges Buch, das uns hier der nordische Verfasser geschenkt hat. Wir werde» in die Einsnnikeit der Prärie geführt, in der nur der Hirte mit seinen Tieren lebt. Aber gerade weil wir auS der Welt des Mechanismus und des lärmenden Haltens heranStratc», wirkt die Größe der Nalnr um so gewaltiger auf uns. Es ist erstaunlich, wie der Verfasser uns durch die einfachsten Tinge zu fesseln weiß. Wir sind ge spannt. wenn wir seinen Erlebnissen mit den ihn begleitenden Hunden n»d mtt den Tieren der Prärie lauschen. Ob der lackende blaue Himmel oder ob der Sturm des Winters über diese Landschaft kommt, stets erleben wir das Große, das gerade n der Einsamkeit daö Herz eines einzelnen Menschen beschleicht. Mir nehmen an dem Geschick jedes Tieres teil, wir horchen auf den nächtlichen Laut deS Präriewolses, des Coyoten und folgen gespannt den Kämpfen des Hirten gegen die Ncttureleniente und die Feinde seiner ihm aiwcrtranten Herden. Prachtvoll: Bildcr- Zeichnungen sind in dem Buche enthalten. Dazu lomint das feine Titelbild des Verfassers. Das Buch entspricht überhaupt voll und ganz einem künstlerischen, gediegenen Geschmack. Der verwöhnteste Büchcrlicbhabcr wird aus seine Kosten kommen. Meiw Snmatrabuch von Helge KaarSbcrg, llelersetzt von Erwin MagnnS. Franz Schneider Verlag, Berlin, Leipzig, Wien »nd Bern. Dieses Buch hat einer geschrieben, der in sein?» Ingend- jahrcn von dem Drang in die Ferne ergrissen wnrd:. Er ist ein Nordländer, aber das heiße Blut des Süden- steckt in seinen Adern, völftg mittellos verließ eines Tages KaarSbcrg sein: Heimat und nach Ueberwinduna vieler SLwieriakelteu oclangti.
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