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Bittrrfeld, 27. Juli. In einer hiesigen Fabrik wurde der Schlosserlehrling Höfer, der mit dem Aufziehen von Baumaterialien beschäftigt war. von einem abgleitenden Wasserleitungsrohr derart aus den Kopf geschlagen, daß er nach wenigen Minuten seinen Geist aufgab. Erfurt, 27. Juli. Im benachbarten Osthausen (bei Kranichfeld) sollte ein 14 Jahre alter Tagelöhner seinem Herrn, einem Gutsbesitzer, die Jagdflinte mit Munition aufs Feld bringen. Als der junge Mensch unterwegs die 16 Jahre alte Emmi Schumann mit ihrem 1^2 Jahre alten Brüderchen auf dem Arme sah. legte er. wie er an gibt, scherzweise auf das Mädchen an. Es löste sich ein Schutz und Mädchen und Kind wurden so unglücklich am Kopse getroffen, datz das Kind sofort tot war und die Emmi Schumann mit zerschmettertem Schädel liegen blieb. In hoffnungslosem Zustande wurde sie ins Krankenhaus zu Arnstadt geschafft. Gerichtssaal. Dresden, 27. Juli. Wegen unbefugter Füh rung des Adelsprädikates, sowie wegen Ur kundenfälschung hatte sich der Geigenvirtuos An ton Haindl aus Prag vor dem hiesigen Landgerichte zu verantworten. Haindl ist 25 Jahre alt und seit zwei Jah ren mit einer »och einmal so alten Jüdin verheiratet. Er ließ sich seinerzeit in London unter dein Namen „Hendl zu Goldrain und Castellbell" trauen und wurde anfangs die ses Jahres in einem hiesigen erstklassigen Hotel verhaftet. Auch hier hatte er das Adelsprüdikat unbefugt geführt und mehrfach eine Osfiziersuniform der österreichischen Ester hazy-Husaren, sowie verschiedene Orden getragen. Seine Möbel hatte er bei einein Spediteur in Wiesbaden einge stellt und bei einer Magdeburger Feuerversicherungsgesell schaft versichert. Vor zwei Monaten sandte er ein mit Anton Freiherr Haindl v, Berneck unterzeichnetes Schrift stück an die Gesellschaft, in dem er wünschte, daß die auf seinen Künstlernamen lautende Versicherung ans den unter dem Schreiben stehenden Name» umgeschrieben werden sollte. Hierdurch machte sich der Geiger einer Urkunden fälschung schuldig, weshalb er zu zwei Wochen Gefängnis und drei Wochen Haft verurteilt wurde. Da beide Strafen durch die Untersuchungshaft für verbüßt galten, konnte Herr Anton Haindl das Gerichtsgebäude sofort verlassen. Kunst und Wissenschaft. Die Internationale Katholische Union. Bei den zur zeit in Augsburg tagenden Esperandokongressen ist es für die katholische Welt sicher von Interesse, etwas von der In ternationalen katholischen Union oder, wie sie jetzt heißt: „Jnternacia Katolika Unuigo Esperantista" zu hören, die sich ebenfalls des Esperanto als Verkehrssprache bedient. Diese Union hat bereits den hohen Mitgliederstand von rund 18 000 Mitgliedern erreicht, die sich auf 23 Länder verteilen und in allen größeren Städten eigene Delegierte besitzt. 1003 gegründet und unter dem Protektorate des Erzbischofs von Paris stehend, sind ihre vornehmsten Ziele und Hauptaufgaben: Annäherung und Vereinigung der Katholiken aller Länder zur Achtung gebietenden Phalanx gegenüber dem Unglauben und gegenseitige Förderung vitaler Interessen auf dem Gebiete des Handels und Ver kehrs. Vom heiligen Stuhle gutgeheißen und mehrfach ausgezeichnet — so zuletzt auf dem ersten katholischen Kon gresse in Paris, zu dem der heilige Vater Glückwunsch und Segen in einem in Esperanto verfaßten Telegramme sandte — Se. Heiligkeit hat am Vatikan einen eigenen Delegier- ten der Union zugelassen — besitzt diese Gesellschaft auch in Bayern einen Landesverband, der mit seinem Schwesterver- bande in Oesterreich bereits eine ansehnliche Mitgliederzahl aufweist. Durch das freundliche Entgegenkommen des Zen tralvorstandes des Volksvereins für das katholische Deutsch land und der Zentralstelle religiöser Männervereine des Rheinlandes stehen weitere Gründungen von Landesver bänden innerhalb Deutschland bevor. Anläßlich der 57. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands wird in Augsburg, Hotel Eisenhut, eine Sonderversammlung der Union tagen, die mit dieser Versammlung einen Vor trag und eine Esperantoausstellung verbindet. Interessen ten ist der Zutritt gern gestattet. Möge es der „Katolika Unuigo Esperantista" beschieden sein, zumindestens gleich wertig anderen großen Esperantogesellschaften, wie der „Universala Esperantista Asocio", an die Seite gestellt zu werden, zum Besten unserer katholischen Weltanschauung und nicht zuletzt unseres Glaubens selbst, um dessenwillen seine Anhänger Anfeindungen erdulden. Möge die „Kato lika Unuigo Esperantista" ein Beweis mehr sein dafür, daß wir Katholiken, unserer Stellung in der Welt bewußt, kei nen Schritt hinter jenen zurückstehen, die uns so gern In feriorität vorwerfen. Vermischtes. V „Verschämte" Ar NI u t. Die Nürnberger Armen pflege hatte das Unterstützungsgesuch eines Mannes abge lehnt, der 43 Mark Wochenverdienst hatte. Er beschwerte sich dann über dis Ablehnung seines Gesuches bei der Provinzialregierung und diese ermittelte, daß der Unter stützungsbedürftige das erste Vorstandsmitglied des Freß- vereins „Stopfer" ist! v „ Papsthistörche n." In H. Dekker „Auf Vor posten im Lebenskämpfe" (Stuttgart, Kosmos, 1910, S. 30) wird folgendes erzählt: „Bei der Krönung Pius X. trug sich ein betrübendes Ereignis zu. Ein armer Knabe sollte bei dieser Feier als Engel erscheinen und wurde dazu am ganzen Körper vergoldet Nach dieser Vergoldungsprozedur wurde er schlaff, hinfällig und starb in der folgenden Nacht " — In Kreisen, die an den Vorbereitungen zu? Krönungsfeier des jetzigen Papstes mitgewirkt haben, ist von der ganzen Geschichte nichts bekannt. v Die Hochzeit der alten Jungfer. Auf eine groteske Idee ist — es muß natürlich in Amerika sein — in Atchison (Kansas) ein Mädchen verfallen, das schon weit das Alter überschritten hat, in dem Frauen eine An ziehungskraft auf Männer ausüben. Sie hat, um wenigstens Hochzeitsfreuden zu schmecken, eine Vermählungsfeier ver anstaltet. bei der es keinen Bräutigam gab. Die alte Jungfer lud ihre zahlreichen Freundinnen zu dieser selt samen Hochzeit ein, und da auf den Einladungen der Name eines glücklichen Bräutigams fehlte, fand auch der Jnten- viewcr der in Atchison erscheinenden Zeitung „Globe" seinen Weg zu der ältlichen Miß, um Erkundigungen darüber einzuziehen, warum der Name des Bräutigams unterdrückt worden sei. Der Journalist wurde bald eines Besseren belehrt. Die „Braut" teilte ihm kurz und bün dig mit, daß dieses einmal eine Hochzeit ohne Bräutigam sei. Und als den Grund zu der „Hochzeit" gab sie an, datz sie, nachdem sie ihr Leben lang zahlreiche Hochzeitsgeschenke an alle möglichen Bräute verschenkt hätte, jetzt auch von diesen zum Entgelt Geschenke zu erhalten hoffe. „Ich weiß nicht," so schloß die Hochzeit feiernde Jungfer, „was mein Vater mir schenken wird, aber ich hoffe, es wird kein Bräutigam sein." Literatur. Griebens Reiseführer. Band 139. Weimar und Um gebung. (60 Pf.) Verlag von Albert Goldschmidt, Ber- lin — Als neuer Band in der beliebten Sammlung von Griebens Reiseführern ist soeben ein zuverlässiger Führer durch Weimar und Umgebung erschienen. Von großer Sorgfalt zeugt die Beschreibung der von den Dichter fürsten geweihten Stätten sowie der zahlreichen Museen und Sammlungen, die dem neuesten Stande entspricht, auch die erst vor kurzem erfolgte Neuordnung des Goethe- Museums und des Großherzoglichen Museums ist berück sichtigt. Die nähere Umgebung von Weimar mit Len Schlössern Belvedere, Tieffurt und Ettersburg ist ausführ lich geschildert. Juristischer Stutgeber. Nurkünste über juristische A,,trugen werden uiileren Momenten an vieler Stelle erteilt. Nur bitten wir,'der Anfrage 20 Pf. I» Briefmarken zur Deckung von dort», ouSIagen bcizulegen. — Für die Äurkünsle übernehmen wir keine Berantwortung IL. V, Leipzig. .Darf ich als Jagdberechtigter die in meinem Jagd-Revier angelroffenen Kotzen töten?" — Durch ver schiedene Provinzialgesetze ist dies direkt erlaubt. Im allgemeiner, ist aber die Lötung nur gestattet, wenn sich der Jagdberechtigte in Ausübung berechtigter Selbsthilfe befindet, d. h. wenn das Tier Schaden zufügt und dieser nur durch Tötung abgeweudet werden kann, auch der Wert des Tieres zu dem verursachten Schaden nicht im Mißverhältnis steht. Kerner ist die Tötung immer erlaubt, wenn die Katze herrenlos ist, d. h. wenn sie die Gewohnheit ange nommen hat, nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Spielplan der Theater in Dresden. Rsriigl. OperE«»*. Bleibt bis mit Il>. September geschlossen. rklruigl. rchanfpirlhaa«. Vom 7. August bis 10. September finden die Opernvorstellungev im König!. Schauspielhause statt. Refiderrzthealer. Freitag: Alt-Heidelberg. Ansang 8 Uhr, Sonnabend: Zwei glückliche Tage. Anfang 8 Uhr. Zentral > Theater. Freitag und Sonnabend: Im Klubsessel. Anfang 8 Uhr. Konzerte. König!. Belvedere Auf. 8 Nhr. Große Wirtschaft Ans. 4 Uhr. AnsstellungSpalast Ans. Vz8 Uhr Loschwitzhöhe (Herrmann) Ans. Uhr. VarlstsS. Kleines Theater (Hofbräu-Kab) «ns. >/rS Uhr Flora-Bariütü (Striesen) 9 Uhr Königiihof (Strehlen) Auf. 8 U- Deutscher Kaiser (Pieschen) 8 U. Splelpla» der Theater i» Leipzig. Reue« Theater- Freitag Der fidele Bauer. Sonnabend: Zwei glückliche Tage — Altes Tbeater. Freitag geschloffen. Sonnabend: Der Graf von Luxemburg. — Schauspielhaus. Bis Montag: Thäodore L Cie. - ReneS Operetten Theater (Zentral-Tbe.it?>). Bis Montag! Pariser Schattenspiele. — 150 — „Gewiß — er ist drüben in der Badeanstalt, um nach einigen der ganz Schwerkranken zu sehen. Er muß jedoch jeden Augenblick wieder zurück kommen." „Gut, so werde ich ihn am Portale erwarten." Tainit ging er, den Hut ziehend, in den Garten. Lange brauchte er auch nicht zu harren, da erschien der Doktor. Er war nicht weniger erstaunt als sein Sohn, den Künstler so zum Ansgehen ge rüstet zu sehen. „I. was ist denn das, Herr Sangesbruder? Wollen Sie mir etwa aus- kneifcn — che Sie Ihre Kur —" „Im Gegenteil, Herr Doktor — ich will niit Ihnen gehen — ich höre eben von Ihrem Herrn Sohn, daß Sie nach dem Seebade fahren — und da ich heute früh mir Dispens von der Kur bitten und dafür einen größeren Spaziergang machen wollte, so —" „So wollen wir diesen Spaziergang — oder Ausflug zusammen machen? Topp, Las ist schön! Und außerdem haben Sie sich ja auch schon ganz wunder bar erholt, seitdem Sie hier sind. So kommen Sie denn, ich bringe Sie so gleich zu meiner Frau und stelle Sie als „Reisegefährten" vor. Ich ziehe nur einen anderen Nock an und dann geht's in einer Viertelstunde los." Als Dr. Hildebrand seine Frau mit der Absicht des Gastes, mitzufahren, bckaniu machte, schien diese davon nicht sehr erbaut zu sein, wenigstens klang das: „O — das ist ja sehr angenehm," nicht allzu begeistert. Wally aber, die ebenfalls im Zimmer toar, sagte mit vorzüglich gespieltem Erstaunen: „Ah — Herr Brachvogel, Sie fahren auch mit? Nun, das ist ja prächtig." „Wenn Sie das auch finden, inein gnädiges Fräulein," sagte der andere, sich respektvoll verbeugend, „so bin ich dem Geschick doppelt dankbar, das mich heute bei so vorzüglicher Stimmung hat anfwachen lassen!" Ter Doktor verschwand, sich entschuldigend, aus dem Zinimer. in welchem nun eine etwas befangene Stimmung herrschte. Die Mutter packte ihren Pompadour, in welclfem verschiedene belegte Butterbrötchen und namentlich eine Flasche Portwein mit Glas Platz fanden. „Unsere Kleine ist nicht davon abzubringen, datz eine Fahrt in See gemacht werden soll," sagte sie ein wenig verdrießlich. „Lieben gnädige Frau das auch nickst," fragte Brachvogel sehr eifrig. Sie sah ihn erstaunt an. — Sollte sie in ihm einen Bundesgenossen ge sunden haben? „Sie etwa nicht, Herr Brachvogel?" Er zuckte die Achseln. „Weiß nicht, gnädige Frau. Ich bin noch niemals See gefahren." „Ach — und da Nüssen Sic olso auch nicht, ob sie seefest sind oder nicht?" „Nein, gnädige Frau — und ich muß gestehen, ich hätte eS lieber ein mal allein probiert!" „Na ja — dann unterbleibt cs," entschied die Mutter — „es gibt drüben so viel Amüsement —" „Ach nee — Muttchen," rief da aber Wally aus, „gibt's nicht! Ihr habt's mir versprochen -4- und —" — 151 - „Aber Kind!" „Und um der Seefahrt willen habe ich euch ja einzig und allein gebeten, den Ausflug zu machen — um die Seefahrt und ums Theater." „Gut, wenn du nicht willst, so könnt ihr beide allein fahren, Papa und du. Friedrich kann mit dem Wagen gleich wieder zurückfahren, nachdem er euch hingebracht und ich hole euch dann ab, fahre aber so früh, daß wir alle zusammen ins Theater können!" „Kind, das ist Unsinn! Was uns schon an einem Ausflug liegt? Du solltest es wissen, daß wir weit lieber zu Hause bleiben und nur dir zu Gefallen fahren wollen — aber du mußt doch schließlich auch einseheu, daß wir nicht an die Dampferpartie denken können, wenn wir einen Gast mitnehmen, der noch nie See gefahren hat." „Ach wo — der und sich fürchten!" und Wally tänzelte laut lachend im Zimmer umher. „Aber Wally!" „Ein Heldentenor, der sich fürchtet —" „Was gibt's denn hier," fragte Dr. Hildebrand, der in diesem Moment wieder ins Zimmer trat. Als er den Sachverhalt erfahren, sagte er: „Wally hat ganz recht! Es wird See gefahren." „Bravo, Papa, bravo!" „Aber Emmerich, warum denn nur?" „Warum denn nur nicht, Lorchen? Wir sind Loch beide seefest?" „Aber ich vertrag's nicht mehr so viel wie früher — und wenn Herr Brachvogel —" „O, verlaß dich darauf, dem schadet es nichts, da kann ich gleich mal grllndlichst ernntteln, wie es eigentlich mit seinem Nervensystem nach dem Knrgebrauch im Grunde steht." „Aber was hat man denn nur von einer Seefahrt?" wandte Frau Leonore ein — „da fährt man doch meist an der Küste entlang, kaum soweit, daß man das Ufer aus den Augen verliert — da bekommt doch niemand einen Begriff von einer Seefahrt, der den Fuß zum ersten Male an Bord eines Schiffes setzt! Ja, wäre es eine Fahrt nach Kopenhagen, nach Memel oder Riga, dann —" „Und wie wolltest du das denn vertragen, wenn du dich vor solch einer kleinen Fahrt fürchtest? Nee, Muttchen, es wird gefahren!" „Bravo, Papachen, bravo!" Der Diener kam und meldete, daß angespannt sei. Der Sänger belud sich mit den Jacketts und Sonnenschirmen der beiden Damen und Leonorens Pompadour und schritt mit etwas verdrießlicher Miene hinter der Familie Hildebrand her. Bald rollte der Wagen aus dem Hostor hinaus, ohne daß jemand davon Notiz nahm. Die Kranken waren sämtlich in der Heilanstalt, von den Gesunden hielt Franziska in Vertretung ihrer Tante in der Küche das Regiment aufrecht, während Paul Schwarzenberg zum Fluß hinunter gegangen war, um zu angeln und Anna Sterzinger in der Hängematte lag und las. „Ein herrlicher Morgen," rief Wally begeistert, „o, wie muß heute die See spiegelglatt und eben sein."