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UH' i sie doch unheilvoll genug. Der Wirklichkeitssinn unserer Jugend wird zerstört, es wird ein schwächliches Geschlecht groß werde», deren überreizte Nerven sie zu kräftigem Handeln unfähig »mcht. Als Kampfmittel ist zunächst die direkte Abwehr der Schundliteratur zu fordern. Jeder Ein zelne soll hier eiugreisen, Aufklärung schaffen und von sich selbst jedes Werk der Schundliteratur abweisen. Wen» alle Elter» ihre Kinder treulich hüteten, wenn alle Kauf leute, .Handwerksmeister »sw. die ihnen Anbefohlenen väter lich betreute», dann können alle Verführer zu den gefopp ten Teufeln gezählt werden. An zweiter Stelle kommt der Staat als Gesetzgeber in Betracht. Es scheint, das; infolge der aiischwellenden Schmutzflut die Abneigung gegen ein gesetzgeberisches Einqreiscu mehr und mehr schwindet. Bei der großen Gefahr muß eine vernichtende Bestimmung ge schaffen werden. Ten ersten Schritt hat ja bereits die Ham burger Bürgerscl-ast getan, indem sie den Bundesrat um Verschärfung der Bestimmungen zum Schutze unserer Ju gend ersuchte. Noch.einen Schritt weiter ist die Hamburger Polizei gegangen, indem sie den Zeitungshändlern unter Androhung der Koiizessiousentziehung den Verkauf einer ganzen Anzahl von Werken der Schundliteratur verbot. Durch Ministerialerlasse vermag schon viel Unheil verhin dert werden. Besonders hervorzuheben ist das Vorgehen zahlreicher Schulbehörden, die schon manche Erfolge erzielt haben. Sehr viel kann auch der Lehrer erreichen durch Auf klärung der Eltern, durch Belehrung der Kinder, durch Ausgestaltung der Schulbibtiothek »sw. Endlich ist aoch zr- erwähnen die Arbeit in Organisationen, gutwillige Händler könne» sich zusammentun und den Vertrieb von Schundliteratur ablehnen, es können sich die Käufer zusam menschließen zum Boykott solcher Händler, die literarischen Schund feilhalteu, wie das mit schönem Erfolge in Göttin gen geschehen ist. Anerkennend ist zu gedenken des Volks- bnndes zur Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild, des Borromäusvereins und des Türerbundes. Die Be kämpfung des Schundes erfordert eine scharfe Abwehr. Das Herantragen des Schmutzes an die Jugend muß durch Ge setz verhindert werden, soweit das möglich ist. Ter wirk samste Gegenstoß ist und bleibt aber die Darbietung guter Bücher. In diesem Zusammenhänge ist die Bedeutung von Volksbibliotheken ohne weiteres klar. Auch für die Versorgung des Volkes mit guter Literatur ist von mehre ren größeren Verlegern gesorgt. Aber viel ist noch zu tun. Und darum mögen sich alle guten Kräfte zusammcnschließcn zum Segen unseres Volkes. (Lebhafter Beifall.) In der Diskussion betont Tr. Weber-Elberfeld die Notwendigkeit der Kontrolle der Bahnhofsbuchhandlungen. ferner weist Nedner darauf hin, daß vor allem auch die ge bildeten Stände mit gutem Beispiele vorangehen müßten, was heute leider nicht der Fall sei, wie die Verbreitung des Siinplizissimus beweise. Ter Vertreter des Vörsen- vereins der deutschen Buchhändler Dr. F ü r st e n w e r t h- Leipzig versichert die Bereitwilligkeit des Vereins, an der Bekämpfung der Schmutzliteratur mitzuwirkeu. Professor Tr. B r u n »er- Pforzheim weist auf die schädliche Sen sationsmache einer gewissen Presse hin, durch die die vor- handenen niedrigen Instinkte geweckt würden. Auch müßte die Kontrolle der Verleger pornographischer Dinge eine viel schärfere sein. Tie Strafe müsse ganz erheblich ver schärft werden: Geldstrafen nützten gar nichts, da sie durch ein gutes Geschäft gedeckt würden: Ehrenstrafen müßten an ihre Stelle treten. (Sehr richtig!) Anzustreben sei eine Aenderung der Gewerbeordnung, damit die obszönen Aus- lagen beseitigt werden könnten. Leider urteilten die Ge richte oft viel zu milde und schreckten dadurch die Gutge sinnten ab. sich weiter zu betätigen. Endlich fordert Red ner, daß sich jeder anständige Mensch vom Simplizissimus seruhalte. (Lebhafter Beifall.) Schriftsteller Muschner- Münche» führt aus, daß die Angriffe auf die Kolporteure in ihrer Allgemeinheit heute nicht mehr zuträfen. Gegen früher habe sich schon vieles gebessert. Bibliothekar Dr. E a s pa r i - S e v e r k u s e n warnt vor einem zu unver mittelten Uebergange von schlechter zu guter Literatur. Das Volk müsse sich erst emporlesen. Besonders müsse da für gesorgt werden, daß die Bahnhossbuchhandlungen ange halten seien, gute und billige Bücher feilzuhalten. Gene ralsekretär der Deutschen Tichter-Gedächtnis-Stiftung Dr. Eoerper - Hamburg bezeichnet als eins der besten Mittel zur Bekämpfung des Schundes Spiele und Turnen der Jugend. Darauf wird die Debatte geschlossen. Tie Nachmittagssitzung am Dienstag stand im Zeichen der Fürsorge für die schulentlassene Ju gend: es war eine Spezialkonferenz für Jugendvereins- Iciter nslv. Als erster Redner sprach Professor Dr. Koch- Brannschiveig über den Wert des Turnens, Spielens und Wanderns für nationale staatsbürgerliche Erziehung. Seine Ausführungen gipfelten in etwa folgenden Gesichtspunk- len: Der Betrieb der Leibesübungen mit der schulentlasse nen Jugend muß neben Tüchtigkeit des Körpers auch Cha rakterbildung und Förderung der Moral herbeiführen und besonders auf die Pflege eines nationalen Sinnes gerichtet sei». Tie Uebnngen sollen betrieben werden in dem Be wußtsein, daß damit eine vaterländische Pflicht erfüllt wird. Um das zu erreichen, sollen an vaterländischen Gedenktagen Vorführungen usw. veranstaltet werden. Bei der Austvahl ton Spielen und Uebnngen sind alle die zu bevorzugen, die lei allen Teilnehmern das Gefühl der Zusammengehörig- teit und in jedem Teilnehmer das Gefühl der Verantwort lichkeit zu wecken geeignet sind. Auf Wanderungen wird die rechte Wanderlust am besten blühen, wenn die Teil nehmer möglichst selbständig sind, aber Selbstzucht zu üben und den Geist gcgenseitiger Hilfe zu benutzen lernen. (Bei- uill.) Als zweiter Redner behandelte Fortbildungsschul- l irettor Tr. S t r a t h m a n n - N'Jdorf das „Turnen, Spiele» und Wandern im Jugendvereine und an a->- 7 bildungsschnle, namentlich auch als Ausgangspunkt für umfassendere Jugendpflege". Ter Nedner führte etwa fol gendes aus: Das Erwerbsleben mit seinen sich mehr und mehr steigernden Arbeitsleistungen, der zunehmende Man gel an geeigneten Plätzen für Erholung und Bewegung im Freien legen den Fortbildungsschulen und Jugendvereinen die Pflicht ans, zur Pflege der körperlichen, sittlichen und sozialen Gesundheit der Schulentlassenen nach Kräften bei- zntrage». Zur Durchführung dieser Aufgabe ist der obli gatorische Besuch der Fortbildungsschule vom 14. bis 18. Lebensjahre und ein mindestens zweistündiger Turnunter richt erforderlich. Dieser Unterricht reicht allerdings bei weitem nicht aus-, um die Gesundheit dauernd zu kräftigen, es müssen vielmehr auch die Pausen zu körperlichen Uebuu- gen im Freien ausgenutzt werden. Daneben ist es er wünscht, daß freiwillige Turn«- und Wandervcreine auf Grund der Selbstverwaltung gegründet werden. Die Lei besübungen werden endlich dadurch gefördert, daß sowohl staatliche wie städtische Behörden, Innungen und Unter- nehmer durch den Besuch turnerischer und sportlicher Ver anstaltungen ihr Interesse bekunden und der Jugend da durch einen Ansporn zu reger Beteiligung geben. Beson derer Wert ist auf die Anlegung von Spielplätzen in den großen Städten zu legen, was heute fast immer vernach lässigt wird: die einzigen deutschen Städte, die ausreichend mit Spielplätzen versehen sind, sind Dresden, München, Breslau und Mannheim. (Beifall.) In der Diskussion betont Professor Ra y d t - Leipzig, daß es vor allem auch Aufgabe der Fortbildungsschule sei» muß, de» Mannesmut und Lebensmut zu stärken: wie sehr gerade das letztere nötig sei, bewiesen die zahlreichen Selbstmorde von Jugendlichen in neuerer Zeit. Geheimer Oberregierungsrat Dr. v. Se e fe l d - Berlin hebt die er freuliche Entwickelung der Fortbildungsschule in Preuße» hervor. Tie geringe Beteiligung an dem Turnunterrichte liege nicht an einem Mangel an Ermunterungen durch die Behörden, sondern an den Volkssitten und Empfindungen. Einem obligatorischen Turnunterrichte stehe er nicht grund sätzlich ablehnend gegenüber. Hierauf werden die Weiter- vrrhandlnngen auf Mittwoch vertagt. Vermischtes. V Ein preußischer Geheimrat als Mönch gehört jedenfalls zu den Seltenheiten. D.'r frühere Gymnasial- direktor Prof. Dr. Wilhelm Schulte, langjähriger Leiter des kathol. Ghunasiu-ns in Glogau, ist am eisten Pfi igs!» feie-tage nach Ablauf der Noviziats als dienender Bruder unter dem Namen Lambertus in den Franziskanerorden zu Neiße e ng'trcten. v Ein w ü r d i g e r G r e i s nahm in Nom von neuem das Joch der Ehe auf sich. Es handelt sich um den 94 Jahre alten Doyen der Senatoren, Fenali, der sich mit einer 81jährigen Dame verheiratete. 100 Senatoren nahmm an der eigenartigen Feier teil. Als Zeugen dienten ein OZjähriger früherer Gesandter und ein 89jähriger früherer Jnstizminister. Lpielplan der Theater in Dresden. Stvutgt. QperuhcmS. Freitag: Ter Bajazzo, C izilianische Bauernehre. Ans. »/^Uhr. Sonnabend: Madame Butterfly. Anfang >/z8 Uhr. KSmgl. Gchampielhao». Freitag: Wienerinnen. Anfang '/z8 Uhr. Sonncbend: Die goldene Freiheit. Anfang >/z8 Uhr- SteKde«»th»at«r> Freitag: Die Förster-Lhrisil. Anfang 8 Uhr. Sonnabend: Jabuka. Anfang 8 Uhr. Zentral-Theater. Freitag und Sonnabend: Der dunkle Punkt. Anfang 8 Uhr. VartötS». Kleines Theater (Hofbräu-Kab.) Ans. '/,9 Uhr. Flora BarlStü (Striesen) 8 Uh, KöntgShof (Streht.-n> vwf v Deutscher Krtser (P. scheu) 8 U. Konzerte. König'. Beweder« An«. '/,8 Uhr. Große Wirtschaft Ans 4 Uhr. AuSstellungSpalost Ans. 8 Ubr Loschwitzhöbe (Herrmann) 5 Uhr. Lptelpla» der i» LetPHiz «eurS Theater. Freitag: Lärmen. Sonnabend: Der Tcntüfs, hierauf: Gezierte Frauen. — Altes Theater. Freitag und Sonnabend: Geschlossen. — Schauspielhaus. Bis 18. Juni geschlossen. Beginn der Sommersaison: Donnerstag den 16. Juni. - Neues Operetten Theater. (Feotral - Theater). Freitag bis Montag: Der Regimentspapa. — 82 — — 83 - „Ich gebe auch nichts zu. Nur beendet möchte ich dieses Gespräch sehen." Und mit flammenden Blicken weist sie nach der Tür. Doch Norbert rührt sich nicht pom Flecke. Eine unheimliche Ruhe ist über ihn gekommen. „Vor kurzem, als ich dir aubot, deine Mitgift zurückzuziehen — da widersetztest du dich mir. Jetzt, nach dem gestrigen Abend befehle ich es dir!" sagte er kalt. „Ich will nichts von dir haben. Mag aus Schloß Eichwald werden, was will! Ich selbst verlasse morgen England und gehe in die weite Welt. Wohin, ist gleichgültig. Tn wirst mich nie Wiedersehen!" Er glaubte ruhig zu sei». Und doch überwältigt ihn die Erregung. Er macht eine Panse und geht ein Paar Schritte ans und ab. So sieht er nicht, lvie sein Weib znsaminenzuckt bei seinen letzten Worten, wie tödliche Blässe ihr Antlitz überzieht. Hätten die beiden einander in dieser Sekunde angeblickt, hätten sie ihren Stolz auch nur für einen Moment vergessen, hätte eines von ihnen auch nur ein versöhnliches Wort gesprochen — sie wären einander in die Arme gestürzt. Aber jedes sieht starr vor sich hin. Jedes glaubt sich durch den anderen »in sein Lebensglück betrogen. Und jedes — schweigt! „Leb wohl!" sagt er endlich leise, indem er nach der Tür zu schwankt. „Ich fühle keinen Haß gegen dich! Suche zu vergessen!" Auch jetzt erwidert sich nichts. Noch einmal wendet er sich. „Hast du kein Abschiedswort für mich, Dolores?" Sie schüttelt den Kopf. Tau», einem plötzlichen Impulse folgend, schreit sie auf: „Tu glaubst mich schuldig! Tu, du! . . . Ich halte es für unter meiner Würde, mich zu verteidigen. Aber das will ich dir noch sagen: schon seit dem Tage unserer —" sie stockt — „unserer Hochzeit weiß ich, daß du eine andere liebst. Ich hörte es aus ihrem eigenen Munde, als sie dich aufs neue ihrer Liebe versicherte — diese Schlange Lady ArabellaI" Wie ein Ertappter steht er vor ihr, mit gesenktem Kopfe, keines Wortes mächtig. — Bitter lacht sie auf. „Aha, jetzt schweigst dul Jetzt begreifst du manchesl Du glaubtest, mich zu kenne»: ober du kauutest mich nicht im geringsten. Du wußtest nicht, daß damals ein unauslöschlicher Haß in mein Herz gesät wurde — Haß gegen jenes falsche Weib und — gegen dich! Wir „Wilde" —" wieder lacht sie höh nisch auf — „sind stark im Lieben wie im Hassen. Entweder das eine oder das andere. Ein Zwischending gibt es nicht für uns!" Sie wendet sich und geht zur Tür. Da regt cs sich »och einmal in ihm mit aller Macht, das allgewaltige, alles bezwingende Gefühl der Liebe zu seinem Weibe. „DoloreSI" murmelt er mit halb erstickter Stimme. Doch Rose hat bereits das Zimmer verlassen. 16. Eine sterncnlose Nacht. Noch liegt Schloß Eichwald in tiefem Schlafe. Die junge Schloßherrin aber steht reisefertig in ihrem Boudoir — vor ihr eine kleine Handtasche. Stundenlang hat sic gegrübelt . . . Mit unumstößlicher Gewißheit weiß sie: hier bleiben kann sie nicht. Wohin sie will — vorläufig ist sie sich selbst darüber noch nicht klar. Nur fort! Fort! Sie lehnt am offenen Fenster und blickt hinaus in den finsteren Park. Nichts zu erkennen. Alles schwarz. Sie ergreift die Reisetasche und will daS Licht auslöschen. Da fällt ihr Blick auf ihren Trauring. Sie hebt die Hand und sieht den schmalen Goldreifen an — lange . . . lange — — Dann streift sie ihn ab vom Finger und steckt ihn in ein Kuvert. In fliegender Hast schreibt sie die Adresse darauf: „Lord Norbert DouglaS." Das Kuvert legt sie mitten auf den Tisch. Jetzt den Pelzmantel umgehäugt und den Hut aufgesetzt. Noch einen laugen wehen Blick läßt sie durch das Zimmer gleiten, wobei cin tiefer Seufzer ihre Brust hebt. Daun öffnet sie die Tür und lauscht . . . Alles still. Nur das Ticken der großen Wanduhr im Vestibül. Und das laute Schnarchen Neros. Sie löscht daS Licht aus und geht mit leisen Schritten die Halle entlang. Ungesehen will sie das Schloß verlassen. Nicht aus Furcht, man könne sic an ihrem Vorhaben hindern. Kein Mensch in der ganzen Welt würde das fertig bringen. .Seit sie den Trauring abgestrcift, hat sic aufgehört, Lady Douglas zu sein. Die „wilde Rose vom Kaplaud" verläßt den -Ort, wo sie nicht hingehört. Vor einer Tür bleibt sic stehen. Die unnatürliche Ruhe ihres Antlitzes macht tiefer Bewegung Platz. Tie Tür ist imverschlosse». Sie führt in das Schlafgcmach des Herzogs. Und eine plötzliche Sehnsucht überfällt die einsame Frau, das gute alte Gesicht noch einmal zu sehen, das ihr stets so freundlich zugelächclt, daS noch gestern abend liebevolle Worte zu ihr gesprochen. Sie tritt ein. Der Herzog liegt in seinem großen Himmelbett. Die schweren Weißen Camtvorhäiige sind halb zugezoge». Auf dem Nachttischcheu brennt eine kleine Nachtlampe. Auf den Fußspitzen nähert sich Rose. Der Greis schläft ruhig. Tiefer und tiefer beugt sich der dunkle Mädchenkopf herab, bis die Lippen die bleiche Stirn berühren. Eine heiße Träne rinnt auf das runzelige Gesicht. Der Herzog bewegt sich nicht. Er wacht auch nicht auf. Aber ein stilles Lächeln verklärt eine Sekunde lang die welken Züge.