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Lvv — LI. Jahrgang. Mittwoch de« »1. August LVL» »scheint «2,Nch »ach«- «USu»na-p,e »er Conn- und Festtage Lv»«,ad» 1 mit .Die Zeit in «ort und Bild» diert-Ijährltch »IO In Dresden durch Boten »40 In gcur» Deutschland >ei Hau» ».8« in Oesterreich 4,4» L » ohne illustrierte Betlaae dierteljührlich 1,8V ' Dresden durch Voten »,I0 Ft. In gan. Deutschland frei >u» ».»» in Oesterreich 4.V» L. - »tnzei-Nr. 10 4 L Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate «erden die «aespnltene Petitzeile oder deren Raum «V 8V 4, Reklamen mit SO 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholung«, entsprechenden Rabatt, Buchdrucker«!, Redaktion und Beschiift-ftrNei Dre»drn, Pillat-er Strafte 4». — stcrnsprccher ISS« Aii» Rückgabe nuderlannt. Bchristftiickeketnei'SrrdtlldiichSÄt Redaktion».Sdreidium^e: t> biS I» Uhr. Ois lroston 6rkri8Lkun§8-6onbon8 Istunck LF null 20 unonldsprlioii uuk Rsissn und wusgiigon, orbulton 8is doi Eeriing 8c stoctzstroii, Drescien. MoäorlugSQ iQ ullsll 8taättoilsn. >-U6 Rachklänge zum Katholikentage. Der Katholikentag wird in der nichtkatholischcn Presse immer noch lebhaft besprochen. „Die schwarze Woche" ist der Leitartikel der Sonntagsnnninier des „Vorwärts" >Nr. 192) überschrieben. Was der „Vorwärts" an dem Ka tholikentage vor allem auszusetzen hat, ist das, daß er keine Unstimmigkeiten zwischen den deutschen Katholiken und der kirchlichen Autorität entdecken konnte: „Das Zentrum hat sich Nom unterworfen. Seine Führer wagten der kirchlichen Autorität gegenüber keine Einschränkung der Gehorsams pflichten mehr, und so oft auch in Aachen die Bereitwillig keit, dem Papste zu folgen, bekundet wurde, es geschah ohne die geringste Verwahrung. . ." Die deutschen Katholiken haben niemals eine Einschränkung gemacht, wenn sie dem Heiligen Stuhle in kirchlichen Dingen ihren Gehorsam ver sicherten. Wenn der „Vorwärts" sagt, das Zentrum habe sich Nom unterworfen, so ist das weiter nichts als eine Phrase, die allerdings auch der „Tägl. Rundschau" , (Nr. 386) gefällt. „Es scheint," so schreibt das Blatt, „schlecht Wetter in Nom zu herrschen für das deutsche Zen trum, das es für nötig hält, seinen Gehorsam mit so demüti ger Weinerlichkeit zu versichern, wie ein gestraftes Kind, das die Nute erhalten hat" Der „Vorwärts" und auch die „Tägl. Rundschau" wissen ganz genau, daß der Katholiken tag kein Zentrumsparteitag war, sie wissen auch, daß für die politische Zentrumspartei gar kein Anlaß vorlag, sich „Rom" zu „unterwerfen". Uns wenigstens ist von Zwistig keiten, die zwischen dem Heiligen Stuhl und dem deutschen Zentrum bestanden hätten, nichts lekannt. Die paar Dutzend Außenseiter, die zur großen Freude der liberalen Presse ausgerechnet vor dem Katholikentage so viel von sich reden machten, bedeuten noch lange nicht die römische Kurie. Und wenn der „Vorwärts" und die „Tägl. Rundschau" noch eine ganz schwache Hoffnung haben, die Kurie würde schließlich doch noch im Sinne jener paar Eigenbrödler handeln, dann dürften sie sich gründlich täuschen. Besondere Aufmerksamkeit widmen die Blätter der Rede des Jesuitenpaters Kohausz. Der „Vorwärts" nennt sie eine Hetzrede, eine „Rede wider die aufstrebende Arbeiter klasse". Die „Tägl. Rundschau" ist mit dein sozialdemo kratischen Organ einig in der Verurteilung dieser „Jesu itenrede". Das evangelische Bündlerblatt meint spöttisch: „Das Zentrum spielt sich heute als Netter von Staat und Thron aus und der Jesuit Kohausz empfahl seiue schwarze Garde beweglich als undurchbrechliche Phalanx zum Schutze wackelnder Throne." Ganz anders als das Blatt des Evan gelischen Bundes urteilt die protestantisch-konservative „Deutsche Tageszeitg." (Nr. 416): „Die Rede ivar in Form und in: Inhalte ein Meisterstück. Wir haben selten so aus der Tiefe geborene, so markige, so erschütternde Worte ge hört. Wir stehen nicht an, ausdrücklich zu bedauern, daß der Raummangel uns gehindert hat, diesen Vortrag im vollen Wortlaute wiederzugeben. Der Beweis, daß die Gottlosig keit zur Revolution geführt hat und führen muß, war ge radezu zwingend und von überwältigendem Eindrücke. Wir haben init der Besprechung des Katholikentages absichtlich zwei Tage gewartet, um zu sehen, wie die katholikenfeind- liche Presse sich insbesondere über die Aeußerungen dieses Jesuiten äußern würde. Wir haben vergebens gewartet. Man ist an seiner Rede, so weit wir gesehen haben, still schweigend vorllbergegangen, wohl deshalb, weil, abgesehen von einigen belanglosen Kleinigkeiten, auch vom Stand punkte eines bekenntnistreuen Evangelischen nichts gegen die ernsten Mahnungen dieses Jesuiten angeführt wer den kann." Dis „Dresdner N. Na ch r." Nr. 225 sind ganz ent rüstet über diese „Verherrlichung des Ultramontanismus" und fügen dem Abdrucke dieser Notiz folgende Zeilen bei: „Welches ultramontane Blatt, werden nun unsere Leser fra gen, hat diese Verherrlichung des Ultramontanismus ge bracht? Nun, es ist gar kein ultramontanes Organ, sondern die „Deutsche Tageszeitg." und ihr Verfasser, der Chefredakteur und konservative Reichstagsabgeordnete Dr. OertsII Dem „Bcrl. Tagcbl." (Nr. 419) scheint die machtvolle Kundgebung-des Katholikentages für die Aufhebung des Jesuitengesetzes recht unbehaglich zu sein. Als Blatt, das 'sich zur freisinnigen Partei zählt, muß es zwar wünschen, daß „aus Gründen der Rechtsgleichheit" das Jesuitengesetz beseitigt wird, aber es hat doch noch allerhand Bedenken und trommelt auch bei Besprechung des Katholikentages wieder ans dem Erlaß der bayrischen Regierung herum, der doch wirklich mit dem Katholikentage nicht das geringste zu tun hat. Die „Tägl. Rundschau" scheint allerdings niemals an die Rechtsgleichheit gedacht zu haben, wenn sie über das Je- snitengesetz schrieb, und so beantwortet sie die von ihr ge stellte Frage, warum denn die deutschen Katholiken eigentlich die Aufhebung des Jesuitcngcsetzes verlangten, folgender maßen: „Weil der ultramontane Machthunger stets neue Forderungen für seine Massen baben muß, weil den deutschen Katholiken das Gefühl des Unterdrllcktseins nicht genom men werden darf, weil man die heutige Negierung für schwach genug hält, auch diese Forderung zu konzedieren." Man hält die Negierung nicht für schwach genug, aber für gerecht genug, das Ausnahmegesetz gegen die Jesuiten zu beseitigen oder wenigstens zu mildern. Im übrigen hat es die protestantische Mehrheit ja. selbst in der Hand, den dent- scheu Katholiken das „Gefühl des Unterdrücktseins" zu nehmen. Auch der „Kreuzzeitg." (Nr. 386) scheint ein kleiner Schreck gekommen zu sein ob der machtvollen Aeußerung der deutschen Katholiken gegen das Ausnahmegesetz: „Daß die Versammlung diesmal besonders demonstrativ die Auf hebung des Jesuitenparagnrphen fordern würde, war vor- anszusehen. Sie glaubt eben damit, die speziellen Interessen der Katholiken zu vertreten, und daran kann sie niemand hindern. Etwas anderes ist es, ob diese Forderung erfüllt werden wird. Die Konservativen werden dazu nach wie vor die Hand nicht bieten, schon weil sie in der schrankenlosen Bewegungslreihcit der Jesuiten eine Gefahr für den kon> fessionellen Frieden erblicken würden." Wir glauben, eine Gefahr für den konfessionellen Frieden mit viel größerem Recht in der vollen Bewegungsfreiheit des Evangelischen Bundes zu erblicken, von der er ja gerade anläßlich des Ka tholikentages so ausgiebig Gebrauch machte. Im übrigen kann aber auch die „Kreuzzeitg." nicht leugnen, daß „die Aachener Redner mit großer Entschiedenheit und unter stür mischem Beifall der Versammlung ausdrücklich für die Wah rung des konfessionellen Friedens und für das Zusammen arbeiten der beiden christlichen Konfessionen eingetreten sind." Besonders gefällt dem konservativen Organ die Schlußrede des Präsidenten Dr. Schmitt und die Rede des Diözesanpräses Müller-Köln. Den Standpunkt, den diese Redner vertreten hätten, würde auch von den Evangelischen gern geteilt: „Denn diese Aufgaben, die gerade von diesem christlichen Standpunkte aus gelöst werden müssen, sind zahl reich und schwierig. Ungeachtet der unüberbrückbaren Gegen sätze, die die beiden christlichen Konfessionen trennen, ist der Boden, auf dem sie sich zun: gemeinsamen Wirken für die gemeinsame Sache des Christentums und im Interesse des Gemeinwohles zusammenfinden können, weit und dankbar. Und bei beiderseitigem guten Willen wird sich gesegnete Ar beit leisten lassen."- Das ist auch die Ansicht der „Deutschen Tageszeitg.", die meint, der Präsident des Katholikentages hätte mit vollem Rechte der Versammlung das Zeugnis aus gestellt, daß sie zur Wahrung und Festigung des konfessio nellen Friedens beigetragen habe und daß auf ihr kein Wort gefallen sei, das Andersdenkende irgendwie hätte verletzen können. Katholikentage, so schreibt das protestantische Blatt, hätten etwas Imponierendes und auch etwas Erhebendes. Deutsches Reich. Dresden. den 20. August 1912. — Der Kaiser und Graf BerchtoldS Vorschlag. Die Unterredung, die am Sonntag in Willi, lmshölie zwischen dem Kaiser, dem österreichisch-ungarischen Botschafter Grafen Szögyeni-Marich und dem Staatssekretä, v. Kiderlcn-Wächler staitfand, hatte das Ergebnis, daß der Kaiser seine rück- Dr. Martin Spahn: Rationale Erziehung und konfessionelle Schule.*) Was wird bei unS nicht geschrieben und geredet über die Notwendigkeit der konfessionellen Schule, oft so viel, daß der .Zeitungsleser derartige Berichte übcrschlägt, weil er bei sich denkt: Du erfährst doch nichts Neues darüber; daß die konfessionelle Schule notwendig ist, weißt dn längst. Mag sein! Aber warum wird bei uns so wenig die Frage beleuchtet: Welche Fehler mit der konfessio nellen Schule hat man in Frankreich ge macht, wo die Katholiken 99 Prozent der Bevölkerung bilden, wo sie die Leitung des Schulwesens von der Volks schule bis zur Akademie in Händen hatten, wo der gesamte Religionsunterricht nicht bloß der weiblichen, auch der männlichen Jugend vom 6. bis zum 20. Lebensjahre von kirchlichen Organen erteilt wurde? Wie ist es gekommen, daß dieses ganze Schulwesen bis znm letzten Neste verloren gehen konnte und bis heute nicht wieder zurückcrobert wor den ist? Tragen nicht auch die dortigen Katholiken ein Mitverschuldcn an diesem großen Verluste? Welche Fehler haben sie gemacht? Freilich, wer bei uns diese Frage stellt, der erhält selten eine ausreichende Antwort. Warum? Wir in Deutsch land kennen zu wenig die hochinteressante Entwicklung, die das katholische Schulwesen in Frankreich von Napoleon l. bis 1898, wo es durch die freimaurerische Regierung voll ständig vernichtet wurde, durchlaufen hat. Und trotzdem gibt es kaum eine geschichtliche Periode, die für uns deutsche Katholiken lehrreicher wäre, als der Kampf um die Schule, wie er sich im 19. Jahrhundert in Frankreich abgespielt hat. Professor Martin Spahn hat das Verdienst, diesen Kampf um die Schule in Frankreich und Deutschland in einer interessanten Broschüre (36 Seiten, bei Kösel in Kempten) geschildert zu haben. Er deckt die inneren Triebkräfte in beiden Staaten auf und gibt Winke und Ausblicke auf die nächste Zukunft, die bei uns von den gesetzgeberischen Körperschaften sowohl als von den Freunden der christlichen Schule dis größte Beachtung verdienten. Neuerdings lenkt er die Aufmerksamkeit wiederum auf eine ähnliche wichtige Frage durch seine Broschüre: Nationale Erziehung und k o n f e s s i o n e l le S chu l e. Schon die sieben Ab schnitte, in die er die Broschüre gliedert, lassen dies ver raten: 1. Absicht und Geschichte der Forderung ans natio nale Erziehung (S. 2—8). 2. Die nationale Erziehung als Bedürfnis der Gegenwart (S. 8—16). 3. Schwanken der nationalen Erziehung (S. 16—20). 4. Gesellschaft und Staat. Staat und Schule. Das Recht der Kirche (S. 20 bis 29). 5. Die politischen Parteien und die Schule. Schule und AntiklcrikalisinnS (S. 29—41). 6. Die. Kirche und die Schule (S. 41-59). 7. Ausblick (S. 69—65). Von allen Dächern wird jetzt gepredigt: Unsere Trennung in Kon fessionen bindert eine einheitliche nationale Erziehung. Um sie zu erreichen, muß die Schule das junge Geschlecht ohne konfessionelle Färbung erziehen. Also, fort mit der konfessionellen Schule, die trennen, nicht verbinden will! ! Spahn antwortet: „Man darf nicht in den Irrtum ver- > fallen, zu glauben, daß wir erst dann in Wahrheit von nationaler Einheit sprechen können, wenn die ganze Nation einer Kirche angehört, sich in ein und demselben christlichen Bekenntnis zusammenfindet. Vielleicht wird da vor allem Religion und Religiosität miteinander verwechselt. Inner halb ein und derselben Kirche sind, wenn sie ihre Gläubigen in mehreren Nationen hat, verschiedene Formen der Reli giosität zu beobachten. Die Religiosität des polnischen .Ka tholiken ist in der Regel eine andere als die des deutschen; wieder anders geartet ist die des italienischen Katholiken. Dennoch haben alle drei dieselbe Religion. Es mag wohl zu prüfen sein, ob die Religiosität der Angehörigen einer Na tion übereinstimmende Züge aufweisen muß. Die Religion, das heißt das Bekenntnis aber braucht, wie die Geschichte lehrt, nicht dasselbe zu sein. Sie braucht es am wenigsten lei uns Deutschen. Wir sind von allen Nationen des Abendlandes die am wenigsten einheitlich gebildete und die am wenigsten zur einheitlichen Bildung veranlagte. Strebungen zur Einheit kreuzen sich von jeher auf allen Gebieten unseres nationalen Lebens mit Strebungen zur Mannigfaltigkeit. Aus dem Wettbewerbe beider und ihrem allmählichen, imnier neu zu suchenden Ausgleich ist unsere nationale Geschichte erwach. ien, auf ihm beruht unsere Eigenart und unsere Zukunft. So ist in das staatliche Leben der Deutschen erst Behagen und glückliches Gedeihen gekommen, als Bismarck im Bun desstaate die unitarischen Bestrebungen mit dem partikula- ristischen zusammenband. Das Wesen unserer Nationalität erfordert es, daß ähnlich auch alle übrigen in unserer Nation »litschaffenden Lebensgemeinschaften in genügend weit ge spanntem Rahmen eine jede zum regelmäßigen Zusammen wirken mit den anderen unter Sicherung ihrer Sonderart kommen. Wir können heute Preußen oder Bayern und zu gleich Deutsche sein, ohne daß das partikularistische mit dem nationalen Empfinden in Reibung gerät. In einem .verwandten Gleichklang der Gefühle sollten wir uns auch zugleich zu unserer Konfession bekennen und unserem Staate angehören können, ohne einen Widerspruch zwischen beiden oder gar nur ein heißeres Aufwallen des Herzblutes zu empfinden, wenn wir uns des einen oder ande ren bewußt werden. Dazu hat uns die Erziehung anzulei- ten. Tut sic cs nicht, so vergreift sie sich an der Nation. Man kann Fäden auS einem Gespinst herausziehen; aber man löst es da durch. Man kann auch eine Lebensgemein schaft in der Teilnahme am Leben der Ge sellschaft behindern, Lebensgueilen einer Kult Urgemeinschaft oder einer Nation un terbinden: die Erfahrung lehrt es. Aber die Erfahrung lehrt ebenfalls, daß die Nationen daran sterben, d i e K u l t n r g e m e i n s ch a f t e n z u g r u n d e g e h e n." „Die konfessionelle Erziehung in der Schule hat für uns so großen, entscheidenden Wert, weil wir in ihr durch die Ergänzung der nationalen Erziehung, die Bürgschaft für deren Erfolg sehen. Weil wir fest auf dem Boden der nationalen Erziehung stehen, deshalb wünschen wir. daß die konfessionelle ihr zu gesellt blei- b e n m ö g e." (S. 59. „Unser ernstes Bestreben muß sein, den bestehenden Zustand fester zu begründen und die Fühlung zwischen den nationalen und kon fessionellen Aufgaben der Erziehung un ablässig zu Pf lege n." (S. 61.) —n ' < ^ , *) Jos. Kösel, Kemptcn und München ISIS, S. 65.