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Sächsische Volkszeitung : 21.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192310215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19231021
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19231021
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-21
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 21.10.1923
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Auf dem Wege zur neuen Währung Rentrndank und Rentenmark Eine erfolgversprechende Sanierung unserer Wäh. itkng ist undenkbar ohne radikalen Brnch mit der bisherigen ^StaatSfinanzwirtschast, dis sich daran gewöhnt hat, jahrlang mehr auszugeben als einzunehmen. Und umgekehrt ist rine Bilanzierung von Staatseinnahmen und Staatsausgaben Ebenso unmöglich ohne solide WährungSgrundlage. Solange man stich in diesem an sich vollkommen einwandfreien Zirkelschluß be» stvegte und die Frage auswarf, wo denn die Neformarbeit ein- jsetzen müsse, ob bei der Währung oder aber b?i den Staats, jfmanzen, inußte eine dumpfe Resignation die notwendige Folge stein. Tiefe Frage aufwcrfen, bedeutet nämlich nichts anderes ülö daS Ende der »Schraube ohne Ende" suchen wollen! ES bandelt sich hier um ein geschlossenes Netz von Ursachen und Wirkungen und die Reform muß auf allen Gebieten »gleich einsctzen, wenn sie von Erfolg und von Dauer sein oll. Man stelle sich folgendes drastische Bild vor Augen: Der Deutsche NeichSkarrcn ist arg in den Dreck gefahren. Die einst so festgefügten Nädcrpaare Währung und Staatsfinan» ßxn, Wirtschaft und Moral — vier Hauptpfeiler des Volks wohlstandes — sind zerbrochen. Kein Mensch wird daran glauben, daß man dieses verunglückte Gefährt wieder flott machen könne dadurch, daß man ein in der Werkstatt Helfferich-Hilfer. ding gezimmertes neues Währungsrad einsetzt. Dann bleibe» die drei, übrigen Näder immer noch geborsten und der Wagen rührt sich nicht vom Fleck. An allen vier Nädern muß die Arbeit einsetztcn, jedes von ihnen muß so wicderhergesl?llt oder erneuert werden, daß cs den Anforderungen eines Sechzigmillionenvolkes entspricht. , Die Währung nimmt der Wirtschaft und Moral gegen über im Gegenteil eine Sonderstellung ein. Es steht noch gar nicht in unserer Macht, ein WährungSrad herzustellen, das unse. rkm Ideale entspricht. Hier müssen wir uns mit einer Zwi- schenlösung begnügen, während wir die Möglichkeit haben stn Wirtschaft und Moral gründliche Arbeit zu leisten, sofern wir alle nur wollen. Die Initiative des WollenS aber hat üns nachgerade gefehlt, auf allen Gebieten nicht zuletzt auf dem der Währungsreform. Erst der gänzliche Zusammenbruch der Mark in den letzten Wochen hat uns gezwungen, irgend etwas zu tun. In der vergangenen Woche hat der Gedanke der Wäh rungsreform greifbare Gestalt gewonnen. In währungstechnischer Beziehung läßt sich nach der Veröffentlichung der NeichSverord- nnng über die Errichtung einer deutsche» Rentxn- bank bereits ein Urteil füllen über die Aussichten unserer Ne formarbeit. In allernächster Zeit wird unser deutsches Geld wesen durch Ausgabe der „Renten mark" bereichert werden. Diese Nentenmark tritt auf niit dem Ansprüche auf Vertrauen, jenes Vertrauen, daß in der Papiersintslut der letzten Jahre wohl restlos vernichtet worden ist, bezw. sich vom deutschen Papiergeld ab und den ausländischen Geldern zugewandt hat. Nach der Entwicklung der vergangenen Jahre ist cS ?ine bange Frage für die vielen Millionen, die tagaus-tagein von Enttäuschung zu Ent täuschung getrieben und schlecht und recht um ein gut Teil ihrer Habe gebracht worden sind: Soll man diesem neuesten Produkt der alchimistischen Geldschöpfungskunst des Staates, der Ren tenmark. jenes Vertrauen entgegenbringen, ohne das eine Währung nicht existieren kann? Vertrauen um Vertrauen! Soviel kann man vorweg nehmen, das Vertraue» wird nicht ausbleiben, sofern man erkennt, daß der Staat in währungspolitischer Hinsicht mit den Quellen alles Mißtrauens radikal gebrochen hat. In dieser Hinsicht verdient die Rentenmark in der Tat vollstes Vertrauen. Hauptursache deS bisherigen Währungsverfalles war zweifellos die staatlich? In flation, jener einfache Miüms staatlicher Geldschöpfung durch st!« grenzenlose Diskontierung von Reichsschatzanweisungen bei der Reichsbank, der die eigentliche Triebkraft der ewig rotierenden Rotenpresse bildete. Dieser Weg der Kreditbeschaffung muß und wird mit dem JnSlebentreten der Nentenbank beseitigt werden. Für jdie Uebcrgangszeit ist das Reich auf die Kredite der Rentenbank angewiesen, die sich auf 1200 Millionen Renten mark und die Dauer von zwei Jahren beschränken. Hierin liegt nachgerade die Schicksalsgemeinschaft zwischen Währung und Reichsfinanzen, wie sie anfangs angedeuter wurde. In der streng sten Reorganisation der Staatsfinanzer, liegt die Gewähr für das Gelingen des Ganzen. Der NeichSfinanzminister hat bereits mit- geteilt, daß in allernächster Zeit derartig rigoros vorgegangen wird, wie wir eS bislang noch nicht gewohnt gewesen sind. Es gebe für finanzielle Zwangsmaßregeln, die dis Ausgaben de- schränken, keine moralische Grenze. Die Möglichkeit, Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu setzen, besteht sehr wohl, wenn man bedenkt, daß der Papiergeldumlauf in Gold um- gerechnet trotz der Wahnsinnszahlen nicht mehr beträgt als 100 bis ISO Goldmillionen. jDaß sich an dieser Stelle allerdings das Bleigewicht unserer Außenpolitik hemmend anhängt, deren Ein flüsse sich noch nicht abschätzen laßen und hier außer Betracht bleiben müssen, macht die Rechnung ziemlich kornpliziert. Fast noch wichtiger sür die W e r t b e st ä n d i g k e i t des neue» Zahlungsmittels ist aber dessen innere Struktur. Diese beruht bei staatlichem Papiergeld letzten Endes auf der Ein lösbarkeit in festen Werten; wir denken hierbei im Rückblick auf Vorkriegsverhältnisse mit Vorliebe an Einlösung deS Papieres in Gold. Am 4. August 1014 ist dieses Band zwischen Gold und deutschem Geld zerschnitten worden. Gold steht uns nur noch in geringem Maße zur Verfügung. Die Nentenmark hat dieses Problem der Einlösbarkeit auf anderem Wege gesucht. Darin liegt wohl einer ihrer HauptvertrauenSmomente. Die Nentenbank ist nach der Verordnung verpflichtet, auf Verlangen kOO Nxntcnmark gegen einen Rentenbrief über öOO Goldmark einzulösen. Hierin ist aber die Brücke zum Goldwert geschlagen. Denn die Nentenbricfe dokumentieren das Grundkapital der Nentenbank, das sich in Höhe von 8200 Ml- lionen Rcntenmark zur Hälfte auf den landwirtschaftlichen und zur Hälfte auf den industriellen Grundbesitz stützt und zwar in Form einer auf Gold mark lautenden Grundschuld in Höhe von 4 Prozent des WehvbeitragSwerteS. Diese Grund schuld ist mit 6 Prozent jährlich zu verzinsen, und zwar sind die Zinsen in Nentenmark zu zahlen. Sollte aber gleichwohl die Nentenmark im Kurse sinken, dann sind die Zinsen in Gold anf- zuwerlcn. Auf diese Weise ist die gesamte Wirtschaft an der Werlbeständigkeit der Nentenmark aufs höchste interessiert. Wei. terhin bietet die Einlösbarkeit in diesen goldwertigen Nenteu- briefen insofern noch ein?» Vorteil gegenüber einer Einlösung in barem Gold, als die Sientenbriefe mit 6 Prozent jährlich verzinst werden und das Geld somit zinsbringend angelegt ist. Gegenüber diesen grundlegenden Sicherungen ist es von untergeordneter juristischer Bedeutung, daß die Papiermark wei terhin gesetzliches Zahlungsmittel bleibt. Auf di? Wertbeständigkeit hat dies nicht den geringsten Einfluß. Gleichwohl erwartet man, daß nach Fortfall der Inflation auch die Papier mark gegenüber der Nentenmark eine feste Relation gewinnen dürfte, obwohl man cs vermieden hat, das Schicksal der Papier mark durch Bestimmung einer festen EinlösungSrelation auf Ge deih und Verderb mit dem der N?ntcnmark zu verketten. Soviel steht jedenfalls fest, vom wähvungstechnischen Standpunkt aus bietet die Nentenmark volle Sicherheit und schaltet rücksichtslos die Fehlerquellen auS, die den Ruin der Papierwährung verschuldet haben. Das Rad der Währung wird in Kürze fahrtbcreit sein. Aber «inan vergesse nicht, daß dies? Währung nur eine Zwischen lösung ist. Dieses Rad muß sehr bald wieder zusammenbrechen, wenn cS überlastet wird! Ebenso gründlich wie die Währung, müssen die S t aa t s fi n a n z e n in Ordnung gebracht werden, der Staat darf nicht mehr auSgeben, als er rechtmäßig einneh men kann; ebenso gründlich muß die Wirtschaft wieder auf gebaut w?rden, die Volkswirtschaft darf nicht mehr verzehren als sie produziert! Und endlich muß die Moral in wirtschaftlicher und sittlicher Beziehung wieder in unser Volk hinein. Inan muH wieder müerscheiden lernen, was mein ,u»d dein, was erworben und was gestohlen ist. DaS sind die vier Gcundbcdingungei! unserer Rettung. Auf allen diesen Gebieten müssen wir lieber« menschliches leisten, zum Opfern und zum Wollen ber?ij sein, wenn die Fahrt wieder vorwärts gehen soll. Deutsche», Volk, greife in die Speichen und wir werden wieder festen Boden unter die Füße bekommen! Max Domschke. Dir KWimche * Die Börse hatte der neuen Währungsreform mit großer Spannuirg entgegengeseh?». Hing doch von der Frage, ob die Papiermark als gesetzliches Zahlungsmittel verschwinden würde, die Entscheidung darüber ab, ob die Börsenpapiere weiter wie bisher in Papierprozenten oder in Goldpeoz en teil zur Notierung gelangen würden. Die Entscheidung ist be kanntlich im Sinne einer Beibehaltung der Papier« mark als g?setzlicheS Zahlungsmittel gefallen und damit ist eine Notierung der Effekten in Goldprozenten znm mindesten vor-, läufig gegenstandslos geworden. Man kann also weiter Effekten in Papiermark erwerben. Und das hat man in der letzten Woche in reichlichem Umfange getan. DaS Schlagwort der Börse lautet augenblicklich: „Effekten in Papiermark kaufen, solange eS noch möglich ist." Dieser Parole folgten Spekulationen, Publikum, Großindustrie und das Ausland umso bereitwilliger, als die Hoff^ »ungen, die man mif die neue Währung vom Standpunkt der, Eindämmung der Inflation g?setzt hatte, sehr bald herabgemin- dert wurde». Man fürchtet an der Börse, daß sich auf Basis dev nenen Nentenmark eine neue Inflation entwickeln werde, während, gleichzeitig die Abneigung gegen die Papiermark durch die Schaf- fung der neuen Nentenmark noch schärfer hervortr?te» könnte. Insbesondere ist cS die Großindustrie, die die Papiermark als gänzlich unverwendbar sür industrielle Zwecke ansieht, und des halb in diesen Kreisen die Sucht, die Papierncarkberge in Effekten nmzutauschen, besonders heftig. So war auch in dieser Woch? daS Rheinland der Hauptkämfer. Halten aber diese Kreise bisher in der Hauptsache Kauforders für schwere Montanwerke und Jn- dustriepapiere mit Valutacharakter gesandt, so erstreckte sich in dieser Woche ihr Interesse hauptsächlich auf mittlere W?rte, offenbar deshalb, weil bei diesen der Unterschied zwischen dens Kursen und den entsprechenden Warenpreisen besonders auffallend^ ist. Dagegen hat angesichts der ungeheuren Schwierigkeiten, denen sich die Großindustrie bei der Wiederaufnahme des Produk tionsprozesses im besetzten Gebiet ausgesetzt sicht, daS Interesse für schwere Montanwcrte entschieden nachgelassen. Zu de» Käufen des NheinlandeS kamen neue umfangreiche Auslands- küufe hinzu. Das Publikum bevorzugte wieder »»notierte Papiere mrd kleine und mittlere Werte. Die Käufe des Aus landes werden an der Börse als ein hoffnungsvolles Moment- angesehen. Man sagt sich, daß man offenbar im Auslände trotz der verzweifelten Wirtschaftslage Deutschlands damit rechnet, daß schließlich doch durch Ausschaltung unproduktiver Elemente ein? Wiedergesundung des Produktionsprozesses und damit der Wirt schaft erreicht werden dürfte. Die Materialknapphcit wird durch die Abneigung, Effekten gegen Papiermark herzugcben, täglich größer. So kam es, daß die Kurssteigerungen über daS Aus maß der Geldentwertung hinausgingen, daß zahl reiche Kurse repartiert werden mußten und daß die Milliarden grenzen der Kurse immer weiter nach oben gehen. Die Börsen, spekulativ», die sich anfangs angesichts der innerpolitischen Zu stände und auf di? Möglichkeit hin, daß die neue Währung weit? Kreise zu einer Abdeckung von Papiermccrkverpflichtungen zwingen könnte, Zurückhaltung auferleyt hatte, folgte schließlich ebenfalls der Au-fwertnngShausse, zumal die Devisenkurse wieder ihren ver hängnisvollen Weg nach oben nahmen. Einen gewissen Dämpfer erhielt diese Aufwertungs-Hausse durch die Lage d?S Geldmarktes. Die neuen gewaltigen Preissteigerungen bedrohen den deutschen Zahlungsverkehr wieder mit einer Zahluiigsmittelknappheit und die Preis- und Lohnsteigerungen sind so groß, daß selbst bedeu, iende Firmen und Gesellschaften mit großen Schmierigkeiten bei der Aufbringung der Geldmittel zu kämpfen haben. Von Einzelheiten ist zu erwähnen, daß besond?rs die Werts mit Valutacharakter, so Schiffahrtspapisre, Anilinwerle und einzelne Elektrowcrte, sowie die bayrischen Werte bevorzugt -waren. Besonders stark gesteigert wurden diejenigen Papiere, bei denen ein? Arbitrage-Möglichkeit mit Auslandsbörscn vorhanden ist, so Licht und Kraft, Sichel und die Petroleumwcrte. Bei diesen bemerkt man auch große Auslandskänfe, ebenso in den österreichischen Bankaktien. Die Aktien der deutschen Banken litten zwar unter der Verminderung der Ren. Labilität im Bankgewerbe, doch wurden Diskonto und Mitiel- d?ntsche Kreditbank auf Kombinationsgcrüchte weiter gesteigert, ebenso Kaliwerte trotz der ungünstigen Geschäftslage. Der neuen Steigerung der einheimischen festverzinslichen Werte auf Answer» tungshoffnungen hin steht die Börse niit Skepsis gegenüber. Die Schwarzen und die Roten Von Aonrad ton Bolanden, (73. Fortsetzung.) i.. -w" „Kennt ihr mich?" frug er die Buben.' „Ja! Sie sind d?r junge Herr Blendung." „Wißt chr, wo ich wohne?" „Dreifache Bejahung. ' ' — „Ihr seid wackere Jungen, könnt morgen elivas Tüchtiges steiften, — nicht?" Die drei Gesichter grinsten. - „Ihr sollt nicht umsonst tun, >vaS ich verlange. Jeder be kommt sogleich einen halben Gulden; ist das Stück ausgespielt, Erhält jeder noch zwei Gulden, — sage: Zwei Gpldenl — Seid ihr einverstanden?" Allgemeines Kopfnicken. .... „Hi?r ist der halbe Gulden," und er legte jedem das Silber- Mck in die schmutzige Hand. „Jetzt stoßt auf!' — Zuerst eine Krage: — Wißt ihr, was morgen für Leute kommen? Du, ffage mir'sl" „Kasinomänncr, Pfaffenknechtc, Strohfresser, schwarze Hunde, ßömische Teufel!" Ferdinand lachte hellauf, wurde aber sogleich durch heftige- Husten unterbrochen. " .. „Woher weißt du daS?" - . . „Von meinem Vater! Seit zwei Tagen flucht er wie ein Klürk gegen die schwarzen Satan?, — und daS alles hat er im Dlnzeiger gelesen." „Mein Vater hat gesagt," versicherte der zweite, „man soll keinen ganz auS Mannheim yinauskommen lassen." „Und meine Mutter Hai gesagt," erklärte der dritt?, „man solle die verfluchten Pfaffen alle in den Rhein schmeißen." „Du Last eine ganz ausgezeichnete Mutter! lind waS sagt dein Vaterr" „Ich Labe keinen Vater." „Dos ist prächtig! Ich sehe, ihr alle seid wack?re Burschen, in euch steckt echte Rasse. WaS eure Väter und Mütter sagten über di« Kasinomänncr, ist alles richtig. Ersäufen, totschlogen, steinigen sollte man die Schurken, die Wichte, die Pfaffenbrut. — Könnt ihr mit Steinen gut nmgehen?" „Ich werfe über daß Theater." rühmte einer. , ..So ist e» nicht gemeint! Wollt ihr morgen mit Stein?» und Kot acff die Kasinomänner werfen?" „In, — recht gern!" «Morgen dürfen wir alles tun. mein Vater hat ez gesagt," behauptete der »weite. «ES geschieht niemand nichts, die Geldprotzen nehmen alles pnf sich." „Die Geldprotzen? Wer ist das?" frug Ferdinand stirn runzelnd. Verlegenes Schweigen. „Diesen Ausdruck dürft ihr nicht gebrauchen, — daS ist ein Schimpfwort," belehrte der Millionär. „Von den Reichen lebt ihr. Wären die Reiche» nicht, müßtet ihr alle verhungern. DaS nebenbei! — Also, — m?rkt auf! Jeder von euch füllt morgen seine Taschen mit Kieselsteinen. Dann kommt ihr gegen nenn Uhr vor unser HauS und erwartet mich auf der Straße. Wir gehen dann miteinander den Kasinomänncr» ?ntgegen, jedoch so, daß ihr immer fünf bis sechs Schritte hinter mir seid. Ver standen?" Bejahend und lebhaftes Kopfnicken. -—" ' „Merkt euch diesen Pfiff!" — und Ferdinand stellte eigen tümlich den Mund, zwischen den Zähnen ein gellendes Pfeifen hervorstoßcnd. Die Buben lachten. Ferdinand wiederholte das Pfeife». „Wenn ich so pf?ife, dann Achtung, — die Steine bereit gehalten, — zu mir dicht herangekommen! Und den ich euch zeige, den bewerft ihr tüchtig mit Kieseln." „Wenn aber die Steine all' sind?" frug ein Besorgter. „Dann rafft Kot zusammen," und ausführliche Belehrung würde den Gedungenen. Zn jenen Schafen, welche am Vortage herei»gekomm?n, zähl ten auch die beiden schwarzen Häuptlinge auS Waldhofen und Siebelfingen, Fritz Schröter und Klemens Schall. Der Klapper- probe auf dem Zeughaus-Platze hatten sie mit Staunen beige wohnt, bedenklich? Reden vernommen und für den folgenden Tag ein schweres Wetter in Aussicht. Hiezu kam die Erfahrung, cS sei die Aula, für alle möglichen Zwecke offen, dem Kasino ver schlossen. Verschiedene GasthofSbesitzer seien angegangen worden, den Tanzsaal gegen lockenden Mietzins zu überlasse», und all? Wirte hätten abgelehnt. „DaS ist Mannheimer Gesinnungstüchtigkeit und Liberali tät!" sprach verletzt der Landwirt. „Uebrigens hat dies gar nichts zu bedeuten. Unsere Versammlung betrifft Glauben und Reli gion; wir werde» in einer Kirche Mnmmenkommen, wie eS ge. schah in den meisten Städten und Flecken, wo sich geräumige Lokalitäten nicht befanden." Bis zum Abend wandelten die Häuptlinge beobachtend durch verschiedene Straßen. Allenthalben bemerkten sie Gruppen leb haft verkehrender Männer, hörten Drohworte und Flüche über Psaffenknechte, untermischt mit blutigen Vorsätzen gegen die Ver- haßten. - „Diesmal geht eS schlimml" sagte Schall. «Die Gassen- Lüben empfamen lM put Klappern, Hs? Exchgchsene,, ,,,it Prügelix," Und was für ein Geschrei i» den Wirtshäusern!" versetzte Schröter. „Offenbar ist der Pöbel aufgehcht, und ich kenn? die Geschicklichkeit deS NeckarschlcimeS im Fach der Roheit. Was ich sehe und höre, erscheint fast unglaublich! Mannheim sieht in hohem Ansehen.wegen Bildung und Liberalität, — dennoch rüstet es sich wie eine Stadt von Barbar?» gegen friedfertige Männer. — Trinken wir ein GlaS Bier und erforschen die Ge sinnungen!" Sie traten in ein BicrhanS. Die große Stube war ange füllt mit Arbeitern und Handwerkern. .Kaum fanden die Schwar zen eine» Platz. Steinlohlenhitze, Aierdunst, TabakSdänipfe, wildes Lärmen und Schreien brodelte» in dem weiten Raum, und die Gasflammen zeigten leidenschaftlich erregte Gesichter. Hun dert Augen hingen forschend an dem hochgewachsenen Landwirt, sogar der Lärm dämpfte der Eindruck seines Erscheinen?-. Nie mand kannte ihn. Nach Ansicht des NeckarsclileimS konn!? der stattliche Mann mit dem rötlichen Vollbart, de», freien, festen Blick und dem geraden Wesen unmöglich ein Pfasfenknecht sein. Dieses Urteil bildete sich in allen, und die flüchtig stockende Un- tcrhaltung lenkte wieder in bcw?gte Bahnen. An dem langen Tische, der Schröler und Schall knappe Plätze gewährte, saßen kleine Handwerker und Fabrikarbeiter des Herrn Blendung und Genossen. Ein Strudel gemeiner Verwün- schungen und niederträchtiger Behauptungen über Ultramontane wirbelte um- den Tisch. Kaum ertrug Schröter d»S Himmel, schreiende der Gehässigkeiten und schmähsüchtigen Vernnglimp- sungen. Schlagwörter gröbsten Kalibers sausten uni seine Obre», vicke Lügen und Ergüsse de? wütendsten Hasses flössen un?rschppi- lich. Gesteigert wurde die Glut der Stimmung, als ein langer Mensch hereinkam »nd daS beliebteste Schmutzblatt triumphier.» d emporhielt. Der Lange stellte sich unter eine GaSslamme and deutet?, im Kreise nach den Versammelte» sich drehend, ans eun^s schwarze Hände, die nach einer Pikanten Anzeige himri-'siw. „Vorlesen — borlesi.n!" rief cS. ' Der Lange las: „Morgen trifft eine Partie Schwärzwildbrc. „zum Ab hauen" hier ein. Alle Liebhaber „deS AnShancnL" sind höjl chst eingeladcn, an Ort und Stelle sich cinzufi'üen." Wieherndes Gelächter. „Bin schon fertig znm AnShauen," ries ein Schmutziger in Schröters Nähe. „Da seht her," und er zog einen Hammer her- vor. „Krieg' ich den Vrummel, wird er gedengelt." „Steine sind bester," rief ein anderer. „Dein Hammer bat dinen kurzen Stiel, man kann nicht weit damit langen. Aber Steine, die fliegen. Zuerst kartätschen wir sie mit Plastersieine,^ dann kommen Knittel." (Fortsetzung *olgt.)
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