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Sächsische Volkszeitung : 21.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192310215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19231021
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19231021
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-21
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 21.10.1923
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Nr. LOS, Seite 2 ' Mnta§ E 81? LMbt«'102» SWschll Mt«» »m IS. Meder ^ Nachdem das neue Kabinett Zeigner unter energischer Mit- rvirkung der moSkowitischen Geburtshelfer endlich vor einigen Lagen zur Welt gekommen ist, kommt ez doch aus den andauern den Kris?,, nicht herenlS. Schon jetzt ist eS das Kabinett der Sensation unter den dauernden Mißverständnissen geworden. Mißverständnisse zwischen zwei liebenden Herzen pflegen immer mit allerhand Erschütterungen verbunden zu sein. Sonst im Le ben, in zarten Angelegenheiten, pflegt nach d?>, obligaten Miß verständnissen eine Versöhnung zu komme», die mit ihrer In tensität reichlich die Tränen trocknet, die vorher von dem oder der Ami Tode Betrübten vergossen worden sind. In dem Kabi. nett der ungleichen Gleichen der sozialistisch-kommunistischen Brü der nämlich, scheinet, die Erschütterungen doch etwas nachhal tigerer Wirkung zu sein. Jedenfalls machen sie dem hohen Herrn Chef, unserem allverehrten Landesvater Dr. Zeigner soviel Kopf schmerzen und Arbeit, soviel Verdruß, daß er vor Flick- und Leimarbeit an diese,» Zerwürfnissen und Mißverständnissen über haupt nicht zum Regieren kommt. Ganz? Nächte muß er, wie er gestern sagte, diesem unruhevollen Geschäft widmen, ohne daß eine Stunde Schlaf seine brennenden Augen erquickt und seinem flatternden Wesen eine einigermaßen gerechtsame Note ergibt. Solch ein Mißverständnis war der Beginn der gestrig?» Landtagssitzung. Es drehte sich um den ultimativen Brief des MilitärbesehlshaberS für Sachsen. Herr Schneller ist nunmehr offenbar nach dem Einzug deS langgelockten Böttcher der Sprecher der Kommunisten geworden. Er sch?int deshalb sei nen Schillerkragen abgelegt zu haben und verfügt über alle jene Eigenschaften und KnotiAeiten, die von jedem echten Kommu nisten unzertrennlich sind. Auf d?„ Pressemeldungen, daß der Kommande-ur des Wehrkreises 4 sein bekanntes Ultimatum mit Wissen und Billiguiig deS Reichspräsidenten, deS Reichskanzlers und deS sächsischen Zivilkommissars Meier der sächsischen Negie rung überreicht habe, baute er eine heftige Anklage g?gen die säch. fische Negierung und die sozialdemokratische Partei auf, deren Wirkungen Krisenluft war. Er behauptete, daß Meier von die sem Ultimatum der Regierung nicht rechtzeitig Kenntnis gegeben, ja eL sogar verheimlicht und an d?n Abgeordneten Bethge mitge teilt habe zu dem einzigen Zweck, die sächsische Negierung vor vollendete Tatsache zu stellen und den Bruch der kommunistisch sozialistischen Koalition vorzubereiten. Er unterstellte es als selbstverständlich wahr, daß von den, sozialistischen Parteivorstand und von allen rechtsgerichteten Führern ein unerhörtes Kessel treiben gegen die kommuitistisch-sozialistisch? Koalition inszeniert worden wäre und daß diesen kein Mittel zur Erreich»,^; ihres Zieles verwerflich erschiene. Das wirkte wie Sprengpulver. Ge gen den Willen der bürgerlichen Fraktionen mutzte der Landtag seine Sitzung, mutzte Herr Dr. Z?igner seine schwere Regierungs tätigkeit unterbrechen, um den neuen Bruch zu leimen. Das Ergebnis war eine außerordentliche lange Regierungs erklärung. die Arbeit vieler Stunden, aus der nur das eine her vorging, datz der Zivilkomiuissar Meier tatsächlich i», Land tage war und auch Herrn Dr. Zeigner von d?m Ultimatum in Kenntnis setzte, daß aber dieser .keine Zeit" hatte, darauf zu hören, so daß er dann in seiner Polemik gegen General Müller von einen, Verfassungsbruch deS Militärbefehlshabers reden konnte. ES wäre auch schad? gewesen, wenn seine Regierungs erklärung dieser Rosine entbehrt hätte. Also mußte wenigstens Herr Meier den Vorwurf einstecken, datz er dem hohen Regie rungschef die Mitteilung nicht schriftlich hinlerlassen hatte. Be gütigend sprach Dr. Zeigner Herrn Schneller zu und versucht? ihn versöhnlicher zu stimmen. Als leiser Untertan schwang,n seinen Ausführungen aber mit, daß die Sozialdemokraten sich bisher zwar alle Lnüppelschlöge von den Kommunisten hatten gefallen lassen, ohne daß es ihnen besonders auffiel, daß sie (die Kommunisten) nun aber „haernse ungemiellich" geworden svär?n. Und Herr Wirth von den Sozialdemokraten wies die Be schuldigungen des KoalitionSbruderS Schneller als unbegründet zurück und sprach väterlich mahnend, daß daS den Vereinbarui^e», auf denen die Regierungskoalition beruhe, widerspreche. Ja, er raffte sich sogar — wie werde ich energisch? — zu einer ener gischen Verwahrung auf. Vau dem D?mokratei, Seyfert mutzte sich Herr Dr. Zeigner den berechtigten Vorwurf der Leichi- fertigkeit machen lassen. Herr Schneller aber ist ein Mann von Grundsätzen und blieb bei seiner Behauptung. Das regte aber seinerseits wieder den Sozialisten Bethge auf. Er bezeichnet die Handlungsweise des Herrn Schneller als eine Lumperei, wie sic im Landiw'e noch nicht vorgekommen wäre, und antwortete auf einen komumnistischen Zuruf, daß er darauf verzichte, vou einen, moralisch verkommenen Lumpen ernst genommen zu wer den. Ter früh?re WirtschastSministcr Schwarz, dessen schwere Krankheit, wenigstens nach seinen temperamentvollen Zwischen rufen zu urteilen, vollständig geschwunden zu sein scheint, be- zeichnete die Kommunisten als Menschen, die nur pathologisch zu nehmen und zair Aufnahme in eine psychiatrische Anstalt reif wären. Immerhin, wir wollen dieses traute Idyll dieser Familie nicht stören. Im übrigen beschäftigte sich der Landtag mit den schweren Ausschreitungen der Huickyrtschaften in Am,aber« „nd in allen anderen Teilen des Landes, wobei die Nbg. Weigl (Dem.), Voigt (D. Vp.), Wehrmann (Dem.), Grellmann (Dn.) derart erdrücken des Material über die Amtsanmaßungen, schweren Ausschreitun gen, Terrorakte und Bewaffnung dieser „Schützer der Republik niü» Verfassung" vorbrachten, daß eine andere Rcgicv.ing unter der Wucht dieser von ihr verursachten Anarchie einfach zusam- inengcbrochen wäre. Indessen, wem, die Not am größten, so ist Herr Liebmann am nächsten. Mild und verzeihend lächelnd, brachte er einen dichten Schleier über diese Anarchie und faiü>, — nehmt alles nur in allem, — alles r?cht und lobenswert und als einen wahrhaften und schönen Ausdruck echter und rechter sozialistisch-kommunistischer Demokratie von Moskaus Gnaden. Die unglaublichen Zustände in der Verwaltung, die wahn sinnige Beamtenpolitik der Regierung, kennzeichncte der Abg. Anders (D. Vp.) in geradezu erschütternder Weise. Unsau- bxrkcit, Korruption, Spitzel tum, der Kampf al ler gegen alle, das ist da« Kennzeichen dieser Beamtenpolitik, deren Zusammenbruch ja nur Wochen auf sich warten lassen kann. Man mag ein noch so guter Phrasen- bildncr, Parteifunktionär und Radikalinski sein, zum Verwal- tungsbcanrten gehört doch unendlich mehr. Und all die Gesin- nungslüchtige» werden dazu beitragen, den restlosen Zusammen, brach dieses hcrostratischen Systems zu beschleunigen. Der Mg. Börner unterstrich di?se Ausführungen, wahrend der Demokrat Günther matt war wie Ferdinandens Limonade. Kein Wunder, freut er sich dock) als Vater, wenn er den Sohn, auf dem auch die Hände dieser Regierung ruhen, am Regierungstisch wirken sieht. De» Sozialisten allerdings, die lebhaft an der Krippe in teressiert sind, erscheint das zwar recht und billig, auch daß die Regierung seit Monaten die Veränderungen in der Verwaltung nicht mehr milteilt, um einen dichten Schleier darüber zu breiten und über die Riesensummcn, die die unb?rechtigten Versetzungen verschlingt, keine Aufstellung macht. Das ist alles „im Interesse der Republik", also sprach Herr Dr. Zeigner. Datz mich die Be- rnfungen an die Hochschulen nach dem gleichen Rezept erfolgen, soll nur gestreift werben. Auch die unerhörte Rede Heinrich Manns am Verfassungstage findet die Billigung unseres LandesvaterS..... ) Gewiß zwischen den Regierungsbrüdern ist ein heftiger Zwist entbrannt. Man täusche sich aber nicht: So übertrieben schnell wird diese Ehe nicht geschieden, denn die Kripprninteressc» überwinden alles. Und zudem kennen wir ja Text und Melodie aus diesem „MIliöh", das gehört so zur tägliche,, Erhaltung und ',um täglichen Brot, ohne das man nicht auSkommen kann. Tie Sozialisten verstehen miss beste, sich soweit anzupassen, daß die Kommunisten mit ihnen zufrieden sein können, lieber ganz winzige Srohhalme stolpert man nicht, wie die Erfahvung 'eS lehrt. Nur dann droht der Eintracht Gefahr, wen» sozialistisch Das klare Ziel Frankreichs Er sink» Nunmehr drei Wochen vergangen, seitdem der passive Widerstand abgeblasen wurde; aber noch Immer sind die Jndustrie- und Zechenbetriebe NN Ruhrgebiet utcht im Gang. DaS hat seinen Grunde letzten Endes darin, daß noch keine Klärung über die Frage geschaffen worden ist, wie die Reparationslieferungen' finanziert werden sollen. Von Berlin aus ist wiederholt der Versuch gemacht worden, mit Frankreich zu Verhandlungen über diese schwerwiegende Frage zu komme», bisher ohne jede,, wirksame,, Erfolg. Dagegen verhandelt Frankreich mit den Zechenbesitzern des Ruhrgrbtetes, und zwar möglichst einzeln. Wenn die Zechen für die Reparationslieferungen, zu drueu sie gezwungen werden, keine Entschädigung vom Reich erhalten kön ne», so ist naheliegend, daß sie bald die gewaltigen Lohnsuminei, nicht mehr aufbringen können, daß der ganze Betrieb sich also totläuft. Trotzdem scheint Frankreich gar kein Interesse daran zu habe», daß nun von Berlin aus den Zechen Hilfe geleistet wird; die französische Taktik scheint vielmehr darauf hinanszuaehe», die Zechen zur völligen Unterwerfung unter das fran zösische Diktat zu zwingen. DaS unbesetzte Deutschland betrachtet man wirtschaftlich als Ausland. Der Sonderberichterstatter des „Berliner Tageblattes" i», Ruhrgebict schreibt seiner Zeitung, daß es die Ansicht maßgebender Leute im Ruhrgebict sei, daß die Franzosen Verhandlungen nicht wollen. Diese Leute behaupten, daß die gegenwärtige! Phase der deutsch-französische,, Beziehungen in gerader Linie die Entwicklung fortsetze, die mit den, Friedensvertrag begonnen habe. Durch unerfüllbare Forderungen habe Frankreich zu nächst das Reich als Vertragskontrahenten auszuschalten ge wußt und die Hand auf das Ruhrgebict gelegt. Jetzt stelle Frank reich vou neuem Bedingungen, nicht mehr an des Reich, sondern au die Nuhrwirtschaft, und wiederhole ihr gegenüber das gleiche Spiel, daß gegenüber de», Reiche geglückt ist. Es stell: unerfüll bare Bedingungen, die i» der Verzweiflung unterschrieben würden, in der Hoffnung auf Erleichterungen, in der Hoffnung aus Aus gleich. Wenn Frankreich an seinem „Protokoll" festhalte und die Zechenverwaltungen sich ihm beugen müßten, dann werde gegen sie die Unterschrift ausgespielt. Ein neues Zwangsversabre» würde so dnrchgeführt werden. WaS die Ruhr vor sich sähe, sei die Expropriation ihrer wertvollen Besitztümer infolge Nichterfül lung unerfüllbarer Bedingungen. Nach den, Einmarsch in daS Ruhrgebiet komme der Einmarsch in die Gruben »nd in die Ma schinenhallen. Die Pessimisten im Ruhrgebict glaubte», daß alle Kampfhandlungen der Franzosen ans Isolierung des RuhrgebieteS vom unbesetzte,, Deutschland hinausliefen, daß mit alle» Mit teln die staatliche Einfügung des RuhrgebieteS tn den Rahme» des übrigen Deutschlands zerstört werden solle. Der Berichterstatter deS „Berliner Tageblattes" scheint „och der Hoffnung anzuhänge», baß sich diese Betrachtungen als zu pessimistisch erweisen möchten, wir sind anderer Auffassung: Wir glauben tatsächlich, daß es Frankreich darauf ankommt, sich für seine Reparationen und „zum Zwecke der Sicherung der nationalen französischen Grenze,," äuschließlich auf die Nutzbarmachung und Zurverfügungstellung deS RuhrgebieteS zu versteifen, und daß es in diesem Rahmen che Rnhrkohlenproduktion ganz den eigenen wirtschaftlichen Interessen anpasse,, will. Es verlangt vom Reich nichts mehr, steht vielmehr in der Berliner Neichsregtrrung nur ein Element, das bisher den französischen Zwecken hemmend im Wege stand. Es ist Frankreich gelungen, die Berliner Reichsrcgick- rung auszuschalten. ES hat es jetzt in der Gewalt, sich an die Leute allein zu wenden, und sie sich gefügig zu machen, die ihm die Mittel verschaffen können, deren es eben zur Verwirklichung seiner nationalen und wirtschaftlichen Zwecke bedarf. DaS sind die Zechenbesitzer. Es liegt System in den, Vorgehen — das muß man unbedingt anerkennen —: Ein Lauz klares Ziel der sranzösischen Ruhrpolitik schält sich immer sichtbarer heraus. Vor einiger Zeit hat der Verfasser deS französischen Gelbbuches dem Pariser Mitarbeiter deS „Daily Telegraph" folgende lehr- Breiche Aufschlüsse über d,e sranzösischen Pläne für die Aus beutung des RuhrgebieteS gegeben (sie sind in der „Kreuzzeitung" Nr. 4Ll miigeteilt): „Die Franzosen gehen von der Ansicht aus, daß bas Ruhr gebiet eine versteckte Drohung für die Zivilisation der Welt bedeute. Nachdem die deutschen Industriellen sich aus Kosten der Verbünde ten und ihres eigenen Volkes bereicherten, könnten sie die Herren von England, Frankreich und Belgien werden, wenn man ihnen erlaubte, sich ihres Reichtums und ihrer Macht „ach Belieben zu erfreuen. Die deutsche Industrie ist ein Ungeheuer, das mit Hilfe der demoralisierlen und versklavten deutsche» Massen all: Arbeiter tu de» Verbandsländern mit Arbeitslosigkeit bedroht. Das ein zige, was sich zwischen eine Welthegemonie von Stinnes und seinen Ehrgeiz stellt, ist der unwiderrufliche Entschluß Frank reichs» die Entschädigungszahlungc» einznztehen und Wirtschaft- liche Sicherheit zu gewinne», dadurch, daß eS die deutschen Indu strien zwingt, die Last der Entschädigungszahl,mgen ans ihre Schultern zu nehme». Frankreich verfolgt dabet tn erster Linie natürlich seine eigenen Interessen; aber eS Hilst gleichzeitig Eng land." » Wenn man diese Ausführungen mit dem französischen Ver halten im R»h,gebiet vergleicht, dann sinket man allerdings eine vollständige Uebereinstimmung; dann ist aber auch anzniiehnien, wie schon oben gesagt, daß die von Berlin auS versuchten Schritte, mit Frankreich zu Verhandlungen zu kommen, aussichtslos bleibe». Das Interesse Belgiens au einer anderen Lösung des Konfliktes ist den Machtansprüchen Frankreichs gegenüber nicht be sonders hoch in Anschlag zu bringen. Es hat sich diesen bisher immer gefügig gezeigt; aber auch von England ist zur Verhütung einer solchen Entwicklung nichts zu erwarten. England wird sich höchstens noch bemühen, bei der Ausbeutung der Ruhrkohle mit beteiligt zu bleiben. Im übrigen dürfte es wobl ein Beschluß der britischen Reichskonserenz werde», das politische Heil Eng lands außerhalb Europas zu suche». Am Dienstag haben neue Verhandlungen der Bergwerks- Herren mit Degoickte begonnen. Vielleicht ist das Höchste, was die Bergwerksherren erreichen können, eine Verniindcrniig der zu liefernden Rcparationskohle, die, wenn die Franzose,, sich da mit einverstanden erklären sollten, zunächst natürlich auch nur im Interesse-Frankreichs, d. h.: der sranzösischen Industrie, zu gelassen würden. Frankreich hat es heute in der Hand, die Pro duktion des RuhrgebieteS den eigenen wirtschaftlichen Inter essen anzupasscn und wird diese Möglichkeit ohne Zweifel mit Klugheit benutzen. Was kann die deutsche Reichsregiernng da tun? Sehr wenig, da sie unfähig ist, zu zahlen. Wenn sie den Franzosen die Führung der Verhandlungen mit den Bergwerks- industriellen nicht a„8 der Hand winden kan;,, so muß sie eS bei», interessierten Zusehen so ziemlich bewenden lassen. Sie kann nur verhindern, daß dort Vluouuge» eingegangen werben, die die politischen Rechte Deutschlands berühre». Wenn die Berg- werksbesitzer glauben, die von den Französin gewünschtcn Repa- ratio„Slwseru»ge» nicht mehr auf eigene Rechnung vornehmen hu können und wenn es vollkommen aussichtslos bleibt, eine Ent schädigung dafür ans den Einnahmen der französische,, Verwaltung zu erhalten, dann werden sie entweder ihre Betriebe schließen —> WaS natürlich auch nicht im Interesse des Reiches »nd noch weni ger im Interesse der Rheinländer liegt, qder verkaufen müssen, vielleicht auch a» die Franzosen und Äelgier selbst, eS müßte denn sein, daß es ihnen gelänge, neue Eiiinahmequelleu aufzutuu und aus neuen überschießendeu Gewinnen selbst die Kosten der Repara tionslieferungen vorläufig auf sich zu nehmen. Es kommt für die Bergwerksindustrien jetzt vor allem darauf an, unter allen Umständen die Verbindung mit de», Reiche ausrechtzuerhalte»- die die Franzosen ohne Zweifel zu durchsch,leiden wünschen. Wir können es nicht unterdrücken, hier zu sagen: DaS ist für einen Hugo Stinnes, den Meistbeteiligten an der ganzen Ange legenheit, gewiß eine eigentümliche Wendung der Dinge. Daran hat er wohl nicht gedacht, als er einstmals bei den Verhandlungen in Spa sagte: „Mögen die Franzosen nur das Ruhrgebiet be setzen," oder, wie er sich einmal im Auswärtigen Ausschuß aus gedrückt ,hat: „Tie Besetzung des Rn.hrgebietes ist „och lange nicht daS Schlimmste." Die Franzosen glauben jetzt, die eigentliche Reparationsquelle und das letzte Mittel zur Sicherung ihrer nationalen und wirtschaftlichen Zukunft fest in der Hand zu haben. Sie haben auch den Man», der bisher glaubte, a», besten in seinen, Interesse so zu handeln, wenn er dis ReiclM- politik sabotierte, zu ihrer Verfügung. Die Weltgeschichte geht eigentümliche Bahnen; aber eS liegt ein Zug zur Gerechtigkeit in ihr, auf den wir in diesem Augenblick Hinweisen dürfen, ohne da mit zugleich sagen zu wollen, daß wir irgendwie eine nationale Genugtuung oder Schadenfreude über diesen Gang der Dinge emp fänden. So folgerichtig „uw daS Verfahren der Franzosen a» sich sein mag, es ist doch nicht ausgeschlossen, vielmehr höchst wahrschein- scheinlich, daß sie von einer falschen Voraussetzung dabe, ansgehen, nämlich von der Voraussetzung» daß dis 'Industrien des Nuhr- gebietes mit flüssigen Mitteln so vollgesogen sind, daß sie unter dem Druck der Verhältnisse sich bereit sinoen könnten, die letztem Vermügensquellei, aufzuschließen und für die Franzosen zu opfern. ES herrschen tatsächlich im Auslände Vorstellungen über das Vermögen der Ruhrindustrielle», die vis Franzosen zu solchen Gedankengä»gen veranlasse» könnten. Tatsächlich hat auch Te- goutte in seiner letzten Verhandlung sich in dem Sinne auSge- drückt, daß er meint, die Ruhrindustriellcn wären mit Devisen vollgemästet. (Es muß sich jetzt zeigen, wie weit diese Auf fassung noch berechtigt ist.) Es sieht ja jo aus, als wem, die Franzosen für den Fall, daß die Ruhrindustrie ihre Unfähigkeit zu Reparationslieferungen ausspricht und danach handelt, glau ben, die Tinge selbst in die Hand nehmen zu können; aber dir Schwierigkeiten, die dann entstehen, die zun, mindesten für die Uebergangszeit etntreteu müssen, sind den Franzosen sicher noch nicht klar zum Bewußtsein gekommen. Mt den, 80. Oktober hören die Leistungen Berlins für bas besetzte Gebiet auf. Die Arbeiter erhalten keine Löhne mehr. Wenn die Ruhrindustrie bis dahin nicht in Gang gekommen ist, dann werden mit dem 21. Oktober KüO000,Arbeiter mit ihren Familien brotlos. Was das bedeutet, iverden sich wohl auch die Franzosen klargemacht haben. Das Ausland gibt kein Geld, und daS Reich gibt kein Geld; beides steht ftst. Das Ende ist also vielleicht rin fürchterlicher Schrecken. So liegen di: Dinge. Un« den, Schlimmsten zu entgehen, werden gewiß noch in diesen Tagen die Ruhrindustriellen die Neichkregiermig mit allen, Nachdruck bestürmen, weitere Gelder herzugeben. Sie werden es vergeblich tun. Die Reichsregiernng hat bisher auch die entlegensten Möglichkeiten versucht, mit den Franzosen zu einer Vereinbarung zu kommen; sie hat aber bisher nicht di« geringsten Zugeständnisse erhallen; in, Gegenteil wird eS immer klarer, daß sich die Franzosen anscheinena für immer ln, Ruhr- gebiet festsetzen wollen: Sie bauen noch Kasernen, und sie haben neuerdings verlangt, datz neue Eisen bahnst recken unter ihre Regi« gestellt werden. Unter diesen Umständen glaubt die Regierung nicht anders handeln z» können, als sie tut. DaS Geld. daS sie weiter „ach dem Westen schicken würbe, würde die politische!, Verhältnisse nicht verbessen,, sondern die Erledigung des Konfliktes höcksiteiis weiter hinausschieben können, und daS Ende wäre dasselbe, wie jetzt. Darüber scheint sich zum mindesten der Reichskanzler sicher z„ sein. Die Franzosen wünschen, daß das Reich alle Kosten und Unkosten für die gesamte Verwaltung des besetzten Gebietes trägt. Sie billigen dem Reich aber nicht das geringste Zugeständnis i„ bezug auf seine Hoheitsrechte zu. Ueberdies ist zu bedenken, daß demnächst ein radikaler Be« amtenabbau vorgenommen wird; der Prozentsatz geht sicher über SO hinaus, ohne daß setzt etwa schon gesagt werden könnte, was mit den Leuten geschieht, die dort entlassen werden. Diese werden sich ganz sicher ans den Standpunkt stellen, daß man eher für sie als für die Franzosen sorgen müsse. Die Reichseinnahmen betragen aber zurzeit nur 3 Prozent der Rclchsansgaben. Wir sind vollkommen bankerott, und die Rcichsrcgierung glaubt, dieser Tatsache endlich mit aller Offenheit „nd Rückt,alt- losigkeit ins Auge sehen zu müssen. Es ist nicht ausgeschlossen^ daß in lvetterer Entwicklung der Dinge ,m Weste» auch mit den Reparationen für die andere» Staaten Schluß gemacht wird. Die Verantwortung für alles das, was geschehen ist und komme,» wirb, mutz die Reichsregiernng Poincare zuschieben, und das ist auch bereit? ans diplomatischen, Wege geschehen. Den sormale» Lauf der Verhandlungen gedenkt die ReichSregie- rung, eben ans diesem Grunde dcr Vernnlwortlichleit nicht zu unterbrechen; aber der französische Wille, vie Tinge znm äußer sten zu treiben, scheint f e st z „ st e h e». Tie Franzosen scheine» die Verantwortung gern ans sich nehmen zu wollen. Das Ver hängnis ,m Westen lauert bedrohlich mit allen seine» Schrecken. kommunistische Krippeninleressen einnial ernstlich kollidieren sollten. Dann allerdings wird eS brenzlich. Sonst aber kann man, sei der Zank „och so massiv, schon vorher darüber setzen: „In den Armen lagen sich beide unö lveinen vor Glück und vor Freude." AHM i« Syrien Angora, 20. Oktober. Jir Hanran in Syrien ist rin Auf- stand ausgebrochcik, welcher von den Franzosen geheim gchciltcn wird. Dir Aufstöndigeir haben die «»Hänger srs franzö- sischen Mandats getütet. Auch wurde rin Zug ausge- haltc» und die darin befindlichen französischst» Offiziere und An- Hänger der sranzösischen Herrschaft herausgeholt. Tie Erschie ßung dieser Franzosen und Franzofenfrennd« wurdr sofort durchgeführt. Die «usstündlgnr in Syrien habe« «ine Pro- tcstaote a»e die türkische Regierung gerichtet, in der die sofortig- Räumung Syriens durch die Franzosen verlangt wird., mit der Brgrünvuikg, daß die Franzosen tu Syrien keine Ordnung einge- führt hätten, soirdern Gewalt und Greueltaten. In dieser Not« wird außerdem verlang», dahSyriensichmitderTürkei vereint. . Bayrisch« Jiv<n»g»n»aß«ahme« München, 20. Oktober. Der Geurraistaatskommissak ord nete mit sofortiger Wirksamkeit für das rechtsrheinische Bayer» an, daß jeder Landwirt, der Herbstkartosfeln «»gebaut hat. vcrpslichtet ist. bis zum 17. Roven ber 30 Prozent sei» er gesamten Kartoffelernte dem Verbrauch adcr zum Knr- toffclhandcl zugelafsenrn Personen in Bayern abzug b ». widrigen falls Snteigming erfolgt. Zuwiderhandelnde werden mit Gc- fünglriS und Geldbußen bestraft. Der Dollar im Freiverkehr: 18 M lliarden! Berlin, 20. Oktober. (Drahtbericht.) Der Dollar notiert« an der heutigen BorbSrse im streloorkehr 18 Milliarde«. Die Tendenz ist weiter nach oben ge» richte». Die Lfchechenkrone notierte 490 Millionen. Dies« gewaltige DurSsteigernua ist ans die ««günstigen Nachrichten an- Bayern über die liluftrischung des Konflikte- zwischen Norde« «nd Süden zurürkzusühren. Papst Pi«S X. sagte; „Ihr werdet vergebens Kirche» baue«, Schulen gründe«, Misstonen abhalte«, all« eure guten Werke find umsonst, alle eure Anstrengungen find vergebens, wenn ihr nicht zu gleicher Zeit eine grost« Presse habt."
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