Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 04.11.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192311046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19231104
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19231104
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-11
- Tag 1923-11-04
-
Monat
1923-11
-
Jahr
1923
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 04.11.1923
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
nntag, 4. November 1923 gestellte am 9. November 19 vom Hundert der Bezüge i« «vertbestSndigeu Zahlungsmitteln ausgezahlt werden. Leider hat leine Reihe von Gemeinden und privaten Arveitgrbern schon wn 1. November einen Teil, manche sogar den vollen Betrag »er Bezüge in wertbeständigen Zahlungsmitteln ausgezahlt. Welche lBeuuruhiguug in die Arbeitnehmerkrcise darüber gebracht wor den ist, daß sie nicht auch schon wertbeständig entlohnt worden lind, braucht nicht erörtert zu werden. Die Schuld in dieser Beunruhigung trifst aber diejenigen Arbeitgeber, oie so hohe wertbeständige Auszahlung vorgenommen haben, da sie der All gemeinheit einen sehr hohen Betrag an wertbeständigen Zahlungs mitteln entzogen haben. Slmm ml di« Ml»« stalhMS Köln, 3. November. Gestern wurde in Aachen ein neuer Angriff nnf das Rathaus von den Separatisten auSgcfiihrt. Ge gen 7 Uhr morgens begann ei» regelrechter Sturm aus das Rat haus. Die Separatisten waren ungefähr 2V0U Mann stark. Sie benutzten Straßenbahnwagen und Lastautomobile als Deckung, um an das Rathaus heranzukommen. Die Türen wur de» mittels Sprengladung erbrochen. Von den gegenüberliegen, den Gebäuden wurde das NathanS ständig unter Feuer gehalten. Um 9,39 Uhr gelang eS einem Sturmtrupp, in die unteren Räume einzndringe», in denen sich ein heftiger Kamps entspann. Gegen 1V Uhr wurde ans dem RathauSturm die Scparatistensahue ge hißt. Während der ganzen Aktion mußte» mehrere Leute mit erhobenen Händen auf dem Nathausplatze als Geiseln stehen. Die belgische BesahungSbrhörd? hatte sich aus der Hauptwache zurück- gezogen und über die Stadt den Belagerungszustand verhängt. DnS Tragen von Waffen ist verboten. Ferner dürfen nicht mehr wie fünf Personen auf der Straße zusammenstehen. Dagegen ziehen aber die Separatisten zu Hunderten mit Pistolen und Kara binern und sonstigen Waffen durch die Straßen der Stadt» ohne daß von den Belgiern dagegen eingeschrittcn wird. Anscheinend ist es die Absicht der Separatisten, alle übrigen öffentlichen Ge bäude in ihre Hand zu bringen. DnS Polizeipräsidium wird gegen!'.,artig von einer nach Tausenden zählenden Menschenmenge umlagert. Die Separatisten entwaffnet Aachen, 3. November. Die Sonderbündler sind nachmit tags auf Anordnung des Bezirtsdelcgicrten, der im Aufträge der NhcinlandSkom Mission handelte, durch die belgische Gendarmerie entwaffnet worden. Sie dürfe,, keine Armbinden und kein? Waffen mehr tragen. Ein Teil von ihnen hat sich nach dem Bahnhofe begeben. NathanS und Regierungsgebäude sind von deutscher Polizei besetzt. Die Fahnen der Sonderbündler wurden hcruntergeholt und die beschlagnahmten Waffen unter Aussicht des Gendarmeriekomman- dnnten aufbcwahrt. Der Leiter der deutschen Polizei wurde per sönlich für die Sicherheit der Sonderbündler bei ihrem Abzüge verniitwortlich gemacht. Von einzelnen Personen, die von den Sonderbündlern gefnngengehalten worden waren, ist , bereits be kannt, daß sic wieder frei sind, so von dem Landrat von Monschau »nd einem Beamten des Polizeipräsidiums. Die Bevölkerung, die sehr erregt war, wurde durch die Polizei nach Abzug der Sonderbündler beschwichtigt. Der KreiSdelegierte gibt bekannt, daß bis auf weiteres jeder Bcrkehr von Bewaffneten »nd besonders bewaffneten Scharen, daS Be flaggen oder Tragen von Fahnen oder Armbinden sowie jeder Verkehr von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgend im Stadt- und Landkreise Aachen verboten sind. Sollmann an v. Knillinq Berlin, 8. November. D?r NeichSiuiuister deS Innern Soll maua hat folgendes Telegramm au den bayrischen Ministerpräsi denten v. Kmlliug gerichtet: „Preußische und thüringische StaatSrcgieruug erheben bei mir entschieden Vorstellungen Wege» der irregulären Trup pe n n u sa m m l u u g e n an der nordbayrischen Grenze. Verhältnismässig bedeutende Truppenverbände mit schweren Waffen, auch Geschütze», amtlich festgestellt. Amtliche Meldungen sprechen von Gcenzüberschreitungeli auf thüringisches Gebiet und Schüssen auf thüringische Grenzpolizei. Preußische und thüringische Staatsregicrnng, besorgt wegen Bedrohung ihrer Länder durch diese irregulären Truppen, verlangen schleunigst Schutz von d?r NeichSregierung. Große Beunruhigung in ganz Mitteldeutschland wegen der militärischen Vorgänge in Nord- baycrn. Jin NeichSintercsse ersuche um baldige Aufklärung über die irregulären Rüstungen in Nordbaycrn und über die Maß nahme» der bayrischen Negierung gegen diese große iunerpoli- tische Gefahr." Berlin, 3. November. Nach Meldungen anS Weimar be ginnen die Schießübungen der bayrischen illegalen Kampsformatio- nen sich mehr und niehr auf den thüringischen Grenzschutz zu richten und an Umfang zuzunehinen. So wurde in der Nacht vom 1. zum 2. November in der Nähe von Eonneberg an der bayrisch-ihnringische» Grenze der auf thüringischem Boden befind liche Posten der thüringischen LandcSpolizei von einxr Patrouille irregulärer bayrischer Kampfberl'ände unter lebhaftes Gewehr feuer genommen. Die thüringische Landcspolizei hat das Feuer nicht erwidert. Nr. 215, Seite 87 . - f Belgien «nd die Sachverständigenkonferenz Der mpschliM TtÄ M SiiliNigi»Amkiki IM Kklgik» MMMIMN Brüssel, S. November. Wie der Brüsseler Korrespondent des „Oeuvre" mittrilt,' habe« die Belgier den vorgeschlageneir Text einer Einladung me Amerika zur Teilnahme am Sachh verständigcnausschub von geringen Einzelheiten abgesehen, an genommen. Der englische Gesandte Lord Srahame erklärt: gestern früh Herrn Jaspar. daß das englische Kabinett sich mit den von Brüssel getroffen«» Abänderungen des Wortlautes rin- verstande» erkläre. Im Hinblick auf di« Forderung PoinrareS, nach der nur die gegenwärtig « Zahlungsfähigkeit deS Reiches ermittelt werden müsse, betonen die belgischere Kreise, daß die jetzige Zahlungsfähigkeit Deutschlands nahezu Null sek. Sie pflichten der Auffassung PorncareS bei, vast Pie künftige Leistungssähigke: t Deutschlands nicht zu ermitteln sei. Sie fügen hinzu, daß diese Schwierigkeiten sich in der Art umgehen lasten, daß das Kapital des Deutschen Reiches ausfindig gemacht werden müsse und ferner, welche Ein- künfte dieses Kapital unter der Verwaltung der Verbündeten zum Zwecke der Medergutachung abwerfcn könne. Diese Methode habe ferner den Vorteil, das sich die Anleihe, oie von Deutschland benötigt werde, begünstige. Doch haben die alliier ten Botschafter in dieser Frage noch keine definitiven Anweisungen erhalte», da die intrrallierten Besprechungen über das nach Washington zu scndriedc Telegramm noch nicht zum Abschluß gelangt sind. London, I. November. „Zentral News" glaubt zn wissen, daß die Verbündete» sich nunmehr über den Wortlaut der Ein ladung der Vereinigten Staaten zur Teilnahme an der Sach- verständigenkonfcrenz einig geworden sind. Die Einla dung werde wahrscheinlich am Ende der Woche in Washington übergeben werden. Für die erste Znsaminenkuieft sei Paris auSerschcn. Die amerikanische Negierung hat «ach Washingtoner Meldungen den französischen Gesandten wissen lassen, daß sie dem SachverständigenanSschuß fernblelben werde, wenn sein Spiel raum für die Prüfung der gesamten deutschen Zahlungsfähigkeit allzusehr beschränkt werde. »»»««««»«»NN»»»««»»»»»»««»»»»»»«»»»»»»!» 1 unsere l^eserl 1 , » Si Die keruxspeeise cier Lciiunxen bleiben ieotr Sen 6r- A böbunzen in fester IVoctis immer hinter sten tkerstellunxs- ^ > kosten ster Leitungen rurück unst reichen tatsächlich kaum » » mehr aus, um stie Kosten stes dkachrichtenstienstes, stie l.Sbne W Ä unst tiehillier ru berablen, välirenst krssir kür stas vor- 8 » struckte Papier hei stieren kerugspreisen überhaupt nickt > > mehr r» beschallen ist, Inkolgestessen dringe» stie Leitungen » E wie kein snsteres Unternehmen, solange es gebt, riesige A > Opler, stsnn selbst bei über sten priestensstanst binansgebensten » M kerugspreisen können stie Leitungen nickt einmal mehr stie > , däalerialkosten westor aus öerugs- noch Anzeigenpreisen A W stecken black ster letalen amtlichen blotierung kostet ein W 8 Siggen Leiiungsstruckpapier, ster in Qolstmark beaakit wersten A muö, neunzig Lillionsn älark gegen trüber zwei stsusenst M » käark. Die neuen prköliungsn ster Post-, Telegraphen- unst » » Pernspreckgebübrsn wirken sick im Leitungsbelrieb begreif- 8 A licberweise vervielfacht aus. ^Iles sties in Lusammenwirkung M U mit sten anstern seit einer IVocbe wiester maülos gestiegenen » A Lolastungeri ster Leitungen unst stem neuen lVlsrkstnra zwingt R , stie Leitungen in ganz Oeutscblanst auch bei gröüier kack- , » sicbtnakme auf ikre Vezisker zu entspreebenst neuen kr- > N Höhungen, stie stie Unterzeichneten Oresstner KILtter wiesterum A D so niestrig wie nur stenkbsr bemessen Kaden. -5 A Sseksiseke Volksreitung Tküi-Ingei« Volftsrvaekt « A Oresstner Anzeiger Oresstner hlackrickten s) Oresstner bleueste blsclirichten ^ Oresstner Volkszeitung Läclisiscke Ltaatszeitung K Oer Serugspral, «iee 1. ßlovemdei'u/oelie, vom 8 3 blovember dis einscbl. y, blovember, beträgt 35 Süilliarckeii » Mark. >Vie immer, ist stieser Oezugspreis nui- von «l«r> Veelsgsderlekeen zu entrichten. Von sten postberielieen 8 wersten blackoriiebungen sturck stie Post eingezogen. A rsbikskti lügt lisüte beü k Die SIMM« Iller deslsihei Schliesttiigm ^ Pari», 3. November. Die Frankfurter Zeitung meldet: Der deutsche Geschäftsträger hat gestern am Quai d'Orsay, w» er vom Direktor im Ministerium des Auswärtigen empfanget wurde, eine Note überreicht, in der die deutsche Regierung er» klärt, daß sie nicht in der Lage sei, ihre Sendungen zur Durch führung der Sachlieferungen zu machen und infolgedessen ge^ zwungen sei, die Lieferungen für die Gesamtheit der reparationSberechtigien Staaten» außer Frankreich und Belgien auch für England und Italien und die Kleine Entente einzustellen. Die Note, die u. a. auch diejenigen Lieferungen betrifft, di? zu Beginn des JahrcS in der Durchführung begriffe» waren und durch die Besetzung der Nnhr unterbrochen worden sind, ist auch den übrigen alliierten Haupts staaten überreicht worden. Die AmisiiW der thkinWi ükjii>bl>!> ii KöniMeio i. Nc»ms Frankfurt, 3. November. Gestern wurde ln Könlgstcin von den Separatisten unter dem Schutze der französischen Trup pen die rheinische Republik ausgerusen. Die Separatisten besetz ten das Rathaus und daS LandratSamt. Das Postamt wurde ebenfalls in Besitz genommen, später aber wieder freigelasten. Ein Widerstand der Bevölkerung war nicht möglich. Gleichzeitig 'mit der Ausrufung der rheinischen Republik fanden Plündernn- gen in verschiedenen KonseltionS- und Schuhlndcn statt. Befriediqun^ in München München, 3. November. (Drahtbericht.) Zu dem Austritt der Sozialdemokraten aus der Neichsregierung schreiben die Mün chener Neuesten Nachrichten: Wir hoffen, daß man in Berlin bei den Entscheidungen, die noch zu treffen find, über den in neren Horizont der Parteiwirtschaft hinauskommt. Wir wollen den Wiederaufstieg aus der marxistischen Ver wüstung im Innern; den Bruch mit dem Marxismus. Wir wollen wieder den Aufstieg als freie Naiion, Lossagung von dem, auf dex Kriegsschuldlüge aufgebauten Versailler Unfriede neuer«! trag. FrMoußktzliNM in öelün > Berlin, 3. November. (Drahtbcricht. Heute tagte im Nrichdtag nur die d c m 0 k r a 1 i s ch e Fraktion. Die Zentrums, fraktion tritt erst am Sonntag vormittag 12 Uhr zusammen. Die Deutsch nationalen haben ihre FraktionSsitznng für Dienstag angesetzt, wahrend die Fraktion der Deutschen Bolkspartei am Montag znsammentreten wird. Die So zialdemokraten und Kommunisten haben für heute keine FraktionSsitzungen angesetzt. Die Demokraten hatten zu ihren Beratungen, die schon um 9 Nhr früh begannen, den Partei vorstand a»S dem Reich? zugczogen, so daß sich eine große poli tische Aussprache entwickelte. Die Fraktion nahm mit dem Pa» teivorstanb eine abwartende Haltung ein. Die Vcrhand» lnngrn werden voranSsichtlich auch am Sonntag fortgesetzt werden. Die demokratischen Minister, die an der Erörterung teilnahmcn, haben sich zu einer Kabinettssitzung zum Reichskanzler begeben. Der auswärtige Ausschuß d?s Reichstages, der am Montag zu sammentreten sollte, wird erst am Dienstag nachmittag um 4 Ilhr tagen. Die Bollsitznng deS Reichstages soll bekanntlich am Mitt woch nachmittag um 3 Uhr stattfinden. ^ Die sächsische Landta^sanfkösunq Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, hat der amj Donnerstag von der Deutschen Volkspartei eingcbrachie Antrag aus Auflösung des Landtages, der in der Sitzung am näch sten Dienstaa zur Beratung steht, Aussichtanf Aufnahm e. Außer den Antragsstellern werden die Deulschnationale Volks partei und die Kommunisten sicher für den Antrag stimme», während die Demokraten sich voraussichtlich der Stimme enthalt ten dürften; nur die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion! ist noch ungeklärt. Berliner DsvisenLnrse vom 3. November (Amtlich) mil-eteilt von der Commerz- und Privatbank. A.-V., Dresden Hotiermigen In Tausenden der Einheit der Wtthrnng. «ix I «eld 11. vrl«' °,x r. Geld 7--. 77« II. j Nrlsf Nmperdam ... ikisszvoa IKS402000 5 iriS95k>co 22305^0) Brüssel .... LVS46000 216si2000 5 15551600 155'9060 Ihrcfiimt» , . . 53441000 537S3V00 S 4^83000 47II7MO Aopenbcigen . . 73617000 733^3600 10 5S55L600 53914000 rwckholm . . . N2N9600 112681600 10 82194(00 82x05000 « » » « , London .... I89S3M0 19047600 » I S55000 14015000 l»S5»OV00 1S047S0V00 5 1196 00000 1403506000 »ecworl .... «1SLLIXXI0 42155000.) 5 319.000i0 320860000 Paris .... 24339060 s««bicvo 3 16154000 18446000 Nlirich .... Madrid .... 75«II!X>0 7548S000 5 54561000 S4917000 reer9?ix> S674I000 >c> 40898(00 411"2000 «ie» S.9S, 6.V15 5 4189060 44 «1000 Prag Nar chan . . . ir<s9voo 12531000 S 917,000 SL210V0 Vcidapist- . . . L2S42 rr NILLVOo I?k«<ooo Dresden In der D. N. Zt. macht der bekannte Schriftsteller Paul Fechter iiiieressauie Ausführungen über „Deutsche Städte". Neber die schöne Stadt an der Elbe schreibt er: Bisher war München sozusagen die aktuellste Siadt Dxutsch-, lauds. In letzter Zeit hat Dresden begonnen, ihm energisch Konkurrenz zu machen. Dasselbe Dresden, auf daS einst Saphir eines seiner boshaftesten Worte prägte, als er, gefragt, waS er tun würde, wenn die Welt untergingx, zur Antwort gab: „Dann gehe ich »ach Dresden. Da treten alle Ereignisse 80 Jahre später rin." Für das alte Dresden mag dies Wort zugetroffen haben, daS heulige, die Hauptstadt Sowjet-Sachsens, hat das Meiischen- altcr Saphirs reichlich nachgeholt. Und eigentlich hatte das schon das Dresden Friedrich Augusts, des letzten Wettiners, getan. Obwohl in seinem Untergrund noch immer ein bißchen von dem alten verschollenen Dresden Ludwig Richters und Johann Gottliob Naumanns und der Abendzeitung schlummerte. * Dresden ist eine der merkwürdigsten Städte Deutschlands. Herrlich und schrecklich, königlich and spießig, weit und eng, ?in Komplex von tausend Gegensatzpaaren. Eine Stadt mit einer Lage, wie sie so schön kaum eine zweite der großen deutschen Städte aufweiscn kann. Eine Stadt mit einem Reichtum städte baulicher Kostbarkeiten wie sehr wenige neben ihr, und zugleich eine Stadt, die mit diesem Besitz nichts weniger als pietätvoll um- gcgangen ist. Eine Stadt mit einer ganz großen Tradition der Architektur, des Kunstsammclns, des Theaters, die es trotzdem in der Gegenwart trotz allem heißen Bemühen zu keinem rechten eigenen geistigen Gesicht gebracht hat. In einem Lande, in dem von Lessiiig bis Wagner die meisten geistig bedeutend?» Menschen Deutschlands zur Welt gekommen sind (mir Schwaben kann damit ncxb konkurrieren), liegt als Haichtstadt eine Siedelung, die seit Jahrzehnten sich abmiiht, ein eigenes besonderes Gesicht zu bekom men; aber waS sie schafft, sind immer nur Gastspiele Landfremder, die für einige Zeit dort lelwn, wirken und schimpfen, um dann wieder abznziehen. Die große Zeit der Dresdner Malerei ruht auf den Namen des Norwegers Dahl, des MreifSwalderS Fried, rich, des Güstrowers Kersting: die Schönheit der neuen Stadt hat der Lübecker Gotihart Kühl verkündet. Nur einen Ruhm darf man der Stadt »ick>t streitig machen, daS ist der, die Heimat des norddenpchen (.'-"ressiriiismus gewesen zu sein. Die ganzen Leute der „Brücke" von Pechstein bis Hecke! sind Sachsen, und die ersten drei Jahre ihres öffentlichen Auftretens haben sie in Dresden verbracht, um dann freilich schleunigst nach Berlin oder sonst wohin zu v?rschwinden. Was hat nicht alles an großen Schriftstellern in Dresden gelebtl Von Kleist und Hoffmann angcfangen bis zu Dostojewski und Ibsen haben alle mehr oder weniger lange in der Stadt an der Elbe gelebt. Dann sind sie wieder abge zogen, ohne daß sie Spuren im geistigen Leben der Stadt hinter ließen, ohne daß die Stadt sich in ihren Werken widerspiegelte. Höchstens bei Hoffman» findet man einen blassen Widerschein ihrer Schönheit. Wie oft ist München, ist Berlin, sind andere Städte bedichtet worden, während man in Verlegenheit gerät, wenn man außer dem Goldenen Topf etivas DrcsdnerischcS nennen soll. Das liegt wohl daran, daß die Stadt trotz aller freinden Einwanderungen viel zu einheitlich und wirklich cst, als daß ihre Ureinwohner oder selbst Fremde so viel Distanz zu ihr gewinnen könnten, um sich literarisch an ihr zu versündigen. Mal?n kann man sie wohl noch. Aber in: übrigen ist sie eigentlich viel zu schön und trotz allem viel zu ganz, um Objekt und Thema der Literatur zu sein. Wer in Dresden lebt, hat einfach keine Zeit zu schreiben. Wer je einen Sommer dort zugebracht hat, vom Frühling an, wenn die ganze Stadt in einem Krai^ von Blüten versinkt, im Sommer, wenn der silberne Dust über den Bergen liegt, und man sich ärgert, daß man nicht gleichzeitig in Loschwitz und auf der Babisuaucr Pappel, in Morihburg und in Tharandt, auf dem Brand und in der Heide sein kann — der weiß, daß man beim besten Willen in diesen Monaten keine Zeit zum Arbeiten dort finden kann. Wenn aber der letzte Dampfer unter den erdbeer- roteu Häng?n des BorsbergeS entlang, an der spielrischcn Grazie deS Pillnitzer Schlosses vorbei in den Hafen gefahren ist, dann be ginnt die Oper, und dann muß man Strauß und Wagner, Beetho ven und Puccini von diesem zauberhaften Orchester hören, das in Sempers Bau, in dem schönsten deutschen Opernhause, fast möchte man sagen, seit Jahrhunderten spielt. Und dann muß man in die Galerie gehen zu Vermeer und den herrlichen PoussinS, zu Nembrandt und Nnisdael, zu Holbein und Tintoretto, und dann steht man draußen im Zwinger und kann sich nicht losreißen von der schwebenden Grazie dieses PöppelmannbauS, vor dem man immer wieder hingerissen feststellt, wisvieler Grazi? deutsches Wesen in glücklichen Stunden fähig ist. Man muß inS Johan nen»: gehen, das die reichste Porzellansammlung deS Kontinents birgt, und zu den Paradiesvögeln in den Zwingerpavillons; dann fällt einem Plötzlich ein, daß im Albertinum auf der Brühlschen Terrasse die Herkulanerm steht, «nd schließlich ist eS wieder Zeit, in George BährS Frauenkirche zu gehen, deren Kuppel noch immer, trotz allen Nathaustürmen und.Fernheizwerken, daS ewige Wahrzeichen dieser Stadt und deren Inneres, der aus Bachschem Geist geborene Kirchenraum ist. Und das Schauspiel ist noch da und die-Vesper in d?r Krcuzkirche und hundert andere Dinge: wo soll man da die Zeit zum Arbeiten hernehmen? Es ist wirk, lich kein Wunder, daß Dresden höchstens gemalt, aber kaum je bedichtet wird. Es gibt viel zu viel und nimmt den Menschen viel zu sehr in Anspruch, als daß er kühlen Abstand und Distgnz, gewinnen könn»- Den Rest sein?r Energie aber braucht man, um zn fluchen. Darüber nämlich, daß diese Stadt mit ihrem alten Reichtum an Schönheit nicht sorgsamer umgegangcn ist. Daß man die schöne alte Augustusbrücke, die wie eine Raupe vom Schießplatz nach der Neustadt über das Wasser kroch, abriß, war wohl eine Notwendig- keit, und Kuehl, der sie so oft von seinem Atelier a»S gemalt hat, weil fie ihm so bequem vor der Nase lag, ist ja inzwischen auch gestorben. Aber wenn man vom „Balkon Europas", der Brühlschen Terrasse, hinüberblickt über die Elbwiesen, mif das Neustädter Ufer, auf die zopfige Gravität des Japani schen Palais, daß noch so echt dresdnerisch ist wie PöppclmannS Zwinger, und sieht dann weiter auf die Neubauten des Finanz. Ministeriums, des Innenministeriums danoben; wenn man dann hinübergeht und sieht neben der Frauenkirche nicht mehr nur daS italienische Barock der Hofkirche mit dem feinen Turm und di« kupfergrüne Ernsthaftigkeit des Schloßtnrms, sondern auch die ver goldete Glaskuppel der Akademie, den Ausbau über dem G?orgen- lor, WallotS StändehauS und all daS übrige, womit man dieses einzige Stadtbild verunziert hat, dann bekommt man eine Wut und verbraucht den Rest seiner freien Zeit dainit, sich vorznstellen. wie schön dies? Stadt ohne dieses alles hätte sein und werde,^ können. «> WaS aber ist das Endergebnis einer solchen rückschauenden Betrachtung voll Erinnerungen an Jahre, die man einst selbst in „Elbflorenz", wie Herder, in dieser „Kapitale der Mittelmäßigkeit", wie HanS von MaröeS es nannte, zugebracht hat? Man be kömmt eS mit der Sehnsucht, einmal wieder die Frauenkirche und! den Jüdenhof im Mondschein zu sehen, und beschließt, bei nächster Gelegenheit der Hauptstadt des roten Sachsens einen Besuch abzu- statten. Denn wenn man auch flucht, sie läßt einen nicht, weil) sie trotz allem eine der reichsten und schönsten Städte Deutschland» ist. ^PaulFechter? i
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)