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Sächsische Volkszeitung : 19.01.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192201192
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220119
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220119
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-01
- Tag 1922-01-19
-
Monat
1922-01
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.01.1922
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8. Einen weiteren Borwurf macht man in dieser Richtung dem Zentrum, indem inan sagt, das-, es den föderativen Cha rakter des Reiches nicht festgehatten. sondern in unzulässiger Weise den Einheitsstaat gefordert habe. Dazu will ich kurz fol gende Feststellung machen: Es läßt sich nicht leugnen, daß die StaatSnotwsndigkeilen dahin geführt haben, im Laufe der Jahre die Kompetenz des Reiches und der ReichSgesetzgedunq aus Kosten der Bund,sstaaten immer mehr auszudebnen. Es soll weiter nicht abgestritten werden, daß der der Beratung der neuen Reichsverfassung Bestrebungen zutage getreten sind, das Reich zu einem Einheitsstaat zu machen, und den einzelnen Ländern schließlich nur noch eine Zuständigkeit zu lassen, die am besten vielleicht mit den Befugnissen einer Provinzialverwaltung zu ver gleichen wäre. Diese Bestrebungen sind aber auch innerhalb der Zentrninöpartei nicht zur Herrschaft gelangt. Im weiten Um- songe ist die Sell-siändigkeit, ja, die Souveränität der einzelnen Länder bewahrt ,n bliebe». Wenn ibr Recht zum Teil bedeutend gesprengt worden 'st. so ist es doch nur geschehe», wo nach ge wissenhafter Ileberzeugung des Zentrums die veränderte Lage der Dinge, nainenllich daS naturgemäß besonders m den Vorder grund getretene finanzielle Interesse des Reiches es dringend er heischt, den MachikreiS des Reiches und der Rcichsgesehgebung zu erweitern. KeineSsallS darf man dein Zentrum den Vorwurf wachen, seine Grundsätze preiSgsgebe» zu haben. In de» neuen Richtlinien ist die NeichSeinheit als unverletzlich für die Zen- tr>iinsvartei feierlichst erklärt worden, und dann heißt cs: „Im Rabmen der Reirbseinheit ist daS Eigenleben der Länder zu schütze» und zu pflegen. Eine starke Zentralgcwalt sichert de» Stämmen und Ländern Bestand und Lebenseiitfaltuiig. Der zentralistische Staatsaufbau entspricht nicht dem deutsche» Volks- charaklcr." Damit ist der zentralistische Einheitsstaat mit aller wünschenswerten Schärfe und Klarheit abgelehnt. s. Wenn wir uns so zur neuen deulschen Reichsverfaisnng mit aller Bestimmtheit bekennen, dann gehen wir in der Anwen dung dieses Grundsatzes noch weiter und tiefer. Wir müsse» nicht nur formell dem Staate die Treue halten, sondern von gan- zcin Herzen bereit sein, alles, was geschehen kann, zu tun, um unser StaatSwcseii zu fördern und zu heben Schicksalsverbun denheit mit dem Staate! DaS ist heutzutage meines Erachtens erste und strenge Pflicht aller derjenigen, die zur Zcnlenins- partei gehören wollen. Ebenso wenig, wie wir zugeben dürfen, daß die Zentrumspartei irgendwie ihre alten Grundsätze ver lassen oder verachtet habe, ebenso wenig wollen wir auf die jenigen hören, die von einer Umgestaltung und Umwälzung der Zentrumspartei und ihren Grundsätzen sprechen. Unsere Grund sätze haben sich nun schon seit Jahrzehnten bewährt, und ver bürgen das Heil dcS Staates und des Volkes, wenn nach ihnen das ösfentliche Leben eintreten wird. Gehen wir mit Freuden, ja mit Begeisterung daran, unsere Ideale, unsere Richtlinien in die Tat umzusetze». Hören wir auf das Wort WindthorstS: „Wir sind heute, was wir gestern waren, und wir werden mor gen sei», was wir heule sind!" Schwer ist die Stunde, schick salsvolle Jahre liegen hinter uns. unheilvolle Monate droben uns in den kommenden Zeiten, aber den Glauben an unser Volk und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wollen wir nicht ver tieren, wenn es uns gelingt, die Ideale und Ziele der Zentrums partei weit mehr noch als bisher im öffentlichen Leben Deutsch lands und der Länder zur Geltung zu bringen. Ich glaube meine Ausführungen nicht besser schließen zu können, als mit den herrlichen Worten, die Freiherr von Hcriling bei der Jubi läumsfeier der Zentrumspartei am 21. März 1!)11 hier im Reichstage sprach: „Ideale Beweggründe sind cs gewesen, welche die Zentrumspartei zusammcnführten. ideale Beweggründe allein verbürgen ihre Dauer und ihre» Bestand, die Zukunft wird neue Ausgaben bringe», wechselnde Probleme mit wechselnden Lösun gen. Unverrückbar bleiben nur die groben Leitsterne, von denen die alte Detnse des Zentrums redet. Denn ewig ist die Wahr heit. nnbeimsm» >>t das Recht und unbesiegtich die ans sittlichem Grunde rnbende Freiheit. So lange die Partei diesen Leit sternen folg!, wird sie bestehen, und so mögen Sw denn, meine Herren, mit froher Zuversicht in die Zukunft blicken, über alle Schwierigkeiten und Kämpfe der Gegenwart hinaus. Diese Ausführungen wurden wiederholt von stürmischen! Beifall unterbrochen. Als Präsident Marx mit dein begeisterten Aufruf zur Weiterarbeit für die Partei aeschlossen hatte, brachten die Delegierten minutenlange Kundgebungen dem Redner dar, , die nicht mir seiner Perlon und seinen! uneigennützigen opfer- irenen Sckmffen für die Parier, sondern auch den hoben Grund sätzen. Idealen »nd Zielen galten, die eine so vollendete und überzeugende Darlegung und Rechtfertigung gefunden hatten. Als besonders kennzeichnend ist aber auch noch die po litische Seite des Referats hervorzuhcben. Präsident Marx kam. veranlaßt durch eine sensationell sein sollenve Beincrkung eines Berliner demokratischen Blattes, das aber mehr den So zialdemokraten nahcsteht (der „Morgenpost"), auf die Stellung der Zentrumspartei zu dem Kanzler zu sprechen. Dieses Mat! hatte nämlich a»S der Tatsache, daß das Referat über die poli tische Lage nicht von dem Präsidenten Marx, sondern von Mi nister Brauns gehalten wurde, folgern zu können geglaubt, daß die, wie daö Blatt sich ausdrücite, „überraschende" Aenderung darauf zurückzufübren sei, daß man befürchtet babe, der „dem rechten Zentrumkflügel nahestehende" Abgeordnete Marx würde Ausführungen machen, die der Regierung wie der Parteileitung gleicherweise nicht angenehm wären. Das war eine Nachricht, welche den Stempel des Unsinns, um nicht z» sagen des Unfugs an der Stirne trug. Sie war vollständig ans den Fingern ge sogen. Mit gutem Humor und unter stürm!scher Heiterkeit des Parteitages zerpflückte der Abg. Marx diese Eme. Er sprach aber dabei ans,' daß die Zentrumsfraktion, wie die JcntrnmSvar- iei geschlossen hinter den» Reichskanzler Dr. Winh stehe. Diese Aeußcrnng wird vcm Parteitag uni gewaltigem demonstrativen Beifall unterstrichen. In der nun beginnenden Anssprache zeigen sich abermals daS hohe Verantwortlichkeitsgefühl, das Pflichtbewusstsein, die Opferirene und vor allem der iicfwurzelnde Idealismus, der in der ZcntrumSpariei sich überall geltend macht. Der Gruß und das TreueüekeuutiiiS eines Vertreters aus dem Saargebiei nimntt der ainiiecende Präsident Gras P r a s ch m a zum Anlaß, um als Oberschlesier bei",lickst! zu danken. Abg. Hetzleln-Dresden führte uns: Eins der erfreulichsten Zeichen des Parteitages ist wohl daß durck' alle Reden ein außerordentlich starker Zug der Bejahung und de?- Optimismus gegangen ist. Diesen Geist müsse» wie auch draußen in der Oeffeittlichkeit vertreten. Wenn der Block der Linke» in Lachsen nicht so schalten und walten tan», wie er möchte, so haben wir das einzig »nd allein der tliiae» Politik der Zentrumspartei in Weimar zn verdanken. t'Bcifall.) Wir müssen auch inal ein scharfes Wort nach rechts sprechen. Das Organ des Sächsischen LandbnndeS bringt fast in icdec Nummer mehr oder niinder zum Ausdruck, daß der Reichs kanzler Wirih daö deutsche Volk gewissermaßen deni Ausland anölieferr. Mir sollten nicht bloß, sagen, was das Zentrum Positives geleistet Hai. sondern auch nachprüfen, was die Rechts parteien an positiven Arbeiten »ichi geleistet haben. Daß der im sächsischen Kultusministerium auögearbettete Regierungsent wurf üoer die Uellerwachung der Kirche überhaupt gar nicht erst an den Landtag gekommen ist. ist lediglich ein Verdienst der Zentrumspartei, die daraus hingewiesen bat, daß er der Reichs- Verfassung widersprechen würde. Chefredakteur Aa u r - Karlsruhe sprich! die »olle Zustim mung der badischen Zentrumspartei zu dem Referate des Prä sidenten Marx aus und er gedenkt mit besonders herzlichen Wor ten der anwesenden österreichischen Vertreter. Diese vom Par teitage wärmstens eiitgcgckigenomuielien Worte macht sich aucl) der inzwischen an das Präsidium berufene Adg- Gronowskh zu eigen, der ausspricht, daß der ganze Parteitag an» tiefster Seele die Freunde aus Oesterreich begrüße. Mit ovationsähn- lichen Kundgebungen begrüßt, trat dann BundeSrat Prälat Dr. Drexes-Wien, «m das Rednerpult, um in einer bedeutsamen, überaus eindrucksvollen Rede die innigen geistigen Beziehungen zwischen dem deutschen Zenirum und den österreichischen Christ- lichsozialen zu betonen. Er sprach den Wunsch ans. daß, diese Beziehungen zu einem festen Verhältnis führen, denn beide Par teien hätten dieselbe Aufgabe: den Staar wieder aufzrrbaurn! Das sei eine historische Aufgabe, und ohne Mitwirkung dieser Kräfte hüben und drüben sei dieses Werk gar nicht durchzufüh ren. Jetzt müßten beide zeigen, daß sie wirklich imstande sind, den Staat auö der Tiefe herauszuheben. Oesterreich ist ein demscher Staat, sein Volk ist ein Teil des deutschen Volkes. Wir müssen gegenseitig versuchen, uns das beste zu geben, weil wir die gleiche Aufgabe haben, wir müssen unL.,in einer geistigen Ge meinschaft zusammenfinden. Diese Ausführungen finden ein geradezu jubelndes Echo im ganzen Hanse, der Redner wurde immer wieder in stürmischen Zustiiiniienden Kundgebungen unterbrochen, und die österreichi schen Delegierten waren, wie am ersten Tage, wieder Gegenstand lebhafter Ovationen., Der Vorsitzende Gronowsky vat die Füh rer der chcistiichsozialcn Partei, ihren Anhängern in Oesterreich zu sagen, daß Millionen deutscher Herzen für Oesterreich schla gen. Der heute geschlossenen Verbindung gebe Gott seinen Segen. (Stürmischer Beifall.) Mögen Deutschlands Fahnen und Oesterreichs Farben uns den Weg zeigen, aus der Wirrnis her- auszuloinmen. Die beiden Völker werden leben, wenn sic das Vertrauen zu Gott und den Glauben an sich selbst nicht aus geben! (Gewaltiger Beifall.) Nachdem Pfarrer Ulitzta die oberschlesische Frage behan delt hatte, ergriff Reichskanzler Dr. Wirth das Wort zu längeren Ausführungen. Er erklärte zunächst, daß er nicht die Absicht habe, politische Darlegungen großen Stils zu machen. In den nächsten Tagen werde sich der Reichstag selbst mit der gcsantte» innen- und außenpolitische» Lage beschäftigen. Tie Gesamlrichtnng der Politik, an der daö Zentrum verant wortlich teilnchme und ieilgenommcn habe, sei vom Parteitag gebilligt worden. Mit Ahiviigunc, aller Berstnndesinöglichkeitcn sei die Politik des Reiches und unseres armen Bottes vorwärts« getragen wordcn. ES gebe freilich noch eine» anderen Weg, den Weg der Katastrophe, den, sich der Verzweiflung anheim z« geben. Der Weg der Verzweiflung und Katastrophe sei aber nicht Ziel und Li»» der Politik, sondern bedeute daS Ende der Politik. In keinen« Augenblick dürfe die ZenlruinLpartei aus parteipolitischen Erwägungen heraus sich vor der Verantwortung drücken. Nur unter den, Geist der Veraniworlnng könne man das. waö man christliche Weltanschauung nenne, inanifestiercn. ES möge ia sein, daß eine Politk, wie sie von der Verantwortung vorgeschrieben wird, manchem das Herz zusammcnkrampfen läßt, aber niemand möge glauben, daß eS Vergnügen bereitet habe, sich der Entente gegenüber zu beugen. Aber es wäre ein er bärmlicher Ausdruck deS ZenirumSgeistes, eine politische Linie zu vertreten, an deren Ende CbaoS und Katastrophe ständen. Er habe schon seinerzeit bei der Annahme deS Londoner Ultimatums gesagt, daß die weltwirtschaftlichen Folgen dieses politischen Diktats unseren Gegnern zur Last fallen. Die Frage war damit wirtschaftlich richtig avgeschätzt, »nd trohdem sei das Aa richtig gewesen, und e? müsse heute noch als richtig angesehen werden, weil da mals die gesamte Welt die Lage nur politisch »nd nicht wirt schaftlich gesehen habe. Er sei heute darüber unterrichtet, daß man sich auf der Gegenseite über die Höhe der Milliarden, die daS deutsche Volk zahlen soll und über die wirischafttiche Be deutung dieser Milliarden überhaupt nicht unterrichtet batte. Heute habe man in allen Ländern gelernt, was Goldmilliarden wulschaftiich überhaupt bedeuten. Ware das deutsche Volk in der Lage, alles buchst,'«blich zn erfüllen, dann würde, abgesehen rmn deutschen Schornsteinen, in der ganzen Welt kein Schlot rauche» tonnen. Wir müssen den Weg des letzten Jahres, soweit es menschenmög lich sei, wettcrgeben. Könne ma» »brr damit die große Kata strophe wieder gutmnchen, daß man das deutsche Volk, daS sich ritterlich gegen eine ganze Welt gewehrt und geschlagen habe, wie eine Zitrone nnSpresse, um es dann als ansgewischt «ins der Ge schichte beiseite zu lege»? Diese Ziironcnpolitik sei ein Schaden für die gesaniic Welt. Die Kaufkraft dcS deutschen Volkes zu sammen mit der Unfähigst der östlichen Völker müsse unter allen Umständen einen Weltbankrott hcrbciführeu. DaS Ziel der bisherigen Politik, das nn er ungchenren Opscrn aiigestrcbt wurde, daß man die Welt wieder wirt schaftlich sehe, rnß die Wirtschaft der ganzen Welt die Ber- stäiivigung der Menschen voransschc, haben wir erreicht, in den« wir den Leidensweg von London h-d Cannes gegangen sind. Genua stehe vor der Tiir. Der Gedanke habe sich Bahn gebrochen, daß «in» die Solidarität der Völker, zum mindeste» in wirtschaftlichen Fragen die große Katastrophe der Weltwirtschaft überhaupt verhindern könne. Diesen Gedanken habe die Zentrumspartei aufrichtig ver treten. Nur die Parteien, die Geduld haben, tonnte» die deutsche Politik meistern. Diejenigen, die da glaubten, man könne mit einer vornehmen Geste oder gar mit einem Parademarsch die Politik meistern, seien nicht berufen, Vorwürfe zu machen. Denen, die die Verantwortung mit übernehmen wollten, werde die Tür nicht zugemacht werden. Aber nicht der Weg theore tischer Erwägungen sei der richtige, uni große Koalitionen vorzubereiien, auch nicht die Bclvreclmiigcn von Parieivävften, sondern alte, die an einer Erweiterung der Regierung Interesse hätten, müßten sich für das große Problem der nächsten Tage inicressiercn, das sehr leicht die Fundamente für eine größere Regierung abgebe» könnte. Die Plattform, aus die man dabei trete, sei kein glatter Sawnboden, es sei mehr eine Art Folter, bei der man tu Löcher trere und bald in eine indirekte, bald in eine Besitz,stencr hineinaercttc. (Heiterkeit.) Eine Koalition aus breiter Basis müsse eine Negierung auf längere Sicht sein, wenn inan nicht Gefahr laufen tvolle, daß ein Teil ans Angst vor den Maßten sich dann bald wieder in di« Büsche schlage. Tie nächsten Tage steltcn nnS anßecordenttiche Ausgabe». Die Lösung von Ecinncö sei keine definitive. Die atlergrößte Frage, wie die Völker überhaupt unter den Neparcttionslnsten nebeneinander leben lallen, sei noch offen. Sic könne erst gelöst werden, wenn Ameritn sich wieder für Europa zn interessieren beginne. Als der Präsident der Bank von England dem Reichs- bankprusidenten mitteilte, daß unter solchen Zahlungsbedingungen, wie sie Deutschland anferlcgt seien, Kredite in England zu Re parationszwecke» nicht zu erbatten seien, sei der Moment, ff-» kommen, in dem das deutsche Volk seinem Gegner sagen konnte: „Prüft angesichts vieles bedeutungsvollen Spruches die LetstungSfühigkeit Deutschlands nach". Diese Prüfung sei »och nicht abgeschlossen. Sie werde binnen kurzem vollendet werken müsse». Aas wir serner brauch te», sei ein aufrichtiges Beteniitniö, daß cS uns iniierpottttsch ernst sei, die Finanzen des Reiches in Ordnung zu bringen. Bei der Ausstellung des FinanzprograinmS werde es sich zeige», ob die Zentrumspartei die große politische Partei sei. Auch in ihren Reihen fehle eS nicht an Gegensätzen über die Frage der Stenern. Aber die parteipolitische Befähigung werde sich darin zeigen, daß das Steuerkoinpromiß zustande komme. Ser es nicht möglich mit der Mehrheitssozialdemokratie zu dem Kompromiß zu kommen, so sei innerpolitisch die jetzige Poli tik gescheitert nnd eine neue Regierung mutz die Riesen ausgabe löse». Man werde sich aber nicht darauf eintalscn, durch eine sogenannte Regierungskrise zur Verwirrung der Geister bei- zutragen. Sollte die Regierung nicht imstande sein, mit den Parteien, die guten Willens sind, die Probleme zu lösen, so müsse sie in offener Feldschlacht im Plenum des Reichs tages gestürzt Herden. Intrigantentum werde das deut sche Volk nicht ins Freie führe», sondern nur auseichtige, ehrliche Arbeit auf allen Plätzen. Sollte das Zentrum etwa in die Opposition gedrängt werden, so heiße für diese Pciri.si Oppo sition nicht, draußen yernmzulci'.ijeii und die Landwirte gegen die Regierung ausznheien. Opposiiion heiße anch nicht, den Mittelsrand in eine verhängnisvolle Negation dem Staate gegen über hineinzutieiben, sonder» Oppvsitton heiße, die Regierung mit dem festen Millen zn bekämpfe", um meglichst schnell wieder in die Regierung hiueinznionlmeu, damit man eö bester machen könne. Politik treiben heiße sne das Zs»trum Opfer bringe», und zwar steuerlich wie politisch. Nach der nnge'realleu Ench'heidnng über Oberschtcsien habe er seinen dortigen Parieifreunden wieder holt erklärt, er sei nicht der Kanzler der Zeutru,»Spart, i, er wäre seinen Weg auch dann gegangen, wenn ibm die ZentrumSsraktiou nicht ihr volles Vertrauen geschenkt Hütte. Ta. Zentrum sei die Partei, die die deutschen Randgebiete wieder ,ni! den« nationalen Gedanken einer großen Einheit und Geschlossenheit e.-chlllea müsse. Kritik habe ihre Berechtigung, aber das Jahr ostc.se nicht mehr in dein Zeichen des unseligen PersoncatainpseS de-., letzten Sommers stehen. Der Dienst an Voll und Vcllerinno, dir Arbeit an seiner Freiheit, das sei für ihn n„o seine Partei Gottesdienst, das sei Christendieiist, das sei die große Liebe, die nicht nur das einzelne Volt an sich nnstnßt, sondern die auch in: Tie .stc dev Mensrhheii Gnies tun tvolle. Dem Kanzler wurden rauschende Kundgebungen zuteil, die sich minutenlang fvrtsetzen. Mit der Entgegennahme der Koiniittstiolisberichke und Be schlußfassung über die Anträge, so wie der Wahl des R eich sparte !- Vorstandes und Reicheparteian-jchnjseS wurde »ach einer Schluß- ai,spräche des Präsidenten der in jeder Hinsicht erfolgreiche Par teitag geschlosst». Akadermkertagmik aus Anlaß des Rerchsparteitages des Zentrums In einer Sondertagung der Akademiker an« Sonntag abend im PtcnarsihiingSsaal des Reichstages sprach Landlag«,bg, Professor Dr- Lauscher über das Thema „Der Aladerrnker und die neue Zeit" Redner führt aus: Bom Akademiker und der neuen Zelt soll ich zu dieser illustrer« Versammlung reden, wie wir Akcw demiter »ns mit dieser neue» Zeit abgesunoe» haoen, w>e «v.c zn ihr stehen, ob nicht vielleicht ein großer Teil von uns zn ihr? überhaupt noch kein Verhältnis oder jedenfalls nicht das richtige Verhältnis — nach unserer Auffassung — gefunden haben und was geschehen muß, daß es damit anders und besser wird, bevor es zur Aenderung und Besserung vielleicht zu spät geworden fein wird. Das möchte wohl die flüchtige Umrißzeichniing oes Fragenkreises sein, von dem Sie von nur ein osfenes Wort erwarten. Wenn in ineiueu Ausführungen der politische Gesichtspunkt stark in den Vordergrund tritt, so bedarf das hoffentlich keiner besonderen Rechtfertigung und wenn diese Rechtfertigung wider Erwarten verlangt werden sollte, dann glaube ich, gibt sie bis zu einem gewissen Grade dieser Saat schon selber. Im Sitzungs saal des Deutsche» Reichstags, auf den ja nun einmal die Po- liiik unwiderruflich ihre Hand gelegt hat, ist die Politik im Be sitzstand. Hier hat sie unantastbares HeimatSrecht, und davon, möchte ich im Namen der Politik ausgiebigen Gebrauch machen, find wenn diese Rechtfertigung nicht genügt, meine Damen und Herren, dann glaube ich. würde eine vollkommen ausreichende und überzeugende Rechtfertigung in dem Anlaß liegen, der uns hier zusammengesührt hat. Diese Akademiker-Versammlung und mein Vortrag fügen sich ja als bescheidenes Teilstück ein in die große Gesamtveranstaltung des Neichsp. r eftaocs der Tenfictzen gen- trumöpartei, also eine ausgesprochene pvliiischc Veranstaltung. Aus der anderen Seite darf und will ich nun allerdings nicht außer acht lassen, daß die politische Einstellung und Betätigung nur der Ausdruck und die Auswirkung der geistigen und ethi schen Gesamtstruktur des Menschen zu sein pflegt. Die poli tische Haltung und die politische Aktion ist ihrer Natur nach etwas Sekundäres, etwas Peripherisches, sie kann nur verstanden wer den und sie kann vor allen Dingen nur richtig nnd wirksam be einflußt werden, wenn man znrückgeht ans ihre Gesinnnngs- grnndMge. Ich will das niit allem Freimut tun. Der Anbruch der neuen Zeit ist bezeichne! und besiegelt durch Deutschlands Zusammenbruch. Der letzte Akt dieser Schick salstragödie eines »ach beispiellos schnellem Aufstieg in jähem Sturz in die Tiefe geschmeiterlcn Volkes war di« Revolution, die 2L Fürstendiädcme zerbrach und die im Reich und den Ein zelstaaten an Stelle der, wie es scheint, mit der heroischen Sie- schichte unlösbar berbundenen Monarchie die Republik gesetzt hat. Diese Republik hat in diesen Ländern überall ihr' ver- fassungSmäßsgc Sanltionicrnng nnd Sicherung gesiindcn, sie. hat dadurch zn ihrem bis dahin bloß faktischen auch rechtlichen Bestand gewonnen. Das ändert nun natürlich nichts an der geschicht lichen Tatsache, daß die Revolution selbst, der ttmsturz, das Pro dukt einer gewaltsamen nnd ungesetzlichen Aktion gewesen ist. Dieser Umsturz er'cheint, rein äußerlich gesehen, als das Werk eines Häufleins rebellischer Matrosen, das wahrhaftig nicht be rufe» und befugt war, im Namen des dentsthen Bottes zu handeln. Und was an diese Elemente sich anschkoß, war wiederum ein« kleine Minderheit, der gleichermaßen jede Legitimation cibge- sprochen werden muß, Im Name» de.S deutschen Volles zn handeln und aufzuireten. Denn es muß sestgestellt werden, daß die Mehr heit s s o z i a ld e m o k r a t t c die Revolution ur sprünglich nicht gewollt hat. Es ist ja richtig, daß der mehrheitssozicitistische Führer Scheidemami von der Terra'se des Reichstags ans die Republik anögeruseil hat, aber erst als er sich vergewissert hatte, daß die Bewegung nicht mehr cinfzuhrllten sei, und er hat es gelan, um seiner Partei die Führung zu sichern in der Bewegung, die ihr zu entgleiten drohte. Und warum war diese Bewegung nicht mehr auszu Hallen, warum rührte sich tatsächlich keine Hand zum Schutz der Monarchie? (Sehr richtig!) Warum wagte sie selber keinen Widerstand, warum nicht einmal einen Appell an das Volt? Warum ist die Monarchie gefallen genau wie ein unreifer Apfel vom Baum fällt? Sie war eben lange »nterwühlt nnd unterhöhlt, bevor die Katastrophe über sie hereinbrach. Sie war unter,vühlt und nnterhöhlt nicht nur dadurch, daß die größte politische Partei in Deutschland ihr grundsätzlich ablehnend gegenübecsllind und daß sich der Zustand herausgebildet batte, daß diese stärkste politische Partei von einer aktiven Teilnahme am Staat-Sieben und den Staatsaufgabe» fern« gehalten wuror, sondern anch dadurch, weil die Monarchie schon vor dem Kriege ein großes Kapital moralischen und pokiiistven Kredits verwirtschaftet hatte. Ich hebe das in aller Objetlioirät hervor: Eine Polemik gegen die Monarchie liegt nur durchaus scr», nnd ich muß sagen, ich habe immer mit Mißbehagen emp- , siuiden, wenn in eine unsachliche pietätlose Kririk der Monarchie cingetreteu wird, nachdem die tatsächliche Schuld doch i» coahrhaft tragischer »nd erschütternder Wei'e durch ein Harles Geschick ge büßt und gesühnt worden ist- Run lam zn allem die furchtbare Katastrophe der Niederlage, ans die das deutsch.' Volk seelisch in keiner Weise vorbereitet war. Man hatte das Volk mit SiegeS- hoffmmgen bis zuletzt getäuscht, man hatte ihm den wahren und wirklichen Ernst der Lage verheimlicht. Man batte bas getan, um die Nation intatt zu halten. Man batte dabei übersehen, daß die^Wirkung des mißlichen OsfenbarwerdenS der Wirtlichkeit dann uni so sürchlerlicher und vernichtender werden mußte, i» dem Maße als sie überraschender »nd unerwarteter sich emstellte. (Lebhafte Zustimmung). Die Wirklichkeit brach zermalmend wie ein Lawinensturz über die Volksseele herein. Das deutsche Volk stand vor der Alternative „Sein oder Nichtsein", und cs begreift sich a«
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